Nach dem Split der Band 2009 und mehreren erfolglosen Reunion-Versuchen sind LORD BELIAL nun völlig unerwartet mit einem neuen Album zurück. Nachdem Gitarrist Niclas „Pepa“ Green in unserem Track-by-Track-Special bereits auf die einzelnen Songs eingegangen war, spricht er nun im ausfürhlichen Album-Interview über das Gesamtkonzept von „Rapture“, den perfekten Sound und wie er die Zeit seit der Auflösung von LORD BELIAL verbracht hat.
LORD BELIAL sind mit einem neuen Album zurück – das ist eine echte Sensation, nachdem die letzten Reunion-Versuche nur von kurzer Dauer waren und kein Album hervorgebracht haben. Wann habt ihr euch für das jetzige Reunion wieder zusammengefunden und mit dem Songwriting begonnen?
Micke und ich haben mit Andy in den Sonic Train Studios ein Album mit VASSAGO aufgenommen und waren mit dem Ergebnis sehr zufrieden, weshalb wir dann anfingen, darüber zu reden, ein Album mit LORD BELIAL zu machen. Wir probten eine Weile in Mickes Keller und Thomas hatte ein paar hervorragende neue Riffs. Drei Wochen später hatten wir alle eine Menge neues Equipment gekauft und ein anderes Proberaumstudio bezogen, und fingen an, die Songs zusammenzustellen, änderten hier und da ein wenig, fügten ein paar Riffs hinzu, nahmen ein paar Riffs weg usw. Es war eine sehr produktive und kreative Zeit!
Hatte die Pandemie Einfluss auf die Reunion von LORD BELIAL?
Nein, ganz und gar nicht. Schweden unterlag nicht so strengen Beschränkungen wie der Rest von Europa. Ich war während der Pandemie auf Reisen, ich war zu verschiedenen Anlässen in Neapel, Italien, Amsterdam und Frankfurt. Frankfurt hatte bei weitem die schlimmsten Beschränkungen! Bewaffnete Wachen im Einkaufszentrum, Wachen in Restaurants, Papierkram, den man vor dem Essen unterschreiben muss, usw. In Schweden war es nicht viel anders als sonst – eine Gesichtsmaske war nicht vorgeschrieben, und man konnte ohne Probleme in Restaurants und ins Einkaufszentrum gehen. Nur alle Veranstaltungen wurden abgesagt. Aber nichts, was die Wiedervereinigung von LORD BELIAL beeinträchtigt hätte.
Das neue Album trägt den Titel „Rapture“ – was ist die Idee hinter diesem Titel, worum geht es auf dem Album?
Wir sind wirklich tief in uns gegangen, als wir den Titel diskutiert haben. Wir waren zu der Zeit im Studio und haben verschiedene Titel durchgesprochen. Das Konzept von „Rapture“ besteht für uns im Wesentlichen darin, dass Belial verherrlicht wird, die Bestie in ihrer reinsten Form entfesselt wird. Dann gibt es noch das Konzept aus der Bibel, über Paulus, in dem er das griechische Wort „harpazo“ verwendet, was „wegreißen“ oder „ergreifen“ bedeutet, ein Konzept, bei dem die Gläubigen an Jesus Christus von der Erde weg in die Luft gerissen werden. Für Christen und das Christentum ist dies eine Sache, die das Ende aller Zeiten bedeutet. Es gibt eine Reihe von Leuten, die sich mit diesem Konzept im Laufe der Geschichte auseinandergesetzt haben; etwa Edward Irving mit seiner Idee, dass auf die Entführung der Christen der Aufstieg des Antichristen folgt. Das Konzept des Albums spiegelt die Idee hinter dem Konzept der Entrückung wider.
Das Album hat also ein durchgängiges Konzept von „Rapture“ in seiner wahren Bedeutung, nämlich den Weg für den Antichristen zu ebnen, und das wird nicht nur in den Texten, sondern auch in der Musik kommuniziert. „They shall cover the world in flames, The higher the flames, the greater the shadows“ (aus „On A Throne Of Souls“), „Lust and power for absolute annihilation, Winds of obliteration, fire, and death, Storms of destruction reaping all mortal souls“ (aus „Destruction“). Die Frustration, im einem Zeitalter und System oder einer gesellschaftlichen Funktion, in der wir alle feststecken, gefangen zu sein, wird ebenfalls reflektiert und stammt aus demselben Themenbereich von „Rapture“: „Possessed by a thousand burning souls, Bound in human flesh, torment, and confusion, Centuries spent in chains“ (aus „Legion“), usw.
