Interview mit T. Maximilian und Täufer von Negativvm

Mit ihrem Debüt-Album „Tronie“ wussten die deutschen Black-Metal-Newcomer NEGATIVVM zu überzeugen. Im Interview mit T. Maximilian (TM) und Täufer (T) erfragten wir Details zu Album, Band und Bielefeld. Doch lest selbst…

Sers! Danke, dass ihr euch die Zeit für ein Interview genommen habt. Wie geht’s?
TM: Hi Moritz. Sehr gut, danke. Auch ich danke dir im Namen der Band für das Interview.

NEGATIVVM ist ja eine recht junge Band, ihr habt euch erst 2011 gegründet. Stellt uns doch die Band kurz vor und erzählt, was man über euch unbedingt wissen sollte…
T: Wir sind vier Herren aus Bielefeld und machen gern Lärm zusammen. Bevor wir NEGATIVVM gegründet haben, haben drei von uns (T. Maximilian, Willem von Kaysersberg und ich) schon bei Stench Of Styx zusammen gespielt. Als sich diese Band aufgelöst hat, hat T. Maximilian angefangen, neues Material zu schreiben. Nachdem Willem von Kaysersberg und ich zugesagt hatten, mitzumachen, wurde noch Heiland von der Aue mit ins Boot geholt, den wir durch seine hervorragende Band Dust kannten. T. Maximilian ist nebenbei noch bei Vyre als Bassist tätig.

Mal ehrlich: Wie lange hat es gebraucht, bis ihr euch angewöhnt habt, „Negativvm“ zu schreiben, ohne beim tippen zu stocken?
T: Naja, „Negativvm“ geht doch leicht von der Hand…

Ich weiß nicht… ich bin da beim Review ständig dran „hängengeblieben“ (lacht). Wieso überhaupt die extravagante Schreibweise? Ist das allein dem Logo-Layout verschuldet oder steckt hier eine Homage an die ultimative „Trveness“
T: Weder noch… Auf der einen Seite hat sich das Design des Schriftzuges erst ergeben, nachdem wir uns auf das V geeinigt haben, und auf der anderen Seite weiß jeder, der uns kennt, dass wir uns nicht viel aus Trveness machen… Uns gefällt es so einfach besser, und darauf kam es uns an.

Ihr habt euch ja auch bezüglich eures Auftretens für einen Mittelweg zwischen „trve“ und „modern“ entschieden: Name, Logo und das Konzept von Pseudonymen entsprechen eher klassischen Genre-Bildern, auf Corpsepaint verzichtet ihr jedoch und setzt bei Bandphotos eher auf den bodenständigen Charme, wie man ihn aus dem Thrash Metal gewohnt ist.
Wieso habt ihr euch gegen Corpsepaint entschieden, und wie wichtig ist euch euer „Erscheinungsbild“ oder Auftreten allgemein?

TM: Wir machen uns nicht viele Gedanken um unser Erscheinungsbild. Natürlich haben wir uns Mühe gegeben, dem Booklet ein Design zu verpassen, das dem Feeling, dass die Stücke für uns haben, angemessen ist. Da hat Täufer meiner Meinung nach auch ganze Arbeit geleistet. Dementsprechend haben wir auch das Aussehen der Homepage an das Album angepasst. Ansonsten ist uns unser „Erscheinungsbild“ herzlich egal. Wir tragen keine Masken, keine Verkleidung und kein Corpsepaint, weil es uns wichtig ist, als wir selbst auf die Bühne zu gehen und uns nicht hinter irgendwelchem Mummenschanz zu verstecken. Es gibt bei uns keine Trennung zwischen Privatperson und Bühnenpräsenz, wie sie das ganze typische Black-Metal-Auftreten suggeriert, sondern wir stehen da als wir selbst und repräsentieren auch letzten Endes nichts anderes.

Während „Heiland von der Aue“ und „Willem von Kaysersberg“ recht homogen wirken, unterscheiden sich „Täufer“ und „T. Maximilian“, was wohl sogar ein bürgerlicher Name ist, davon doch sehr. Wie lief die Pseudonymfindung bei euch, und warum ist dir wichtig, ein Pseudonym für die Band zu verwenden?
TM: Ich kann dir gar nicht genau sagen, warum wir uns eigentlich für Pseudonyme entschieden haben. Die „Unterschiede“ ergeben sich daher, dass unsere „Band-Namen“ von unserem „echten“ Namen abgeleitet sind. Heiland wird tatsächlich Heiland gerufen, Willem heißt wirklich Willem und Maximilian ist mein zweiter Vorname. Bei Täufer verhält es sich auch nicht viel anders, da wurde mit der Etymologie des echten Vornamens gespielt. Das ganze kommt also wahrscheinlich gekünstelter rüber, als es wirklich ist.

