Interview mit Essark von Nocturne

Mit ihrem selbstbetitelten Debüt haben NOCTURNE 2016 ein prächtiges Melo-Black-Album vorgelegt. Schon ein Jahr später folgt darauf „The Burning Silence“, der nicht minder epische, hymnische Nachfolger. Im Interview mit Leadsänger Essark könnt ihr nun zusätzlich Genaueres darüber lesen, welche vielfältigen lyrischen Einflüsse in die Platte Einzug gehalten haben, was es mit dem unerwarteten Ultravox-Cover am Ende des Albums auf sich hat, weshalb das einstige Duo nun doch zu einem Quintett geworden ist und warum das bisher beste Konzert der Band vor gerade mal 15 Leuten stattgefunden hat.

Euer Debüt „Nocturne“ erschien 2016, nun legt ihr bereits mit „The Burning Silence“ nach. Wie habt ihr es geschafft, so schnell ein zweites Album zu schreiben und zu veröffentlichen?
Nun ja, wenn man sich unsere Vita ansieht, wird man erkennen, dass wir eigentlich eine lange kreative Vorbereitungsphase gehabt haben, denn seit der Gründung im Jahre 2006 bis 2013 zum Erscheinen des ersten Demos „Nahash“ haben wir viel Zeit gehabt, zu arbeiten…. und daher entsprechend auch einige Ideen bereits in der Hinterhand gehabt. Da eigentlich für mich, Musik zu schreiben, ein permanenter Prozess ist, beginnen die Arbeiten zum neuen Album gerade wieder.

Zuletzt sagtet ihr, dass ihr plant, ein Duo zu bleiben und mit Stefan Traunmüller als Sessionmusiker für die Albumaufnahmen weiterzumachen. Jetzt seid ihr aber doch ein Quintett geworden. Wie kam es dazu?
Das stimmt auch so. NOCTURNE war von mir als Studioprojekt geplant, weil geeignete Mitstreiter schwer zu finden waren, sowohl was das Musikalische als auch die private Ebene betrifft.
Irgendwann hat sich aber intern die Meinung durchgesetzt, dass unsere Botschaft, die wir in unseren Texten und Musik ausdrücken, nur auf ein breiteres Publikum treffen kann, wenn wir auch am Live-Sektor präsent sind. Glücklicherweise sind unsere Songs auch sehr „konzertkompatibel“. (lacht)
Ich denke, mit Kharn, Isiul und Martyr haben wir einen Goldgriff getan und es entsteht immer eine eigene Atmosphäre, wenn man mit ihnen auf der Bühne stehen kann… Die schwarze Energie fließt.

Wird sich dadurch auch etwas an eurem Songwriting ändern?
Vielleicht marginal. Der Songwriting-Prozess selbst wird größtenteils weiterhin bestehen bleiben, wie es bisher war…

Inwiefern hat sich die Veröffentlichung von „The Burning Silence“ von der eures Debüts unterschieden, in Bezug auf das ganze Prozedere und darauf, wie es euch damit gegangen ist?
Wir haben uns diesmal entschlossen, alles im uns mittlerweile sehr vertrauten Soundtempel Studio mit Stefan Traunmüller aufzunehmen, bei unserem Debüt haben wir ja das Schlagzeug woanders eingespielt gehabt. Ansonsten gab es nicht viele Unterschiede, bis darauf, dass das Mastering diesmal von Dan Swanö übernommen wurde.

Im Großen und Ganzen habt ihr euren charakteristischen Stil beibehalten. Allerdings klingt der Gesang nun etwas weniger chorhaft und dadurch meiner Meinung nach greifbarer und profaner. Was hat es damit auf sich?
Wenn Du den Klargesang jetzt meinst, so ist der entsprechend der Stimmung des Songs angepasst. Manchmal passt eben besser etwas Chorartiges, wenn man gewisse Formeln in den Vordergrund spielen will. Aber es stimmt, diesmal ging es ein wenig mehr in die „Refrain-Richtung“.

Gibt es aus deiner Sicht noch etwas, worin sich „The Burning Silence“ von seinem Vorgänger signifikant unterscheidet?
Ich denke die ganze Produktion ist ausgereifter… das Songwriting, der Sound, die Stimmung ist etwas kälter geworden. Dazu passt auch sehr gut unser Cover-Artwork, welches nach meinen Ideen von Khaos Diktator Design wunderbar umgesetzt wurde.

