Black Metal mit todesmetallischem Einfluss ist kein Novum mehr, gelingt jedoch nicht in jedem Fall so gut wie bei den Schwerinern NOSTURAACK, die mit „ILSOMR“ ein nicht makelloses, aber doch gelungenes Debüt vorgelegt haben – wir wollten mehr wissen und so informieren uns NOSTURAACK gemeinsam direkt aus dem Proberaum über musikalische Einflüsse, den Umgang mit positiver und negativer Resonanz sowie die Bedeutungen hinter den Lyrics des Erstlingswerks.
Hi und danke, dass ihr euch die Zeit für das Interview nehmt. Den meisten unserer Leser dürftet ihr noch kein Begriff sein, daher würde ich euch bitten, die Band und eure Musik zunächst einmal vorzustellen.
Moin und danke auch. Wir, NOSTURAACK, sind fünf Leute aus unterschiedlichen Städten, die sich von Zeit zu Zeit in Schwerin treffen, um zusammen Musik zu machen.
Woher kommt der Name „NOSTURAACK“, was bedeutet er?
„NOSTURAACK“ ist ein Anagramm aus den Namen der Gründungsmitglieder. Von diesen ursprünglich fünf Personen sind heute noch drei dabei.
Ist NOSTURAACK euer einziges Projekt oder sind einige eurer Musiker auch in anderen Bands oder Projekten beschäftigt?
Ja, einige von uns sind auch außerhalb von NOSTURAACK aktiv. Gitarrist Oz ist ebenfalls bei der Black-Death-Band Fleshcult aktiv, Gitarrist Rick/Arillus hat zwei Soloalben unter dem Pseudonym Forseti veröffentlicht – nein, nicht die Neo-Folk-Band – und veröffentlichte seit der Umbenennung in Arillus ein weiteres Soloalbum. Er spielt außerdem Bass in der Kieler Band Gravehammer.
Ihr beschreibt euch selbst als Melodic-Death/Black-Metal-Band. Ich persönlich höre in erster Linie Black Metal heraus – worin seht ihr die stärksten Melodic-Death-Einflüsse in eurer Musik?
Diese Genre-Bezeichnungen sind für uns keineswegs absolut. Sie dienen ja heutzutage als Tags bei der Websuche vor allem potentiellen Fans zum Finden ihrer bevorzugten Musik. Bei fünf Leuten könnte man eine sehr lange Liste mit Bands erstellen, die wir regelmäßig hören oder früher mal gehört haben (darunter wohl auch so manche Jugendsünde aus heutiger Sicht). Sicherlich hat uns alles Mögliche mehr oder weniger im musikalischen Werdegang beeinflusst. Das geht von sogenannter „alter Musik“ und Jazz über 70er-Rock bis hin zu den Dingen, die heute in der Musiklandschaft zu finden sind und darüber hinaus. Beim Musizieren gibt es aber (für uns) keine genrespezifischen Vorgaben. Wir machen einfach, worauf wir Lust haben und scheren uns nicht so sehr darum, ob das, was am Ende rauskommt, besonders gut in Schublade x oder y passt.
Gehen wir dennoch noch etwas konkreter auf den Black-Metal-Aspekt ein: Im Gegensatz zu vielen Bands, die ihre Version des Black Metal mit Stilkonkretisierungen wie „Post-“ oder „Avantgarde-“ versehen, gehört ihr zu den Gruppen, die das Genre relativ traditionell aufleben lassen. Wie steht ihr zu Bands, die traditionelle Genres wie den Black Metal, aber auch andere Spielarten, durch experimentelle Einflüsse erweitern?
Unter dem Tag Black Metal findet man wahrlich diverse Spielarten und regelrechte Lagerbildung zwischen eher konservativen und eher innovativen Vertretern. Natürlich hat beides seinen Reiz: Fast jeder hat ein Paar (oder auch ziemlich viele) Lieblinge aus den 80er oder 90er Jahren und empfindet eine gewisse Begeisterung, wenn eine Band von heute versucht, diesen Geist wieder aufleben zu lassen. Dennoch: Wer nicht gerade in einer Coverband spielt, schafft immer etwas Eigenes und potentiell etwas Neues. Das kann großartig sein oder es bleibt bei einem bescheidenen Versuch… Musizieren ist immer auch ein Experimentieren. Ohne diese Dynamik, ohne diesen Dialog zwischen traditionellen Elementen und neuem Ausloten der Grenzen wäre der Metal und im speziellen der Black Metal tot.
