Interview mit Bezaelith & Tal R’eb von Lotus Thief

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Mit ihrem aktuellen Album „Oresteia“ haben LOTUS THIEF nicht bloß ein musikalisch herausragendes Album zwischen Black Metal, Doom Metal, Post-Rock und Ambient, sondern auch eine eindrucksvolle Vertonung der gleichnamigen, dreiteiligen Tragödie des altgriechischen Dichters Aischylos vorgelegt. Inwiefern in der mythologischen Geschichte um einen blutigen Teufelskreis der Rache auch Gender-Rollen zum Tragen kommen, wie aus der ursprünglich als 3-Track-EP geplanten Veröffentlichung ein ganzes Album wurde und warum die Ambient-Interludes auf „Oresteia“ eine bedeutsame Rolle spielen, erfahrt ihr im folgenden Interview mit Mastermind Bezaelith und Multi-Instrumentalist Tal R’eb.

Seit eurem letzten Album „Gramarye“ hat sich die Besetzung eurer Band geändert. Wie kam es dazu?
Bezaelith: Ich habe viel Zeit damit verbracht, für LOTUS THIEF über die Jahre ein Team aufzubauen, wobei ich Zeitpläne, musikalische Vorlieben und Sensibilitäten und die Ideen für das große Ganze berücksichtigt habe. Das Ziel war, dass jedes Instrument durch einen Live-Musiker repräsentiert wird, der auch beim Kompositionsprozess und beim Feinschliff mitwirkt. Auf „Oresteia“ wollten wir eine Geschichte erzählen und dahingehend zusammenarbeiten, dass sich unterschiedliche Persönlichkeiten stilistisch durchsetzen können.

Könntest du kurz die neuen Mitglieder und deren Funktion in der Band vorstellen?
Bezaelith: Tal R’eb ist ein weiterer Multi-Instrumentalist und Komponist. Er spielt Gitarre, Bass, Synthesizer, Geige und wahrscheinlich alles, was wir vor ihm fallen lassen. Er komponiert auch die Songstruktur auf breiter Ebene. Kore (Schlagzeug und Geige auf „Oresteia“), komponiert auch Teile, weil er die Schlagzeug-Entwürfe übernimmt und sie sich zu eigen macht. Romthulus (Gitarre, tiefe Vocals auf „Oresteia“), interessiert sich vor allem für einzelne Teile, insbesondere für die Verfeinerung der Gitarrenspuren, indem er sie neu komponiert, um sie entweder ordentlicher, unordentlicher oder einfach klanglich anders zu gestalten, usw. Es erwies sich als entscheidend, den Gitarrenklang der Platte mit der Lupe zu betrachten. Ascalaphus hat die harschen Vocals auf „Oresteia“ beigesteuert. Wir haben uns auf einer Tournee kennengelernt und sind seitdem Kumpel. Er ist einfach der irrste Schreisänger und er hat eine wahnsinnige Bühnenpräsenz. Wir sind in einem Nebenprojekt namens Forlesen, das dieses Jahr sein Debüt herausbringen wird. Er und ich arbeiten den Stil der härteren Parts aus, wenn wir kurz vor der Fertigstellung des Entwurfs stehen, denn diese Art von Gesang ist sehr stark von den Gitarren und dem Schlagzeug-Sound abhängig. Zu guter Letzt haben wir mit Mohrany eine neue Sängerin, die in den Ambient-Tracks auf dem „Rervm“-Re-Release und auf dem Nachfolger von „Oresteia“ zu hören sein wird. Sie ist eine gute Freundin vom College, die in verschiedenen Gesangsstilen ausgebildet ist, aber das offen gesagt mit einer Stimme, die dreimal so stark ist wie meine. Wenn der Gesang voranschreitet und wir größere Auftritte haben, bei denen wir eine Bühne bekommen, auf der leicht fünf bis sechs Musiker Platz finden, wird man ihren explosiven Gesang hören. Sie hat beinahe einen Broadway-meets-Janis-meets-Power-Metal-Stil. Die Mischung von uns beiden reicht je nach Stück von gefühlvoll bis hexenhaft.

Inwiefern hat sich der Besetzungswechsel auf euer Songwriting und euren Sound ausgewirkt?
Bezaelith: Ich denke, das hängt davon ab, was man in „Oresteia“ hört. Die meisten Rezensenten und Zuhörer meinten, es hat einen volleren, produzierteren Sound, eine direktere Vocals, größere Gitarrenwände und einen weniger kratzigen, riffigen oder Lo-Fi-artigen Mix. Das bedeutet nicht, dass es eine bessere Platte an sich ist, sondern dass es davon abhängt, welchen Stil der Hörer bevorzugt. Einige haben gesagt, dass sie am liebsten „Rervm“ hören, andere meinen, dass die Magie von „Gramarye“ in ihren Ohren am besten ist. Dennoch haben wir dieses Mal sehr ermutigende Rückmeldungen erhalten. Vielleicht spiegelt das die harte Arbeit wider, die wir geleistet haben, um den letzten Mix auf unsere sechs Paar Ohren abzustimmen.

