Mit „Erwachen“ ist den deutschen Dark-Symphonic-Metallern NEPHILIM eine echte Überraschung gelungen. Eigenständig, wie man es bei Bands aus dem Underground selten erlebt, musizieren sich die sieben Musiker aus Zwickau durch ihr Programm. Fronter Litzer gibt Auskunft über den langen Entstehungsprozess, Einflüsse und Zukunftspläne.
Hallo zusammen, herzlichen Glückwunsch zu eurer neuen Veröffentlichung. „Erwachen“ und der damit verbundene Erfolg scheint aber nicht nur die Presse zu überraschen, sondern auch euch, oder?
Sei gegrüßt! Ja, damit dürftest du recht haben. „Erwachen“ ist ja über einen ziemlich langen Zeitraum entstanden und gerade gegen Ende stand für uns nur noch der Release und die finale Produktion im Mittelpunkt. Ein wenig haben wir bei aller Euphorie die Pressearbeit außen vor gelassen und jetzt überraschen uns einige unglaublich positive Reaktionen wirklich sehr. Es ist echt großartig zu sehen und zu lesen, wie andere auf das Material reagieren und unsere Energie quasi übertragen bekommen.
Ihr habt euch lange Zeit gelassen, vermutlich habt ihr aber nicht die kompletten sechs Jahre an der Scheibe gewerkelt, oder? Warum hat es so lange gedauert, den Nachfolger von „Herbstzeitlos“ fertigzustellen?
Nach „Herbstzeitlos“ und den zugehörigen Konzerten gab es mit meinem Einstieg zunächst ja erst einmal eine Einarbeitungszeit meinerseits. Danach gab es die verschiedensten beruflichen Wechsel innerhalb der Band. Beendete Studien sowie Auslandsjahre. Die Arbeit an neuen Songs wurde zunächst parallel mit aufgegriffen und die Maschinerie musste sich erst herauskristallisieren, durch welche der Songwritingprozess in Zukunft optimalerweise laufen würde. Inzwischen sind wir aber ein eingespieltes Team und ich hoffe, ein Nachfolger wird nicht wieder sechs Jahre auf sich warten lassen.
Offizieller Releasetermin war bereits Ende Januar, wie kommt es, dass ihr erst jetzt mit „Erwachen“ an die Öffentlichkeit tretet?
Wie auch das Album, mussten wir selbst erst erwachen. Gegen Ende der Aufnahmen konzentrierten wir uns auf den Sound, die Veröffentlichung, das Proben zur Release und natürlich die Show an sich, welche wir im Übrigen komplett in Bild und Ton mitgeschnitten haben. Da kommt also noch was… Jedenfalls haben wir bei alldem die Pressearbeit tatsächlich vernachlässigt. Schön allerdings, dass wir jetzt dennoch auf offene Ohren stoßen. Holen wir das also nach!
Stilistisch kann man NEPHILIM grob in die Schublade „symphonischer Dark Metal“ einordnen. Kannst du eure unmittelbaren Einflüsse nennen und ein wenig präzisieren, wie sich diese Bands auf das Songwriting bei euch auswirken?
Die hauptsächlich an der Komposition beteiligten Köpfe mögen selbstverständlich schon die flottere Gangart, sprich beim With Full Force findest du uns auf der Knüppelnacht. Man bekommt uns allerdings auch immer wieder auf einen Haufen, wenn ein paar ältere Scheiben von Dimmu Borgir oder Cradle Of Filth aufgelegt werden. Inhaltlich war ich selbst auch schon immer Freund deutschsprachiger Musik. Die ersten Dornenreich-Scheiben, auch die alten teils schonungslosen Eisregen-Lyrics. So haben wir mit der Zeit begonnen, unser eigenes Süppchen zu kochen. Die wichtigsten Elemente decken diese Gruppen jedenfalls ab. Das Symphonische, die Härte, die Geschwindigkeiten sowie das Gefühlvolle und die zeitweiligen Zornesausbrüche.
Dem Keyboard scheint ein Hauptaugenmerk zuzukommen. Kommt das hin oder ist das dem Zufall geschuldet?
