MARIANAS REST befassen sich auf „Fata Morgana“ mit den dunklen Abgründen der menschlichen Existenz sowie mit dem späten Bewusstwerden eigener Fehler. Die Finnen schließen mit dem Album einen Zyklus ab, den sie mit ihrem Debütalbum „Horror Vacui“ begonnen haben. Drummer Niko Lindman und Gitarrist Nico Mänttäri sprechen mit uns über das lyrische Konzept, die Pandemie als Inspirationsgeber und die dunklen Seiten des Lebens.
Hallo und danke für eure Zeit. Wie geht es euch?
Niko Lindman: Hallo und danke für das Interesse! Alles ist gut, wenn man diese andauernde Pandemie ausnimmt. Der finnische Drei-Tage-Sommer steht schon vor der Tür!
Nico Mänttäri: Ja, danke für das Interesse!
Wollt ihr euch für unsere Leser, die noch nicht von euch gehört haben, kurz vorstellen?
Niko L.: Was unsere Kunst betrifft, geht es voll und ganz um die Stimmung und die Emotionen, die wir übermitteln wollen. Wenn wir das in eine Schublade stecken wollen, würde die Bezeichnung wohl Melodic Doom/Death Metal heißen. Dennoch kann man hier und da viele verschiedene Einflüsse finden.
Ihr habt kürzlich euer neues Album „Fata Morgana“ veröffentlicht. Wie war das Feedback der Fans und der Presse bisher?
Nico M.: Die Reaktionen haben uns überwältigt. Es gibt eine Zeit vor jeder Albumveröffentlichung, wenn du die Songs ans Label und damit aus deinen Händen gibst, du hast Angst und bist besorgt darüber, wie die Leute darauf reagieren werden. Wir haben gespürt, dass das Album solide ist, aber das Warten auf die ersten Reviews ist trotzdem nervenzerreißend. Ich bin froh, dass die Leute es anscheinend mögen.
Wie lange habt ihr am neuen Album gearbeitet und wie können wir uns euren Arbeitsablauf vorstellen, wenn ihr an neuer Musik arbeitet?
Niko L.: Wir haben im Herbst 2019 angefangen, erste Demos zu schreiben und etwa sechs Monate später waren die Songs bereit fürs Studio. Das letzte Mastering hatten wir irgendwann im Juni oder Juli 2020. In unserem Camp bringt jeder seine eigenen Ideen in die Songs ein und gemeinsam als Gruppe bringen wir die Lieder zusammen. Wenn die Demos sowas wie eine spielbare Form haben und das Album langsam etwas Fleisch auf die Knochen bekommt, hatten wir mit unserem Produzenten diese „Produktions-Camps“. Nach diesen Sessions schleifen wir das Album für das Studio zurecht.
Nico M.: Wie Niko gesagt hat, das Songwriting ist definitiv eine Gruppenarbeit. Mir gefällt es, dass wir noch immer den Großteil schreiben, während wir zusammen als Band jammen und nicht zu Hause in unseren Home Studios sitzen und jeder für sich an den Songs tüftelt. Ich denke, auf diese Weise werden die Songs lebendiger. Zumindest in unserem Fall.
Wer ist für die Lyrics verantwortlich?
Niko L.: Wir bringen uns alle ein, aber Jaakko ist hier unser Mastermind.
Gibt es ein lyrisches Konzept, das die Songs auf „Fata Morgana“ verbindet?
Niko L.: Das lyrische Konzept dreht sich um Isolation. Unser Protagonist hat eine lange Reise ans Ende der Welt hinter sich, auf der er sich gefragt hat, warum er oder sie und alle menschlichen Wesen im Allgemeinen sich so verhalten, wie wir das eben tun und warum es schwer ist, in diesem Moment die eigenen Fehler und falschen Entscheidungen einzusehen. Auf dem Weg versucht der Erzähler, die Puzzlestücke zusammenzusetzen und denkt über die getroffenen Entscheidungen nach. Schließlich erreichen wir eine Kreuzung, an der wir entscheiden müssen, ob es möglich ist oder nicht, das Ende zu erreichen und etwas Neues zu beginnen.