Auf eurem aktuellen Album „Oresteia“ behandelt ihr die gleichnamige, dreiteilige Tragödie des griechischen Dichters Aischylos. Wie bist du erstmals mit dieser Geschichte in Berührung gekommen?
Bezaelith: Ich habe in der Klasse daran gedacht. Es ist einer der Texte, die in den USA in der öffentlichen High-School zum üblichen Lernstoff gehören. Ich wollte etwas Vertrautes, auch wenn diese Vertrautheit der Zuhörer damit vielleicht aus der Schule herrührt, vielleicht sogar in Form von „Pflichtlektüre“. Wir wollten die Idee in einer Weise angehen, die sie für uns realisierbar macht. Zu dem Zeitpunkt, als die Idee entstand, unterrichtete ich „Titus Andronicus“ in einer zehnten Klasse. Shakespeare’scher Ursprung, im alten Rom angesiedelt, ähnliche Themen wie etwa Gewalt und Rache, aber ein Stück mit einem ganz anderen „Geschmack“. Ich wurde neugierig auf die „Orestie“, auf die vielen Einflüsse Griechenlands auf das Römische Reich, auf Stil, Mythologie und Archetypen. Als ich die Trilogie las (welche wir heute als Teile eines möglicherweise längeren Werkes kennen), wurde ich davon angezogen, wie gewichtig der Stoff war. Wie sehr er mit dem zusammenhing, was ich lehrte. Sowohl in „Titus“ als auch in der „Orestie“ geht es um kaputte Familien und politische Rache – Dinge, die in sterbenden Imperien oft Hand in Hand gehen. Ich habe mich dabei ertappt, wie ich über die heutige Welt nachdachte, in der wir nicht einmal mehr von Schießereien in der Schule schockiert sind. Wo wir den Konsum über das Wissen stellen. Wo wir unsere Führer anschauen und uns wundern: Hat sich das wiederholt? Wann sonst in der Geschichte haben wir so viel Misstrauen und Bitterkeit gesät? Vielleicht ist der einzige Unterschied zwischen heute und damals, dass Andronicus und Atreus noch keinen halb zerstörten Planeten in ihren Händen hatten.

Was hat dich dazu bewogen, dich mit dieser Trilogie in Form einer Platte auseinanderzusetzen?
Bezaelith: Das Thema der rohen, ungehemmten Gewalt und Rache und ihre Gegensätze… Gesetz, Gerechtigkeit, Vergeltung – vielleicht auch Mitgefühl. Das waren Konzepte, mit denen ich in meinem eigenen Leben zu kämpfen hatte, basierend auf meinen Wahrnehmungen bezüglich dessen, wie Menschen grausam zueinander sein können. Grausamkeit ist wahrscheinlich das abscheulichste Gesicht der Menschheit. Ich wollte dieses Gesicht sehen, ich wollte die Wut spüren, die es trägt, und ich wollte gegen dieses Gesicht wüten. Jeder in dem Text spürt die Anziehungskraft dieser Wut. Zuerst ging es darum, dem Gefühl wie ein blindes Tier zu folgen, aber dann begann ich, die Erzählung in meinem Kopf zu sehen. Nicht so, wie sie von Menschen inszeniert wurde, sondern durch das, was Lukrez „die Dunkelheit des Geistes“ und Rabelais „Monster des Geistes“ nannten. Das Stück weckte meine Neugierde und schließlich wurde daraus eine Diskussion mit den auf der Platte zu hörenden Akteuren.

Ursprünglich hattet ihr lediglich eine drei Tracks umfassende EP geplant. Wie kam es dann dazu, dass ihr sie zu einem ganzen Album ausgebaut habt?
Bezaelith: Ursprünglich wollte ich etwas, das etwa 22 Minuten dauert und aus drei Songs besteht. Ich hatte die Idee eines Triptychons. Mich faszinierte die Idee der Stärke von drei Liedern. Aber dann lasen wir mehr und begannen, Ideen herumzuwerfen. Die Riffs kamen aus dem Nichts, sie hingen sich an Orte, an denen wir uns in der Geschichte wiederfanden. Die wortlosen, dunklen Ambient-Tracks sind wie der Tunnelblick von Ort zu Ort oder in der Zeit vor und zurück. Wir erkannten, dass sich das Ding vorwärts bewegen sollte, wie ein Fluss oder eine sich verändernde Landschaft. Das wurde wichtiger als die Anzahl der Lieder: Es ging darum, zur Geschichte zu gelangen.

