Letztes Jahr rief Marc Brode mit seinem Team das MEAD & GREED-Festival in Oberhausen ins Leben. Abseits bekannter Szenegrößen versucht der Veranstalter, nationalen und internationelen Newcomern eine Bühne zu geben. In unserem Interview im Rahmen des VERANSTALTER-Specials verrät der Organisator und Musiker in Personalunion seine Pläne für die Zukunft, wie er mit finanziellen und anderen Risiken umgeht und was er über die Entwicklungen in der Festivallandschaft der Folk- und Mittelalter-Szene denkt.
Hallo Sigi! Mir geht es aktuell noch sehr gut, alles ist relativ entspannt und die Vorbereitungen laufen bisher optimal, wir liegen gut im Zeitplan. Natürlich treibt einem immer wieder eine gewisse Sorge um, dass man es vielleicht nicht schafft, genug Karten schon im Vorhinein zu verkaufen, aber ich denke, wir sind auf einem guten Weg.
Also dieses Jahr ist es ja fast andersrum (lacht). Vera Lux hatten uns beim Festival letztes Jahr so überzeugt, dass wir sie direkt wieder einladen wollten. Und dass sie jetzt auf der Pagan Night auftreten, lässt sie wenigstens nicht in zwei aufeinanderfolgenden Jahren auf der gleichen Veranstaltung spielen. Aber das ist natürlich nicht der Grund, warum wir Events wie die Pagan Night oder letztes Jahr auch schon die Folk Night veranstalten. Wir wollen einfach den einzelnen Teilbereichen der Szene für sich genommen größere Aufmerksamkeit widmen, was wir bei einem zweitägigen Festival mit nur zehn (naja, dieses Jahr sind es elf) Bands einfach nicht können. Daher veranstalten wir noch zusätzlich die Folk Night für Mittelalter und Folk und eben die Pagan Night für die metallastigeren Spielarten. Zudem bieten uns kleinere Veranstaltungen natürlich noch etwas mehr Spielraum, zum Beispiel absoluten Neulingen Gigs zu ermöglichen. So werden Aereum im Januar bei uns ihren ersten Gig überhaupt bestreiten.
Ihr veranstaltet das Festival 2019 zum zweiten Mal. Was waren Eure wichtigsten Erkenntnisse aus der Erstauflage?
Also, ich denke, die wichtigste Erkenntnis war tatsächlich, dass man auch noch Dinge vergessen kann, obwohl man monatelang plant. Wir haben an einige Sachen einfach nicht gedacht oder manches zumindest nicht zu Ende gedacht. Wir mussten dann schnell reagieren und improvisieren und letztendlich hat alles super funktioniert, auch dank der Hilfe unserer Crew, die uns zum Teil sehr spontan hervorragend unterstützt hatte. Für kommendes Jahr gehen wir da aber ganz anders ran und versuchen, wirklich nichts zu vergessen. Wir treffen uns sehr regelmäßig und besprechen, was anliegt. Wir sind einfach ein ganzes Stück professioneller geworden und das wird man dem Festival auch anmerken.
Nach Storm Seeker und Jörmungand treten nun Black Messiah, Ragnaröek und Haggefugg als Headliner an den beiden Festivaltagen im April auf. Stilistisch ist die Auswahl 2019 breiter geworden. Wie kam es dazu?
Ja, Storm Seeker und Jörmungand waren die naheliegendste Wahl für uns beim ersten Festival, denn wir kannten beide privat und kennen ja das Potential der beiden Bands. Auf Black Messiah sind wir schon im vergangenen Jahr mit der klaren Intention zugegangen, dass sie unser Headliner für 2019 werden sollten. Peter hatte den Kontakt hergestellt und es war ziemlich schnell klar, dass alles sehr gut passen würde. Dass das Line-Up diverser wird, ist durchaus beabsichtigt. Auch die Szene ist sehr vielfältig und so bemühen wir uns natürlich, alle Teile irgendwie gebührend einfließen zu lassen. Das hat für dieses Jahr sehr gut funktioniert, auch, weil wir deutlich vernetzter sind und wir uns mit dem erfolgreichen Festivalstart auch einen kleinen Namen in der Szene gemacht haben. Damit war die Auswahl an Bands insgesamt auch viel größer; wenn man so will fast zu groß, wenn man bedenkt, dass wir kurzerhand eine Band mehr gebucht haben als ursprünglich geplant (lacht)
Euer Konzept besteht darin, etwas namhaftere Combos mit internationalen Newcomern zusammen auf eine Bühne zu stellen. Wie groß ist aus Deiner Sicht das Risiko, auch aus finanzieller Sicht, und wieso habt ihr nicht wie viele andere Festivals auf die etablierten Szenegrößen gesetzt, die euch bestimmte Besucherzahlen garantieren?
