Interview mit Pi Stoffers & Niklas Kahl von Lord Of The Lost

Das Wacken Open Air 2023 dürfte als das W:O:A mit der chaotischsten Anreisesituation jemals in die Geschichtsbücher des Metal eingehen – aber auch als das Wacken, bei dem Blümchen auf der Bühne stand. Wie es dazu kam, wie sie die Gesamtsituation empfunden haben und was eigentlich noch kommen soll nach ESC, Wacken und Support-Shows mit Iron Maiden, berichten Pi Stoffers und Niklas Kahl von LORD OF THE LOST im Interview zu ihrem neuen Live-Album „Live AT W:O:A“.

Ihr wart mit Iron Maiden auf Tour, habt auf Wacken gespielt und beim ESC. Das klingt nach einer ganz schön ordentlichen Bilanz für die letzten Jahre. Wie hat sich das für euch angefühlt? Da ging es ja doch relativ rapide in den Fokus der medialen und sonstigen Aufmerksamkeit. Was macht das so mit einem, wenn man da so reingespült wird?
Nik: Ich verarbeite noch. Es ist wirklich völlig abgefahren, da ist ja wirklich so viel passiert und das in so extrem kurzer Zeit. Wobei, nein, die Zeit war ja gar nicht so kurz. Es war einfach so viel. Und es ist wirklich so, dass ich auch heute immer mal wieder, also jetzt nicht einmal die Woche, sondern halt wirklich so jeden Tag mal kurz, irgendwas Revue passieren lasse. Mir fällt wieder irgendwas ein, was in den letzten zwei Jahren war, mit wem ich mich wo unterhalten habe oder was auf irgendeiner Show passiert ist, was total geil oder total krass oder total schlimm war oder keine Ahnung. Ich habe wirklich das Gefühl, ich verarbeite nach wie vor.
Pi: Man muss auch sagen: Eurovision, Wacken und die zweite Maiden-Tour, das ist innerhalb von ein paar Monaten passiert.
Nik: Das waren nur vier Monate. Eurovision war im Mai und Wacken war im August. Guck mal, das zum Beispiel ist gerade so ein Ding. Also irgendwie, ja, das waren die letzten anderthalb Jahre. Aber das, was du gerade sagst, ey, fuck, das waren eigentlich nur vier Monate, in denen das alles passiert ist. Und drumherum gab es ja auch noch Sachen.

Pi im Interview mit Metal1.info, 2024 (Screenshot)

Wenn man eine Band in eure Richtung gründet, rechnet man wohl nicht unbedingt damit, dass man überhaupt irgendwann mal so im Fernsehen läuft oder mit Maiden auf Tour geht. Wann habt ihr gemerkt, dass es so jetzt in so eine Richtung geht, dass da wirklich Aufmerksamkeit auf euch kommt und da was Großes so am Horizont sich auftut?
Pi: Unabhängig von den Ereignissen, von denen wir jetzt gerade sprechen: Ich fand es schon 2018 absolut krank, was teilweise abging als „Thornstar“ herausgekommen ist. Ein einschneidendes Erlebnis für mich war ein wirklich sehr, sehr kurzes Interview mit Loudwire. Ich glaube, jeder Metal-Musiker kennt Loudwire. Reichweitentechnisch war das Interview letztendlich komplett wertlos. Aber für mich persönlich war das was ganz, ganz Großes. Also für mich war da schon der Moment, wo ich dachte, was geht denn jetzt ab? Dann denkst du ja gar nicht, dass solche Dinge, wie du sie aufgezählt hast, passieren.
Nik: Das war ja auch das Jahr und das Album, mit dem es im Ausland noch mal ein bisschen krasser wurde. Wir waren ja immer schon auch international unterwegs, aber plötzlich kamen dann halt China und Mexiko dazu. Das ist dann plötzlich schon mal so: Wow, OK, was geht jetzt? Also plötzlich war eine größere Reichweite da: Nicht nur, dass wir andere Leute erreicht haben, sondern wir durften plötzlich auch zu den Leuten reisen. Das war schon krass. Aber so dieses i-Tüpfelchen vorerst, als diese erste Maiden-Anfrage kam, das war halt richtig weird. Damit hat natürlich gar keiner gerechnet. Das kam auch aus dem Nichts. Einfach so kriegen wir eine WhatsApp von unserem Booker und da steht dann drin: Hier, macht mal Konzerte mit Maiden, das sind die Dates. Und das war so, what? Ich habe mal in einer Iron-Maiden-Coverband ausgeholfen und ich weiß, wie diese Leute dafür brennen. Ich kenne Leute, die würden sich vermutlich eine Hand dafür abhacken, dass sie einmal diese Band treffen dürften. Und wir haben plötzlich diese unfassbare Ehre, mit denen touren zu dürfen. Das war schon krass. Diese Anfrage war eigentlich so das, wo man gemerkt hat: OK, wow, wir passieren ja wirklich anscheinend überall … sogar auf dem Computer von Steve Harris. Gut, dann kam Corona dazwischen und so, aber danach ging es ja dann völlig los. Also die erste Maiden-Rutsche und dann plötzlich das Eurovision-Ding und alles. Dann wurde es plötzlich weird. Deswegen haben wir glaube ich viele Sachen auch gar nicht richtig bewusst erlebt, und haben nach wie vor immer wieder so Flashbacks, wo man sich denkt: Wie krass ist das eigentlich?

