Interview mit Martin van Valkenstijn von Mosaic

Nach mehreren im wahrsten Sinne des Wortes bemerkenswerten Veröffentlichungen hat MOSAIC mit „Secret Ambrosian Fire“ seine lang ersehnte Debütplatte herausgebracht – ein von Mystik erfülltes Album, das auf einzigartige Weise die Grenzen zwischen Black Metal, Folk und Ambient verschwimmen lässt. Was es mit den mythologischen Hintergründen des Albums auf sich hat, wie es zu den zahlreichen eingearbeiteten Gastbeiträgen kam und warum die zeitgleich veröffentlichte, betont moderne EP „Fensterverse und Nachtgespinste“ keineswegs als Stilbruch anzusehen ist, könnt ihr im folgenden Interview mit Mastermind Martin van Valkenstijn nachlesen.

Obwohl es MOSAIC schon länger gibt und du bereits einige umfangreiche Werke veröffentlicht hast, wurde das neue Album „Secret Ambrosian Fire“ als das Debüt-Full-Length des Projekts angepriesen. Warum erst diese Platte und nicht etwa schon „Old Man’s Wyntar“?
„Old Man’s Wyntar“ wurde erst posthum in den Album-Stand gehoben – mit der Wiederveröffentlichung über Eisenwald und einer stattlichen Spielzeit von knapp 80 Minuten. Somit könnte man bei „Secret Ambrosian Fire“ schon vom zweiten Album sprechen, das ist richtig. Jedoch zählt da für mich die Erstveröffentlichung von „Old Man’s Wyntar“, die trotz Spielzeit (Originallänge circa 48 Minuten) für mich zur damaligen Zeit immer eine EP darstellte. Heute würde ich darüber vielleicht anders denken, da ich selbstbewusster mit meinen Kompositionen umgehe, aber daran lässt sich nun nichts mehr ändern.
Der größte Unterschied zwischen den beiden Werken ist die Art und Weise der Produktion. Hat „Old Man’s Wyntar“ sehr ausladende Songstrukturen und eine sehr reduzierte Produktion, ist es bei „Secret Ambrosian Fire“ genau andersherum – hier sind die Songstrukturen reduziert, aber dafür ist die Produktion ausladender. Man könnte hier von einer Art Dualität reden.

Obwohl MOSAIC bisher für folkloristische Mystik stand, erscheint neben „Secret Ambrosian Fire“ auch eine modern-urban inspirierte EP namens „Fensterverse und Nachtgespinste“, auf welcher du Gedichte von Ulrike Serowy vertonst. Was hat dich zu diesem Umbruch bewogen?
Ein Umbruch ist dies keineswegs. Bereits in der Vergangenheit habe ich Texte zeitgenössischer Lyriker vertont, wie etwa von Harry Weghenkel (im Lied „Licht und Blut“), und für die Zukunft habe ich mir vorgenommen, noch mehr mit zeitgenössischen Werken zu arbeiten.

Viele Musiker gründen für solche Ausflüge in andere Musikrichtungen separate Projekte. Warum war dies deiner Meinung nach in deinem Fall nicht notwendig?
Die Antwort liegt im Bandnamen, dieser wurde explizit gewählt, um keine künstlerischen Grenzen zu haben. Ich finde es sehr essentiell, “frei” agieren zu können – wie es Geist und Seele für richtig halten und das macht MOSAIC zu dem, was es ist.

Wird diese Neuausrichtung hin zu betont moderner Stilistik eine einmalige Sache bleiben oder hast du vor, derartiges auch in Zukunft noch umzusetzen?
Es gibt bereits weiterführende Ideen und Konzepte. Die Reise hat gerade erst begonnen.

Als Vorgeschmack auf „Secret Ambrosian Fire“ wurde „Cloven Fires“ in Form einer Single vorab veröffentlicht. Mit seinem explosiven Black-Metal-Sound hebt sich der Song jedoch stark von dem Rest des Albums ab. Warum hast du dich bei der Wahl der Vorab-Single gerade für dieses Stück entschieden?
Es handelt sich dabei um den ersten Song, welcher komplett fertig aufgenommen war. Dadurch manifestierte sich diese Idee bereits im Jahr 2016. Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht abzusehen, welchen Weg „Secret Ambrosian Fire“ letztendlich einschlagen wird. Wir hielten jedoch an dieser Idee fest. Zumal der Song mit seiner Direktheit und “Knackigkeit” für mich den neuen Abschnitt von MOSAIC perfekt repräsentiert.

Ich könnte mir vorstellen, dass einige Hörer dadurch in Bezug auf ihre Erwartungen an das Album auf die falsche Fährte gelockt wurden. Erfüllt es dich mit einer gewissen Genugtuung, die Leute immer noch überraschen zu können?
Nun, ich habe das Album nun nicht auf Biegen und Brechen so gestaltet, wie es jetzt ist. Es war ein natürlicher und sehr dynamischer Entstehungsprozess und die Leute, welche MOSAIC nicht erst seit gestern verfolgen, wissen, dass MOSAIC alles andere als geradlinig ist.