Sicher ist das Ganze nicht ohne Risiko, aber das Festival ist eben aus unseren Verknüpfungen entstanden, die wir uns selbst in der Szene aufgebaut haben. Es war von Anfang an als Möglichkeit für kleinere Bands – inklusive uns – gedacht, eine Chance zu sein. Wenn wir jetzt nur auf bekanntere Bands setzen würden, würden wir unserem eigenen Konzept und letztlich auch uns selbst im Wege stehen. Zudem sehen wir unser Motto auch als ein Alleinstellungsmerkmal an: Von der Szene für die Szene – das kann nicht jeder ehrlich von sich behaupten.
Woher holst Du die Inspirationen für das Festival-Billing? Verfolgst Du bei der Zusammenstellung der Bands ein bestimmtes Ziel, Thema oder System?
Inspiration nehmen wir wohl am meisten aus unserer eigenen Erfahrung. Wir sind seit Jahren selbst in der Szene aktiv und kennen natürlich sehr viele Bands. Da kommt man ziemlich schnell an Ideen, wen man sich gerne für die kommenden Jahre wünscht. Der Rest ergibt sich dann aus unserem Netzwerk auf Facebook und mittlerweile durch die vielen Bewerbungen von außen. Ein richtiges Ziel oder Konzept an sich gibt es nicht, allerdings decken wir eben so gut es geht alle Stilrichtungen der Szene ab.
Mit Baumbart und Tales of Ratatösk stehen Du und deine Mitveranstalter im Rahmen des „Mead & Greed“ wieder selbst auf der Bühne. Wie bringst Du Deine unterschiedlichen Rollen als Musiker und Veranstalter unter einen Hut?
Ich sehe unsere Doppelrolle als sehr nützlich und überwiegend positiv. Wir kennen beide Seiten des Geschäfts und wo reine Veranstalter vielleicht mehr an ihr Geschäft und ihre Vorteile denken, versuchen wir, möglichst fair zu bleiben. Wir kennen es ja selbst, für kleine Gagen weite Strecken zu fahren und letztlich wenig für viel Aufwand zu erhalten. Das ist auch bei der Planung für’s Festival immer in unseren Hinterköpfen und wir geben uns große Mühe, da einen guten Mittelweg zu finden. Nichtsdestotrotz wollen wir natürlich auch größer werden und da spielen Finanzen leider eine große Rolle. So ist es manchmal vielleicht etwas schwieriger, als wäre man ein bloß ein skrupelloser Veranstalter… (lacht)
Wir haben aktuell eine großartige Crew von etwa 30 Leuten, die uns wirklich absolut motiviert beiseite stehen. Dafür sind wir sehr dankbar, auch für den Rückhalt, der sich daraus ergibt.
Ja, das ist natürlich nicht an uns vorbei gegangen, zumal ich selber seit einem Monat noch in einer zweiten Band spiele, die auf dem Sternenklang auftreten wird. Wir freuen uns sehr darüber, dass die Szene generell wieder zu wachsen scheint, das kommt ja allen zugute. Es gibt ja auch jetzt schon in ganz Deutschland kleinere und größere Festivals, die stilistisch in ähnliche Richtungen gehen wie wir, aber im Ruhrgebiet oder generell im Westen fehlte das seit Langem. Diese Lücke wollen wir schließen und ich denke, dass uns durch Festivals wie dem Sternenklang oder auch dem Hörnerfest keine Besucher wegbleiben. Im direkten Vergleich zum Sternenklang decken wir zudem einen etwas breiteren Rahmen ab, denn da bleibt es ja im Groben bei Mittelalter und -Rock.
Auf vielen Folk-Festivals, besonders im Süden, rotieren die immer gleichen Bands im Zyklus mehrerer Jahre. Den Durchbruch schaffen nur sehr wenige Kapellen. Wie bewertest Du die Festivallandschaft im Folk-, Mittelalter- und Pagan-Sektor in Deutschland allgemein?
Ja, das stimmt, wobei ich gerade in den letzten paar Jahren viel Potential in den Neugründungen sehe. Es tut sich auf jeden Fall etwas in der Szene und es gibt mehr Bewegung als noch vor einigen Jahren. Das kann man als Chance verstehen. Man muss aber natürlich auch die Frage stellen, wie man Durchbruch definiert. Denn wir dürfen nicht vergessen, dass wir ein Subgenre innerhalb eines Subgenres sind und es auch bleiben werden. Wer Folk Metal macht, kann nicht erwarten, einmal eine Größe wie Metallica oder AC/DC zu werden. Andererseits machen uns Eluveitie, Ensiferum und Co. ja vor, wie weit man auch hier kommen kann und ich denke, es wird immer mal einzelne Bands geben, die den Sprung schaffen. Das Potential ist auf jeden Fall da.