Mit „Tronie“ habt ihr ja unlängst euer erstes Album veröffentlicht. Wie waren die Reaktionen bisher, und fielen sie so aus, wie ihr das erwartet hattet?
T: Die Resonanz war bisher im Großen und Ganzen wirklich sehr positiv, und wir freuen uns natürlich sehr, dass „Tronie“ so gut ankommt. Sowohl die bisherigen Pressestimmen, als auch private Rückmeldungen zeigen uns, dass wir auf dem Album ziemlich genau das umsetzen konnten, was wir wollten. Besonders interessant ist es natürlich, zu verfolgen, welchen Anklang das Album außerhalb unserer „Hochburg“ in Bielefeld findet. Ehrlich gesagt hatten wir zuerst gedacht, dass das Album ziemlich viele Leute nerven würde, weil es für orthodoxe Metaller ein bisschen zu seltsam und für eher progressiv orientierte Musikfans ein bisschen zu oldschool sein könnte… Das hat sich aber nicht bewahrheitet. Wir sind jedenfalls persönlich auch zufrieden mit „Tronie“ und freuen uns, dass es vielen anderen Leuten genau so zu gehen scheint.

Wenn du „Tronie“ in einem Satz beschreiben solltest, wie würde er lauten?
T: „Wer sich das Album runterlädt, kann sich ein eigenes Urteil bilden und muss keinen Ein-Satz-Beschreibungen der Band vertrauen.“

Wie du grade schon angedeutet hast, habt ihr das Album nicht, wie man das vielleicht erwarten würde, über ein Label oder im Eigenverlag veröffentlicht, sondern als freien Download zur Verfügung gestellt. Dazu kann man auf eurer Homepage folgendes lesen:
„NEGATIVVM verkörpert ein grundsätzliches Misstrauen gegen den Menschen, seine Normen und Werte und die Gesellschaft, die er aus ihnen schafft – allen voran Geld und Konsum. Aus diesem Grund wird sämtliche Musik, die wir schreiben und aufnehmen, kostenlos auf dieser Seite veröffentlicht. Wir sind allerdings jeder Zeit bereit, die digitalen Veröffentlichungen durch ein Tonträger-Release zu ergänzen. Dabei sind wir für jede Unterstützung dankbar.“
Wie ernst ist ein solches Statement gemeint, und führt der Zusatz mit der Dankbarkeit für finanzielle Unterstützung nicht den kompletten argumentativen Vorbau der Misanthropie und Anti-Konsum-Haltung ad absurdum?
TM: Das Statement ist unser vollkommener Ernst. Das hat auch gar nichts mit Misanthropie zu tun. Ich privat lehne diese passive Konsumgesellschaft ab und versuche soweit es mir möglich ist, anders zu leben. Das schließt auch meine Band ein, insofern erschien es mir von Anfang an absurd, Geld für unsere Musik zu verlangen. Ich bin auch überhaupt nicht der Auffassung, dass diese Haltung durch Dankbarkeit für Unterstützung kompromittiert würde. Der Kern ist, dass die Musik kostenlos bleiben wird. Auch wenn sich ein Label fände, das uns bspw. ein Vinyl-Release ermöglichen würde, würde sich daran nichts ändern. Ich kaufe selbst LPs, weil ich den Klang und das Haptische daran schätze und würde dieses Angebot auch gerne den Menschen machen, die NEGATIVVM mögen. Es wäre ein Widerspruch, wenn Bezahlung die VORAUSSETZUNG dafür wäre, uns „legal“ zu hören.

Wurde die Art der Veröffentlichung von den Fans angenommen, das Album also oft gedownloadet, und habt ihr dafür Rückmeldungen seitens der Fans bekommen? Ich könnte mir vorstellen, dass es ziemlich frustrierend ist, ein Album zu verschenken und nicht einmal ein Danke zu hören…
T: Zum Glück trifft das nicht zu – aber selbst wenn es so wäre, wär’s okay für uns: Wir haben das Album nicht aufgenommen und hochgeladen, damit sich die Leute bei uns bedanken. Wir wollen uns als Band ausdrücken und unseren Spaß haben – wem das Resultat nicht gefällt, der hat Pech gehabt. Das soll aber natürlich nicht heißen, dass uns das Feedback egal ist: Die Rückmeldung war bisher durchweg ziemlich positiv, und das hört man gern, klar.