LORD OF THE LOST im März 2024 in MünchenPi: Jetzt kommen zum Beispiel gerade nach und nach Single-Auskopplungen von „Live At W:O:A“ raus. Ich habe mir eben das Video zu „Ruins“ angeguckt und dachte so: Ey, wie ging es mir da eigentlich auf der Bühne? Wie war das eigentlich so? Ich weiß es nicht mehr! Ich gucke es mir jetzt an und sehe: Das sieht alles super fett aus. Aber das war so das Endstück von wirklich vielen, vielen Monaten absolutem Wahnsinn. Man hat auch nach der ersten Maiden-Rutsche überhaupt erst angefangen zu checken, was passiert ist … weil einen natürlich sämtliche Kolleg:innen darauf ansprechen. Freunde sprechen einen darauf an, die Familie spricht einen darauf an, jeder. Und dann denkt man sich so: Ja, das ist wirklich passiert! Die anderen haben es auch gesehen – ich war nicht der einzige! (lacht)
Nik: Genau! Und das Schöne ist, es ist nicht nur für uns passiert, sondern es für die andere Seite, also für Maiden, ist es offensichtlich auch passiert: Jetzt gerade in diesem Festival-Sommer haben wir immer wieder Begegnungen mit Leuten aus der Iron-Maiden-Crew, weil die, wenn Maiden nicht touren, natürlich auch andere Sachen machen. Wir haben neulich auf dem Mystic Festival in Polen gespielt. Da waren an dem Tag Bring Me The Horizon Headliner. Und plötzlich steht Jeff vor uns – der ist Head of Security bei Iron Maiden, macht aber jetzt gerade den Festival-Sommer mit Bring Me The Horizon. Das war ein riesengroßes Wiedersehen, alle haben sich gefreut. Und er sagt: Was macht ihr denn hier? Und wir sagen: Was machst du denn hier? Also total geil. (lacht)

Wacken und ESC innerhalb weniger Monate – das ist vermutlich der krasseste Kontrast, den man haben kann. Wenn ihr das vergleicht, wie unterschiedlich war das? Wofür musstet ihr euch mehr verbiegen? Oder was war ungewohnt da im ganzen Setting so für euch?
Nik: Also verbiegen mussten wir uns schon mal überhaupt gar nicht irgendwo. Ich finde das auch krass, dass man das immer wieder so betonen muss und so sagen muss. Weil das war damals, als wir zum Eurovision gegangen sind, sozusagen unsere Bedingung. Wir haben gesagt: Wir machen wirklich nur, was wir wollen, wir lassen uns keinen Blödsinn aufschwatzen. Wir machen nicht, was von uns verlangt wird, falls etwas von uns verlangt wird – und das durften wir auch. Das wurde uns auch wirklich eingeräumt: Wir konnten machen, was wir wollten und das haben wir getan. Das ist mitunter auch groß angestoßen – dass wir keine Flagge genommen haben oder so [LOTL waren ohne Deutschlandfahne beim ESC eingelaufen; A.d. Red.]. Aber verbiegen mussten wir uns auf gar keinen Fall.
Pi: Der große Unterschied war, dass der Eurovision Song Contest Halb-Playback war und Wacken war …
Vollplayback! (lacht)
Pi: (lacht) Live! Beim Eurovision Song Contest ist nur die Stimme live, der Rest ist Playback. Weil es ursprünglich ein Gesangskontest war und das auch eigentlich nach wie vor ist. Und Wacken war live.