Selbst mit einem knapp 40 Minuten langen Album ist es bestimmt nicht leicht, ein solches Werk zusammenzufassen. Wie seid ihr diesbezüglich die Gliederung des Albums und die inhaltliche Einteilung der einzelnen Songs angegangen?
Bezaelith: Ich glaube, irgendwo im Internet habe ich einen Satiriker gesehen, der Buchtitel in Form von Kurz-/Spoilersätzen neu erdacht hat. Das brachte mich zum Lachen, aber es steckte auch etwas Wahres darin. Denn selbst die längsten Epen wie „The Rhyme Of The Ancient Mariner“ zum Beispiel, lassen sich in ihren Themen zusammenfassen, im Fall von „The Rhyme…“: „Leg dich nicht mit der Natur an.“ Die „Orestie“ läuft auf die Schattierungen des Umstands hinaus, dass Gewalt zyklisch ist und unmittelbare und oft dauerhafte Folgen hat. Man braucht nicht viel Platz, um die Momente im Text herauszuarbeiten, in denen die Energie hoch ist, in denen diese Themen auf einen zukommen. Die Worte sprechen für sich selbst. Es ist ein Text über Umbrüche. Er wurde für uns vielleicht deshalb zu einer Umbruch, weil wir wussten, dass wir es mit etwas Neuem zu tun hatten, etwas Rohem und das auf eine andere Art und Weise als „Rervm“ und „Gramarye“. Der Stich, der mit dem Verrat einhergeht, die hässlichen Emotionen, die er hervorruft, die Szenarien, in die unsere Entscheidungen uns führen.

In der Beschreibung des Albums auf eurer Bandcamp-Seite bzw. von Seiten eures Labels ist zu lesen, dass das Konzept neben der Ethik des Tötens auch Gender-Rollen betrifft. Inwiefern ist das der Fall?
Tal R’eb: Die „Orestie“ ist nach unseren heutigen Maßstäben ziemlich patriarchalisch. Frauen werden entweder als hilflos (Kassandra, Elektra) oder rachsüchtig (Klytaimnestra, die Furien) dargestellt. Das Motiv der Rache tendiert hier eindeutig in die Richtung, dass Männer berechtigte Gewalt gegen Frauen ausüben können, aber nicht umgekehrt. Nehmen wir zum Beispiel Klytaimnestra – warum war es nicht gerechtfertigt, dass sie Rache an Agamemnon nimmt, weil er ihre Tochter Iphigenie getötet hatte, um den Trojanischen Krieg zu gewinnen? Diesen alten Text auf moderne Standards zu bringen, schafft ethische Spannungen, die unsere Arbeit bestimmen.

Auch in der Metal-Szene brechen Geschlechterrollen nur langsam nach und nach auf. Frauen spielen immer noch in erster Linie Symphonic oder Gothic Metal, extremere Musik hingegen nur selten, und die Unterschiede zwischen biologischem und seelischem Geschlecht sind nicht wirklich ein weithin besprochenes Thema. Welche Erfahrungen hast du als Musikerin bisher in Sachen Gender gemacht?
Bezaelith: Ich denke, diese Unterschiede werden seit vielen Jahren aktiv diskutiert, aber es hängt davon ab, wer diesen Diskussionen zuhört und sich um sie schert. Frauen und Männer verändern gemeinsam das Gesicht der Musik. Wir inspirieren und treiben uns gegenseitig an und haben die Fähigkeit, anderen den Weg zu bereiten, damit sie uns folgen können, ohne die Dummheit der Gatekeeper-Kultur zu säen.
Ich kann dir unzählige Beispiele für schwachsinnige Männer (und Frauen) nennen, die mich unterschätzt haben, weil ich eine Frau bin. Aber warum sollte ich diesen Verlierern eine Plattform geben? Ich spreche lieber von den Männern und Frauen, die gesagt haben: „Mach deine schräge Musik“ und mir dafür ihren Segen gegeben haben. Ein schönes Beispiel war ein Gespräch, das ich mit unserem Toningenieur für „Oresteia“, Colin Marston von Krallice, Gorguts und Behold… The Arctopus führte. Wir trafen uns auf einer Tournee, und ich erzählte ihm, dass ich an diesem Album namens „Rervm“ arbeite. Als ich es später fertig gestellt hatte, schickte ich ihm eine Datei davon und fragte ihn um Rat, wie mit den Labels, die Interesse daran bekundeten, zu verfahren sei. Ich erinnere mich noch an das erste, was er sagte, etwas nach dem Motto „Willkommen in der Welt des schrägen Metals“, was einigen Dingen vorausging, die ich heute noch im Kopf habe. Dass mir das Wort „Willkommen“ entgegenkam, machte den Unterschied aus, und es gibt viele Musiker und Produzenten, die neue Köpfe beim Musikmachen willkommen heißen. Die Ausgrenzung und Elitismus nicht nutzen, um einen Powertrip auszuleben. Es sind diese Komponisten und Schöpfer und große Geister aller Art – jene, die Andersdenkende bewundern und einbeziehen –, die es verdienen, dass man auf sie ein Loblied singt.

