Interview mit Dom R. Crey von Nothgard

Etwa ein Jahr ist „Malady X„, das vierte Album der deutschen Melodic-Death-Metaller NOTHGARD, nun alt. Sowohl Fans als auch uns konnte die Platte überzeugen, sodass wir mehr darüber wissen wollten. Beim Ragnarök Festival 2019 sprachen wir nach dem NOTHGARD-Auftritt mit Frontmann Dom R. Crey über das neue Album, aber auch über das Festival, die musikalische Vergangenheit der Band und Spoiler zur TV-Serie „Vikings“…

 

Ihr habt euren diesjährigen Auftritt beim Ragnarök Festival nun schon hinter euch und es war nicht euer erster hier. Welche persönliche Verbindung habt ihr zu diesem Festival – oder anders gefragt: Was schätzt ihr daran besonders?
Die letzten acht Jahre etwa war ich jedes Mal hier, unter anderem mit verschiedenen Bands, ich hatte früher bei Wolfchant gespielt und jetzt bei Equilibrium und NOTHGARD. Diese Bands haben sich immer abgewechselt, man spielt ja nicht immer wieder mit ein- und derselben Band. Deswegen ist mir das Festival sehr vertraut, ich mag das Festival auch. Mittlerweile kennt man natürlich auch die Veranstalter, ganz klar. Und was ich persönlich sehr schätze: Viele der Crewleute kennt man jetzt fast ein Jahrzehnt und das ist einfach was Besonderes. Es macht schon Spaß, hierher zu fahren. Ich bereue es heute fast, dass ich gleich nach dem Interview und der Signing Session nach Hause fahre. Geht leider dieses Mal nicht anders, ansonsten waren wir immer das komplette Wochenende hier.

Damit ist die nächste Frage zum Teil eigentlich schon beantwortet, und zwar: Seid ihr „nur“ als Band hier, oder eben auch privat, um euch andere Gruppen anzusehen?
Fifty-Fifty. Zwei von uns fahren jetzt gleich wieder, weil wir noch einen längeren Weg haben und morgen ein wichtiger Termin ist, aber ein Teil bleibt auch hier. Die Bayern-Fraktion, wir kommen ja ursprünglich aus Bayern, bleibt hier, weil es sich einfach anbietet. Ich würde auch gern hierbleiben und wir machen das normalerweise auch privat, wenn sich das organisieren lässt.

Welche der diesjährigen Bands sprechen euch da besonders an?
Gute Frage. Ich stehe persönlich sehr auf Melodic Death Metal. Aus persönlichen Gründen Ensiferum, weil die Jungs einfach super drauf sind, aber natürlich auch Agrypnie und so weiter aus persönlichen Gründen.

Auf dem Ragnarök Festival ist, wie der Name schon sagt, ja sehr stark der Pagan- bzw. Viking Metal vetreten, auch was die Atmosphäre mit Metständen, Wikinger-Kostümen etc. angeht. Mit eurem ersten Album „Warhorns Of Midgard“ wart ihr durchaus auch in dieser Sparte zu verorten. Was hat euch damals besonders daran gereizt?
Generell muss man sagen, dass ich als Komponist und Textdichter schon immer sehr geschichtsinteressiert war, das hat sich auch nicht geändert. Damals war es einfach so, da waren diverse Sachen, viele Besuche in Skandinavien, Bekanntschaften mit Bands dieses Genres und mir hat zu diesem Zeitpunkt dieses ganze Flair einfach gefallen. Ich sage auch nicht, dass es mir nicht mehr gefällt, aber bei NOTHGARD ist die Devise beim Komponieren der Songs immer: Ich muss mir selbst treu bleiben. Und irgendwann habe ich für mich entschieden, dass es natürlicher ist, Musik zu schreiben, die etwas moderner ist, die mehr aus diesen Folk-Melodien rausgeht. Es war nicht so „Wir möchten jetzt kein Teil der Pagan-Szene mehr sein“, das hat damit überhaupt nichts zu tun. Aber für mich ist es wichtig, da Musik mein Lebensinhalt ist, dass ich immer zu 100% dahinter stehen kann, was ich mache. Ich freue mich immer, wenn wir alte Songs spielen. Aber vor allem das letzte Album war auch sehr modern und das ist einfach, wie wir uns momentan fühlen und wir würden auch gerne vor allem in textlicher Hinsicht lieber über Themen berichten, die aktuell sind. Es passiert so viel Scheiß auf der ganzen Welt, da muss ich nicht wieder etwas weichkauen, was schon tausendmal weichgekaut wurde. Und ich finde, es gelingt uns als Band besser, wenn wir das in der Art von Musik machen, die wir aktuell umsetzen.