Und inwiefern bezieht sich das Album thematisch auf Belial selbst?
Das Album ist in vielerlei Hinsicht ein Gruß an Belial, zum Beispiel in „Rapture Of Belial“: „Northern prince of evil, unleash your power onto this withering earth of human filth, Trample its burning soil“. Auch die [Anfangsbuchstaben aller] Songtitel buchstabieren LORD BELIAL! Wir haben einen Gruß an Belial verfasst, und die Texte und die Musik reflektieren und repräsentieren unseren Weg.
Das Artwork ist in gewisser Weise ziemlich oldschool, aber auch ziemlich kitschig, würde ich sagen. Warum ist es das perfekte Cover für dieses Album?
Es spiegelt das Konzept auf phänomenale Weise wider; es zeigt das Verlangen, die Sehnsucht und den Wunsch – einige der Dinge, nach denen wir gesucht haben. Es gibt aber auch noch andere Elemente in dem Bild, es stellt Dinge aus der esoterischen Seite des Lebens dar – es ist ein esoterisches Gemälde und in „Rapture Of Belial“ geht es beispielsweise um Eschatologie.
Mit dem Album knüpft ihr für mein Verständnis an eure frühen Alben an, stilistisch würde ich das Album eher zwischen „Angelgrinder“ und „The Seal Of Belial“ einordnen, als es als eine logische Fortsetzung von „Revelation“ und „The Black Curse“ zu sehen. Siehst du das auch so, war das euer Ziel, wieder mehr in Richtung der frühen 2000er Jahre zu gehen?
Ich denke, dieses Album ist ein Neustart für LORD BELIAL. Wir mögen die Dynamik, die entsteht, wenn man von knallenden Beats zu Midtempo mit Harmonien übergeht und dann wieder zu krachenden Gitarren, das erzeugt Dynamik, und wir sind uns alle einig, dass Dynamik wichtig ist. Wenn man fünf Minuten lang blastet, wird es einfach flach und man verliert das Gefühl dafür, wie schnell es eigentlich ist. Wenn man nur langsam oder nur Midtempo macht, wird es genauso langweilig. Wir haben nicht versucht, wie irgendetwas anderes zu klingen, wir haben uns einfach danach gerichtet, wie es jetzt klingen soll, und keine Vergleiche gezogen, auch wenn wir eigentlich mehr wie auf „Enter The Moonlight Gate“ gearbeitet haben.
Das Abmischen war anfangs sehr schwierig, wir hatten uns an den Sound des Demos und den rohen, brutalen Sound der Aufnahmesession gewöhnt, aber es war sehr interessant herauszufinden, dass wir alle drei genau das Gleiche wollten! Wir waren uns alle über die Pegel einig – mehr Chor hier, weniger Bass hier, mehr Attack in den Rhythmusgitarren hier, lautere Snare Drum, usw. Am Ende waren wir mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Wir haben uns die Rohmischung in verschiedenen Autos und mit verschiedenen Lautsprechern angehört und waren uns schließlich einig, dass sie so klingen sollte.
Für den Sound habt ihr wieder mit Andy LaRocque zusammengearbeitet, der alle eure Alben bis auf das letzte gemacht hat … und ich finde, es klingt besser als jedes eurer bisherigen Alben. Was hat den Unterschied ausgemacht?