In „Oresteia“ wird ein blutiger Kreislauf der Rache letztlich durch ein von den Göttern geleitetes Justizverfahren durchbrochen. Dennoch ist Rache auch heute noch ein für viele Menschen nachvollziehbares, tief in ihnen verankertes Motiv. Kann man sich als Mensch deiner Meinung nach überhaupt von solchen Empfindungen lösen?
Tal R’eb: Unwahrscheinlich, weshalb die „Orestie“ auch heute noch ein eindrucksvolles Werk ist (oder sein sollte). Der Wunsch nach Rache ist wahrscheinlich so grundlegend für die menschliche Natur, dass er in der griechischen Mythologie eine eigene Vergöttlichung (die Furien) hatte. Es gibt jedoch zivilere und gesündere Methoden, einen solchen Konfliktimpuls zu lösen, als der reinen Gewalt zu erliegen.

Themen wie Gender-Rollen oder die Diskrepanz zwischen Rache und geordneter Rechtsprechung sind für einige sicherlich schwer zu verdauen. Denkst du, dass Geschichten wie die „Orestie“ bzw. darauf basierende Alben dabei helfen können, den Menschen solche Themen näherzubringen?
Tal R’eb: Ja, ich glaube schon, denn ein Werk wie die „Orestie“ zeigt, dass wir uns seit der Antike mit einigen Kernthemen auseinandergesetzt haben. Ich glaube, dass diese Werke einen grundlegenden Einblick in einige der Ideen geben, die wir heute als selbstverständlich ansehen, und so Licht auf die Gründe für solche Ideen (wie z.B. die eines geordneten Gerichtsverfahrens) werfen. Ich hoffe, dass dies einen Anstoß zur Selbstreflexion darüber gibt, ob eine solche Begründung auch heute noch zutrifft.

Würdest du sagen, dass eure Veröffentlichungen im Allgemeinen mitunter sogar einen bildenden Effekt auf die Hörer haben?
Tal R’eb: Ich hoffe es! Die Musik, die ich geliebt habe, hat immer einen erzieherischen Effekt auf mein Leben gehabt, z.B. hat mich das Lied „Orestes“ von A Perfect Circle dazu inspiriert, die „Orestie“ überhaupt erst einmal aufzugreifen. Ich hoffe, dass wir nicht nur Musik machen, in die andere eintauchen können, sondern dass wir auch vom literarischen Aspekt profitieren können.

Ihr verarbeitet in euren Alben stets sehr interessante Themen, die zumeist auf historischen Quellen basieren. Siehst du dies als integralen Bestandteil von LOTUS THIEF ist oder könntest du dir auch vorstellen, mal ein Album ohne ein solches Konzept, vielleicht sogar ein gänzlich instrumentales, zu kreieren?
Tal R’eb: Im Moment ist die Verwendung alter Texte ein integraler Bestandteil unseres Ethos und unserer Ästhetik. Es gibt so viel Inspiration, die man aus diesen Texten schöpfen kann, und die Bedeutung und das Gewicht, das sie mit sich bringen, halte ich für einen Schlüsselaspekt unserer Identität. Man weiß nie, wie die Zukunft aussehen wird, aber wir haben andere musikalische Projekte, um andere Konzepte zu erforschen, was es uns ermöglicht, uns auf diese spezielle Ästhetik zu konzentrieren, wenn wir als LOTUS THIEF zusammenkommen.

Kommen wir noch auf eure Musik per se zu sprechen. Ihr setzt auf „Oresteia“ erstmals auch Schreigesang und Blast-Beats ein. Wolltet ihr damit dem Gewaltaspekt der vertonten Geschichte Rechnung tragen?
Bezaelith: Wir verwendeten Blast-Beats und harsche Vocals bereits in mehreren Liedern sowohl auf „Rervm“ als auch auf „Gramarye“. Vielleicht meinst du damit stilistische Unterschiede im Schlagzeug oder im Mix selbst auf. Im Fall von „Oresteia“ sind Gesang und Schlagzeug ein kräftig schlagendes Herz. Es ist einfacher, sie herauszugreifen.