Lord Of The Lost ESC Vorentscheid 2023Was fällt dir als Musiker leichter? Playback muss man ja auch „spielen“ können. Das ist ja auch eine ungewohnte Situation, oder?
Nik: Echt spielen ist schon geiler.
Pi: Klar, das muss man auch können. Und du musst auch die Kameras irgendwie mitkriegen … das war, glaube ich, der härteste Unterschied. Da hatte Chris natürlich die größte Aufgabe, er kommuniziert ja auch in Richtung aller 20 Kameras oder was …
Nik: 31, glaube ich. Ich meine, es waren 31 Kameras. Aber du kannst es insofern auch nicht vergleichen, als der Eurovision natürlich x-mal geprobt wird. Das wurde eine Woche lang hammerhart geprobt. Jeder wusste genau, wann er wo welchen Schritt zu tun hat. Und Wacken kannst du zwar irgendwie versuchen zu proben, aber wie willst du dir so eine Bühne irgendwo hinstellen, um das zu proben? Das kannst du nicht proben. Das ist live. Du hast diesen einen Versuch. Es war beides ultra geil, aber es war super unterschiedlich.

Die Show kommt jetzt auf Blu-ray, DVD und CD heraus. War das von vornherein geplant oder war das eine spontane Entscheidung, nachdem ihr das Material gesehen habt?
Pi: Von der Magenta-TV-Aufzeichnung wussten wir natürlich vorab, die können ja nicht einfach sagen, übrigens Leute, wir haben alles aufgezeichnet. Ich bin mir aber ehrlich gesagt nicht mehr sicher, ob wir vorab schon für uns und mit dem Label zusammen entschieden haben, dass das auch releast wird.

Aber die DVD/Blu-ray enthält im Endeffekt die Magenta-Aufzeichnung, wie sie auf dem Fernsehen gelaufen war?
Nik: Eben nicht. Die Magenta-Version ist nach wie vor online. Die kann man sich auch auf Magenta anschauen. Es gibt, glaube ich, auch ein paar Uploads auf YouTube davon. Aber wir haben tatsächlich von Magenta alle Videospuren bekommen und haben das dann Benni Lawrenz gegeben, der mit im Chameleon-Studio arbeitet und auch immer bei allen Platten und Produktionen von uns dabei ist. Der hat dann tatsächlich einen komplett neuen Schnitt gemacht – und wir haben in diesem Schnitt auch noch die Bilder von unserem Kameramann und Social-Media-Dude Lennart Schmidt mit drin. Das heißt, man hat auf diesem guten Stück nochmal einen komplett neuen Schnitt und Perspektiven, die man in dem Magenta-Schnitt nicht hat.

Lasst uns mal über Wacken 2023 ganz generell sprechen. Wetterbedingt war ja insbesondere die Anreisesituation sehr chaotisch – wer kommt noch drauf, wer darf nicht mehr anreisen, wer hat es geschafft, wer kriegt jetzt eine Show zu sehen und wer nicht. Wie habt ihr das als Künstler erlebt?
Pi: Ein paar Tage vorher hatten wir die letzte Maiden-Show, da haben wir das alles schon über einschlägige Nachrichtenportale mitbekommen, was gerade so abgeht, was geht, was nicht geht. Da haben wir uns schon gefragt, ob wir da überhaupt hinfahren werden Das war so eine Sache, es war dann aber auch schnell klar, dass das geht. An dem Tag, wo wir gespielt haben, hatten alle – inklusive der Bands natürlich, aber auch die ganzen Festival-Besucher – ein Arschglück: Es war den ganzen Tag trocken! (lacht) Und dann hat auch noch die Sonne geschienen. Das tat einem schon fast leid, weil die sind da echt durch die ultranasse Schlammhölle gegangen, und dann rollst du da an und denkst dir: Was ist denn? Was wollt ihr denn? (lacht)

Nik im Interview mit Metal1.info, 2024 (Screenshot)

Nik: Ja, wir haben tatsächlich gar nichts davon mitgekriegt. Wie Pi sagt, im Vorfeld ja, aber wir sind da hingefahren, eingecheckt … klar, ist ein bisschen muddy irgendwie, aber das ist es im Prinzip auf jedem Festival. Auch der Backstagebereich war super. Also da war überhaupt nichts mit Einsinken oder so. Ich habe witzigerweise vor ein paar Tagen erst eine große Rechnung in der Hand gehabt, weil ich in unserer Buchhaltung gerade das letzte Jahr fertig mache. Und ich hatte die Rechnung von den Gummistiefeln in der Hand, die ich noch ein paar Tage vorher für die gesamte Produktion geordert habe. (lacht) Da kam dann ein Riesenkarton mit Gummistiefeln an. Was schwierig war … man hat wirklich im Netz kaum noch Gummistiefel kaufen können, das war völlig abgefahren. Wir haben einige Größen auch nicht mehr gekriegt und so. Aber im Endeffekt haben wir diese Gummistiefel auf Wacken tatsächlich gar nicht so doll gebraucht.

