Interview mit David Zaubitzer von Neun Welten

Mit „The Sea I’m Diving In“ haben NEUN WELTEN neue Wege beschritten, wie es etwa auch Empyrium 2014 mit „The Turn Of The Tides“ gewagt haben – ausgehend von erdigem Neofolk in Richtung Post-Rock. Das Ergebnis war ein einzigartiges, vielfältiges Album, das die verschiedensten Stimmungen und Gefühle transportierte. Im Gespräch mit Multi-Instrumentalist David Zaubitzer erzählte uns dieser mehr über die Gründe für die lange Entstehungszeit der Platte, die von Edgar Allan Poe inspirierten Texte und die neue Herangehensweise der Band an das Songwriting.

Acht Jahre lang hat man nichts von euch gehört. Was hat sich in der Zwischenzeit bei euch so getan und warum konntet ihr erst jetzt ein neues Album veröffentlichen?
Da kam in den letzten Jahren viel zusammen. Anja (Blockflöte und Klarinette) und Marten (Schlagzeug) haben uns relativ zeitnah nach „Destrunken“ verlassen. Daraufhin haben wir uns um neue Mitglieder bemüht, was nicht so leicht war. In der Konsequenz haben wir dann sogar gänzlich auf Blasinstrumente für das weitere Komponieren verzichtet. Persönlich hat sich natürlich auch viel bei uns getan. Aline ist in eine andere Stadt gezogen und auch in verschiedene Bandprojekte involviert, David ist seit einem Jobwechsel beruflich oft im Ausland und ich habe zwei Kinder bekommen und war auch ein halbes Jahr nicht in der Heimat. Das kann die Prioritäten schon ganz schön verschieben. So hat sich auch das Songwriting sehr hingezogen, obwohl wir trotzdem versucht haben, uns regelmäßig zu treffen oder zumindest zu kommunizieren. 2013 haben wir unseren letzten Auftritt gehabt, bei dem wir schon mal testweise vier neue Songs (in der damaligen Form) gespielt hatten und unsere neue Stilrichtung auch live erprobten. Die Resonanz motivierte uns, weiter daran zu arbeiten und ein neues Album anzugehen. Wir einigten uns aber darauf, die volle Konzentration auf das Songwriting zu richten und so sind in den Folgejahren weitere Songs und Liedideen entstanden, jedoch keine Auftritte mehr. Anfang 2015, also auch schon eineinhalb Jahre her, sind wir dann endlich die Produktion angegangen. Auch das hat sich aus verschiedenen Gründen eine ganze Weile bis zur Vollendung hingezogen. Vor allem aber weil wir bei der Musikproduktion und dem Cover-Artwork noch das kleinste Detail “perfekt” machen wollten. Da steckt also viel Zeit und Arbeit drin.

Euer Bandname NEUN WELTEN bezieht sich auf die germanische Mythologie. Auf eurem neuen Album „The Sea I’m Diving In“ beschäftigt ihr euch jedoch mit anderen Themen. Inwiefern passt der Name immer noch zu eurer Musik?
Mittlerweile beschäftigen wir uns nicht mehr so stark mit der nordischen Mythologie, sodass auch deren Einfluss auf die Musik weniger geworden ist. Wir verbinden jedoch mit ihr auch eine gewisse Naturverbundenheit, die uns wichtig ist, sowie Naturromantik und -mystik. Diese Themen haben weiterhin einen großen Anteil an den Kompositionen und Texten. Von daher hat für uns der Name immer noch seine Berechtigung.

Euer Stil hat sich in der Zwischenzeit stark verändert, neben Neofolk spielt ihr jetzt auch Post-Rock. Warum dieser stilistische Wandel?
Mit dem Album sind wir neue Wege gegangen, wir haben viel mehr mit verschiedenen Sounds experimentiert. Das Schaffen von atmosphärischer, mystischer und emotionaler Musik und naturbezogenen Bildern, ist und bleibt das Grundwesen von NEUN WELTEN. Mit diesem Album haben wir jedoch unser Instrumentarium verändert und erweitert. Durch den Einsatz von E-Gitarren, die Hinzunahme von synthetischen Klangeffekten und den Ausbau von Streichermelodien zu flächigen und orchestralen Sounds kreierten wir ein viel schwebenderes Soundgewand. Hierbei verschmelzen verschiedene Stile wie Dark Folk, Post-Rock, Filmmusik, Singer-Songwriter etc. Eben Musikstile, die wir auch privat bevorzugt konsumieren.

Eure musikalische Entwicklung legt eine Assoziation mit Empyrium und ihrem 2014er Album „The Turn Of The Tides“ nahe. War das für euch eine Inspirationsquelle und inwiefern, findest du, unterscheidet sich besagtes Album von „The Sea I’m Diving In“?
Zu Empyrium gab es ja schon immer eine gewisse Nähe, und natürlich war diese Musik für uns als Fans gerade zu Beginn von NEUN WELTEN ein wichtiger Einfluss. Auch „The Turn Of The Tides“ ist ein tolles Album. Für unsere Stilveränderung war aber eher unser gestiegenes musikalisches Interesse an verschiedenen Post-Rock-Bands verantwortlich. Dieses Genre differenzierte sich dann zu der Zeit unserer ersten Songs für “The Sea I’m Diving In” auch immer weiter aus. Musik, die man hört und gut findet, hat immer auch einen Einfluss auf die eigene Musik, auch ohne dass man das genau definieren kann und sich dessen immer bewusst ist.

