Für den einen oder anderen war es fraglos das Comeback des Jahres – nach der Auflösung um die Jahrtausendwende betraten die Österreicher von Mayfair wieder die Bühne und legten, nach dem Re-Release der bereits 1993 gefeierten CD „Behind“, mit „Schlage mein Herz, Schlage …“ seit über einer Dekade ein neues Album vor. Grund genug sich mit Sänger Mario über das neue Werk und die anstehenden Aktivitäten der wiedererstandenen Gruppe zu unterhalten.
Hallo nach Österreich – wie fühlt es sich an, nach 15 Jahren Studiopause mit Mayfair wieder ein Album zu veröffentlichen? Ist „Schlage mein Herz, schlage…“ so geworden, wie ihr es euch vorgestellt habt?
Es fühlt sich großartig an. „Schlage“ ist genau so geworden wie wir uns das vorgestellt haben. Wir haben im Vorfeld sehr viel über unsere Vorstellungen gesprochen, sodass wir bei den Aufnahmen uns ganz an diesen Leitlinien orientiert haben. Denn jeder hat zuerst eine andere Vorstellung von „roh“, „ungeschliffen“, „keine polierte Aufnahme“. Irgendwann haben wir alle vom Gleichen gesprochen und haben uns komplett fallen gelassen (die Songs wurden im Proberaum aufgenommen), bis die Songs mit uns gespielt haben.
Wann und aus welchem Grund habt ihr euch dazu entschlossen, Mayfair wieder zu reaktivieren?
Unser Splitt um 2000 war für mich kein würdiger Abschluss für Mayfair und nicht abgeschlossen. Bei meinen anderen musikalischen Versuchen habe ich zwar musikalisch viel gelernt, es fehlte mir aber immer diese Magie. Der Anruf von Rene vor drei Jahren kam genau zum richtigen Zeitpunkt und nach den ersten Proben war mir klar, was ich in den Jahren zuvor vermisst habe.
Mit Johannes (Bass) und Jolly (Schlagzeug) habt ihr zwei neue Mitglieder an Bord – waren die beiden alten Mitglieder nicht für eine Mayfair-Reunion zu haben?
Little ist sehr professionell unterwegs und lebt neben dem Drummen von seinem Masteringstudio. Wir haben natürlich zuerst mit ihm gesprochen, doch er hatte ganz klar seine Prioritäten – was ich auch verstand. Trotzdem hat er uns später bei der Neuauflage von „Behind“ und beim Mastering der neuen Scheibe enorm unterstützt und das spricht doch dafür, welch‘ tollen Charakter er hat und welche tiefe Freundschaft uns verbindet.
Jolly war unsere erste Wahl und ist seit den Anfangstagen als Rowdy bei Mayfair dabei. Er weiß genau wie Rene und ich ticken und was wir vom Schlagzeug erwarten. Mötle war ein Jahr dabei und war wesentlich am Songwriting Prozess der neuen Scheibe beteiligt. Als wir dann aber konkreter wurden (Konzerte, Aufnahmen) wurde es ihm, so glaube ich, zu verbindlich und er ist dann von einem Tag auf den anderen ausgestiegen. Hannes ist dann spontan eingestiegen und war nach Jolly unser zweiter Glücksgriff.
Euer neues Album erscheint mir um einiges geradliniger ausgefallen zu sein als beispielsweise „Behind“. Liegt das vielleicht auch an der Neubesetzung der Rhythmusfraktion?
Nein. Das waren zu 100% unsere Vorstellungen wie wir jetzt klingen möchten. Wir wissen genau wo unsere Stärken liegen und reizen diese aus. Für mich ist die Rhythmussektion auf „Schlage“ sehr songdienlich. Denn was für uns zählt sind gute Songs und Geschichten die den Zuhörer fesseln und nicht wie viele Breaks wir in 10 Sekunden machen.
Ihr habt euch auch auf eurem aktuellen Werk dazu entschieden, deutsche Texte zu schreiben. Was motiviert euch dazu, während 95 % der übrigen deutschsprachigen Bands das Englische nutzen?
Diese Freiheit nehme ich mir raus. Nachdem ich die Melodie habe, sehe ich im Proberaum gleich eine Geschichte oder spüre ein Gefühl. Gewisse Worte fallen mir dann im wahrsten Sinne ein – manchmal in Deutsch, manchmal in Englisch. Hier lasse ich mich leiten. Erst zu einem späteren Moment setze ich mich dann an die Texte ran und überarbeite sie, sodass die Geschichte auch „rund“ ist.
In einigen Stücken nutzt ihr eine betont alltägliche Sprachwahl – ist das der Versuch, eine gekünstelt wirkende Hochsprache zu vermeiden?