Folgt das neue Album damit eventuell auch einem Konzept vorheriger Alben?
Niko L.: Ja. „Fata Morgana“ bringt die Storyline zu Ende, die auf unserem Debüt „Horror Vacui“ begonnen hat, das sozusagen davon handelt, vom Weg abzukommen. Auf „Ruins“ ist der Hauptcharakter mental kollabiert. „Fata Morgana“ ist ein Abschluss, bei dem der Erzähler auf diesen Moment zurückblickt und eventuell in die Zukunft schaut.
Habt ihr einen Lieblingssong auf „Fata Morgana“?
Niko L.: Das ändert sich fast täglich, aber heute würde ich sagen „South Of Vostock“.
Nico M.: Für mich ist das heute der Titeltrack, aber wie Niko schon sagt, ist das von Zeit zu Zeit unterschiedlich.
Einer meiner Lieblingstracks ist „The Weight“. Könnt ihr mir darüber und über den Gast, den ihr bei dem Song hattet, erzählen?
Niko L.: Der Song ist ziemlich lang und hat nicht besonders viele verschiedene Parts, also haben wir ihn vielschichtiger gestaltet und so die Dramatik aufgebaut. Lindsay Schoolcraft als Gastsängerin und Timo Virkkala am Cello haben wunderbare Arbeit geleistet und ihr Mitwirken hatte großen Einfluss auf uns.
Nico M.: Wir haben versucht, einen leicht hypnotischen Effekt in diesem Song zu erzielen, mit einem dröhnenden Riff, das sich anfühlt, als würde es nie enden. Und ab etwa der ersten Minute umkreist der Song im Grunde diese eine einfache Akkordfolge und wir haben versucht, verschiedene Schichten und Variationen davon zu erzeugen. Ich war ein bisschen besorgt, wie wir den Song bis zum Ende interessant halten können, aber ich denke, es ist letztendlich gut geworden. Ein großes Dankeschön an die Gäste Lindsay und Timo!
Ein weiterer toller Song ist “Advent Of Nihilism”. War es geplant, dass er so dunkel und kalt geworden ist?
Niko L.: Ich denke, fast alle unsere Songs haben einen solchen Unterton, aber ich verstehe, was du meinst. Wir lassen die Songs sich so entwickeln, wie sie es wollen. Als das schwarzmetallische, führende Tremolo-Riff stand, haben wir es mit einer zusätzlichen Prise Satan versehen, und dann wurde es eben so. Kein Bedauern.
Nico M.: Jedes Album braucht diesen einen Song, der einfach nur das pure Böse ist. Nach dem ersten Riff wussten wir einfach, dass wir keinen Feenstaub auf diesen Song streuen konnten. Er musste von Anfang bis Ende düster sein.
Der letzte Song des Albums ist “South Of Vostok”. Kannst du mir verraten, warum ihr Vostok gewählt habt? Vostok ist schon eine sehr spezifischer Ort für einen Song.
Niko L.: Das ist er, viel wichtiger aber ist, dass er als eine Metapher funktioniert. Die Forschungsstation namens Vostok befindet sich in der Antarktis, wo die Natur so feindlich wie nur möglich ist. Unter eine Tonne Eis befindet sich ein See, in dem es noch immer Leben gibt, wenn wir nur genau hinsehen.
Kommen wir zu einem etwas anderen Thema. In den meisten Ländern sind Live-Shows im Moment nicht möglich. Habt ihr irgendwelche Pläne, eine Art Streaming-Show zu organisieren?
Niko L.: Wir haben diese Option besprochen. Wir haben bereits die voraufgezeichneten „Cabin Sessions“ für den Youtube-Kanal von Napalm Records gemacht, was ziemlich cool war. Ideen für einen Live-Stream gab es, aber wenn wir so etwas machen würden, möchten wir das nach unseren eigenen Vorstellungen machen.
Nico M.: Ich denke, in unserem Fall ist die große Herausforderung, die Atmosphäre über den Stream zu übertragen. Es gibt nur alles oder nichts, keine Kompromisse. Aber wie gesagt, Ideen gibt es.