Von welchen Bands und Künstlern habt ihr euch in diesem Kontext sonst noch inspirieren lassen?
Ich denke, Bands wie z.B. Sigur Rós, Antimatter, Klimt 1918, Mono, aber auch Leonard Cohen und Gus Black haben uns in den letzten Jahren oft begleitet und haben nun Schuld an unserem Sound. (lacht)

Inwiefern hat sich euer Songwriting aufgrund der neuen Stilistik verändert?
Früher haben wir unsere Lieder oft zusammen im Proberaum fertiggestellt, also quasi alle miteinander und während wir sie spielten. Bei „The Sea I’m Diving In“ haben wir den Proberaum in das Wohnzimmer verlegt und das Songwriting am Rechner digitalisiert. Wir konnten dadurch viel mehr experimentieren und viel freier an das Komponieren herangehen. So haben wir mehrere Spuren aufgenommen, mehrere Streicher, Gitarren und Gesang. Wir haben mit atmosphärischen Soundeffekten und Synthesizer-Klängen gespielt. Dadurch wurde das Songwriting zwar viel technischer, brachte aber auch immer mehr Möglichkeiten, wenn wir dann zu zweit oder zu dritt an den Songs vor dem Rechner arbeiteten. Beide Herangehensweisen haben ihre Berechtigungen, aber eben auch einen großen Einfluss auf den Stil, denke ich.

Hattest du Sorge, dass die Fans und Kritiker schlecht auf diese Veränderung reagieren könnten?
Wie ein Album ankommt ist bei musikalischen Veränderungen immer spannend. Ich bin von den Songs und dem Arrangement überzeugt. Ich bin optimistisch, dass alte Fans, die unsere älteren Werke mögen, es nun wiederentdecken, da unsere Wurzeln und letztendlich der Spirit, der NEUN WELTEN ausmacht, immer noch durch die neuen Klänge hindurchscheinen.

Wie stehst du rückblickend zu euren früheren Alben?
Sie spiegeln unseren damaligen Musikgeschmack wieder und haben unsere Entwicklung zu „The Sea I’m Diving In“ ermöglicht. Ich höre die alten Sachen von uns eher selten, bin dann aber oft überrascht wie gut ich mich wieder hineinfühlen kann. Mit den alten Alben verbinde ich viele schöne gemeinsame Momente, im Proberaum oder auf Tour. Da werden Erinnerungen wach.

Während ihr früher auf Deutsch und nur selten gesungen habt, hat nun fast jeder eurer Tracks Gesang in englischer Sprache. Was hat es mit dieser Veränderung auf sich?
Wir hatten Lust, mehr zu experimentieren und neue Facetten an unserer Musik zu erleben. Dass wir nun bei jedem Song Gesang verwenden, ist ein Teil davon. Die Texte in Englisch zu singen, nah an der mystischen Sprache von E. A. Poe gefiel uns so gut, dass wir dabei geblieben sind. Damit das Album in sich homogen bleibt, sind auch alle anderen Texte von Meinolf in Englisch gehalten.

Die Texte sind zum Teil von Edgar Allan Poe adaptiert, richtig? Was genau fasziniert dich daran und inwiefern passten sie zu der Thematik von „The Sea I’m Diving In“?
Ich hatte Meinolf für das Komponieren und mal schnell was Ausprobieren einen umfassenden Gedichtband von E. A. Poe gegeben, der meiner damaligen Freundin gehörte. Hierin gab es die originalen Gedichte sowie deren Übersetzungen ins Deutsche. Beim Suchen nach singbaren Passagen erkannten wir dann viele Übereinstimmungen mit unseren Ideen und Gefühlen. Uns war bis dahin gar nicht bewusst, wie viel Naturromantik gepaart mit Mystik und Düsternis in Poes Gedichten steckt. Er verbindet Naturmystik, Tod und Liebe so poetisch brillant, dass wir mit dieser Sprache arbeiten wollten. So haben wir uns nach und nach passende Passagen für einige Songs rausgepickt und für unsere Zwecke missbraucht. Der Bezug zum Element Wasser, das uns als Leitthema diente, kommt gar nicht so direkt bei Poe vor. Es ist eher auf Meinolfs andere Texte zurückzuführen. Aber der Titel “The Sea I’m Diving In” steht auch für mehr als das. Es steht z.B. für das Versinken, das Aufgehen und das tiefe Ergründen einer fremden, dunklen Welt. Weiterhin steht es aber auch für Poes Thematiken über Liebe und Tod.