Ich fand sehr problematisch, dass ein Anreisestopp kommuniziert wurde, trotzdem kontinuierlich Leute aufs Gelände gelassen wurden, die es halt irgendwie „durch geschafft“ haben. Es wurde quasi belohnt, wer sich nicht an die Instruktionen gehalten hat. Wie seht ihr das?
Pi: Ich glaube, ich würde es sehr, sehr kritisch sehen, wenn so eine Situation noch mal aufkäme und dann nichts daraus gelernt wurde, wie man das handhabt, mit Ressourcen, die man braucht, um so krasse Regenfälle in Schach zu halten. Ich möchte jetzt mal dem Wacken-Team zugute sprechen, dass sie, wie ich glaube, alles Mögliche getan haben, was man machen kann, man aber auch sagen muss, da sitzen auch „nur“ Menschen, die versuchen, allen den Arsch zu retten und das Ding durchzuziehen. Also ich würde auch sagen, dass das vielleicht in der Kommunikation – und das ist ja sowieso immer das Allerwichtigste – vielleicht nicht immer für alle Beteiligten ideal war. Ich glaube aber auch, dass man ihnen das erst wirklich zur Last legen kann, wenn es vom Wetter her ein zweites Mal scheiße ist und dann nichts passiert.

LORD OF THE LOST im März 2024 in MünchenIch befürchte, dass sie durch die Strategie, das eine zu sagen und das andere zu tun, die Glaubwürdigkeit ihrer Sicherheitsanweisungen aufs Spiel gesetzt haben. Wenn es nochmal heißt, fahrt bitte nach Hause oder kommt nicht, werden alle im Hinterkopf haben, dass dieses Mal all diejenigen belohnt wurden, die sich nicht an die Anweisung gehalten haben. Das finde ich vom Sicherheitsaspekt her riskant.
Nik: Das stimmt. Die haben natürlich eine unfassbare Verantwortung bei so einer Größe. Ich weiß nicht, ob es eine Situation wie diese schon mal gab auf dem Wacken. Ich meine nicht. Ich erinnere mich, dass es 2007, glaube ich, mal die Situation gab, dass die Geländeplanung nicht so geil war und Leute teilweise nicht mehr aufs Gelände konnten, weil kein Platz mehr war oder sowas. Das ist natürlich ein anderes Ding und das wurde ja offensichtlich auch gelöst, weil diese Situation gab es nicht noch mal. Aber es ist so, wie du sagst: Wenn das jetzt noch mal passiert, muss man halt hoffen, dass daraus gelernt wurde. Andererseits sehen wir es ja jetzt gerade auch an anderen Festivals … das Rock-Harz mussten ja kurzzeitig unterbrochen werden, weil plötzlich ein Unwetter kam. Wir selber haben dieses Jahr das Download Festival gespielt und dort hat es die ganzen Tage vor unserer Show junge Hunde geregnet und das Gelände war unfassbar schlammig – auch im Backstage. Dort mussten die den Platz dann morgens noch mal präparieren, um die Leute hereinlassen zu können – was dann aber zur Folge hatte, dass unsere Stagetime, aber auch die Geländeöffnung verschoben wurden. Das heißt, wir hatten dann plötzlich statt um 11 Uhr erst um 12 Uhr Stagetime und das Gelände wurde – statt um 10 Uhr – leider auch um 12 Uhr aufgemacht. Das heißt, wir haben unsere Show tatsächlich vor null Leuten gestartet! Letzten Endes, nach 20 Minuten, die wir nur noch spielen durften, damit über den Tag der ganze Verzug wieder reingeholt werden konnte, haben wir dann immerhin noch vor 3.000 oder 4.000 Leuten gespielt – was auf einem Gelände, was für 120.000 ausgelegt ist … na ja, es wäre schöner gewesen, wenn es ein paar mehr gewesen wären, ne? So gesehen war die Situation auf dem Wacken für uns – ich glaube, man sieht es auch auf der DVD – trotz allem gigantisch. Es waren wirklich, wirklich viele, viele Leute da. Es ist nichts Schlimmes passiert. Ich glaube auch aufgrund des Wetters wurde da keiner verletzt, in Mitleidenschaft gezogen oder whatever. Aber sollte es noch mal zu so einer Situation kommen, hoffen wir, dass das Wacken die besser lösen kann, auf jeden Fall.