Als B-Seite war darauf außerdem der Track „Ambrosia“ enthalten. Auf dem Album taucht der Song wieder auf – allerdings in stark veränderter Form. Was hast du mit dieser Alternativ-Version bezweckt?
Die Original-Version, welche nebenbei noch vor “Old Man’s Wyntar” aufgenommen wurde, ist ein hässliches, extrovertiertes und erschütterndes Stück. Die Album-Version dagegen ist intim, introvertiert, melancholisch und vor allem ergreifend. Es zeigt wie sehr ein Lied bzw. Text wandelbar ist und ganz verschieden ausgelegt und interpretiert werden kann.

Ich habe generell den Eindruck, dass die Genres, mit denen man MOSAIC assoziiert – Black Metal, Folk und Ambient – auf dem neuen Album noch nahtloser miteinander verbunden sind, weshalb die Songs kaum klar einzuordnen sind. Hast du das beim Songwriting bewusst beabsichtigt?
Das ist richtig. Es verdeutlicht exakt das, was ich mit MOSAIC anno 2019/20 darstellen möchte. Im Grunde genommen ist das Album ein perfekter Einstieg in die Band, denn es fasst die vergangenen Jahre gut zusammen.

Insbesondere die typischen Black-Metal-Elemente kommen jedoch nach meiner Wahrnehmung seltener bzw. unauffälliger zum Vorschein. Was ist der Grund dafür?
Ich glaube, die Art und Weise, wie die Songs entstanden sind, ist schon noch sehr vom Black Metal inspiriert – jedenfalls sehe ich das so. Ich schreibe Black-Metal-Riffs und mache damit alles – nur keinen Black Metal, wenn man das so sagen möchte.

Auf „Secret Ambrosian Fire“ sind bemerkenswert viele Beiträge von Gastmusikern zu hören. Wie kommt es, dass dahingehend derart viele Eingebungen hattest und dann die passenden Musiker dafür fandst?
Ich war selbst überrascht, wie viele Gastmusiker es letztendlich sind – alle Kollaborationen waren aus der Zeit gewachsene Fügungen und Zufälle. Ein Grundprinzip des Albums ist die Spontanität und der erste Moment – darauf basieren im Endeffekt alle Lieder. Alle Songs sind von ihrer Grundstruktur immer innerhalb von maximal 24 Stunden entstanden und das meist auf Basis diverser Jamsessions – daraufhin verselbstständigte sich alles, auch wenn es einige Jahre dauerte, bis sich die finale Fassung herauskristallisierte.

Ich finde es interessant, dass im Opener „Am Teufelsacker“ und im Abschlusstrack „Im Kohlensud“ dasselbe musikalische Motiv aufgegriffen und doch völlig unterschiedlich wiedergegeben wird. Warum war es dir wichtig, das Album auf diese Weise einzurahmen?
Gerade diese beiden Songs sind in ihrer Geschichte sehr spannend, denn sie basieren auf einem Harmonium-Motiv, das Erik von Grift 2016 für MOSAIC schrieb. “Am Teufelsacker” hatte damals noch keinen Text und bestand nur aus Harmonium, Perkussion und der Leadgitarre. Die Idee war, dass R. von Apoptose dazu noch einige Layer schafft. Aber er kam mit einer kompletten Revision des Stückes um die Ecke – welche er aus Spuren von seinem Album “Bannwald” (eines meiner absoluten Lieblingsalben) geschaffen hatte. Und da war sie wieder: die Fügung – ein Rahmen für das Album, basierend auf dem gleichen musikalischen Motiv – ein Rad, einen Kreis könnte man es nennen und wie bei “Ambrosia” zeigt es wieder auf, wie unterschiedlich so etwas enden kann.

Inhaltlich geht es auf „Secret Ambrosian Fire“ um regionale Mythen und insbesondere die Hörselbergsagen. Wie bist du selbst erstmals mit diesem Themenkreis in Berührung gekommen?
Bei meinen Nachforschungen zu “Frau Holle” stolperte ich über ein momentan leider vergriffenes, umfangreiches Werk namens “Der Sagenkreis der Hörselberge” von Henrich Weigel. Hier findet sich der Querschnitt der Sagenwelt der Hörselberge sehr übersichtlich aufgeschlüsselt. Zudem bin ich vor einigen Jahren in die unmittelbare Nähe gezogen und finde, dass der Landschaftszug auch heute nichts von seiner Magie verloren hat. Eine plumpe Vertonung vorhandener Sagen wollte ich jedoch nicht abliefern, so konstruierte ich eine ganz eigene Geschichte von und über den Hörselberg, welche einige Motive bekannter regionaler Sagen aufgreift und diese weiterspinnt und oft in neue Sinnzusammenhänge setzt. Auch mein Freund E.H. von Wolfhetan schrieb eine eigene Sage, inspiriert vom Hörselberg, welche wir als Narration in “The Devil’s Place” eingebettet haben.
Viele denken sich sicher, dass der Titel “The Devil’s Place” recht banal ist. Nun ja, auf dem ersten Blick schon und das wurde bewusst so gewählt. Jedoch steckt dahinter die eigentliche Ursage um den Hörselberg, nämlich wie der Berg zu seinem Namen kam. In ihm solle das Fegefeuer brennen, denn man sagte “HÖRt ihr die SEELen im BERG?”. Eine typisch christliche Dämonisierung eines heidnischen Kraftortes. So gründete man am Fuße des Berges eine Kapelle und den heutigen Ort “Sättelstädt”, welcher der Überlieferung nach früher “Satans Stätte” hieß – “The Devil’s Place”.

