Die britischen Death/Doomer MY SILENT WAKE scheinen rastlose Geister zu sein. Praktisch jedes Jahr gibt es einen neuen Release und auf ihrem neuen Album „Invitation To Imperfection“ haben sie sich nicht zum ersten und sicherlich auch nicht zum letzten Mal einem gänzlich anderen Genre zugewandt. Inwiefern sich der Entstehungsprozess der Platte von dem der Vorgängeralben unterschied, warum Mastermind Ian Arkley die Songs darauf für fehlerhaft hält und auf welche Stilwechsel man in Zukunft noch gespannt sein darf, erfahrt ihr im folgenden Interview mit ihm.
Grüß dich! Danke sehr, dass wir mit dir ein Interview führen dürfen. Wie geht es dir?
Mir geht es okay, danke. Danke auch, dass du mit uns in Kontakt getreten bist. Wir sind sehr froh, dass das Album jetzt draußen ist und dass „Damnatio Memoriae“ bald als Re-Release mit Bonustracks erscheint. Wir arbeiten gerade an neuem Material und hoffen, das im Herbst veröffentlichen zu können.
Viele unserer Leser werden euch wohl noch nicht kennen, darum stell dich und deine Band MY SILENT WAKE bitte kurz vor.
Uns gibt es seit der Auflösung von Ashen Mortality im Jahr 2005. Drei von uns haben daraufhin MY SILENT WAKE gegründet und während sich die Bandbesetzung inzwischen öfters verändert hat, war ich von Anfang an bei dieser Band und Ashen Mortality dabei. Ashen Mortality wurden ungefähr 1993 gegründet. Als MY SILENT WAKE haben wir uns schon mal ein Jahr Auszeit genommen, ansonsten waren und sind wir aber durchgehend am Schreiben, live Auftreten und Aufnehmen. Unsere Musik basiert auf Death/Doom, allerdings nur lose, da wir grundsätzlich in jede Stilrichtung abdriften, die uns gefällt.
Wie bereits erwähnt trägt deine Band den eher bedrückenden Namen MY SILENT WAKE. Was ist die Bedeutung dahinter, inwiefern beschreibt er eure Musik?
Es ist schwer, sich jetzt noch an die Idee hinter diesem Namen zu erinnern, aber wir mochten ihn und er passte zu unserer Musik. Er kann verschieden interpretiert werden, aber in jedem Fall klingt er sehr melancholisch.
Welche Bands und Musiker haben dich am meisten beeinflusst?
Ich wuchs auf mit NWOBHM, Black Sabbath, Pink Floyd, Led Zeppelin, später dann anderen Metal- und Goth-Bands und schließlich vor allem Doom, Death/Doom etc. Mir gefiel auch Folk schon immer, also höre ich auch viel Folk Rock und Psychedelic Rock aus den 70ern, klassische Rock-Bands sowie Metal und Alternative.
Ihr spielt in erster Linie Death/Doom, habt aber auch schon Alben veröffentlicht, die komplett in Folk („Preservation Restoration Reconstruction“) oder Ambient („Eye Of The Needle“) einzuordnen waren. Warum diese drastischen Genre-Wechsel?
Selbst auf unserem ersten Album hatten wir zwei Akustik-Songs und ein Ambient-Intro, also war das schon immer ein Teil von uns. Es gefällt uns, andere Arten von Musik zu kreieren… Das verhindert, dass es langweilig wird und es erlaubt uns, viel Musik herauszubringen. Es war von Anfang an geplant, dass wir uns nicht von Genres einschränken lassen würden. Solange es uns gefällt, machen wir es so.
Selbst die Fans, die euch lieber als Death/Doom-Band sehen, müssen sich in der Regel nicht allzu lange gedulden, denn ihr veröffentlicht fast jedes Jahr neue Alben oder andere Releases. Wie könnt ihr so schnell so viel neues Material nachlegen?
Da bin ich mir eigentlich nicht sicher! Die Metal-Veröffentlichungen haben sich in den letzten Jahren etwas verlangsamt, da sie mehr kosten und mehr Planung erfordern, weil wir darauf weniger improvisieren. Ich mag es, schnell neue Sachen zu schreiben und der Großteil unserer Musik ist außerdem nicht allzu komplex. Es geht dabei mehr um das Gefühl.