Danke, da stimme ich dir zu; wir haben uns diesmal tief in uns selbst hineingegraben und uns die Zeit genommen, Harmonien zu kreieren, die disharmonisch werden, und genau wie auf „Enter The Moonlight Gate“ hört man auf dem Album mehr Gitarren als etwa auf dem letzten Album. Das hat viel Zeit und Mühe gekostet, aber ich würde sagen, wir haben definitiv eine Arbeitsweise gefunden, die uns auch künftig entgegenkommen wird. Wir haben viel Zeit im Proberaum verbracht, bevor wir ins Studio gegangen sind, um „Rapture“ aufzunehmen. Wir haben verschiedene Ideen ausprobiert und waren offen und haben immer eher „ja, warum nicht“ gedacht statt „auf keinen Fall“. Natürlich haben wir viele Ideen verworfen, aber so zu arbeiten, wie wir es jetzt getan haben, ist eine sehr angenehme kreative Art, Riffs zu schreiben. Die Arbeit mit Andy lässt sich als perfektes Zusammenspiel beschreiben. Der Mann hört sich unsere Ideen an, er versteht die Riffs, Soli, Harmonien, das Endprodukt und bringt neue Ideen ein. Er hört auch sofort, wenn etwas nicht stimmt und hat ein tiefes Verständnis dafür, wie man Frequenzen voneinander abgrenzen kann, sodass sich etwa die Gitarren ergänzen, anstatt in der Frequenz zu kollidieren. Man denke nur an Parts, bei denen wir ein komplettes Schlagzeug und vier verschiedene Rhythmusgitarren plus zwei cleane Gitarren plus Chor und Streicher und zwei Harmony Leads gleichzeitig haben! Andy meistert diese Situation mit einem Lächeln und macht einfach einen schnellen Witz über etwas, das uns alle zum Lachen bringt. Genau so einen Typen brauchen wir. Andy ist wirklich einmalig, er versteht uns, und wir verstehen ihn.
Aus heutiger Sicht: War es ein Fehler, für „The Black Curse“ nicht mit ihm zu arbeiten?
Wir wollten ein anderes Studio ausprobieren, um zu sehen, wie es enden würde, und ich denke, es ist ganz gut gelaufen. Aber die Arbeit mit Andy ist 100%ig das Beste für LORD BELIAL.
Dieses Album war unter den Fans ziemlich umstritten. Wie denkst du heute über dieses Album – und gibt es etwas, das du anders machen würdest?
Ich denke, „Sworn“ und „Trumpets Of Doom“ zeigen, wie wir klingen wollten, als wir „The Black Curse“ gemacht haben, trotzdem gilt auch hier: Wir haben nicht versucht, wie etwas anderes zu klingen, sondern so, wie wir es damals haben wollten.
Mit dem neuen Album seid ihr bei Hammerheart Records gelandet – es ist euer erstes nicht-schwedisches Label. Wenn du auf eure Karriere zurückblickst, würdest du sagen, dass es ein Fehler war, so lange bei Regain zu bleiben? Oder worauf führst du die Tatsache zurück, dass stilistisch ähnliche Bands wie Naglfar oder Dark Funeral so viel bekannter geworden sind?
Der Vertrag mit Regain war ausgelaufen und wir waren frei, uns nach einem neuen Partner umzusehen. Wir haben uns umgehört und waren mit dem Angebot von Hammerheart sehr zufrieden. Die Zusammenarbeit entwickelt sich so, wie wir es uns von Anfang an gewünscht haben, daher sind wir mit unserer Entscheidung, bei Hammerheart einzusteigen, sehr zufrieden. Über andere Bands weiß ich nichts, sorry!
Der Grund für das vorläufige Ende der Band im Jahr 2009 war ein Tinitus von Micke, der es ihm unmöglich gemacht hat, Musik zu machen. Hat sich dieses gesundheitliche Problem gebessert, oder wie geht ihr als Band damit um?
Mittlerweile haben wir alle einen Tinnitus – aber wir haben gelernt, damit zu leben. Wir haben heutzutage eine ziemlich moderne Ausrüstung im Proberaum, wir spielen nicht mehr so laut wie früher, weil wir ein Monitorsystem haben, bei dem man wählen kann, was man mehr/weniger hören will – es ist mehr oder weniger so, als wäre man im Studio! Früher haben wir vor allem bei den Gitarren die Lautstärke immer weiter aufgedreht, sodass es am Ende ein sehr chaotischer Sound war – was natürlich seinen Reiz hat – mit Rückkopplungsgeräuschen aus allen Lautsprechern, das war cool, aber die Ohren taten nach jeder Probe höllisch weh. Außerdem waren Mickes gesundheitliche Probleme nie rein körperlicher Natur, er hatte nur einen schlimmen Tinnitus. Er ist in sehr guter Form! Er trainiert viel und hält sich am Schlagzeug fit. Als wir 2020 das VASSAGO-Album aufnahmen, war ich ganz erstaunt, denn er sagte, er habe fünf Jahre lang kaum gespielt. Trotzdem ist es hervorragend geworden.
