Interview mit Florian Füntmann von Long Distance Calling

Sie sind ein Phänomen: Innerhalb weniger Jahre haben LONG DISTANCE CALLING mit ihrem atmosphärischen, energiegeladenen Rock Fans aus allen Ecken der Gitarrenmusik für sich gewonnen. Das aktuelle Album „The Flood Inside“ ist das erste mit einem festen Sänger. Wir sprachen mit Gitarrist Florian Füntmann über den neuen Mann am Mikro, Charterfolge und die Chance, demnächst Songs mit deutschen Texten zu hören.


Grüß dich! Zunächst einmal vielen Dank für deine Zeit und die Möglichkeit, dieses Interview zu führen. Wie geht es dir heute?
Hallo! Danke der Nachfrage. Mir geht es sehr gut heute. Heute morgen haben wir geprobt und schonmal ein paar neue Ideen ausprobiert bzw. etwas gejammt. Man muss ja schon wieder an die nächste Platte denken. Heute Abend war ich lecker essen bei meiner Mutter – so kann man den Abend doch entspannt ausklingen lassen.

Lass uns direkt mit dem brandheißen Thema, eurer neuen Platte „The Flood Inside“, einsteigen. Die wohl größte stilistische Änderung dürfte sein, dass ihr jetzt mit Martin Fischer einen fester Sänger habt. War schon vor Beginn der Arbeit an dem Album klar, dass es dieses Mal mehr Gesang geben würde, oder hat sich das erst währenddessen ergeben?
Dass es auf „The Flood Inside“ mehr Gesang geben würde, war schon klar, bevor wir mit dem Songwriting angefangen haben. Insofern konnten wir uns da mental drauf einstellen und die Songs dementsprechend komponieren.

Wieso habt ihr euch entschieden, mehr Stücke mit Gesang aufzunehmen?
Wir sind einfach eine Band, die sich nicht gerne wiederholt. Alle unsere Platten unterscheiden sich auf eine gewisse Weise voneinander und dieses Mal hatten wir einfach das Gefühl bzw. das Bedürfnis mit mehr Gesang zu arbeiten, um eine neue Facette zu dem typischen LONG DISTANCE CALLING-Sound hinzuzufügen. Abgesehen davon war es einfach interessant und eine neue Herausforderung für uns, mehrere Stücke mit Gesang zu schreiben, als wie bisher nur eins pro Album.

Warum fiel die Wahl auf Martin?
Wir kannten Martin schon von seiner alten Band Fear My Thoughts und waren auch mit seiner Band Pigeon Toe auf Tour, als sie unsere Supportband waren. Von daher wussten wir, dass es von der menschlichen Seite her super passt und wir komplett auf einer Wellenlänge liegen. Das ist uns sehr wichtig, denn was bringt einem ein geiler Sänger, mit dem man aber nicht klar kommt? Auf so etwas haben wir keine Lust. Ein weiterer Punkt, der für Martin sprach, ist einfach der, dass er neben dem menschlichen Aspekt ein geiler Sänger ist, dessen Stimme wir sehr mögen. Wir haben nunmal alle verschiedene Geschmäcker, wenn es um Gesang geht und da spricht es schon eine sehr deutliche Sprache, wenn sich ausnahmsweise mal alle in der Band einig sind. Bei Martin war das der Fall und deswegen war die Sache für uns sehr schnell klar.

Wie ist die Resonanz zum Album denn bisher? Gibt es bzgl. des Gesangs auch kritische Stimmen?
Die Resonanz ist bisher sehr gut. Wir waren uns absolut dessen bewusst, dass die Entscheidung, einen festen Sänger in die Band zu integrieren, ein mutiger und großer Schritt ist. Wir waren uns auch im klaren darüber, dass es Leute geben wird, die damit nicht klar kommen und denen der Gesang nicht gefällt. Bei Gesang ist es ja so: Entweder mag man eine Stimme oder halt eben nicht. Insofern sind wir sehr glücklich und beruhigt darüber, dass die Platte bisher so gut angekommen ist. Wir haben ja schon zwei Konzerte mit Martin als Sänger gespielt und auch hier war die Resonanz sehr gut und ich bin sehr froh, dass Martin so freundlich von unseren Fans aufgenommen wurde.

Könntest du dir LONG DISTANCE CALLING mit deutschen Texten vorstellen – gerade wo ihr jetzt auch einen deutschen Sänger habt?
Nein!!!

Hat Martin die Texte selbst geschrieben?
Ja, alle Texte sind von Martin. Ich bin selber nicht so der Texter. Ich sehe mich eher als Komponiost von Musik.