Es ist ein sehr schmaler Grad um bei der deutschen Sprache nicht kitschig zu klingen. Im Englischen sind wir Zuhörer viel toleranter. Daher gibt es hier nur zwei Gradmesser für mich, ob eine Melodie und deren Worte gut sind oder nicht: mein inneres Gefühl und der Blick zu Rene. Wenn ich die Geschichten erzähle, liegt die Auswahl der Wörter ganz bei mir und wer schreibt mir vor, nicht auch neue Wörter zu erfinden oder sie anders auszusprechen oder zu betonen?
Was fällt euch leichter: Texte auf Deutsch oder auf Englisch? Und was bevorzugt ihr, wenn ihr selbst Musik hört?
Ich differenziere hier nicht und höre Musik immer als Ganzes. Auch hier gilt: Berührt es mich und passt mir das Konzept der Band, dann ist mir die Sprache eigentlich egal.
Einige euer Texte besitzen eine gewisse Kryptik; was sind eure Themen, worüber singt ihr?
Generell lassen die Texte bewusst Raum für Interpretation und das möchte ich auch. Wenn ich mit Leuten rede, bin ich immer selbst überrascht, wie sie einen Song für sich gewonnen haben. Das ist wunderschön, denn dann wurde der Song und der Text ein kleiner Teil ihres Lebens. Ich möchte hier deshalb keine genaue Angaben geben, da ich zum einen nicht die Fantasie dieser Leute beeinflussen möchte und zum anderen ich nicht meine Gedanken wie eine Gebrauchsanweisung erklären möchte.
Die Geschichten auf dem neuen Album handeln aber größtenteils von den eigenen Zielen und der treibenden Kraft in uns. Es ist aber kein Ratgeber zum Glücklich-Sein, denn die Personen verirren oder täuschen sich auch. Ich liebe es auch, Erlebnisse zu überspitzen und mich in neue Gedanken von Personen zu stürzen, die mir persönlich völlig fremd sind. Ich vergleiche es oft mit einem Regisseur, der einen sehr schrägen Film macht, sich hier auslebt, privat aber bodenständig und ausgeglichen ist.
Es ist häufig zu lesen, dass sich eure Musik nur schwer in eine Schublade packen lässt. Wie würdet ihr eure Musik selbst beschreiben?
Das ist eine Killerfrage, denn ich kann hier bei meiner Antwort nur verlieren. Wenn ich sage, Schubladen interessieren mich nicht, ist Sache der Kritiker bla bla, ist es für den Leser langweilig und eine Standardantwort. Wenn ich sage: Rock mit starken Melodien – dann klingt das wiederum für den Leser überheblich.
Gerade auf „Behind“ ist es euch gelungen, eine permanent zwischen morbider Komik und echter Melancholie changierende Stimmung zu erzeugen – „Schlage mein Herz, schlage …“ klingt mir demgegenüber eher berechneter. Würdet ihr dem zustimmen und liegt dieser Eindruck vielleicht auch daran, dass ihr weniger Gothic-Elemente nutzt?
Da bin ich ganz anderer Meinung. Wir berechnen in der Musik nichts, sondern lassen uns von unseren Gefühlen leiten. Das ist für mich eine ganz andere Ebene und Kunst und kein Job. Fehlende Gothic Elemente? Die sind meiner Meinung sehr wohl auf dem Album zu hören, da unbewusst dies eine Vorliebe und ein Teil von uns ist.
Welches sind eigentlich eure musikalischen Vorbilder? An wem habt ihr euch bis dato so orientiert?
Meistens sind es auch diese „Randbands“ die nicht Musik von der Stange machen, wie z.B. eine Band wie „And also the trees“.
Sind für das kommende Jahr größere Live-Aktivitäten geplant?
Ja, 2014 liegt der Schwerpunkt beim Live spielen. Griechenland steht ganz groß im Kalender und ist für April geplant. Sonst zählt bei uns die Qualität der Veranstaltung und die Handschlagqualität der Veranstalter. Wir werden nicht wochenlang auf Tour gehen, sondern vereinzelt bei ausgesuchten Konzerten spielen. Gerade gestern sind wir mit unserem ersten Booker, Daniel Appert aus der Schweiz, nach über 20 Jahren bezüglich einer Zusammenarbeit zusammen gesessen, mal schauen was Daniel da noch aus dem Arm schüttelt.
Wie wird es jetzt mit Mayfair weitergehen? Kann man sich auf weitere Studioalben einstellen?
Auf jeden Fall, wir möchten noch einige Alben veröffentlichen und schreiben eigentlich ständig Songs. Auch haben wir ein Team um uns, das uns zu 100% unterstützt und sehr viel Herzblut in Mayfair steckt. Das war unser Anspruch von Anfang an und ist auch sehr wichtig, wenn du Ziele umsetzen möchtest. Es gibt genug Nörgler auf dieser Welt, die jede Idee runtermachen. Wir sind in der glücklichen Lage mit motivierten Leuten zu arbeiten, die nicht zuerst auf das Geld achten. Somit ist derzeit alles auf Schiene und wir können uns voll auf die Musik konzentrieren.
Herzlichen Dank für das Interview.