Würdet ihr diesen Schritt also wieder gehen, beziehungsweise glaubt ihr immer noch, dass er zumindest für das erste Album richtig war?
TM: Es wird sich auch in Zukunft nichts daran ändern, dass Musik von uns kostenlos erhältlich sein wird. Ich kann mir einfach keinen vernünftigen Grund für das Gegenteil vorstellen. Geld mit Black Metal verdienen und nicht mehr arbeiten gehen müssen? Ganz bestimmt.
Wir möchten Musik machen, zusammen Konzerte spielen und miteinander und anderen netten Menschen Zeit verbringen. Das geht am besten, wenn viele Leute die Möglichkeit haben, sich unser Album anzuhören. Niemand schuldet uns etwas, genauso wenig wie wir jemandem etwas schuldig sind.

Nunja, Grund könnte sein, das Musik machen dadurch zu finanzieren. Ich meine Proberaum, Studio etc. bedeutet ja für eine Band stets Ausgaben. Wäre es da nicht fair, wenn der Fan sich durch den Kauf der Musik beteiligt?
TM: Ich würde das nicht unbedingt als Frage von Fairness sehen. Wir haben uns ausgesucht, Musiker sein zu wollen und natürlich kostet das ein Heidengeld, wie du ja selbst weißt. Aber der Punkt ist, dass wir um jeden Preis vermeiden wollen, NEGATIVVM zur Ware verkommen zu lassen. Genau das passiert nämlich, wenn man anfängt, eine Buchführung über Investitonen, Kosten und Einnahmen drumherum zu bauen. Damit würden wir uns die Freiheit nehmen, so schräg oder so konventionell zu klingen wie es uns passt und nicht, wie wir schätzen, dass uns das am ehesten die Kassen vollmacht, um jetzt mal im Extrem zu sprechen.
Musik ist für uns, so wichtig sie ist, ein „Hobby“, das nichts mit Lohnarbeit zu tun hat und auch nichts zu tun haben darf, wenn sie integer bleiben soll. Zusätzlich haben wir das Glück eines sehr günstigen Proberaums, hehe.

Bezüglich der Texte greift ihr ja auf unsere Muttersprache zurück – mittlerweile ja fast eine Ausnahme, in Zeiten, in denen auch farsot. beispielsweise ins Englisch gewechselt haben. Wie wichtig ist euch, auf Deutsch zu schreiben, und wo siehst du Vor- und Nachteile?
TM: Ich kann mich auf Deutsch einfach besser ausdrücken. Englisch würde zu NEGATIVVM und den ziemlich persönlichen Empfindungen, die ich in den Texten verarbeitet habe, nicht passen. Texte sind mir sehr wichtig und ich finde es schade, dass viele Bands auf Platitüden zurückfallen. Da muss ich einfach annehmen, dass sie nichts zu sagen haben, was ihnen wirklich wichtig ist, und wie authentisch kann Musik dann sein?

Könntest du das textliche Konzept von „Tronie“ kurz erläutern?
TM: „Tronien“ sind eine besondere Gattung der Porträtmalerei, bei der versucht wird, (mitunter fiktive) Personen in ihren Wesenszügen abzubilden, anstatt sie, wie z.B. bei einem Königsgemälde, irgendwie zu inszenieren. So ist der Albumtitel auch gemeint. Es handelt sich um das Abbild einer Gemütsverfassung, einer Stimmung. Zu der Zeit, als ich Texte und Musik für „Tronie“ schrieb, hatte ich viel damit zu kämpfen, meinen Platz in einer Welt einnehmen zu müssen, die ich von ihrem Prinzip her Scheiße finde. Ich hab mit dieser Situation noch lange keinen Frieden gemacht, aber ich habe Wege gefunden, damit umzugehen. Einer davon ist NEGATIVVM.

Mit Falk (Fluoryne, Ex-Geist) konntet ihr ja noch einen Gastmusiker zum Mitwirken bewegen. Wie kam es zu der Zusammenarbeit, und wie war diese geregelt? Wie viel künstlerische Freiheit hatte Falk bei seinen Beiträgen?
T: Falk ist mein Schwager und sowieso seit langer Zeit ein Freund der Band. Als wir angefragt haben, ob er Lust hätte, zum Album beizutragen, war er sofort einverstanden. Da wir wissen, wozu er sowohl aus kreativer, als auch aus handwerklicher Sicht fähig ist, haben wir uns darauf beschränkt, ihm nur die nötigsten Vorgaben zu machen. Wir haben ihm einfach einen kruden Rough Mix der Songs, die Reihenfolge der Tracks sowie ein paar zeitliche Angaben zu den Interludes geschickt, und ein paar Tage später kam der Mensch mit diesem kranken Zeug aus den Ostermessen um die Ecke. Wir waren sofort schwer begeistert und bereuen heute nicht im Geringsten, ihn für diesen Job engagiert zu haben. Intro, Outro, Interludes und Samples stammen also komplett von Falk.

