Wer kennt es nicht? Da hat man der Aussichtslosigkeit der Pandemie ein Projekt gestartet, das jetzt unfertig und ungeliebt in der Ecke liegt … nicht so bei L.S. DUNES! Die Band wurde zwar in der Pandemie gegründet, ist aber schon lange weit mehr als ein bloßes Covid-Projekt. Was „The Exorcist“ mit der Entstehung des neuen Albums „Violet“ zu tun hat und wie Gitarrist Frank Iero die Band beinahe dem Untergang geweiht hätte, bevor sie überhaupt gegründet wurde, berichten Schlagzeuger Tucker Rule und Iero im Interview.
Wie sah der Entstehungsprozess für „Violet“ aus? Wer macht was, wenn ihr Songs schreibt? Oder wechselt das?
Frank: Es wechselt auf jeden Fall. Diese Platte war ganz anders als „Past Lives“, denn da haben wir nur geschrieben, weil wir nichts Anderes zu tun hatten. Es war nichts sonst los. Es war während der Pandemie und Tucker hat einfach alle angeschrieben und gemeint: „Hey, lasst uns einfach kreativ sein, anstatt das hier nur auszuhalten“, und so war es ein großartiges kreatives Ventil dafür.
Zu diesem Zeitpunkt, als wir anfingen, für die Platte zu Schreiben, wussten wir nicht, wer für die Band singen würde, ob wir überhaupt einen Sänger haben würden, was wir tun würden. Als wir dann die fertigen Songs hatten und Anthony (Green, Sänger) zustimmte, in die Band zu kommen, und wir wussten, dass wir tatsächlich eine Platte aufnehmen würden, musste er sozusagen passend zu dem schreiben, was wir schon gemacht hatten. Er musste seine Texte irgendwie dazu basteln. Und das ist an sich schon eine Meisterleistung.
Bei der neuen Platte war es so: „Okay, cool, wir kennen uns jetzt, wir sind kreativ miteinander verbunden, waren mit diesen Songs gemeinsam auf Tour, wir kennen uns kreativ gut und persönlich sogar noch besser“, also schrieben wir absichtlicher. Ich denke, dass man dadurch ein besseres Ergebnis und vielleicht eine besser umgesetzte Platte bekommt.
Was die Inspirationen angeht, ist das ganz unterschiedlich. Manchmal ist es ein Riff von mir oder eine Progression von Travis (Stever, Gitarrist) oder manchmal auch von Tim (Payne, Bassist), er hatte fast einen ganzen Song mit „Machines“. Oder manchmal fangen wir auch nur mit einem Drumbeat von Tucker an. „Like Magick“, das war ein Song oder eine Demo, an der Anthony monatelang herumgespielt hat. Ich glaube, Tucker war sogar eine Weile mit ihm auf Tour und er hat ihn live gespielt, nur als Intro. Man weiß also nie, woher die Inspiration kommt, und ich denke, dass es in dieser Band einfach großartig ist, so viele kreative Schreiber und kreative Funken zu haben. Das spornt einen an, die Fackel zu nehmen und damit loszulaufen.
Tucker: Wir hatten auch einige Zeit zusammen, während wir schrieben. Wir haben zwar auch viele Ideen getrennt voneinander in unseren eigenen Studios entwickelt, aber dann konnten wir uns zusammensetzen und sozusagen eine Vorproduktion machen. Oft hatten wir Riffs oder Basslines oder Songs, die noch nicht fertig waren. Wir stellten sie gemeinsam fertig. Wir hatten die Möglichkeit, das persönlich zu tun. Wie Frank sagen würde: „sie zuknöpfen“. Es ist ein gutes Gefühl, wenn man weiß, dass ein Song ein Song ist und nicht nur eine Idee von einem Song.
„Past Lives“ ist ein sehr schweres Album, sowohl musikalisch als auch textlich, während „Violet“ weicher und versöhnlicher wirkt (daher vielleicht der Song „Forgiveness“). Wie kam es zu dieser Veränderung?