Auch eure neueste Platte „Invitation To Imperfection“ ist wieder kein Death/Doom, sondern gewissermaßen eine Mischung aus Ambient, Folk, Neoklassik und Mittelaltermusik. Warum habt ihr euch diesmal für diese selbst für euch sehr neuartige Ausrichtung entschieden?
Wir hatten einiges an Musik angesammelt und wollten sie herausbringen. Eigentlich war es unser Plan gewesen, eine Metal-Platte aufzunehmen und zu veröffentlichen, aber aufgrund unserer finanziellen Situation zu diesem Zeitpunkt machte diese Herangehensweise mehr Sinn. Einige dieser Tracks gibt es schon sehr lange und seit Simon am Keyboard mit dabei ist, trägt er viel bei, also hatten wir eine richtige Sammlung an Songs angehäuft, als wir bereit waren, das Album zu realisieren.
Inwiefern haben sich Songwriting und Recording diesmal von euren bisherigen Releases unterschieden?
Die Songs haben sich diesmal aus anfänglichen Ideen entwickelt, die wir dann ausgeformt haben, anstatt aus vollendet geschriebenen Tracks. Das ist eine sehr erfreuliche Herangehensweise, da man die Musik wie ein Bild aufbauen kann. Bei „Eye Of The Needle“ war das in mancher Hinsicht ähnlich. Ich erkläre dir das anhand eines Beispiels von „Invitation To Imperfection“: Mein Freund Mark kam eines Tages zum Abhängen vorbei und ich hatte einen simplen Gitarren-Part, den wir dann jammten. Ich nahm dann meine Gitarre und seine Perkussion mit einem tragbaren Aufnahmegerät auf. Das wurde dann auf Audacity gestellt und einige Effekte hinzugefügt. Dann nahm ich eine Zither auf, die ich mit einem Cello-Bogen bespielte, und fügte sie auf die gleiche Weise hinzu. Es wurden noch weite Gitarren-Parts eingefügt und als Simon mich besuchte, ergänzte er das Ganze noch mit seinem Harmonium. Alle Passagen wurden komplett spontan geschrieben. Das Aufnahmegerät ist ein Alesis Palmtrack, das mich vor ein paar Jahren £ 50 gekostet hat, und Audacity ist ein kostenloses Programm. Einige Teile des Abschlusstracks, der 20 Minuten lang ist, wurden in einem lokalen Studio aufgenommen. Diese Parts wurden aufgenommen, bevor ich anfing, das meiste zuhause zu recorden. Das meiste haben wir für das Mastering bezahlen müssen.
Werdet ihr diesen neuen Stil beibehalten oder als Nächstes wieder zum Death/Doom zurückkehren?
Wir arbeiten derzeit an Metal-Material, also wird das nächste Album eine Metal-Platte. Danach werden wir hoffentlich mehr Heimaufnahmen machen.
Was fasziniert euch an den Musikstilen, die ihr bisher vertont habt?
Ich liebe es, harte Musik live zu spielen, mir gefällt auch der Aufnahmeprozess und wir haben immer viel Spaß dabei. Akustische Sachen zu spielen, ist etwas völlig anderes, da mag ich Aufnehmen lieber als Konzerte spielen. Die Ambient-Sachen sind eine reine Studio-Angelegenheit, aber es wäre sicher interessant, wenn auch schwierig, das auf die Bühne zu bringen. Ich liebe meine Spontanität beim Aufnehmen, weil ich so keine Musik lernen muss, sondern einfach drauflosspielen kann. Ich finde alle Stile, die wir umsetzen, gleichermaßen unterhaltsam und es ist toll, sich von dem einen oder anderen eine Pause zu gönnen, indem man etwas anderes und frisches macht.
Könntet ihr euch auch vorstellen, in Zukunft eine gänzlich andere Spielart umzusetzen? Oder bleibt ihr vorerst lieber bei den Genres, an denen ihr euch schon mal versucht habt?