Welche Bedeutung können solche volkstümlichen Erzählungen deiner Meinung nach für die Menschen in der heutigen Zeit haben?
Eine Art Identität. Zuflucht. Fantasie. Mystik & Mystizismus. Heimat. Geborgenheit. Heimlichkeit. Nostalgie. Wärme. Schrecken. Reflektion. Einkehr.

Das Album hat darüber hinaus eine Feuer-Thematik. Kannst du uns etwas mehr über die Hintergründe dazu verraten?
Ist handelt sich bei „Secret Ambrosian Fire“ um ein Feuer-Album. Jedem Lied bzw. Werk ordne ich zu Beginn ein Element zu. Damit lege ich den Grundcharakter des Werkes fest. Feuer ist immer anders, aber doch immer gleich. Es kann schaffen und es kann zerstören. Genau so sind die Lieder geschrieben, sie sind in sich meditativ und hypnotisch und dennoch haben sie viele kleine Details, welche die Dynamik ausmachen. Sie wirken musikalisch statisch, sind aber auf lyrischer Ebene sehr dunkel und blutgetrieben, das heilige Feuer der Kreation. Sprich, der ewige Kampf zwischen Licht und Dunkelheit, der Kampf der Dualität.

In unserem letzten Interview hast du angekündigt, dass „Secret Ambrosian Fire“ eine definiertere Produktion haben würde. Ist der Sound des Albums in dieser Hinsicht so ausgefallen, wie du es ursprünglich geplant hast oder hast du es dir letztlich doch anders überlegt?
Ja, ich finde, es ist sehr nahe daran, wie ich es mir vorgestellt habe und im Vergleich zu “Old Man’s Wyntar” kann man schon sagen, dass es weitaus definierter ist.

Das Mixing und Mastering hat Markus Stock übernommen. Soweit ich weiß, klingen viele der von ihm produzierten Alben jedoch anders – eher modern und glatt. Warum wolltest du dennoch gerade ihm diese Aufgabe übertragen?
Ich brauchte besonders für dieses Album eine objektive, handwerklich sehr gute Unterstützung. Markus war meine erste Wahl und ohne ihn wäre das Album nicht so geworden, wie ich es mir vorgestellt hatte. Er konnte dem Ganzen einen homogenen Sound verleihen und alle Mosaiksteine so zusammenfügen, damit ein geschlossenes Werk dabei herauskam. Dafür bin ich ihm sehr dankbar und natürlich auch Eisenwald für die Möglichkeit dafür.

Das Artwork zu dem Album wurde von Hathrul, einem Künstler aus Peru, kreiert. Wie bist du auf ihn gestoßen und warum hast du dich bei der Wahl des Künstlers gerade für ihn entschieden?
Er ist meiner Meinung nach der einzige Künstler, der es beherrscht, holzschnitt- und kupferstichartige Artworks so umzusetzen, dass sie auch aussehen als seien sie Mitte des 17. Jahrhunderts entstanden. Neben ihm haben auch Vilecrown Creations, Teufelskunst, Irrwisch sowie Equitant diverse Illustrationen für das Album beigesteuert. Somit ist es nicht nur auf musikalischer Ebene ein Mosaik, sondern auch auf visueller.

Wie sahen deine Vorgaben an Hathrul bezüglich des von dir gewünschten Artworks aus?
Ich hatte ihm diverse Skizzen und Vorlagen geschickt und genauso hat er es letztendlich auch umgesetzt.

Wie wird es als Nächstes mit MOSAIC weitergehen? Sind vielleicht schon wieder ein paar Live-Auftritte geplant?
Ja, Live-Auftritte stehen für 2020 schon einige – u.a. Erfurt, Brandenburg, House of the Holy sowie in Hessen. Ansonsten beginnen gerade die Arbeiten an den kommenden Veröffentlichungen.

Ich würde das Interview gerne wie bei uns auf Metal1.info üblich mit einem kurzen Brainstorming beenden. Was fällt dir zu den folgenden Begriffen ein?
Die Hölle: Werkzeug der Erziehung
Konzeptalbum: Herzblut
Esoterik: Vielfältig
Musikstreaming: Tod der Tonträger
Fortschritt: Kann man nicht abwenden.
Klimakrise: Hat sehr viele Aktivisten.

An diesem Punkt nochmals vielen Dank dafür, dass du dir für uns Zeit genommen hast. Die abschließenden Worte würde ich gern dir überlassen:
Danke dir für dieses ausführliche Interview, eine schöne Adventszeit noch und komm gut ins neue Jahr.

Publiziert am von Stephan Rajchl

Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

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