Interview mit Soyan Osman von Napalm Records

Nicht nur Künstler, sondern natürlich auch die großen Firmen im Musikbusiness sehen sich an allen Fronten mit dem Thema Künstliche Intelligenz (KI) konfrontiert. Mit Soyan Osman, Online Marketing Manager bei NAPALM RECORDS, sprachen wir darüber, wie sich der technische Fortschritt auf die Branche auswirkt – und was das in der Zukunft für Folgen haben könnte.

Künstliche Intelligenz ist weltweit ein Thema – sicher auch im Musikbusiness und konkret bei Labels wie NAPALM RECORDS. Arbeitet ihr schon mit KI? Von der Datenanalyse bis zum PR-Text ist ja nichts mehr undenkbar …
Auch bei uns ist KI ein regelmäßiges Thema. Grade im Day-to-Day verwerten wir viele Daten und bereiten Informationen auf, bei denen KI-gestützte Tools in der Umsetzung enorm hilfreich sind. Unsere Texte werden allerdings nicht von KI verfasst, dazu fehlt es den gängigen Programmen meistens an Detailwissen über unsere Künstler, sodass Texte entstehen, die so oder so überarbeitet werden müssten. Wir behalten diese Entwicklungen trotzdem genauestens im Auge und implementieren für uns hilfreiche Tools auch in bestehende Arbeitsprozesse.

Besonders brisant ist natürlich die Frage, inwieweit Künstler künftig KI einsetzen. KI-Musik ist derzeit – zumindest auf hohem Niveau und im Metal – noch „Zukunftsmusik“. Aber es wäre ja bereits absolut plausibel, dass Künstler etwa für ihre Texte auf KI setzen. Wie steht ihr dem als Label gegenüber – gibt es da beispielsweise eine klare Policy oder sichert ihr euch da vertraglich ab? Die Chancen sind gering, aber es ist ja bereits vorgekommen, dass KI-Erzeugnisse Copyrights verletzt haben …
Natürlich sichern wir uns vertraglich gegen die Verletzung von Rechten Dritter ab. Darunter würde auch die nicht genehmigte Verwendung von Samples in Songs, oder von geschütztem Videomaterial fallen. Dazu ließen sich dann auch KI-Erzeugnisse zählen, die urheberrechtsverletztend wären. Eine klare Policy gegen die Verwendung von bestimmten technischen Hilfsmitteln haben wir allerdings nicht. Damit würden wir aktiv in den künstlerischen Prozess eingreifen, was wir nie tun, selbst wenn KI Tools verwendet würden. Darüber hinaus wäre es kaum möglich, tatsächlich nachzuweisen, dass eine Textzeile, Strophe oder ein Refrain generiert und nicht selbst geschrieben wurden. Mittlerweile gibt es bereits Webseiten, über die sich auch Metalsongs generieren lassen – inklusive Gesang, Schlagzeug, Bass, Gitarren und mehreren Parts in einem Song. Hier ist also eine ähnliche Entwicklung wie zum Beginn des Streamingzeitalters zu erwarten, bei der sich die Menge an verfügbaren Songs in kürzester Zeit vervielfacht hat, da der Zugang zu den Streamingportalen demokratisiert wurde. Einige dieser KI Erzeugnisse haben es auch schon auf die Streamingportale geschafft, wodurch bereits heute KI Songs mit nicht KI-generierten Inhalten um die selben Placements in Playlisten und Co. konkurrieren.

Unleash The Archers Phantoma CoverartworkEin ganz großes Thema sind gerade KI-generierte Bilder und Videos. Einige eurer Künstler haben hier schon KI-Arbeiten veröffentlicht, zuletzt etwa Unleash The Archers [mehr dazu in Teil 5 dieser Serie]. Seht ihr aktuell eher das Risiko, dass eine Band sich damit unbeliebt macht und ein Album eventuell floppen könnte, wenn sie KI verwendet, oder bestärkt ihr sie eher im Bestreben, mit KI zu arbeiten?
Wir sind völlig offen für neue Technologien und grade bei einem gesellschaftlich so relevanten Thema, wäre es ein Unding, unsere Bands davon abzubringen, das Thema überhaupt zu behandeln … oder es gar zu verbieten. Ich denke, dass ein größeres Risiko eher die Übersättigung des Diskurses über KI ist, da gefühlt jede Woche ein neuer Durchbruch gemeldet wird. Das Thema bleibt jedoch auch in Zukunft enorm relevant, also sollten und müssen sich Bands auch weiter damit befassen – sei es thematisch, oder eben als technisches Hilfsmittel.