Ich gehe davon aus, dass ihr euch lyrisch erneut mit Chaos-Gnostizismus auseinandersetzt, richtig? Was genau ist denn die brennende Stille?
Wir setzen uns nicht generell nur damit in unseren Texten auseinander. Wir haben es uns zum Ziel gesetzt, die gesamte Bandbreite der Dunklen Kraft in unser lyrisches Schaffen einfließen zu lassen, was auch viel mit den Quellen zu tun hat, mit denen wir arbeiten. So gibt es auf diesem Opus auch diesmal wieder Themen aus der mesopotamischen Dämonologie, ein Song handelt vom islamistischen Dualismus Iblis/Allah, kabbalistische Einflüsse, der Sitra Ahra und dem Chaos-Gnostizismus sowie traditionelle Texte, wie sie aus einem einfach herausbrechen können.
Unser Titelsong „The Burning Silence“ beschreibt den Zustand, in dem sich eine Person befindet, die sich mit der Dunklen Seite vereinen will, um Antworten zu erhalten, die jedoch nie gegeben werden. Daraufhin wird der Tod als letzter möglicher Ausweg gesehen, um in einer anderen Dimension dieses Ziel zu erlangen. Frei nach Jon Nödtveits Aussage: „Der Tod ist der Orgasmus des Lebens.“

Inwiefern beleuchten die Texte auf eurem neuen Album andere Aspekte des Chaos-Gnostizismus als jene auf „Nocturne“?
Was den Chaos-Gnostizismus betrifft, so ist hier eine Fortsetzung und Erweiterung der Aspekte der Zahl 11 mit dem Titel „Thrones Of Edom“ auf dem neuen Album u.a. zu konstatieren. Es gibt eigentlich keine Themen, die für sich alleine stehen, z.B. ein Text über Chaos-Gnostizismus, ein anderer über Zahlenmystik oder Dämonologie… Es erscheinen während der magischen Arbeit immer wieder Querverbindungen und Parallelen, viele Aspekte verschmelzen mit- und ineinander. Beispiel ist hier z.B. der Text von „Thrones Of Edom“: In diesem Song geht es um 11 Throne, die 11 Königen gleichzusetzen sind. Mit dem angedeuteten Selbstmord im Text soll eine neue Generation (Generation 975) entstehen, die die Urwelt der 11 Könige wiederherstellt. Es verfließt hier Chaos-Gnostizismus mit Kaballah/Sitra Ahra… etwas komplex für jemanden, der sich damit nicht auseinandersetzt.

Die Vorab-Single „Hubris Virtue“ wurde groß angekündigt. Warum habt ihr gerade diesen Song ausgewählt, um damit die Platte zu bewerben?
„Hubris Virtue“ wurde deswegen gewählt, da dieses Lied alle Merkmale vereinigt, die NOCTURNE ausmachen. Wir haben darin keifende Vocals, dem gegenüber steht der Klargesang. Es gibt einen melancholischen instrumentalen Mittelteil, dem aggressives Riffing gegenübersteht und einen Text, der sich mit dem Dualismus im Islam auseinander setzt. Mit Abwechslung muss man bei NOCTURNE leben. (lacht)

Eure Songs sind im Allgemeinen sehr hymnisch. Besonders „Thrones Of Edom“ sticht in dieser Hinsicht hervor. Warum klingt gerade dieser Track so überschwänglich? Und siehst du da nicht ein gewisses Risiko, dass die Melodien manchen Hörern zu fröhlich klingen?
Das kann ich Dir nicht sagen, warum gerade dieser Titel so geworden ist, wie er sich nun darstellt. Aber prinzipiell wird sich NOCTURNE immer über Melodien definieren, denn das ist die Musik, die ich schreibe und auch schreiben will. Ob das nun für den Hörer manchmal zu fröhlich ist oder nicht… Jeder hat einen anderen Zugang zu Musik. Ich habe auch schon in manchen Reviews gelesen, dass wir „folkige“ Melodien verwenden, oder dass wir Gothic Black Metal sind. Ich denke, wichtig ist, dass man sich in punkto Songwriting weiterentwickelt, das aber ohne auf die Meinungen anderer zu schielen und sich dadurch beeinflussen zu lassen. Denn angepasste Kunst braucht meiner Meinung nach niemand und würde auch allem dem entgegenstehen, was ich als authentischer Künstler darstelle.

Hast du einen persönlichen Lieblingstrack auf der Platte? Wenn ja, welcher und warum?
Ja, ich glaube, den hat jeder in irgendeiner Art und Weise. Bei mir ist es „The Burning Silence“, da der Aufbau des Liedes und wie er sich in den Mittelteil mit cleanen Vocals entlädt, einfach das ist, was ich auch als jemand, der schon mehr als ein Viertel Jahrhundert in der Metal-Szene verweilt, gerne hören würde.