Könnt ihr euch trotzdem vorstellen, musikalisch und vor allem eben textlich mal wieder etwas in Richtung „Warhorns Of Midgard“ zu machen, oder sind diese Zeiten für euch wirklich völlig vorbei?
Unter aktuellen Umständen sind die natürlich vorbei, wir werden jetzt nicht mit dem nächsten Album wieder eine Kehrtwende machen und alles umdrehen, das wird nicht passieren. Aber wenn uns wieder der Sinn danach steht, dann spricht da nichts gegen. Wie gesagt, die Musik muss sich immer richtig anfühlen und wenn die das macht, dann kann das durchaus wieder der Fall sein.

Dann kommen wir auf „Malady X“ zu sprechen und gehen vielleicht von außen nach innen vor. Zum Artwork: Was stellt es konkret dar und welche Idee steckt dahinter?
Ey, du fragst mich Sachen (beide lachen). In einem Satz kann ich das nicht konkret beantworten. Das Ganze ist ein ziemlich umfangreiches Konzept. Ausgangspunkt war folgender, dass ich mir überlegt hab, was passiert um mich rum? Mich haben so viele Sachen einfach angekotzt. Und ich hab den Eindruck, wir leben in einer Gesellschaft, die immer mehr verroht. Man sieht das in Social Media, man sieht das allgemein, wir verlieren immer mehr am Menschlichsein. Ich hab mittlerweile eine sehr negative Einstellung gegenüber vielen Personen, weil keiner mehr die einfachsten Werte beherzigen kann. Dann stehst du morgens auf, machst das Handy an und könntest schon wieder kotzen, weil hier eine Bombe, da ein Krieg religiöser Art, dort ein Krieg wirtschaftlicher Art. Da denke ich mir: „Das ist ja wie eine Krankheit“. Wir, und mit „wir“ meine ich die komplette Menschheit, machen uns selbst so kaputt, und nicht mal in seinem kleinsten Umfeld kann man sich noch wohlfühlen teilweise, weil die Leute Respekt an allem verlieren. Und das hat mich inspiriert, das ganze „Malady“ zu nennen, also Krankheit. Und „X“ kommt von einer Theorie, die „Disease X“ heißt: Das ist eine Art Krankheit, die unsere Wissenschaftler vermuten oder von der sie wissen, dass es sie gibt. Man weiß aber nicht, woher die kommt, man weiß nur, dass sie vom Menschen gemacht ist und man weiß auch nicht, sie zu heilen. Und am Ende besagt diese Theorie, dass wir alle daran erkranken. Und das haben wir versucht, auf dem Cover darzustellen mit dieser einen gottgegebenen Figur, die über allem steht. Denn jede Person, so habe ich den Eindruck, denkt teilweise, sie steht über allem. Ob das jetzt Politiker oder Einzelpersonen sind, es ist einfach nicht mehr normal. Wir sind doch alle im Prinzip gleich, keiner ist besser als der andere. Und deswegen diese eine Person, die alles diktiert und aber auf einem Knochenhaufen steht, weil sie über Leichen geht. Und dann hast du im Hintergrund dieses sehr prunkvolle Ambiente, was eben von diesem Kontroversen zwischen unserer industrialisierten Welt im Vergleich zu Dritte-Welt-Ländern zeugt. Das sind Menschen wie du und ich. Ich will jetzt auch gar nicht auf die Schiene mit „Links“ und „Alle Ausländer sind cool“ und so weiter hinaus, darf auch nicht so rüberkommen. Aber im Prinzip gefallen mir einfach sehr viele Faktoren, die in unserer Gesellschaft oder in vielen Gesellschaften momentan passieren, einfach gar nicht und das war die Inspiration dazu. Da denkt man sich, lieber bleibe ich den ganzen Tag zu Hause, bevor ich auf den nächsten Vollidioten treffe (lacht).