Sängerinnen sind in extremen Metal-Spielarten wie eben dem Black- und Death Metal nicht allzu häufig, ihr habt mit Zoi eine sehr fähige Vokalistin am Mikrofon. Stand es von Anfang an fest, dass die Band eine Sängerin haben soll, oder war das etwas, das sich willkürlich ergeben hat?
Danke für das Kompliment. Als unser (inzwischen verheiratetes) Paar Zoi und Schaacki anno 2007 die Band als gemeinsames Hobby gründeten, stand für Schaacki sofort fest, dass Zoi den Gesang übernehmen sollte, weil er von dem Klang der damals noch raren Sängerinnen im extremen Metal-Bereich sehr beeindruckt war und darin etwas Besonderes und Eigenes sah.
Wir wollen selbstverständlich nicht hoffen, dass das jemals ein Thema wird, aber nehmen wir mal hypothetisch an, Zoi und der Rest der Band würden getrennte Wege gehen – wie würdet ihr bei der Suche nach einem Ersatz vorgehen? Würdet ihr bewusst wieder nach einer Sängerin suchen oder wäre für euch auch denkbar, dass ein männlicher Sänger den Posten übernehmen würde?
Mit Oz und Rick haben wir durchaus fähige Sänger in der Band. Falls so ein Tag kommen sollte und wir uns von Zoi trennen müssten, wäre es denkbar, dass einer von ihnen den Posten übernimmt. Ansonsten wäre es definitiv keine Frage des Geschlechts, sondern lediglich eine Frage des Klangs. Dieser muss mit der sonstigen Musik zusammenpassen.
Dann kommen wir doch auf „ILSOMR“, euer durchaus als gelungen anzusehenes Debüt-Album, zu sprechen. Aller Anfang ist schwer, so sagt man – war es für euch eine große Herausforderung, von reinen Musikhörern zu Musikern voranzuschreiten, die an ihrer ersten Platte arbeiten?
Eigentlich nicht. Seit wir Instrumente in der Hand haben, schreiben wir eigene Songs. Viele der Stücke sind schon etwas älter und die Diskographien der anderen Projekte, in die einige von uns involviert sind, zeigen, dass Musikhören und Musikmachen stets Hand in Hand gingen. Dass eine Veröffentlichung von uns so lange auf sich warten ließ, hat eher andere Gründe: Unsere Einstellung zu dem Thema hat sich im Laufe der Zeit geändert. Sowohl unser eigenes Interesse als auch das der Fans an einer Veröffentlichung wuchs mit der Zeit. Zusätzlich spielte auch der Faktor ‚Besetzung‘ eine Rolle. Erst mit dem passenden Line-up war es uns möglich, die Energie und Zeit in eine Produktion zu stecken, die am Ende auch den Vorstellungen aller Bandmitglieder entsprach.
Wie wird das Album bisher von der Presse aufgenommen? Seid ihr mit dem Feedback zufrieden und fällt es euch gelegentlich auch schwer, mit negativer Kritik umzugehen?
Bisher erfahren wir überwiegend positive Rückmeldungen. Ein paar kritische Töne waren aber auch dazwischen und den perfekten Wurf hat uns noch keiner attestiert. Negative Kritik gehört ganz einfach dazu. Wenn alle einer Meinung wären, gäbe es ja auch gar keinen Dialog. Es ist auch nicht unser Ziel, den Kritikern zu gefallen, aber durch die Kritiken sowie durch Feedback generell gelangen wir zu einer anderen Perspektive auf unsere Musik, und das kann durchaus ein Gewinn sein. Innerhalb von NOSTURAACK geht jeder etwas anders mit Kritik und Rezensionen um. Letztlich sind diese wohl auch für die Fans sehr viel interessanter als für uns selbst.
Wie wichtig sind die Texte für euch? Welche Themen habt ihr für die Platte ausgesucht und warum sind sie es, die ihr den Hörern näherbringen wollt?