Absolut! Ich würde es auf jeden Fall in Betracht ziehen, mal etwas anderes auszuprobieren. Ich bin nicht sicher, was, da wir bereits viele der Stile abgedeckt haben, die mir gefallen. Wir haben aber bisher nur wenig Space und Goth Rock gespielt, also werden wir da vielleicht noch mehr machen, da ich diese beiden Stile echt toll finde. Wir haben aber auch noch keinen traditionellen Metal gespielt, das fände ich auch super!
Welcher Track auf „Invitation To Imperfection“ ist dir besonders wichtig und weshalb?
Möglicherweise „You Drift Away“, die Lyrics dazu habe ich nämlich unmittelbar nach dem Tod meines Vaters geschrieben. Ich war dabei, als er letztlich seinem Nierenversagen erlag. Ich sang den Text eine Weile danach ein, zu einer Zeit, zu der ich kaum reden konnte und beinahe meine Stimme verloren hätte, sodass meine Stimme den Sound hatte, den ich für den Song wollte. Mein Vater bedeutete die Welt für mich und ich denke, der Track ehrt das sehr gut. Ursprünglich war der Text wesentlich länger, aber ich entschied mich dafür, nur einen Teil des Gedichts in den Song einzubauen. Die Musik habe ich mit einer gezupften Kinderzither eingespielt. Ich fügte noch Cello hinzu und mein Freund Luke eine Holzflöte. Unser Bassist legte dann noch ein tiefes Dröhnen darunter und die Risset-Drum, die ich einbaute, sollte nach einem unregelmäßigen Herzschlag klingen, der am Ende des Songs abrupt aufhört. Aufgenommen wurde die Nummer so wie zuvor beschrieben.
Wie es der Titel schon impliziert, geht es auf eurem aktuellen Album darum, die Schönheit im Imperfekten zu erkennen, richtig? Würdest du die Tracks des Albums als fehlerhaft bezeichnen?
Oh ja, definitiv. Wie in den Liner-Notes beschrieben, wurde das Album sehr rau und planlos kreiert. Nachbearbeitet wurde es nur, wo es notwendig war, ansonsten ist vieles unverändert gelassen. Manchmal wurden drei Instrumente auf einmal mit meinem tragbaren Aufnahmegerät aufgenommen. Die Parts haben wir eigentlich nicht geprobt, einfach nur gespielt.
Warum habt ihr den Großteil der Tracks ohne Gesang belassen?
Sie waren so vollständig, wie sie waren. Sie sagen trotzdem einiges aus, dazu bedurfte es meist keiner Lyrics.
Auf dem Artwork sieht man einen Teil eines menschlichen Körpers oder einer Statue. Was kannst du uns darüber erzählen?
Das ist ein Foto, das Simon bei unserem Aufenthalt als Band in Belgien, als wir dort einen Gig spielten, von der Kathedrale von Mecheln gemacht hatte. Die Kanzel dort ist wirklich der Wahnsinn und dies ist nur ein kleines Detail. Ursprünglich hätte ich für das Cover eines meiner Fotos verwendet, aber als ich dieses sah, wusste ich, dass es das richtige für das Cover war.
Was steht als Nächstes für MY SILENT WAKE an?
Die bereits zu Beginn erwähnten Aufnahmen und hoffentlich ein Live-Album. Dieses Jahr haben wir nicht allzu viele Konzert geplant, aber im Juni haben wir einen lokalen Gig, zufälligerweise genau an meinem Geburtstag. Die restliche Zeit werden wir damit verbringen, hart an neuem Material zu arbeiten.
Kommen wir langsam zu einem Abschluss. Dazu würde ich mit dir gerne noch unser traditionelles Metal1.info-Brainstorming durchgehen:
Gott: Darüber habe ich in der Vergangenheit schon zu viel gesagt.
Metal: Je älter, desto besser, in den meisten der Fälle.
Brexit: Hab echt schon zu viel davon gehört!
Liebe: Essentiell
Lieblingsalbum: Mike Oldfield – „Tubular Bells“
MY SILENT WAKE in zehn Jahren: Altersschwach
Wunderbar, nochmals vielen Dank für deine Antworten. Gibt es noch etwas, das du unseren Lesern mitteilen willst?
Bitte hört euch MY SILENT WAKE an!