Die Songs scheinen zwar thematisch für sich zu stehen, dennoch scheint es einen roten Faden zu geben: Wasser. Warum habt ihr euch entschieden, euch auf der Platte diesem Element zu widmen?
Wasser umgibt uns, Wasser ist Bewegung – Symbol für Romantik und Ruhe, aber auch Unheil und Zerstörung. Und genau darin liegt die Faszination. Wasser ist alltäglich und uns vertraut, birgt aber auch Sehnsüchte für das Weite und scheinbar “Unendliche”. Das Element Wasser in Form des Meeres dient uns als Symbol und Projektionsfläche für andere Themen, wie zusammengefasst Liebe und Tod. Die Kräfte des Wassers können in ihren Extremen und Naturgewalten den Kräften von Tod und Liebe in nichts nachstehen.

Welche Themen sprecht ihr sonst noch in im Laufe des Albums an?
Es geht natürlich um viel mehr als nur das Wasser als solches. Inhaltlich befassen sich die Lieder variierend mit Melancholie, Mystik, Tod und Sehnsucht. So geht es in den Liedern weiterhin vorwiegend um Naturmystik, aber auch um Liebe und Tod. Das Erfahren von Übersinnlichem oder dessen Hingabe kann mit dem Naturerleben gut verbunden werden. Der Tod als geheimnisvolle, unausweichlichste aller Erscheinungsformen steht im Kontrast zum kämpferischen Lebenswillen und verkörpert das Machtspiel in der Natur. Überall kann man dies erleben, selbst im gewöhnlichen Alltag, wenn auch nicht so gegenwärtig. Wenn nun noch Liebe hinzukommt, verfällt man schnell in eine so tiefgreifende Melancholie, die einerseits zerstörerisch sein kann und andererseits zu intensiven Wahrnehmungsverschiebungen führt.

Gibt es eine Nummer auf „The Sea I’m Diving In“, die dir besonders viel bedeutet? Falls ja, welche und warum?
Alle Songs haben Ihre eigene Geschichte und bedeuten mir viel. Für mich persönlich ist „Nocturnal Rhymes“ ein besonderes Stück. Bei den Parts mit der Lead-E-Gitarre empfinde ich Freiheit und Aufbruchsstimmung.

Das Schlagzeug hat Niko Knappe (Dark Suns) eingespielt. Warum habt ihr euch einen Gastdrummer geholt und aus welchem Grund gerade ihn?
Marten Winter, unser früherer Drummer stieg nach „Destrunken“ aus. Für unser Album suchten wir einen Drummer aus Leipzig, um optimal zusammenarbeiten zu können. Niko ist ein alter Bekannter und ein fantastischer Drummer. Wir wussten sofort, dass er der richtige Studio-Drummer für uns sein wird. Mit viel Einsatz, Kreativität und Können hat er unsere Ideen umgesetzt und auch kreativ mitgewirkt. Das Schlagzeug haben wir dann bei seinen Bandkollegen Maik Knappe und Torsten Wenzel in deren Studio42 aufgenommen. Dabei wurden die ursprünglichen Schlagzeugideen der Vorproduktion noch verfeinert.

Bezüglich der Produktion habt ihr außerdem mit dem Filmmusik-Komponisten Matthias Raue zusammengearbeitet. Wie kam es dazu?
Dadurch, dass Aline auch bei dem Bandprojekt Die Kammer mitspielt und Matthias Raue ebenfalls, konnte sie diesen Kontakt für uns herstellen. Matthias hörte sich unsere Vorproduktion an und es gefiel ihm und er hatte auch gleich eine Vorstellung davon, welcher Sound den Songs am Besten stehen würde. Wir merkten gleich, dass unser beider Vorstellungen da in die gleiche Richtung gingen und waren sehr froh, dass wir Matthias Raue als Produzenten dafür gewinnen konnten.

Wie wird es nun mit NEUN WELTEN weitergehen? Werdet ihr euren neuen Stil beibehalten?
Vor allem werden wir uns jetzt darum kümmern, unsere neuen Songs auch live präsentieren zu können, um damit hoffentlich auch noch weitere Menschen zu gewinnen! Welche Elemente des Stils wir beibehalten und inwiefern wir unseren musikalischen Weg beim nächsten Album weiterentwickeln werden, kann man an diesem Punkt noch gar nicht sagen.

Kommen wir nun noch zu unserem traditionellen Metal1.info-Brainstorming:
Metal: will never die!
Jeweils bestes Neofolk- und Post-Rock-Album: Neofolk: Tenhi„Kauan“, Post-Rock: Sigur Rós – „()“, „WAL“
See – Meer: Urlaub, Entspannung und geheimnisvolle Welt, dunkle Tiefen, QUALLEN!!!
Poesie: E. A. Poe
Filmmusik: Der Herr Der Ringe Soundtrack
NEUN WELTEN in fünf Jahren: Fünf Jahre älter

Super, dann nochmals danke für deine Antworten. Die letzten Worte sollen die deinen sein:
Viele Grüße aus dem warmen Leipziger Süden. Wir sehen uns live. Bis dann. (lacht)

Publiziert am von Stephan Rajchl

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