Du warst während der letzten versuchten Reunion zwischen 2013 und 2015 nicht Teil der Band – wie kam es dazu, und wie standest du zu dieser Reunion ohne dich?
Ich war zu dieser Zeit sehr mit anderen Dingen beschäftigt. Mein ganzes Leben lang hatte ich Phasen von Hyperintensität und fast manischen Kreativitätsphasen und während dieser Phasen kann mich nichts aufhalten, ich bin super fokussiert. Nach einer solchen Periode breche ich zusammen und will mit niemandem mehr reden. Dann wurde bei mir eine bipolare Störung vom Typ II diagnostiziert, und seitdem nehme ich Medikamente dagegen ein. Wenn ich die Medikamente nehme, bin ich ziemlich stabil.
Was hat dich dazu bewogen, bei diesem Anlauf jetzt wieder mitzumachen … und wohl auch gleichzeitig deine Band VASSAGO mit Micke zu reaktivieren?
Ich habe alle meine anderen Projekte eingestellt und Micke gefragt, ob wir uns wieder auf die Musik konzentrieren könnten, und er war zu der Zeit sozusagen im Hamsterrad gefangen – essen, arbeiten, schlafen – also war er mehr als glücklich, das zu tun.
Was hast du in den fast zehn Jahren gemacht, in denen LORD BELIAL und VASSAGO auf Eis lagen beziehungsweise du nicht Teil der Band warst? Warst du noch als Musiker aktiv, entweder in einer Band oder „privat“ – oder hast du die Gitarre ganz an den Nagel gehängt?
Ich habe mein drittes Studium absolviert; ich bin Bergbauingenieur, IT-Ingenieur, und das dritte Studium hat mich zum Master of Arts in Erziehungswissenschaften gemacht, ich bin staatlich geprüfter Lehrer für die Sekundarstufe II. Ich habe in verschiedenen Bands Gitarre gespielt, auch in der Arbeit mit meinen Schülern – habe bei ihren Schulaufführungen ausgeholfen und so weiter, habe einige Demo-Aufnahmen in der Arbeit gemacht, einen Vertrag mit YOSUKE und NWN bekommen, einige Demos veröffentlicht und so weiter, und dann sollte ein ganzes Album von NWN entstehen, also habe ich angefangen, Material dafür zu schreiben. Außerdem habe ich Kinder und eine Frau! Auch das kostet – und gibt – Energie und Zeit. Zudem habe ich eine Munitionsfirma und betreibe eine Reihe von Schießsportarten … und vieles mehr!
Man kann nicht in die Zukunft sehen … aber wie stehen die Chancen, dass LORD BELIAL jetzt wirklich zurück sind, dass ihr wieder Shows in ganz Europa spielen werdet und dass es nach „Rapture“ weitere Alben geben wird?
Wir haben sieben neue Songs und ein weiterer ist in der Mache! Es wird ein weiteres Killer-Album werden! Wir haben auch darüber gesprochen, wieder live zu spielen, vielleicht ein paar Festivalauftritte zu machen und vielleicht eine kleine Tour, aber es ist noch nichts entschieden.
Und was ist mit VASSAGO – wird es neue Musik geben oder vielleicht auch irgendwann eine Live-Band?
VASSAGO wird wahrscheinlich nie live auftreten, aber ich bin sicher, dass es weitere Alben geben wird!
Vielen Dank für das Interview. Lass uns mit unserem traditionellen Brainstorming abschließen:
Das letzte Album, das du dir angehört hast: Bathory – The Return
Es gibt wieder Konzerte – gehst du hin? Ja!
Dark Funerals „We Are The Apocalypse“: Ich habe keine Ahnung!
Wenn „Rapture“ ein Auto wäre – welcher Typ? Koenigsegg One:1
Auf Tour sein: Nein danke!
Ist die Pandemie jetzt vorbei? Ja!
Ein Essen, das dich immer glücklich macht: Steak!
LORD BELIAL in 10 Jahren: Auf Tournee mit einem neuen Album!
Nochmals vielen Dank für deine Zeit!
Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
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