Interview mit den Mitgliedern von Liederlicher Unfug

Die erste und bis dato wohl auch einzige Mittelalter-Schulband LIEDERLICHER UNFUG hat nicht nur den Schalk in ihren Liedern, sondern auch im Nacken, wenn man einen Blick auf das Interview mit Metal1 wirft. Dort präsentiert sich die nächste Generation der Marktbands äußerst sympathisch, jugendlich und frisch, ohne dabei mit Traditionen zu brechen.

Beschreibt kurz euren musikalischen Werdegang: In welchen Bereichen liegen die Wurzeln der einzelnen Bandmitglieder?
Unsere Wurzeln liegen überall, nur nicht bei mittelalterlicher Musik. Einige von uns haben eine Instrumentalausbildung an Gitarre, Flöte oder Klavier und andere haben einfach Talent ;-) Musikalisch bewegte sich der Durchschnitts-Unfugler vor dem Projekt zwischen Folk und Punk. Zur mittelalterlichen Musik sind wir durch ein Schulprojekt gekommen und waren somit die erste uns bekannte Mittelalter-Schulband!

Wie würdet Ihr „Neulingen“ mittelalterliche Musik erklären?
Für uns ist mittelalterliche Musik zunächst erst einmal eine archaische, ursprüngliche Form von Musik, die sich durch Melodielastigkeit und frühe Mehrstimmigkeit auszeichnet. Gerade in unserer modernen, harmonisch überzuckerten Musik wirkt das natürlich mystisch und reizvoll. Auf der anderen Seite sind es akustische Instrumente wie Flöte, Drehleier oder Laute, die von eigener Hand gespielt werden können, keinen Strom verbrauchen und fast vollständig biologisch abbaubar sind. Ein wenig angepasst an unsere modernen Hörgewohnheiten ergibt das sowohl liebliche Balladen in fast vergessenen Sprachen als auch schleunige Tänze und somit Unfug.

Wie kann man ihnen diese Art von Musik zugänglich machen außer durch moderne Einflüsse?
Man könnte sich die größten und lautesten Dudelsäcke mit Kriegsbordunen kaufen und im halbzerfetzten Fantasy-Outfit akustischen Techno-Metal-Of-Darkness zelebrieren oder man spielt Musik so, dass sie ehrlich ist und einem selbst Spaß macht. Wir möchten unsere Musik nicht künstlich aufblähen, sie soll nach handgemachter Musik klingen. Dabei bleibt zu hoffen, dass es noch Leute gibt, die sich auch einmal auf die leisen Töne einlassen können. Wer das nicht möchte, den können wir auch nicht dazu zwingen und durch Anheben von Lautstärke und Brachialität erreicht man vielleicht mehr „Neulinge“, aber die Musik leidet auch darunter.

Wo liegen die Unterschiede von Euch zu anderen Mittelalterbands und was sorgt für Widererkennungswert bei eurer Musik?
Uns trennt ein tiefer Graben von den meisten Mittelalterbands: Wir verzichten auf Dudelsäcke. Außerdem stehen bei uns nicht nur die Melodien, sondern auch die Texte der Stücke im Vordergrund. Vor allem aber zeichnen wir uns durch mehrstimmigen Gesang aus, auf den wir sehr viel Wert legen. Wir erheben dabei keinesfalls den Anspruch „authentische“ (…das böse „a“-Wort…) Mittelalter-Musik zu spielen. Wir spielen das Material natürlich nach heutigen Hörgewohnheiten, alles andere würde unser Wissen über historische Aufführungspraxis übersteigen und wahrscheinlich für den durchschnittlichen Musikliebhaber unheimlich langweilig klingen. Deshalb kann es auch schon mal vorkommen, dass man einen sehr rockigen Trommel-Rhythmus oder gar einen 7er Akkord vernimmt.

Wodurch wird eure Musik am meisten beeinflusst (Vorbilder, Stilrichtungen, Kulturen, Religionen, usw.)?
Wir orientieren uns mehr an den Vorreitern der mittelalterlichen Musik in Deutschland (wie z.B. Ougenweide) als an heutigen Marktbands. Außerdem hören wir auch gerne mittelalterliche Musik aus Tschechien (z.B. Krless, Musica Vagantium, etc.), die zum Teil sehr viel mehr Spielfreude und Virtuosität aufweist als die Musik hierzulande. Unsere Musik wird auch zunehmend von verschiedenen Folk-Elementen beeinflusst, die wir bei Kursen und Sessions aufschnappen und einarbeiten. Der Umgang mit anderen Musikern aus verschiedensten Bereichen ist auf jeden Fall eine große Bereicherung für uns.