Extrem cool finde ich ja das ziemlich freie und bluesige Solo von Henrik Freischlader im Opener „Nucleus“. So etwas gab es bei euch wirklich noch nie. Ich nehme an ihr habt ihn kontaktiert? Habt ihr ihm bzgl. des Solos völlige Freiheit gelassen oder gewisse Vorgaben gemacht?
Henrik ist ein Freund von Martin Meinschäfer, in dessen Studio wir die Platte aufgenommen haben und der auch Henriks Platten aufgenommen hat. Von daher lag es eigentlich auf der Hand ihn zu fragen. Er war auch direkt interessiert und super umgänglich. Wir haben ihm keinerlei Vorgaben gemacht und ihm völlig freie Hand gelassen. Er kam einfach ins Studio und hat spontan mehrere improvisierte Versionen des Solos aufgenommen, von welchen wir uns dann gemeinsam für die coolste entschieden haben. Es war schon sehr beeindruckend ihm dabei zuzuhören, aber eigentlich hatten wir auch nichts anderes erwartet. Wir wollten einfach mal ein Solo auf der Platte haben, welches sich von unserem Stil unterscheidet und die Leute aufhorchen lässt und ich denke das ist gelungen.

Ihr habt ja dieses Mal mit ziemlich vielen Gastmusikern zusammengearbeitet. Was antwortest du Kritikern, die der Meinung sind, ihr solltet lieber selbst versuchen, einen abwechslungsreicheren Klang zu kreieren, als das über Zusatzmusiker zu erreichen?
Dass auf dieser Platte so viele Gastmusiker zu hören sind liegt einfach daran, dass wir uns ja vorher von Reimut, der bisher für alle Electronics und Sounds verantwortlich war, getrennt haben und wir nicht auf dieses Element, welches einen wichtigen Teil unserer Musik ausmacht, verzichten wollten. Martin kann das zwar auch, war noch nicht lange genug in der Band, um sich neben dem Gesang auch noch darum zu kümmern. Auf der nächsten Platte machen wir wieder alles selbst und Martin kann sich in der Hinsicht auch noch richtig austoben.

Hast du ein Lieblingsstück auf dem neuen Album, auf das du besonders stolz bist? Warum?
Ich glaube mein Lieblingssong auf dem Album ist „Waves“, weil er sehr melancholisch und atmosphärisch ist und mit – meiner Meinung nach – sehr schönen Melodien ausgestattet ist. Von den Gesangssongs ist mir „Inside The Flood“ am liebsten, weil er harmonisch sehr interessant ist und auch die Gesangsmelodien ziemlich fett sind.

Mit eurem 2011er-Werk „Long Distance Calling“ ward ihr auf einem sensationellen 36. Platz in den deutschen Albumcharts. Meinst du, das könnt ihr mit „The Flood Inside“ noch toppen? Musik mit Gesang hat es ja tendenziell einfacher, eine breite Hörerschicht anzusprechen.
Wir waren damals schon sehr überrascht, dass eine Instrumentalband auf Platz 36 der Charts einsteigt und natürlich umso erfreuter darüber. Ob wir das wiederholen oder toppen kann ich natürlich nicht voraussagen, aber ich glaube wir haben sehr loyale Fans, die auch daran interessiert sind, ein wertiges Produkt zu kaufen und es sich ins Regal zu stellen. Man weiß natürlich wie wenig die Charts heutzutage im Prinzip noch bedeuten, da man nicht mehr so viele Platten verkaufen muss, um überhaupt zu charten. Freuen tut man sich natürlich trotzdem, weil es einfach bedeutet, dass man Fans hat, die auf dein Album gewartet haben und es sich direkt kaufen. Das ist natürlich ein schönes Gefühl.

Was die Produktion angeht, klingt eure neue Platte meiner Ansicht nach etwas weniger perfektionistisch als die beiden Vorgänger. Im direkten Vergleich empfinde ich die Produktion als roher – nicht so differenziert und etwas dumpfer. Warum habt ihr euch für eine solche Ausrichtung entschieden?
Die neue Platte klingt in der Tat etwas weniger perfektionistisch, weil wir sie nicht überproduzieren wollten und sie etwas mehr an unseren Livesound anlehnen wollten. Wir haben zum Beispiel meist nur zwei Gitarrenspuren, eine rechts und eine links, eingespielt, um zu verdeutlichen, dass die Songs von zwei Gitarristen gespielt werden und nicht von fünf. Wenn alles zu fett und zugeballert ist, kann man das live kaum reproduzieren. Uns war die Dynamik im Klang dieses mal sehr wichtig – die harten Stellen sollten knallen und die ruhigen auch wirklich ruhig und räumlich klingen.

Viele Bands drehen mittlerweile Videos zu ihren Songs. Werdet Ihr ein Video für einen neuen Track machen?
Ja wir werden ein Video für einen Gesangssong drehen. Wir selbst werden aber nicht in dem Clip vorkommen, da wir keine Lust auf ein stumpfes Performance-Video hatten und unsere schauspielerischen Fähigkeiten doch eher zu wünschen übrig lassen.