Also du hast ja gerade schon angesprochen, dass relativ viele Festivals momentan im Schlamm versinken. Es wird spannend, zu sehen, ob das jetzt Zufall oder doch ein klimawandelbedingter Trend ist und was das für Auswirkungen hat – ob die Veranstalter damit umzugehen lernen, oder ob der Trend am Ende doch irgendwann wieder zum Indoor-Festival geht, weil es die Leute satthaben, für hunderte Euro im Schlamm und Chaos zu versinken.
Pi: Also ich würde dann irgendwann auch sagen: Leute, das gebe ich mir nicht mehr. Ich will nicht Erspartes dafür ausgeben, dass ich in den Matsch versinke, natürlich.
Nik: Ja – oder die Festival-Veranstalter müssen eben versuchen – was natürlich unfassbar schwierig ist – entsprechende Locations zu finden. Das Rockharz-Gelände zum Beispiel ist ja eigentlich ein Flugplatz. Ich weiß nicht genau, wie die Beschaffenheit dort ist, aber ich meine, dass es da auch Drainage gibt und so. Das heißt, das Wasser, was da herunterkommt, wird abgeleitet und versickert. Das M’era Luna ist auf einer Flugbahn, Rock am Ring und sowas … Ich glaube, da hast du nicht das Problem, dass du absäufst. Da läufst du aber natürlich Gefahr, dass du auf den Betonflächen da eingehst, wenn es – ob Klimawandel oder nicht – wetterbedingt nicht regnet, aber dafür knallheiß ist. Da müssen wir wohl alle versuchen, damit irgendwie klarzukommen … oder lernen, damit klarzukommen.

LORD OF THE LOST, März 2024 in Nürnberg
Chris Harms mit LORD OF THE LOST (2024)

Nochmal zurück zu eurer Wacken-Show. Ihr hattet ja – wie schon bei der Studioversion des entsprechenden Songs – als Special Guest Jasmin Wagner alias Blümchen am Start. Ich würde schätzen, dass ihr tendenziell eher ein junges Publikum habt, und Blümchen ist jetzt doch schon ein paar Jährchen nicht mehr wirklich Thema gewesen. Habt ihr das Gefühl, dass es bei euren Fans viele Leute gab, die mit dem Namen Blümchen überhaupt nichts anfangen konnten?
Pi: Ich habe habe maßgeblich Stimmen vernommen, die voll was damit anfangen konnten – es aber absolut nicht erwartet haben. Natürlich nicht. Das habe ich in meinem Leben auch so nicht erwartet, dass das passiert. Aber mit Sicherheit gab es auch die einen oder anderen jüngeren Fans, die gar keinen Plan haben, wer das ist. Aber tendenziell ist das Gros unserer Fans tatsächlich so in unserem Alter – also so Teenie-Fans haben wir eher weniger.
Nik: Teenies haben wir nicht so viele. Wir haben Fans in unsrem Alter und älter – nach oben offen – und einige wirklich junge Fans, die dann aber natürlich einfach von ihren Eltern herangeführt wurden. Es sind tatsächlich auch oft Kinder auf Konzerten, weswegen wir das ja auch in unser Merchandising aufgenommen haben. Wir haben ja extra Kinder- und Baby-Collections! (lacht)

Wie kam es eigentlich zu der Kollaboration mit Blümchen? Also warum ausgerechnet sie und wie lief das ab?
Nik: Das war ganz witzig. Chris wollte immer schon mal „The Look“ covern. Er ist ein riesengroßer Roxette-Fan und zu dem ganzen Album-Konzept von „Blood & Glitter“ passte das dann natürlich. Ich meine mich zu erinnern, dass wir in Hamburg zusammensaßen und überlegt haben, wen man als weiblichen Gegenpart oder als Duett-Partner nehmen könnte. Und ich weiß gar nicht, ob mir das in den Sinn kam oder einem von den Jungs. Irgendwer sagte auf jeden Fall dann: Hey, warum nehmen wir nicht Blümchen? Da war über unseren Keyboarder Gerrit schon eine Verbindung da, weil er zwei Tourneen für David Hasselhoff gespielt hat und Hasselhoff hat 2019 einen Song mit Blümchen gemacht. Als die ihre letzte Show der Tour in Hamburg gespielt haben, haben Blümchen und Hasselhoff den Song zusammen performt und da hat Gerrit sie dann kennengelernt. So war im Prinzip schon ein Kontakt da und dann hatten wir einfach diese Schnaps-Idee – ohne Schnaps! – und dann haben wir sie gefragt. Das war auch wirklich ein Ding von einer WhatsApp und fünf Minuten oder so und da kam sofort zurück: „Alter Ja!“.
Pi: Sie ist halt auch ein riesengroßer Roxette-Fan.