Ich habe auch den Eindruck, dass die Produktion des Albums etwas griffiger klingt als bei euren vorherigen Releases. Denkst du, dass ein eher ätherischer Sound wie auf „Gramarye“ hier nicht so passend gewesen wäre?
Tal R’eb: Wir haben diesmal mit Colin Marston gearbeitet. Wir wollten auch, dass sich Bezaeliths Gesang direkter anfühlt – ihr Gesang ist hier sehr präsent, er nimmt eine andere Bandbreite im Mix ein. So wie es ist, haben wir aber das Gefühl, dass „Oresteia“ angesichts seiner Ambient-Passagen schon ziemlich ätherisch ist.

Das Album beinhaltet ein paar kurze, zumeist im Ambient-Stil gehaltenen Interludes. Kritiker beklagen oft, dass solche Zwischenspiele den Flow eines Albums stören. Warum sind sie aus deiner Sicht dennoch ein wichtiger Teil von „Oresteia“?
Tal R’eb: Die Zwischenspiele dienen als Brücke, die die Lieder miteinander verbindet. Ich persönlich erlebe „Agamemnon“, „Libation Bearers“ und „Sister In Silence“ als eigenständige, in sich geschlossene Welten. Das Ambiente fühlt sich an, als ob man sich von einem Ort oder einer Zeit in eine andere bewegt. Ambient-Passagen neigen dazu, das widerzuspiegeln, was der Zuhörer mitbringt, wobei die Instrumentalstücke eher ein Soundtrack als eine treibende Erzählung sind. Für jeden Rezensenten, der meinte, er könne auf die Ambient-Passagen verzichten, gibt es zwei weitere, die sie als entscheidende Ebbe zwischen den treibenden Stücken empfanden. Die Erfahrung scheint da sehr persönlich zu sein.

Auffällig ist auch, dass „The Furies“ als verträumte Post-Rock-Nummer anfängt und erst später an Klanggewalt zulegt. Welcher Gedanke steckt dahinter, dass ihr die Rachegöttinnen auf diese Weise vertont?
Bezaelith: Die Furien/Erinnyen sind Archetypen der Vergeltung – der Geist des Diskurses, den das Stück hervorruft. In gewisser Weise erinnern sie mich an umgekehrte Walküren, die die Geister derer, die in Ehre sterben, auf die nächste Ebene bringen. Nur schleppen die Furien hingegen Verräter und Mörder zur Vergeltung. Die Walküren, die wir in „Idisi“ auf „Gramarye“ besungen haben, waren der Segen einer gut geführten Schlacht. Die Furien, die wir hier in „Oresteia“ besingen, werden durch einen Fluch im Namen eines Opfers angerufen. Für ein Lied, das irgendwie diese Maske tragen soll, braucht man eine dynamische Veränderung.

Wie wird es als Nächstes mit LOTUS THIEF weitergehen? Habt ihr womöglich schon Ideen, welcher Thematik ihr auf eurer nächsten Platte annehmen könntet?
Tal R’eb: Das haben wir in der Tat, aber das soll erst zu einem späteren Zeitpunkt offenbart werden. Abgesehen von den Vorbereitungen für unsere Release-Show haben wir den größten Teil unserer Stunden damit verbracht, den Nachfolger von „Oresteia“ zu komponieren und zu entwerfen, um die 90%-Marke zu erreichen. Es reicht wohl, zu sagen, dass es eine schwierige Aufgabe ist, das nächste Album zusammenzustellen.

Wir beenden Interviews auf Metal1.info üblicherweise mit einem kurzen Brainstorming. Was kommt dir zu den folgenden Begriffen in den Sinn?
Avantgarde: Semantik
Pflichtlektüre: Schlechter Unterricht
Atheismus: Reddit
Musikstreaming: Revolution
Ziviler Ungehorsam: Chaostheorie
Klimakrise: We Make Great Pets

Zum Abschluss nochmals vielen Dank für dieses Interview. Gibt es von deiner Seite noch ein paar letzte Worte, die du an die Leser richten möchtest?
Vielen Dank für das Lesen und Zuhören. Sucht weiter nach dem, was euch inspiriert. Haltet die Musik als wahren Ausdruck unserer Erfahrung in dieser Welt am Leben.

Publiziert am von

Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

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