Und das ist dann auch der Hintergedanke, der hinter dem gleichnamigen Song steckt, oder?
Genau, man sieht das in dem Video ja auch ganz gut: Die Kinder spielen mit Waffen, man verroht einfach, die einen fressen sich den Wanst voll, die anderen verhungern, und so weiter. Das ist einfach nicht mehr in der Waage.

Stehen die Songs inhaltlich jeweils für sich, oder gibt es eine Art Konzept oder sogar durchgehende Geschichte, die das Ganze zusammenhält?
Das ist relativ simpel erklärt: „Malady X“, wie ich es erläutert habe, ist das Grundkonstrukt und jeder Song hat einen gewissen Anteil an diesem Grundkonstrukt und beschäftigt sich mit seiner eigenen Thematik. Es ist aber nicht so, dass der eine Song auf dem anderen basiert. Aber dieser Grund-Vibe herrscht in allen vor, auch sehr persönlich. Da war jetzt nichts mehr erfunden, sondern es sind sehr viele erlebte Sachen, die sehr nahe Verwandte, Bekannte und so weiter erlebt haben, und das wird in den Songs verbaut.

Welcher der Songs bringt das, was ihr mit dem Album sagen wollt, inhaltlich am besten zum Ausdruck und warum?
Der Titeltrack (beide lachen). Warum? Er ist eher als schweifende Klammer zu sehen, er beschreibt das komplette Album in Gänze und definiert genau das, was ich gesagt habe, mit der ganzen Verrohung und so weiter.

Einer der ganz besonderen Songs ist „Daemonium I“ , der von einem sehr prominenten Namen unterstützt wird, nämlich Noora Louhimo von Battle Beast am Gesang. Wie kam es denn zu dieser Kollaboration?
Letzten Endes war es so, ich hab einen Song mit tragendem Piano geschrieben und mit gedacht „Wenn ich jetzt da nur rüberschreie, versaut es den Song“. Dann saßen wir an Silvester 2017 da und haben Battle Beast gehört und da hab ich gesagt, die wäre perfekt für genau den Song. Dann haben wir sie einfach gefragt. War relativ easy, E-Mail geschrieben, ihr den Song geschickt, der hat ihr sehr gefallen und dann haben wir das gemacht.

Aber ihr habt euch jetzt nicht persönlich dafür getroffen?
Tatsächlich habe ich Noora noch nie persönlich getroffen. Man ist sich schon mal auf einem Festival über den Weg gelaufen, aber es war jetzt keine innige Freundschaft oder so.

Dürfen wir denn auf dem nächsten NOTHGARD-Album wieder einen prominenten Gastsänger erwarten? Hast du da schon Ideen dazu?
Also noch keine konkreten Ideen, aber wir hatten ja schon immer auch bekannte Persönlichkeiten dabei. Wir hatten auch dieses Mal wieder Jen Majura von Evanescence oder Jeff Loomis von Arch Enemy. Ich denke, da wird sich auf jeden Fall wieder was finden.

Dann würde ich das Interview gerne mit unserem traditionellen Metal1.info-Brainstorming beenden. Was fällt dir denn zu folgenden Begriffen ein?
Amon Amarth: Viking.
Die TV-Serie „Vikings“: Hab ich gern gemocht, bis Ragnar gestorben ist.
Spoiler!
Ist schon alt (beide lachen).
Game Of Thrones: Habe ich irgendwann den Faden verloren und die neue Staffel gucke ich nicht.
Neues Battle-Beast-Album: Geil.
Psychologie: Interessiert mich sehr.
Metal-Kutte – ja oder nein? Kommt auf den persönlichen Style an, ich hab keine, passt nicht zu mir habe ich selber festgestellt. Wenn es zu einem passt, sehr cool.

Dann überlasse ich dir die letzten Worte. Was möchtest du unseren Lesern und euren Hörern noch gerne mit auf den Weg geben?
Zieht euch das Interview auf jeden Fall rein. Wenn ihr „Malady X“ und unsere Vorgängeralben nicht kennt, hört gerne mal rein, gibt es ja mittlerweile alles bei Spotify, Youtube etc., auch Musikvideos, wer etwas Visuelles braucht. Und wer weiß, vielleicht gefällt es ja dem einen oder anderen, wir freuen uns über jeden, der Spaß an der Mukke hat. Vielen Dank!

Publiziert am von Pascal Weber

Dieses Interview wurde persönlich geführt.

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