Wie erklärt ihr euch die wachsende Akzeptanz eurer Musik in Deutschland auf der einen Seite und die ablehnende Haltung der Radiostationen, TV Sender, etc. auf der anderen?
Die Medien haben schon immer nur das gespielt, was die Leute kennen oder was sie nach Meinung von Produzenten kennen sollten. Dabei ist es völlig egal, wie sehr die Konsumenten verblödet werden. Nischenmusik hatte in dieser Maschinerie noch nie viel Platz. Die Medien haben einfach Angst, Neues zu präsentieren auch wenn es in einer gewissen Szene schon längst etabliert ist. Vielleicht ist das auch gut so, denn wer weiß, inwieweit eine noch größere Kommerzialisierung dieser Art von Musik gut tun würde. Außerdem wäre man doch gar kein Exot mehr ;-)

Wie kann man allgemein und wie könnt ihr selbst Vorurteile wie z.B. Eintönigkeit und mangelnde Abwechslung gegenüber mittelalterlicher Musik widerlegen?
Das ist gar nicht so leicht, angesichts einer Vielzahl von neuen Bands, die leider wirklich oft recht eintönig wirken. In letzter Zeit hat sich so etwas wie eine stereotype Marktbesetzung herausgebildet, die aus zwei oder mehr lauten Melodieinstrumenten (Sackpfeife, Schalmei) und einer Davul (die große Bauchtrommel) besteht. Das ist laut und bringt auf den Märkten wahrscheinlich viel Geld. Nach zwei unisono gespielten, dorischen Mittelalter-Gassenhauern hat man irgendwie schon alles gehört.
Auf der anderen Seite gibt es aber auch Gruppen, die sehr abwechslungsreiche Arrangements spielen mit verschiedensten Instrumenten, mehreren Stimmen und viel Spielfreude (z.B. die erwähnten tschechischen Bands). Das ist ein Weg, den auch wir weiterverfolgen möchten. Dann gibt es noch „professionelle“ Gruppen wie „Ioculatores“, die mittelalterliche Musik auf einem sehr hohen und anspruchsvollen Niveau spielen, so dass es eher an klassische Musik erinnert. Viele Gruppen trauen sich aber nicht mehr, zu einer eher leisen Flöte zu greifen, die bestimmt authentischer ist als ein „a-Schwein“. Es gibt so viel Material aus Gebieten ganz Europas, es gibt mittelalterliche Texte in verschiedensten alten Sprachen und es gibt unterschiedlichste Wege, das alles zu vertonen…das muss nicht eintönig sein!

Welche Zielgruppen sind eurer Meinung nach besonders geeignet für Drehleiern, Dudelsäcke, Geigen, Flöten, usw.?
Grundsätzlich ist jeder musikliebende Mensch ein potentielles Opfer. Aber Nischenmusik hat eben immer auch eine eigene Szene. Früher waren es ein paar Intellektuelle und Verrückte und heute besteht die Szene eher aus „Schwarzen“ und Romantikern. Alles in allem aber Leute, die aus dem ewigen Einheitsbrei ausbrechen möchten und das ist gut so…

Welches sind die größten Irrtümer, die man leichtfertig in Verbindung mit Mittelaltermusik bringt?
Der größte Irrtum ist sicher, dass es mittelalterliche Musik ist, die man bei Konzerten und auf Märkten zu hören bekommt und da schließen wir uns mit ein. Niemand weiß ganz genau, wie es damals geklungen hat und das Repertoire der meisten Bands besteht vielleicht zu dreißig Prozent aus echten mittelalterlichen Stücken. Die Szene hat sich längst verselbstständigt, so dass man auch von einer neuen Art „Folk-Musik“ sprechen könnte.
Ein weiterer Irrtum ist, dass mittelalterliche Musik besonders heidnisch ist. Es ist beinahe skurril, wie manche „Spielleute“ mit martialischem Gehabe Stücke aus den „Cantigas de Santa Maria“ spielen und vielleicht selbst nicht einmal wissen, dass diese und die meisten anderen Stücke geistlichen Ursprungs sind.

Eure Meinung zu Mittelaltermärkten und Konzerten dort?
Wie überall gilt auch hier: Es gibt sehr gute, aber auch unheimlich schlechte Mittelaltermärkte. Es gibt anspruchsvolle Märkte und es gibt „Jahrmärkte“, die einfach nur den Leuten das Geld aus der Tasche ziehen wollen.
Wir sind noch nicht lange genug in der Szene, um einschätzen zu können, ob das früher mal besser war. Wir haben aber von vielen Seiten gehört, dass ein guter Markt früher z.B. immer eine laute und eine eher gediegene Band als Kontrastprogramm im Angebot hatte. Wir würden uns freuen, wenn man seitens der Bands und der Veranstalter dahin zurückfinden könnte.

Wortspiel (das erste, was euch zu folgenden Begriffen in den Sinn kommt):
Corvus Corax – früher: wichtige Vorreiter…heute: abgehobene Fantasy-Erscheinung
Schandmaul – eigentlich Folk und kein Mittelalter, aber sehr angenehme und sympathische Musik
In Extremo – Rock’n’Halsschmerz
Subway to Sally – Unser erster Kontakt mit “mittelalterlicher“ Musik und trotz der letzten Alben immer noch eine unserer Lieblingsbands!
Spielmänner und Spielmannsleben – Hat es in der romantischen Art, wie wir uns das so vorstellen wahrscheinlich nie gegeben…aber egal: Spielmannsleben!
Tradition oder Fortschritt – beides wichtig…wenn die Richtung stimmt!
Plugged oder unplugged – hat das was mit Steckern zu tun? So etwas gab es doch im Mittelalter noch gar nicht…das würden wir ja nie benutzen…es sei denn, es wäre hinter irgendeiner Bühnendekoration versteckt ;-)
Tokio Hotel – … und der Sänger ist doch’n Mädel!

Geschrieben am von Metal1.info

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert