Interview mit Noise von Leipa

Wohl kein Musiker in der deutschen Black-Metal-Szene veröffentlicht derzeit mit einer solchen Schlagzahl Musik, die dann auch noch auf so große Beachtung stößt wie Noise von KANONENFIEBER, LEIPA und NON EST DEUS. Die aktuelle KANONENFIEBER-EP von und den Release des zweiten LEIPA-Albums haben wir zum Anlass für ein ausführliches Gespräch genommen.

Teil 1 des Interviews drehte sich um die Hintergründe zu „Der Füsilier“, Zeitmanagement und die Farbe Orange. Im hier vorliegenden Teil 2 sprachen wir mit Noise über „Reue“ als Album wie auch als Gefühl, seine Herangehensweise ans Songwriting und die Frage, ob er auch LEIPA eines Tages auf die Bühne bringen wird.

 

An dieser Stelle würde ich gerne zu LEIPA übergehen, einem weiteren, ebenfalls erst 2021 gegründeten Projekt von dir, mit dem du nun mit „Reue“ nur zwei Jahre nach „Sisyphus“ ebenfalls bereits das zweite Album herausbringst. Auf Metal-Archives wird der Bandname mit dem isländischen þ geschrieben, was eher einem „th“ als „p“ entspricht. Ist das dort ein Fehler, oder heißt es eigentlich „Leitha“? Was bedeutet der Bandname generell?
Eigentlich heißt das Projekt ausgesprochen „Leith“. Das „þ“ in Verbindung mit dem „a“ wird als langes T ausgesprochen. Hier handelt es sich um altdeutsche Lettern, die das heutige Wort „Leid“ geprägt haben. Da ich aber um die 400 mal gefragt wurde, wie genau der Name nun ist und wie man ihn ausspricht, habe ich mich für ein normales P entschieden. (lacht) Das war mir am Ende dann doch einfach zu anstrengend. Also bitte einfach LEIPA.

Thematisch scheint LEIPA deutlich persönlicher zu sein als Kanonenfieber – über das erste Album schreibst du auf deiner Homepage „Dieses Album entstand aus Zweifel und Selbsthass.“ Wie viel Wahrheit und wie viel Black-Metal-Klischee steckt in dieser Aussage?
Wie du schon sagst, LEIPA ist mein persönlichster musikalischer Output. Jeder braucht seinen persönlichen Katalysator für die Höhen und Tiefen im Leben und das ist für mich eben dieses Projekt. Ich schreibe Musik nicht aus dem Grund, andere Menschen belustigen zu wollen, sondern für mich. Die drei Projekte, die ich unter dem Pseudonym Noise veröffentlicht habe, sind nur ein Teil meines musikalischen Schaffens. Ein Großteil meiner Musik wird auch für immer auf meinen Festplatten verweilen. Ich versuche mit der Aussage keine Klischees zu bedienen, sondern will widerspiegeln, aus welcher Motivation die Musik für LEIPA entstanden ist. Selbsthass und Zweifel stecken in diesem Album. Und das zuhauf.

Gilt das so auch noch für das neue Album? Worum geht es auf dem Album konkret, wofür steht etwa das Datum, das du als Titel des ersten Songs gewählt hast?
Gerade das Album “Reue” ist für mich mehr oder weniger ein Seelen-Striptease. Alle Titel haben ihre eigene Bedeutung und beschreiben ein Problem, das ich zu verarbeiten versuche. Ich will dem Hörer aber auch Interpretationsspielraum lassen. Deswegen möchte ich auf die Bedeutung der Songs an sich nicht tiefer eingehen. Manche Titel sind selbsterklärend, wie “Fremdkörper”, “Tier” oder “Rauch”. Andere sind umschrieben wie “01.09.2015” oder “Schlaf”. Im Großen und Ganzen handelt 01.09.2015 jedoch um ein einschneidendes Erlebnis, das das Leben des Protagonisten für immer beeinträchtigt.

„Reue“ ist ja eine Empfindung, die oft abgestritten wird – „no regrets, no remorse“ wird im Metal eigentlich ständig irgendwo als Parole ausgegeben. Warum oder inwiefern siehst du das anders?
Man sollte sich im Klaren sein, dass Taten folgen haben. Ich bin kein 19-jähriger Slash, der vollkommen zugedröhnt auf Speedball und Jack Daniels beim Fotoshooting einpennt.
Ich habe Entscheidungen getroffen, Dinge getan und Worte ausgesprochen, die ich bis heute bereue. Genau daraus ist auch die Inspiration für die Texte von „Reue“ entstanden.

Wie separierst du deine Bands, wenn es um den kreativen Prozess geht – setzt du dich dezidiert ans Songwriting für ein konkretes Projekt, oder sammelst du deine Riff-Ideen in einem Ordner und ordnest sie später einem Projekt zu?
Meine Alben schreibe ich zumeist in einem Rutsch. Ich habe die erste Riff-Idee, aus der ich dann den ersten Song zusammen baue. Anhand dieses Songs schreibe ich dann den nächsten. Ab und an benutze ich Riffs, die ich schon seit längerem im Repertoire habe. Der Titeltrack auf „Reue“ besteht aus solch einem Riff. Diesen habe ich vor fünf Jahren bei einer Bandprobe geschrieben und er ging mir seitdem nicht mehr aus dem Kopf. Ich versuche, meine Alben in möglichst kurzer Zeit zu schreiben. Sobald Musik bei mir länger auf dem Rechner liegt, verliere ich die Lust daran, beziehungsweise kann mich nicht mehr in die emotionale Lage versetzen, die ich hatte, als ich das Projekt begonnen habe.

Leipa - ReueDas Artwork ist stilistisch sehr anders als das des letzten Albums, auch nicht sehr typisch für Black Metal – woher stammt das Bild, beziehungsweise auf Basis welcher Instruktionen wurde es gemalt, und warum ist es die perfekte Illustration der Musik?
Das Artwork wurde von Daniel Bechthold gemalt. Er ist auch der kreative Kopf, der hinter den KANONENFIEBER-Artworks, -Shirtdesigns, -Tourpostern etc. steckt. Wir sind mittlerweile ein eingespieltes Team und haben meist ähnliche Visionen. Ich erzähle ihm von meiner Idee, er gibt seinen Senf dazu und schon ist die Idee für ein neues Artwork entstanden. Ein, zwei Brainstorms und er fängt auch schon mit den ersten Skizzen an. So untypisch für Black Metal halte ich das Artwork an sich nicht, da es stark von Beksińskis Malstil geprägt ist. Beksiński-Malerei ist auf vielen Coverarts von Black-Metal-Alben zu finden, will ich meinen. Ich bin ein großer Fan von Surrealismus, sowie Daniel Bechthold auch – wie man unschwer erkennen kann. Für mich drückt das Cover all das aus, was ich mit der Musik auszudrücken versuche: Schmerz, Trauer, innere Zerrissenheit, Depression und Reue.

Auch das LEIPA-Album hätte es eigentlich verdient, auf die Bühne gebracht zu werden – gibt es dahingehend Pläne?
Wenn Bedarf besteht, werde ich versuchen, LEIPA auf die Bühne zu bringen. Priorität hat im Moment aber ganz klar Kanonenfieber. Die ständigen Auftritte und Touren fressen schon sehr viel Zeit. Da noch eine weitere Liveband auf die Beine zu stellen, das wäre im Moment der zeitliche Overkill. Sobald Kanonenfieber jedoch eine kleine Verschnaufpause zulässt, werde ich NON DEUS EST und/oder LEIPA auf die Bühne bringen.

Realistisch gesehen ist es wohl kaum machbar, zwei Bands gleichzeitig voll durchstarten zu lassen. Tut es dir manchmal um das – wie es scheint – musikalisch noch etwas detailverliebter arrangierte LEIPA-Material leid, dass du jetzt wohl (erstmal?) Kanonenfieber den Vorzug geben musst, weil hier gerade die Aufmerksamkeit und die Chancen da sind?
Ich habe für LEIPA kein eigenes Social Media angelegt, keine große Marketing Kampagne gefahren und keine Musikvideos für die Singles machen lassen. Es ist einfach zu viel, mehrere Kanäle parallel zu bedienen. Das macht mich schon traurig, da gerade „Reue“ sehr gute Rezensionen erhalten hat. Im Durchschnitt noch besser als KANONENFIEBERs “Menschenmühle”. Aber wie du sagst, man muss sich auf eine Sache konzentrieren. Man soll das Eisen schmieden, solange es noch heiß ist. KANONENFIEBER kommt gerade frisch aus der Esse. Ein Großteil meiner Energie fließt dementsprechend in das Weltkriegs-Projekt.

Zum Abschluss unser Brainstorming – was fällt dir zu folgenden Begriffen als erstes ein:
Die Verfilmung von „Im Westen nichts Neues“:
Knallharter Tobak. Die Story ist zwar ein Stück weit vom Buch entfernt,aber trotzdem sehr stark.
Youtube:
Die dauerhaft eingespielten Werbeanzeigen kotzen mich an!
Dein Lieblingsalbum aus 2022:
Grima – Frostbitten. Meine TopTen 2022 kann man auf noisebringer.de nachlesen. (Werbung Ende)
Rammstein:
Haben mit den Grundstein für meine Liebe zu Metal gelegt! “Zeit” hat stärkere und schwächere Songs, ist an sich aber solide.
Kampfpanzer für die Ukraine:
Schwere Debatte. Enthalte mich des Wortes.
KANONENFIEBER in 10 Jahren:
Ich plane zumeist nicht weiter als bis zur nächsten Mahlzeit.


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