Welchen Bands des „Mead & Greed“ traust Du am meisten zu?
Wir trauen natürlich jeder der diesjährigen Bands so einiges zu, sonst hätten wir sie nicht gebucht. Wir sind sehr glücklich mit dem Line-Up. Und jede Band ist auf ihre Art etwas Besonderes. Während Haggefugg ja aktuell schon groß im Kommen sind in der Mittelalterszene, stehen andere noch ganz am Anfang. Nemoreus aus Wien haben schon gezeigt, dass sie es bis nach Wacken schaffen. Mein persönliches Highlight werden die Habenichtse sein, weil ich sie schonmal mit Baumbart kennenlernen durfte und wir einen fantastischen Abend gemeinsam hatten. Am gespanntesten bin ich auf Remember Twilight, weil ihr Konzept sehr innovativ ist.
Trotz vergleichsweise kleiner Bands war das „Mead & Greed“ 2018 ausverkauft. Wie begegnet ihr der Herausforderung, dass immer mehr Konzertbesucher ihre Tickets kurzfristig an der Abendkasse und weniger im Vorverkauf erwerben?
Naja, damit müssen einfach leben. Mit kleinen Give-Aways wie Verlosungen oder einem Freimet pro Ticket in begrenzten Zeiträumen kann man natürlich das Augenmerk nochmal auf den Vorverkauf lenken und mit dem Preisunterschied zur Abendkasse sollte man eigentlich auch noch was erreichen, generell muss man mit dem Risiko der Spontanität zurechtkommen. Letztes Jahr kamen wir mit dem Vorverkauf gerade so auf +/- 0, der Rest ging an der Abendkasse. Wenn wir den Break Even auch dieses Jahr im VVK erreichen, sind wir glücklich, wenn es jedoch erst an der Abendkasse passiert, sind wir etwas nervöser.
Manche Festivals wie z.B. das Festival-Mediaval in Selb verbinden Konzerte mit Märkten und anderen Künstlern fernab der Musik. Was hälst Du davon und wieviel Rahmenprogramm verträgt ein Musikfestival?
Das Festival-Mediaval ist ja das größte Mittelalter-Festival in Deutschland und daher könnte man ja erstmal annehmen, dass ein Musikfestival sehr viel Rahmenprogramm verträgt. Man muss das Ganze einfach aus unterschiedlichen Perspektiven sehen. Die meisten Mittelaltermärkte mit großen Bühnen leben eben von der Atmosphäre, die Bands sind da nur schmückendes Beiwerk. Ein Musikfestival lebt hauptsächlich von den Bands und die Atmosphäre ergibt sich durch deren Auftritte, nur passt leider nicht zu jeder Band jede Art Atmosphäre. Ich denke, bei einem breit gefächerten Festival wie unserem ist es also gar nicht so einfach, das Drumherum passend zu wählen. Wenn zu den Habenichtsen und Haggefugg zum Beispiel ein Mittelaltermarkt mit Lagerfeuer passt, heißt das noch lange nicht, dass dies auch für Nemoreus oder Helgrindur gelten muss. Da muss man einfach schauen, was im Rahmen ist – auch im Hinblick darauf, dass wir aktuell natürlich nur ein Indoor-Festival veranstalten.
Besten Dank für Deine Zeit und Antworten. Zum Abschluss ein Brainstorming: Was fällt Dir spontan zu folgenden Begriffen ein?
Met: Steinigt mich nicht, aber ich selbst trinke keinen Met, weil er mir einfach nicht schmeckt. Aber meinen Anteil übernehmen gerne meine Mitstreiter und hoffentlich zur Genüge unser Publikum! Genug davon wird da sein, das versichere ich!
Die letzten Worte gehören Dir – gibt es noch etwas, was Du unseren Lesern mitteilen möchtest?
Ich bedanke mich erst einmal für die Gelegenheit, hier mal ein bisschen über das Projekt sprechen zu können, uns vorgestellt zu haben und auch hoffentlich Werbung damit gemacht zu haben. Ich freue mich auf jeden Einzelnen, der sich entscheidet, uns 2019 einen Besuch abzustatten! Ich bin mir absolut sicher, dass jeder auf seine Kosten kommt und wir eine grandiose Party feiern werden. Wir machen einfach da weiter, wo wir 2018 aufgehört haben. Cheers!
Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
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