Die Texte sind inhaltlich wie auch klanglich untrennbar mit der Musik verbunden. Sie transportieren die Stimmung, die durch die Musik bereits festgelegt ist und verstärken diese. Musik und Text sind also gegenseitig voneinander abhängig.
Thematisch ist das Album vielschichtig, und zwar nicht zuletzt, weil die Songs unterschiedlich alt sind und von unterschiedlichen Bandmitgliedern geschrieben wurden. Dem Hörer bieten sich damit Momentaufnahmen von Gedanken oder „mental remains“, die charakteristisch sind für die Zeit, in der wir leben: Zwischen wahr und falsch, gut und böse, Wahn, Fiktion und Wirklichkeit präsentiert sich alles jenseits dieser klaren Kategorien als dieses Chaos, das der Mensch ist.
Mit „Atomare Zerfallsrate“ befindet sich ein deutscher Titel auf dem Album, dennoch sind alle Texte in Englisch verfasst. Warum für den Song dieser Name in der Muttersprache?
Es war intuitiv das Erste, was mir einfiel, als ich diesen Song geschrieben habe und passt meinem Empfinden nach einfach perfekt zu der Stimmung, die Musik und Text erzeugen. Der Titel kann als Metapher für die Zeit oder eher noch das Verstreichen ebendieser verstanden werden. Ganz egal, was uns eine Uhr anzeigt: Dass Zeit relativ ist, sagt uns nicht erst Einstein, sondern auch schon unser subjektives Zeitempfinden. So erscheinen uns Jahre innerhalb eines Wimpernschlags zu vergehen oder – um den im Text vorkommenden kosmischen Vergleich zu bemühen – die Milliarden Jahre eines Sternenlebens wie ein einziger Herzschlag. All das sowie die damit verbundene Implikation unseres unausweichlichen Endes fasst der Titel für mich zusammen. Natürlich könnte man ihn übersetzen, aber das Gefühl und die Assoziationen wären nicht identisch. (beantwortet von Rick, Verfasser des Songs, Anm. d. Red.)
Gab oder gibt es die Überlegung, auch Texte in anderen Sprachen wie Deutsch zu verfassen?
Dem stehen wir grundsätzlich offen gegenüber. Es ist vor allem eine Frage dessen, was die Stimmung des jeweiligen Songs verlangt oder was sie ermöglicht.
„ILSOMR“ ist noch jung und soll noch von einer größeren Hörerschaft entdeckt werden. Gibt es vielleicht dennoch schon Vorstellungen, wie ein Nachfolger klingen könnte? Was, meint ihr, würde sich auf einer nachfolgenden Platte konkret vom Debüt unterscheiden?
Wir arbeiten bereits an neuem Material und erproben dieses auch live. Es lässt sich allerdings nur schwer beschreiben, was man doch eigentlich nur anhören kann und insbesondere für einen Vergleich mit unserem aktuellen Album oder für Prognosen ist es wohl noch zu früh. Zu Meinungen und Impressionen – dazu fragen wir nach der Veröffentlichung am besten die Kritiker (grinst).
Auf YouTube lassen sich auch Live-Videos von euch finden. Gibt es Pläne, die Live-Präsenz der Band noch zu verstärken?
Zumindest versuchen wir in regelmäßigen Abständen Live-Darbietungen zu geben. Unser nächster Termin ist am 15.09.2017 in Berlin im Blackland, u.a. mit Invoker.
Damit nähern wir uns auch dem Ende des Interviews, das ich gerne mit unserem traditionellen Metal1-Brainstorming beenden würde. Nennt mir einfach, was euch so zu diesen Begriffen einfällt:
Darkthrone: Axt – too old, too cold
Skandinavien: Silk, lina laukar, Urlaub
Videospiele: The Witcher (fuck yeah!), Diablo-Reihe, Mario Kart
Merchandise: in Arbeit
Philosophie: Physik, Mathematik
Bier oder Wein?: egal, gib’s in allem viel Legger drin
Nochmals vielen Dank! Die letzten Worte gehören euch – was würdet ihr euren Hörern und unseren Lesern gerne noch mitteilen?
Vielen Dank für das Interview und dein Interesse. Wir sehen und hören uns auf den Konzerten.