Ihr beendet das Album wieder mit einem Cover, diesmal ist eure Wahl jedoch etwas ungewöhnlicher: „Lament“ von Ultravox. Warum habt ihr euch gerade für diesen Song entschieden und aus welchem Grund habt ihr ihn noch schwarzmetallischer gemacht als „Sign Of The Dark“?
Ultravox und „Lament“ begleiten mich schon seit einer gefühlten Ewigkeit und dadurch habe ich eine besondere Beziehung dazu… Man kann sagen, es war nach „Sign Of The Dark“ eine weitere Herzensangelegenheit von mir, dieses Cover einzuspielen. Nebst diesem Faktum ist es auch so, dass sich dieser Titel gut in eine Black-Metal-Form gießen lässt und textlich durchaus zu unserer Subkultur passt.

Was begeistert dich an solchen Cover-Songs? Und wollt ihr auch weiterhin welche für eure Platten aufnehmen?
Ich glaube, es ist immer der persönliche Konnex, den man hat oder auch nicht hat. Außerdem wollen wir auch Cover machen, die nicht schon von 200 Bands gespielt wurden und bei denen man auch ein wenig eine persönliche Note mitgeben kann. Ja, also ich wäre dafür, auch beim nächsten Album wieder eine Cover-Version mit drauf zu packen… Ich hoffe, das sehen meine Mitstreiter in NOCTURNE ähnlich.

Das Artwork sieht diesmal wesentlich fantastischer aus als das des Debüts, kreiert wurde es von Khaos Diktator Design. Wie seid ihr auf den Künstler gestoßen und inwiefern spiegelt es die Texte und die Musik wider?
Ich kannte die Werke von KDD relativ gut und da unsere ehemalige Artwork-Künstlerin mit uns ohne Angabe von Gründen nicht mehr zusammenarbeiten wollte, musste Ersatz her… und ich denke, dieser ist mehr als ebenbürtig geworden. Auch die Zusammenarbeit verlief äußerst produktiv, meine Visionen für das Cover-Artwork wurden zu meiner äußersten Zufriedenheit umgesetzt und spiegelt genau den Inhalt des Textes zum Titellied „The Burning Silence“ wider.

„The Burning Silence“ ist euer erster Release auf Talheim Records. Warum habt ihr euch gerade für dieses Label entschieden und wie kam es zu der Zusammenarbeit?
Das ist so nicht ganz richtig. Wir haben schon auf Talheim Records das Re-Release unseres Demos „Nahash“ im Jahr 2014 veröffentlicht und dazu auch noch passendes Merchandise. Nach der Zusammenarbeit mit dem französischen Label Unlight Productions, die unser Debütalbum veröffentlicht haben, waren wir wieder auf Labelsuche und wir haben uns schlussendlich für Talheim Records entschieden. Die bisherige Zusammenarbeit und auch dass es ein österreichisches Label ist, haben den Ausschlag gegeben. Die Kommunikation passt hier wunderbar, die Qualität und Fairness stimmt.

Inzwischen seid ihr schon einige Male live aufgetreten. Gibt es etwas, das ihr in puncto Erfahrung aus diesen Konzerten mitnehmen konntet?
Wir waren alle eigentlich überrascht, wie gut sich die Songs live anfühlen und welche Energie aus uns herausbrechen kann. Einmal haben wir vor ca. 15 Leuten in Verona (Italien) ein Konzert gegeben und trotzdem entstand auf der Bühne eine eigene Atmosphäre, die uns selbst wirklich mitriss und im Zuge dessen wir gefühlt eines unserer bisher besten Konzerte gegeben haben. Das geht nur, wenn das, was du schaffst, auch authentisch ist und man mit Körper, Geist und Seele die Message und Musik lebt, die man darbietet.

Was habt ihr mit NOCTURNE als Nächstes vor?
Momentan bin ich schon wieder am Songwriting zu unserem dritten Album, wie bereits erwähnt. Es kann aber gut sein, dass wir zwischen „The Burning Silence“ und dem nächsten Album mit einer anderen Veröffentlichung die schwarze Flamme ein wenig zum Lodern bringen… Pläne gibt es schon dafür.

Kommen wir anschließend wieder zu unserem traditionellen Metal1.info-Brainstorming:
Politik in Österreich: Uninteressant
Power Metal: Helloween
Low-fi-Produktion: Underground
#metoo: Machtspiel der Geschlechter
Anton LaVey: Hotel California
Musikalisches Highlight 2017: Infinity – „Hybris“

Dann nochmal ein großes Dankeschön für deine Antworten. Die letzten Worte seien die deinen:
Danke für das interessante Interview. Hail Darkness!

Publiziert am von Stephan Rajchl

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