Ein wichtiger Teil ist es mit Sicherheit. Es trägt eben die symphonischen Parts, welche oftmals auch die ersten Teile eines neuen Songs darstellen, doch konzentrieren wir uns auch auf fettes Riffing, gern auch ohne jedweden Schnörkel. Die Mischung macht’s eben, denn auch starke Gitarrenriffs bilden Grundlagen für neue Titel.
Wie „demokratisch“ geht es überhaupt bei NEPHILIM zu? Ist jeder Musiker frei in seiner Entfaltung oder gibt es einen oder zwei Köpfe, die das Konzept steuern?
Sagen wir es so: Die Musik entsteht schon durch die Leitwölfe. Hauptsongwriter ist unser Gitarrist Johann. Dies bedeutet allerdings nicht, dass andere Ideen kein Gehör finden. Marcus liefert auch gern mal die ein oder andere Gitarrengranate und zusammen verfeinern die beiden schließlich sämtliche Grundideen. Im Zusammenspiel und durch die Arbeit der Vocals können ich und die anderen aber stets Einfluss nehmen und so entstehen die wahren Songs im Laufe der Zeit durch alle.
Apropos Konzept, die Songtitel lassen in Verbindung mit dem Albumnamen eine zu Grunde liegende Thematik erahnen. Kannst du etwas dazu sagen?
Das Konzept ist im Laufe der Zeit gewachsen. Die NEPHILIM-Thematik war schon immer Bestandteil der Texte. Ich habe einfach aus Gefühlen heraus geschrieben und so eröffnete sich immer mehr ein eigener kleiner Mikrokosmos, der dieses Album in meinen Augen auch so besonders macht. Auch hierzu ist das letzte Wort noch nicht gesprochen und es darf auf Überraschungen gewartet werden. Der Titel selbst fügte sich da optimal ein und stand für uns auch nach der langen Zeit für ein „Erwachen“ unsererseits. Für mich und uns stellt „Erwachen“ tatsächlich gerade erst einen Anfang dar!
Lässt sich opulente Musik wie auf „Erwachen“ live eigentlich gut umsetzen oder muss man da Abstriche machen (beispielsweise einzelne Parts vom Band laufen lassen)?
Wir versuchen ausnahmslos alles umzusetzen. Bisher ist das auch gut gelungen und das wird sicher auch so bleiben. Die Arbeit mit Band hatten wir bisher noch nicht nötig, doch werden wir sehen, ob und wie sich das in Zukunft gestaltet. Sicher ist jedenfalls, dass keiner von uns Konzerte mag, die wie vom Tonband klingen. Ehrlich muss das Ganze bleiben, anders geht’s nicht.
Wie vehement arbeitet ihr auf einen Plattenvertrag hin? Das Material würde das ja schon hergeben…
Nun, wirkliche Ambitionen gibt es in der Hinsicht nicht. Zumal die Firmen an sich auch kein Garant für mehr Bekanntheit oder ähnliches sind. Für die kleinen ist es fast schon zu schwierig geworden und die großen verheizen ihre Bands. Die Vorteile wiegen Knebelverträge und Abgabefristen nicht mehr wirklich auf. Für Tipps sind wir gern zu haben, aber wie gesagt, bisher gab es keine Bestrebungen.
Laufen schon Planungen in Richtung eines nächsten Albums?
Direkte Pläne mit Deadlines oder ähnlichem gibt es keine. Song- und Lyricideen, die gibt es. Wie gesagt, „Erwachen“ soll der Anfang sein. Mehr Dinge sind in der Pipeline. Ich würde die Augen offen halten!
Machen wir zum Schluss noch das Metal1-Wortspiel, der aktuellen Situation ist es dieses Mal mit einem kleinen Kontrast ziemlich politisch eingefärbt. Welches sind deine ersten Gedanken zu den folgenden Begriffen:
Finanzkrise in Griechenland: Für Sparta!
Homo-Ehe in den USA: Pinke Panzer?
Asyldebatte in Deutschland: Nur mit Anwalt!
Erdbeeren: Kirschen!
Sonnenbrand: With Full Force
So, damit sind wir durch, die letzten Worte gehören dir.
Vielen Dank für das nette Interview, es war mir ein Freudenfest. Ich hoffe, wir sehen dich und euch da draußen auf der ein oder anderen Show. Schaut bei uns vorbei!