Und wie sieht generell die Planung für die Zukunft aus? Arbeitet ihr schon an einem neuen Album? Sind Konzerte in Aussicht?
T: Da es nach der Aufnahme sehr lange gedauert hat, bis wir das Album veröffentlichen konnten, haben wir schon eine ganze Menge neuen Materials geschrieben. Und nicht nur das: Wir haben uns schon vor einiger Zeit Gedanken für das nächste Albumcover, den Titel und mögliche Themen für die Lyrics gemacht. Man kann also sagen, dass das Konzept für das nächste Album schon steht. Ein neuer Song, „Wie man einen Kopf macht“, ist inzwischen übrigens schon fester Bestandteil unseres Livesets. Zwar wollen wir uns nun erstmal weiterhin darauf konzentrieren, mit „Tronie“ alle möglichen Gigs an Land zu ziehen, trotzdem haben wir im Moment richtig viel Spaß beim Entwickeln des neuen Zeugs: Im Gegensatz zu vorher sind nun von vornherein alle Bandmitglieder im gleichen Maße am Songwriting beteiligt, jeder trägt also etwas zur Gestaltung des neuen Albums bei. Da wir dabei alle genau wissen, was wir zusammen machen wollen, wird das Ganze nicht aber diffus: Vielmehr profitieren wir von den vielfältigen Einflüssen, die wir nun alle mit in unser Projekt bringen.


Angeblich kommt ihr ja aus Bielefeld – dafür, dass es die Stadt eventuell gar nicht gibt, scheint es dort ja eine recht aktive Metal-Szene zu geben… neulich erst hatte ich zufälligerweise ein Interview mit Mätti von Lost World Order geführt, die ja auch von dort kommen.
Wie würdest du die lokale Szene bei euch beschreiben, und welche Bars, Clubs und lokalen Bands sollte man auf alle Fälle mal anschauen, wenn man zufällig in der Gegend ist?

TM: In Bielefeld gibt es eine ziemlich verschworene Metal-Fangemeinde und immer wieder neue, eher kurzlebige Bands. Lost World Order bewähren sich allerdings seit Jahren als professionelles Flagschiff Ostwestfalens und ich denke, da wird auch so schnell niemand herankommen. Trotzdem gibt es hier eine Handvoll wirklich guter Gruppen, nicht nur im Metal.
Wenn du hier ausgehen willst, setz dich auf ein Bier ins Black Rose und die Chance ist gut, dass du jemanden von uns, LWO oder andere Metalheads treffen wirst. Wenn du nach guten Konzerten Ausschau hältst, nimm das Programm des AJZ unter die Lupe, einige Leute dort veranstalten seit einigen Jahren legendäre Metal- und Hardcore-Konzerte.

Mätti antwortete mir im Brainstorming auf den Begriff „Bielefeld“ mit „Die schönste Stadt der Welt! Keine Widerrede!“ – kannst du das so unterschreiben?
TM: Ich bin im Moment ziemlich Bielefeld-müde, aber das ist ein Phänomen, dass bei jedem hier in regelmäßigen Episoden immer wieder eintritt und auch wieder verfliegt. Bevorzugt im Sommer, wenn es wirklich sehr schön hier ist. Objektiv gesehen gibt es an der Stadt wahrscheinlich nicht viel zu meckern.

Ok, das wars dann von meiner Seite auch schon wieder, damit würden auch wir zu angesprochenem Brainstorming kommen. Was fällt dir spontan zu folgenden Begriffen ein:
Black Metal:
War früher mal Krieg.
Philipp Rösler: Nein.
Metal1.info: Fishing for compliments, hehe.
Bielefeld: Über „Bielefeld gibt es nicht“-Witze hat noch NIE irgendjemand gelacht.
(A.d.Red.: Zumindest wohl nicht in Bielefeld)
mp3: Kann man zwar nicht anfassen, angucken oder ins Regal stellen, dafür aber leicht verbreiten und überall mit hin nehmen.
negativ: Wenn angebracht, gern.

Ok, das wars dann von meiner Seite! Ich bedanke mich für eure Zeit und die Antworten, und wünsche euch und der Band nur das Beste. Die letzten Worte gehören dir:TM: Danke!

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