Pi im Interview mit Metal1.info, 2024 (Screenshot)

War das dann für Wacken das gleiche oder hatte sie da Bedenken, vor den ganzen Metalheads auf die Bühne zu gehen?
Nik: Sie hat, generell, glaube ich, keine Bedenken.
Pi: Es war tatsächlich auch ihr erstes Wacken, aber ich schätze sie als sehr abenteuerlustig ein und sie hat einfach alles mitgemacht. Wir haben den ganzen Tag Presse mit ihr gemacht, wir haben eine Autogrammstunde mit ihr gegeben und sie war für den Tag auch komplett Teil der Band.
Nik: Ja, total. Ich weiß gar nicht wie alt sie eigentlich ist, aber sie ist einfach irgendwo stehen geblieben. Also jetzt nicht mental (lacht), sondern die ist einfach wirklich immer noch so völlig verrückt und jung geblieben … das ist völlig geil. Also genau so hätte ich sie mir auch vor 25 Jahren oder so vorgestellt.

Trotzdem: „Blümchen auf Wacken“ ist ja für sich genommen schon eine Schlagzeile – ein bisschen wie Heino damals mit Rammstein, was ja auch so völlig weird war. Sowas ist aber ja auch Wasser auf die Mühlen all derer, die sagen, dass Wacken überhaupt nicht mehr ist, was es mal war. Habt ihr da auch negatives Feedback bekommen? Ich meine auch LORD OF THE LOST ist ja vielleicht nicht ganz, was der true Metalhead auf Wacken erwarten würde, oder zumindest noch vor ein paar Jahren erwartet hätte. Was kam da so am Feedback oder wie geht ihr damit um?
Pi: Also ich weiß gar nicht so richtig, was ich dazu sagen soll. Ich beschäftige mich damit nicht so. Mir ist absolut klar, dass man hier und da anecken kann, wenn man beim Wacken Blümchen auf die Bühne holt. Ich weiß auch, dass wir selbst eine Band sind, die jetzt nicht absolut in das Metal-Festival-Lineup gerade von so True-Metal-Festivals passt … beziehungsweise, dass wir das eben ein bisschen aufbrechen. Grundsätzlich ist es aber ja auch so: Wacken ist absolut Kommerz – und das jetzt ganz ohne Wertung. Aber es hat dementsprechend natürlich auch eine gewisse Bandbreite und zu dieser Bandbreite gehören wir auf jeden Fall dazu. Was wir dann in dieser Bandbreite machen, das bleibt ja uns überlassen. Ob das jetzt jedem gefällt oder nicht, ist erst mal nicht so wichtig, weil wir ja auch da auf der Bühne stehen und uns sagen, wir haben da Bock drauf und wollen das machen. Wenn dann auch noch gesagt wird: „Ey ja, macht das auf jeden Fall!“ und auch ein Großteil der mehreren zehntausend Leute vor der Bühne Herz an Herz voll abfeiern, dann passt das vielleicht schon auch dahin.
Nik: Also es gab ja es gab Kommentare, gerade unter den auf den YouTube Auskopplungen und Mitschnitten, wo dann stand, dass das alles Scheiße gewesen sei und alle Leute das scheiße gefunden hätten. Und dann siehst du die Publikumsschwenker der Kamera und dann sind die Hände oben und es wird geklatscht. Wir beziehungsweise Magenta haben da ja nichts hineingeschnitten. Auch die Zugabe-Rufe am Ende … die waren halt echt, die haben wir ja nicht vom Band kommen lassen oder so ein Scheiß. (lacht) Also ich weiß nicht, wo die Leute waren, die da waren und gesagt haben, das war alles scheiße und keiner fand es geil. Offensichtlich kam es doch ganz gut an. Und mit Schubladen tun wir uns generell ein bisschen schwer. Aber diese Aussage, von wegen „Ey, das ist so wenig Metal wie …“ – wie definiert man denn dann bitte „Metal“? Wenn wir auf die Metal Hammer Awards eingeladen werden und da über den schwarzen Teppich laufen dürfen. Und wenn wir mit Iron Maiden auf Tour sind. Was sollen wir denn noch machen? (lacht) Also nicht, dass wir jetzt irgendwie beweisen müssten, dass wir unbedingt Metal sind oder so … das ist mir persönlich auch total egal. Aber sowas verstehe ich dann halt nicht.