KI-Bilder gelten als Zufallsprodukt einer Maschine. Da Urheberrecht aber an eine Person geknüpft ist, sind sie nach derzeit gängiger Auffassung nicht Copyright zu betrachten. KI-generierte Cover-Artworks – selbst mit einem ausgefeilten Prompt kreiert – könnten also prinzipiell von jeder anderen Band genutzt oder von jedem auf T-Shirts gedruckt werden. Bereitet euch das als Merchandise-Händler keine Sorgen?
Ich denke, hier verhält es sich ähnlich wie bei der Musik selbst. Natürlich ist die aufkommende Masse von Designs, Grafiken und Visuals auf den ersten Blick eine Herausforderung für alle Merchandise-Händler. Für uns ist das aktuell allerdings noch kein Problem, da es nach wie vor für alle Artworks entsprechende Künstler gibt, mit denen wir zusammenarbeiten. Viele der angesprochenen Schwierigkeiten existieren aber ebenfalls schon heute – selbst mit geklärten Urheberrechtsverhältnissen: Seien das nun Bootlegs, die über Dropshipping-Seiten verkauft werden, oder das stumpfe Stehlen von Designs. Der Hauptgrund dafür, dass ein Merchandise-Artikel gekauft wird, bleibt allerdings die Band selbst. Nur weil ein Shirtdesign eventuell im Kontext einer anderen Band verwendet werden würde, würde ich deshalb nicht eher das Shirt der anderen Band kaufen.

Auf der anderen Seite bietet KI natürlich Möglichkeiten und Optionen, die vorher nicht da waren – Artworks oder sogar Visualizer und Musikvideos quasi zum Nulltarif. Siehst du in KI-Kunst einen relevanten Faktor, um Produktionskosten zu senken? Was würde das etwa für die Bilanz von Napalm ausmachen, wenn ihr kein Budget mehr für Videos und Artworks bräuchtet?
Technischer Fortschritt kann bei der Umsetzung von kreativen Ideen oft auch eine Kostenreduzierung bedeuten. KI-Kunst, beziehungsweise auch KI-Hilfsmittel sind auf jeden Fall ein relevanter Faktor, um Produktionskosten zu senken. So bekommen auch kleinere Bands immer mehr Zugang zu Möglichkeiten, wie beispielsweise Musikvideos in 3D-Umgebungen zu produzieren – etwas, das für gewöhnlich sehr kosten- und zeitintensiv ist.
Von generierten 3D Sets, über tatsächlich generierte individuelle Stockfootage für Zwischensequenzen, bis zu KI-gestützem Mastering: Die Möglichkeiten sind ja heute bereits sehr umfangreich. Dass man hier auf einen Nulltarif kommt, sehe ich allerdings noch nicht. Bands müssen trotzdem in Videos auftreten und das Digitale beziehungsweise Generierte muss sauber mit tatsächlichen Videoaufnahmen kombiniert werden. Dafür braucht es nach wie vor Experten, die alles zusammen bringen und für den Endkonsumenten aufbereiten.
Einsparmöglichkeiten gibt es natürlich durch diese neuen Möglichkeiten. Allerdings werden sich auf absehbare Zeit vermutlich eher die Arbeitsprozesse ändern, als es durch KI signifikante Einsparungen gibt.

Wird sich das künftig auf das Budget für Artworks und Videos für eure Künstler auswirken, im Sinne von: „Macht das mal lieber mit KI, das ist billiger“?
Absolut nicht. Hier bietet sich durch KI eher die Möglichkeit, „noch mehr“ zu machen, als qualitativ zurückzurudern. So könnte man etwa für mehr Songs visuelle Inhalte erstellen, Budgets auf mehr Videos verteilen oder Ähnliches. Gleichzeitig entwickelt sich die Technologie so schnell, dass bereits Stile die nur ein Jahr alt sind, heute schon veraltet oder uninteressant wirken. Die Technologie wird ja niemals so „schlecht“ wie heute sein. Nur noch auf KI generierte Videos zu setzen, würde so also auch dafür sorgen, dass unsere Musikvideos wesentlich schneller veraltet wirken. Ganz im Gegensatz zu tatsächlich gefilmten Musikvideos, die auch Jahre später immer noch zeitgemäß wirken.

Das Internet hat zuletzt einige Shitstorms für Bands hervorgebracht, die mit KI gearbeitet haben. Wie erklärst du dir, dass sich trotz der enorm hohen Prozentzahl derer, die Musik nur noch digital konsumieren, nun so viele Fans über Artworks aus der KI aufregen?
Ich denke, das liegt vor allem daran, dass man – ähnlich wie auch bei KI-generierter Musik – auch als Konsument das Gefühl hat, dass der Kunst der menschliche Aspekt entzogen wird. Das Medium über das die Inhalte konsumiert werden, spielt eine weniger große Rolle als die Authentizität der Inhalte selbst. Hinzu kommt, dass Fans sich natürlich auch über die negativen Auswirkungen auf Personen, die selber Cover-Artworks erstellen bewusst sind. Dementsprechend ist die Reaktion nachvollziehbar, allerdings gehe ich trotzdem davon aus, dass wir in Zukunft immer mehr KI generierte Artworks sehen werden.