Wie geht ihr als Band und persönlich mit der Pandemie um?
Niko L.: Die Situation in Finnland war verhältnismäßig okay und wir konnten dem Virus alle ausweichen. Außerdem konnten wir in unseren regulären Jobs normal arbeiten. Was die Band angeht, ist das natürlich richtig mies, da wir alle unsere anstehenden Konzerte absagen oder verschieben mussten. In der Zwischenzeit haben wir uns selbst beschäftigt. Es gibt genügend Sachen, die wir immer noch machen können, zum Beispiel diverse Videoproduktionen und kurze Clips, Interviews, neue Demos und vernünftige Zukunftsplanungen – danke an Napalm. Wir sind bereit, den Welteroberungsmodus einzuschalten, wenn die Pandemie endlich vorbei ist.
Nico M.: Zum Glück sind wir in dieser seltsamen Zeit alle körperlich und geistig gesund geblieben. Zumindest bis jetzt. Eine gute Sache ist auch, dass wir die Möglichkeit hatten, als Band ziemlich normal proben und zusammenkommen konnten. Das hat uns geholfen, die Räder in Bewegung zu halten. Hoffen wir einfach, dass die Pandemie bald Geschichte ist.
Würdest du sagen, dass diese Zeiten auf ihre Weise auch inspirierend sein können, wenn es um das Kreieren von Musik geht? Speziell dann, wenn eure Musik die dunklen Seiten des Lebens behandelt?
Niko L.: Vielleicht. Die meisten unseren Ideen entspringen unserem grauen Alltag, aber möglicherweise hat das alles zumindest einen unterbewussten Einfluss. Ich würde aber trotzdem nicht sagen, dass das der Mittelpunkt unserer Inspiration wäre.
Nico M.: Ich denke, mit der Musik verarbeiten wir viel von dem Scheiß, den wir in unserem täglichen Leben durchmachen. Sie hilft uns, mit der dunklen Seite in uns umzugehen. Deshalb wäre ich sehr erstaunt, wenn die Pandemie unsere Musik, die wir in diesen Zeiten geschrieben haben, überhaupt nicht beeinflusst hätte.
Arbeitet ihr eventuell schon an neuem Material?
Niko L.: Die ersten Pinselstriche wurden bereits gemacht, ja!
Lasst uns zum Schluss noch über etwas anderes reden. Welche Bücher oder Filme könnt ihr aktuell empfehlen?
Niko L.: Ich lese gerne Bücher aus einem breiten Spektrum an Themen und Genres. Es ist wie bei der Musik, ein gutes Buch ist ein gutes Buch. Empfehlen kann ich meine zuletzt gelesenen Bücher: „A Life On Our Planet“ von David Attenborough und „Prisoners Of Geography“ von Tim Marshall.
Nico M.: Ich bin ein Typ, der immer etwas hintendran ist und habe letztens Joker gesehen und war überrascht, wie gut er war. Speziell auch, weil solche Filme mich normalerweise eher nicht interessieren.
Und wie sieht es mit Musik aus? Welche Künstler oder Bands verfolgst du momentan, eventuell auch abseits vom Metal?
Niko L.: Zuletzt habe ich mir die Neuveröffentlichungen von Blue Öyster Cult und Lana Del Rey angehört.
Nico M.: In letzter Zeit habe ich mir oft das neue Album von Dark Tranquillity angehört. Und auch wenn es von ihnen nichts neues gibt, laufen Roxette bei mir aktuell rauf und runter.
Okay, das war meine letzte Frage. Danke für eure Zeit für das Interview. Die letzten Worte gehören euch.
Niko L.: Es war uns eine Freude! Wir treffen uns hoffentlich mal und können uns persönlich unterhalten, wenn die Welt sich wieder öffnet.
Nico M.: Danke, bleib gesund und stark! Das wird alles vorbeigehen und wenn es so weit ist, werden wir euch alle wiedersehen. Wir können es nicht erwarten!
Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
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