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Wie war das eigentlich bei Maiden? Olavi von Amon Amarth hat mir mal in einem Interview erzählt, dass es ihr schwierigster Gig überhaupt gewesen sei, als sie mal für Maiden eröffnet haben, weil die Maiden-Fans nur mit verschränkten Armen dastehen und auf Maiden warten. Ihr habt Maiden jetzt schon zwei ganze Touren lang supportet. Wie habt ihr die Maiden-Fans geknackt – wieso funktioniert die Kombination aus LORD OF THE LOST und Maiden?
Nik: Das ist eine gute Frage. Warum die funktioniert, weiß ich nicht. Du hast natürlich die hammerharten Hardcore-Fans, die vorne an der Absperrung hocken … also die richtig krassen Dudes, die lassen dich das dann schon wissen, wie scheiße sie dich gerade finden und dass sie nicht für dich gekommen sind. Aber generell wurden wir ab der ersten Show unfassbar herzlich empfangen – egal in welchem Land, egal in welcher Stadt. Das war immer völlig krass, das Maiden-Publikum ist mega. Aber es war auch immer ganz schön anzuschauen: Manche standen wirklich auch bis zum letzten Ton da und haben die Augen verdreht oder haben geschlafen oder keine Ahnung … aber gut, die sitzen ja auch schon seit frühmorgens dann vor der Halle. Aber es war auch ganz oft so, dass nach dem dritten Song oder so die Augenbrauen nach oben gingen und vielleicht auch mal ein kleines Lächeln kam, dann ging den Kopf plötzlich mit und im letzten Song hatten sie dann auch die Arme oben. Das war total geil und ich weiß nicht, ob es an uns liegt oder ob es an der Musik liegt oder am Gesamtpaket oder ob die Fans sich dann mit Energie untereinander anstecken oder so. Aber es gibt auch eine wunderbare Szene vom Wacken, die auch mit auf der DVD ist: Da steht jemand bei „Blood & Glitter“ – also der „Kommerznummer“ schlechthin, sag’ ich jetzt mal, weil es halt Eurovision war und alles. Und dann steht da so der typische Wacken-Dude, wie man ihn sich vorstellt: ein bisschen kräftiger, Bier in der Hand, langer Bart und Corpsepaint im Gesicht. Sieht aus, als wenn er, weiß nicht, bei Dimmu Borgir singt oder Marduk hört oder keine Ahnung. Und dann singt der einfach mit völliger Inbrunst „Blood & Glitter“. Ja! Genau so stelle ich mir das vor! Das ist das perfekte Beispiel dafür, dass jeder überall einfach Spaß haben kann.
Pi: Bei Maiden haben wir uns aber natürlich schon auch doll den Arsch aufgerissen. Es ist nicht so, als wären wir da auf der Bühne herumgestanden und hätten uns da halt einen runtergespielt. Das war schon auch Arbeit – allein, so eine Halle, so eine Arena oder so ein Stadion mitzunehmen und zu versuchen, so zu performen, dass es da hinten auf dem obersten Rang auch ankommt. Das ist definitiv eine Aufgabe.

Nik im Interview mit Metal1.info, 2024 (Screenshot)

Nik: Wir hatten ja auch keine Video-Übertragung. Es gab keine Video-Walls für den Opening-Act.
Pi: Was für uns im ersten Moment nicht so cool war, aber auch relativ gut geholfen hat, war, dass wir produktionstechnisch oft wenig Zeit hatten für Setup, Line-Check, Make-up bis zur Show. Weil es da ja auch Early-Access für die ersten Reihen gab und so, haben wir oft vor diesen Fans aufgebaut und gesoundcheckt und so. Wir wollten dann aber nicht eine Magie aufrechterhalten, die es dann ja nicht mehr gab, also sind wir mit den Leuten aus der ersten Reihe ins Gespräch gekommen, haben mit denen gequatscht, und die haben gemerkt, ey, das sind auch nur halbwegs angenehme Dudes, die Mucke machen wollen und sich auch ganz doll freuen. Ich glaube, das hat bei vielen das Eis gebrochen – und gerade in der ersten Reihe stehen natürlich auch Hardcore-Fans, die dann dem Fanclub erzählen, wie es war und so weiter. Ich glaube, man darf das nicht unterschätzen, wie weite Kreise das zieht.
Nik: Ungefähr ein Drittel der ersten Reihe ist übrigens bei allen Konzerten gleich – das sind immer dieselben Leute. Völlig krass.

Die jüngere Vergangenheit haben wir ja jetzt hinlänglich durchgesprochen. Aber wie blickt man nach einer so ereignisreichen Zeit in die Zukunft, wenn ihr schon kaum verarbeiten könnt, was im letzten Jahr alles passiert ist? Verspürt ihr da auch einen gewissen Druck, dieses Level zu halten oder noch einen draufzusetzen?
Nik: Also, ich persönlich … großen Druck verspüre ich nicht. Wir ruhen uns da jetzt natürlich nicht drauf aus, freuen uns drüber und hoffen, dass irgendwie sowas nochmal passiert, sondern wir arbeiten natürlich einfach weiter. Wir haben dieses Jahr ein paar Festivals gemacht, es kommen auch noch ein paar. Was bei uns organisatorisch und zeitlich gerade voll reinhaut, ist die USA-Tour im September. Das ist völlig abgefahren, was man alles machen muss, damit man in den USA Konzerte spielen darf. So gesehen … wir arbeiten weiter und versuchen, neue Märkte zu erschließen, wir sind voll in der Planung für nächstes Jahr. Da sind auch einige geile Festivals dabei. Wir sind aktuell in der Songwriting-Phase für das nächste Album und alles, was dann noch irgendwie kommt, das sehen wir dann.