Denkst du, diese Empörung ist nur eine Welle der Empörung, bis wir uns alle an diese Form der Visualisierung gewöhnt haben und diese auch technisch noch besser geworden ist – oder ist die Metal-Szene zu sehr in ihren Traditionen verhaftet, um das zu akzeptieren?
Ich denke diese Reaktion geht weit über die Metalszene hinaus. Hier geht es ja weniger um Musik, als die Debatte über den Wert von Kunst als solches. Die Sorgen und die enstprechende Empörung sind also völlig nachvollziehbar. Allerdings werden wir uns alle relativ kurzfristig daran gewöhnen müssen, nicht nur generierte Bilder zu sehen, sondern eben auch generierte Texte, Videos, Filme und Musik zu konsumieren. In manchen Fällen tun wir das heute schon und aktuelle Studien gehen davon aus, dass innerhalb der nächsten zwei Jahre ein Großteil der Inhalte Online mit Hilfe von KI erstellt werden. Diese Entwicklung wird auch vor der Metal-Szene nicht Halt machen und jeden Prozess vom Songwriting über die Videoproduktion, aber auch das Mixing und Mastering verändern. KI Inhalte werden sich also auf lange Sicht auch in der Metal Szene etablieren, beziehungsweise Teil davon werden. So wie es mit allen Social Media Plattformen, Synthesizern, oder Live Backing Tracks der Fall war.

Lass uns noch etwas weiter in die Zukunft blicken: Mit KIs wie suno.ai lassen sich mittlerweile sogar Songs kreieren. Wo siehst du das Problem mit KI-generierter Musik, die eventuell sogar nach einer bestimmten Band klingen soll?
Das Problem ist, dass sich KI die „Essenz“ eines Künstlers zu Eigen macht. „Schreibe einen Song im Stil von XYZ“ beispielsweise. Es entzaubert das, was Musik – grade in unserem Genre – ausmacht und raubt ihr alle Authentizität. Das Gefühl, die Emotionen eines Menschen durch die Musik hören und spüren zu können, wird mit komplett KI generierten Songs völlig auf den Kopf gestellt. KI-generierte Songs können natürlich auch Emotionen auslösen – auch hier habe ich schon Beispiele gehört, die das schaffen. Allerdings fehlt der Bezug zu einem Künstler oder einer Band.

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Allerdings lassen sich schon jetzt Resultate erzielen, die, wenn man ehrlich ist, nicht viel generischer klingen als so manches, was in der Pagan-Metal-Szene heute veröffentlicht wird. Wie steht ihr bei NAPALM RECORDS zu KI-generierter Musik. Wird das für euch ein Thema werden?
Das Thema ist bereits so brandaktuell, dass es regelmäßig besprochen wird. Diese Songs stehen direkt neben „menschengemachter“ Musik und kämpfen dort beispielsweise um die selben Platzierungen auf Streamingportalen, Rankings auf YouTube usw. In einer Zeit, in der viele Nutzer nur ein paar Sekunden investieren, um sich mit etwas zu befassen, ist die Masse, mit der KI-Musik in das Internet drängt, für alle Genres eine sehr ernst zu nehmende Entwicklung. Wir haben grundsätzlich keine Abneigungen gegen die Verwendung von technischen Hilfsmitteln, allerdings können wir mit reinen KI generierten Songs nicht arbeiten, da es für sie offiziell keinen Urheber gibt. Mit dem Gedanken, dass die Qualität der Songs extrem schnell, sehr viel besser wird, wird man um dieses Thema in Zukunft auch in der Metal Szene nicht mehr umher kommen.

In eurem Onlineshop finden sich mittlerweile verschiedene Versionen eines „Albums“ von FROSTBITE ORCKINGS, der „ersten Metal-Band, deren Musik zu 100 % von künstlicher Intelligenz erzeugt wird“ [mehr dazu in Teil 7 dieser Serie].  Wie geht das zusammen mit deiner Aussage, dass ihr mit reinen KI generierten Songs nicht arbeiten könnt, da es für sie offiziell keinen Urheber gibt“ – und für Erfahrungen macht ihr mit diesen Produkten? Ist wirklich ein Markt da für eine Schallplatte mit KI-Musik?
 Dadurch, dass wir als Mailorder auch Fremdprodukt vertreiben, können wir unmöglich ausschließen, dass alles, was im Shop zu finden ist, auch „100% KI-frei“ ist. Bezüglich Frostbite wird es an sich schon Urheber geben. Jenachdem, wie die Musik erstellt und bearbeitet wurde, reicht ja auch Editing oder das Produzieren als menschlicher Input, um das Ganze zu urheberrechtlich geschütztem Material zu machen.
Zu unserem Onlineshop-Angebot kann ich tatsächlich aus meiner Digitalwarte aber nicht so viel sagen. Allerdings würde ich mal behaupten, dass es dafür definitiv einen Markt gibt und mit der Gewöhnung an diese Inhalte sehe ich auch, dass der tendenziell wachsen könnte.


MetAI – Künstliche Intelligenz im Metal

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Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

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