Das Cover-Artwork von „The Flood Inside“ finde ich, wie schon eure vorherigen Verpackungen, wieder einmalig. Wer zeichnet sich dafür verantwortlich? Tretet ihr mit einer Idee oder einer gewissen Vorstellung an den Cover-Artist heran oder lasst ihr ihm völlig freie Hand?
Danke dafür – werde ich so an unseren Designer weitergeben! Normalerweise ist es schon so, dass wir einen ungefähren Plan haben, wie etwas auszusehen hat. Wir setzen uns dann mit dem Künstler zusammen und entwickeln etwas. Die reine Umsetzung ist dann Sache des Künstlers. Bisher ist dieses Konzept immer prima aufgegangen. Uns ist es sehr wichtig, dass unser Produkt optisch ansprechend und stilvoll ist.

Zurück zum Besetzungskarussel: Vor der Veröffentlichung des Albums habt ihr euch auch von eurem längjährigen Bandkollegen Reimut van Bonn getrennt, der für die Synthesizer- und Ambient-Sounds zuständig war. Da ihr auch auf „The Flood Inside“ wieder solche Elemente einsetzt, kann es ja zumindest nicht an einer Stiländerung gelegen haben. Was kannst du uns dazu erzählen?
Naja, unsere musikalischen Interessen haben sich einfach verschoben. Reimut ist mittlerweile viel mehr in der elektronischen Musik zu Hause als im Rock oder Metal.

Wie werdet ihr die Elektronik-Sounds zukünftig live umsetzen?
Martin wird ab jetzt neben dem Gesang alle Elektronik-Sounds bei Konzerten übernehmen. Da er auch ein klassisch ausgebildeter Pianist ist, kann er noch eigene Ideen einbringen und die Songs live am Keyboard oder der Hammondorgel spontan aufpeppen.

Viele Bands versuchen ja derzeit ihre Live-Shows mit einer Leinwand und Videoanimationen aufzupeppen. Wäre das was, was zu LONG DISTANCE CALLING passen würde oder findest du das überflüssig?
Wir haben das auch schon ein paar mal gemacht. Ich persönlich stehe da ziemlich drauf und ich denke, wir werden das in der Zukunft auch bestimmt mal wieder in unsere Show einbauen. Ich stehe ja eh auf pompöse Shows – ich hätte z. B. auch gerne Pyros und Feuer auf der Bühne. *lacht*


Bei einer so energetischen Liveband wie euch wäre es nach vier Studioalben doch eigentlich an der Zeit für eine Live-DVD oder -Blu-ray. Gibt es diesbzgl. irgendwelche Pläne?
Natürlich haben wir darüber schon nachgedacht. Das wird auch sicherlich irgendwann passieren, ist aber in der Umsetzung nicht gerade einfach, denn wenn wir so etwas machen, dann muss es perfekt werden und das Ambiente muss stimmen. Auf einen stumpfen Mitschnitt eines normalen Konzertes haben wir keine Lust – das muss dann schon ein besonderer Abend sein.

Zum Abschluss noch unserer traditionelles Brainstorming. Was fällt dir ein, wenn du folgende Begriffe hörst?
Talk Talk: Geile Band, die großartige Soundflächen kreiert hat. Sie gelten ja auch ein wenig als Wegbereiter des Postrock. „Such A Shame“ ist auf jeden Fall einer meiner liebsten 80er-Songs.
Dein Lieblingsalbum 2012: Zu viele
Faith No More: Eine der genialsten Bands der 80/90er mit einer unfassbar großen stilistischen Bandbreite. Mike Patton ist für mich einer besten Sänger der Welt.
Ich lese gerade: Ich bin nicht so der große Leser. Meist lese ich auf dem Klo das was gerade rumliegt.
Ich würde gerne Musik machen mit: Robert Plant, Slash und Tony Iommi
Djent: Ich finde es wird gerade zu sehr gehyped. Alles was irgendwie komplex ist, ist auf einmal Djent – ich finde die Bezeichnung „progressive“ besser, auch wenn das natürlich nicht so cool und stylisch klingt ;-)
Google: Was ist Google? Ich habe gar kein Internet…..;-)
Dein größtes musikalisches Vorbild: Tony Iommi – er ist mein absoluter Lieblingsgitarrist, bei dem ich regelmäßig Riffs klaue
Ein LONG DISTANCE CALLING-Song den Leute, die euch noch nicht kennen, anchecken sollten: Als Instrumentalsong kann man denke ich „Metulsky Curse Revisited“ nennen. Der hat alles was uns als Band ausmacht. Wenn es ein Song mit Gesang sein soll, nehme ich „Inside The Flood“, weil er die beiden Welten perfekt verbindet.

So, das war’s! Ich danke dir nochmal für deine Zeit und wünsche euch viel Erfolg mit eurer neuen Platte und eine coole Tour! Hast Du noch irgendwas auf dem Herzen?
Danke für das Interesse und checkt unsere Platte!

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