LORD OF THE LOST im März 2024 in MünchenSuper Bowl, Halftime-Show … logischer nächster Schritt, oder? (lacht)
Pi: Das wäre das nächste Projekt. (lacht) Ne, aber Druck verspüre ich auch nicht. Du hast diese Größe, die du erreichst, ja auch nur bedingt in der Hand. Ich meine, wir hatten nur in der Hand, zu Maiden Ja oder Nein zu sagen. Wir hatten das nicht in der Hand, dass Steve gesehen hat, oh, die haben ja ein cooles Video. Und wir haben es auch nicht oder nur bedingt in der Hand, dass Leute zu unseren Konzerten kommen. Wir haben es allerdings in der Hand, nicht scheiße zu finden, was wir machen. Deswegen liegt darauf der Fokus. Wir haben dieses Jahr tatsächlich – das ist aber auch nicht so schwer – weniger gespielt als letztes Jahr, was auch gut ist. Dadurch kriegt man Energie fürs Songwriting und man überlegt sich: Was will man anders machen? Wie soll das Ganze aussehen? Wie soll das Ganze klingen? Worüber redet man in den Songs und so weiter. Da ist dann wieder Platz für, und es ist auch gut, dass dafür Platz ist. Wir können uns auch gar nicht auf den Alben, die wir haben, ausruhen, beziehungsweise würde ich das nicht wollen. Da ist noch nicht alles gesagt.
Nik: Genau. (lacht) Das ist ein schönes Schlusswort. Da ist noch nicht alles gesagt!

Habt ihr musikalisch schon eine Richtung oder eine Tendenz, wie es weitergehen soll oder wird? Was darf man da so erwarten? Oder wenn man es vergleicht mit dem, was zuletzt zu hören war?
Nik: Es ist wie immer: Man kann einfach was Neues erwarten. (lacht)

LORD OF THE LOST im März 2024 in MünchenDas ist sehr unkonkret …
Nik: Also tatsächlich ist es ja so … Ich bin ja der Frischste in der Band mit 2017. Und ich kenne die aber ja schon seit 2011. Und alles, was ich seither mitbekommen und erlebt habe, ist, dass wenn du dich auf eine Sache bei LOTL verlassen kannst, dann, dass es immer anders kommt, als du denkst. Sowohl für die Band als auch für die Fans. Kein Album ist wie das andere. Entsprechend wird es auch dieses Mal, glaube ich, echt was ganz schön Neues werden. Aber auch was ganz schön Geiles.
Pi: Also über „Blood & Glitter“ ist auf jeden Fall alles gesagt. Wir werden nicht mehr rot-gold rumglitzern. Es wird anders. Aber ganz generell ist ja noch nicht alles gesagt.

Cool. Das klingt auf jeden Fall sehr spannend. Ich hätte zum Abschluss noch ein kurzes Brainstorming für euch:
Bruce Dickinson’s Solo-Album:

Pi: Noch nicht gehört.
Nik: Ich habe mir ein bisschen was angehört, aber es ist nicht so richtig meins. Aber ich habe mir ein paar Übertragungen von Festival-Shows angeschaut: eine geile Live-Band!
Nemo, der Eurovision Song Contest-Gewinner: Nik: Cool. Ich bin gespannt, was der jetzt noch so macht.
Pi: Ja, ich hoffe, er baut darauf auf.
Joe Biden: Nik: Ah … besser als Trump … aber vielleicht ist es doch an der Zeit, das Zepter weiterzureichen. Wäre aber schön, wenn er es nicht an Trump gibt.
’90s-Partys: Nik: Oh, Klassenfahrt.
Axolotl: Nik: Habe ich noch nie in echt gesehen. Also es gibt ganz viel Fan-Art und so, aber ich kenne das nur von Bildern, Google und so.
Pi: Bei den Weißen kann man das Herz sehen.
Nik: Wow.
LORD OF THE LOST in zehn Jahren: Nik: Uh … hoffentlich immer noch auf der Bühne, hoffentlich immer noch wir, alle zusammen in der Konstellation. Alles andere wird sich zeigen.
Pi: Immer noch nicht reinpassend überall.

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Dieses Interview wurde per Telefon/Videocall geführt.

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