Frank: Ich glaube, wir wollten etwas erschaffen, das etwas hoffnungsvoller ist. Ich weiß aber nicht, ob das von Anfang an eine bewusste Anstrengung war. Ich weiß nicht, ob sich einer von uns hingesetzt und gesagt hat: „Also gut, ich schreibe etwas Leichteres oder etwas, das mehr zum Mitsingen einlädt.“ Es war einfach eine Art von: „Das ist es, was aus uns herauskommt.“ Es ist spannend, ich merke das, wenn ich mir die Platte anhöre. Es ist definitiv – ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll, aber es hat etwas, das sich hoffnungsvoller und erhebender anfühlt. Manchmal ist das ein schwieriges Unterfangen, etwas Inspirierendes zu schreiben, oder etwas, das ein bisschen mehr Licht in sich trägt.
Ich weiß aber, dass Anthony speziell mit den Texten und solchen Dingen eines seiner größten Probleme mit „Past Lives“ hatte. Das Gefühl, diese Songs jeden Abend singen zu müssen, fühlte sich beinahe wie eine Last an. Vor allem bei einem Song wie „Sleep Cult“, bei dem er die Zeile „I’m sorry that I wish that I was dead“ immer wieder wiederholt, während das Publikum das mitsingt, ist das eine Menge. Vor allem, wenn man jeden Abend in diesen Worten und in diesem Song lebt. Manchmal kann man einfach nur so tun, als ob, aber das macht Anthony einfach nicht. Ich glaube, das hat ihn sehr belastet, und ich glaube, es war eines dieser Dinge, bei denen er, wenn er noch eine Chance hätte, diesen Weg vielleicht nicht gehen würde.
Man sagt, man hat sein ganzes Leben Zeit, um seine erste Platte zu schreiben, und dann etwa sechs Monate, um die zweite zu schreiben. Ich weiß nicht, wie es mit der verdammten zweiundzwanzigsten Platte ist, aber was diese Platte und diese Band betrifft, hatten wir definitiv die Chance, die Fehler zu korrigieren oder zurückzugehen und zu sagen: „Okay, ich weiß jetzt, wie es ist, diese Songs live zu spielen, jeden Abend, monatelang. Wie würde ich das machen wollen, mit dem Wissen, das ich jetzt habe?“
Tucker: Ich denke, es ist bezeichnend und ich bin sehr dankbar dafür, denn man kann entweder die „Violet“-Route einschlagen – das Lied, in dem man singt: „Ich weiß, dass wir gesund werden können“, oder man kann sagen: „Es tut mir leid, dass ich wünschte, ich wäre tot“, und ich bin froh, dass wir die andere Seite gewählt haben.
Wann wusstet ihr, dass L.S. Dunes nach eurem Debütalbum weitergehen würde und warum habt ihr beschlossen, weiterzumachen?
Tucker: Ich glaube, wir wussten es sofort, als wir das erste Mal den Text von „Antibodies“ hörten. Wir merkten alle irgendwie: „Oh, das macht wirklich Spaß!“ Und es gibt auch eine Menge Songs, die auf „Past Lives“ nicht fertig geworden sind, weil wir keine Zeit hatten. Es war einfach ein Zeitproblem. Es war nicht so, dass wir genau diese Songs für die Platte ausgesucht haben, weil das sind die besten Songs waren. Es war eher so: „Das sind die ersten, die wir fertiggestellt haben“. Ich glaube, wir hatten eine ganze Reihe von Songs, mit denen wir weitermachen konnten und von denen wir wussten, dass wir mit ihnen eine weitere Platte machen oder eine weitere Platte anfangen könnten.
Sogar so etwas wie damals, als wir in die Wüste gingen und die kleine EP mit „Old Wounds“ und „Benadryl Subreddit“ machten. Die haben wir speziell für die Wüste geschrieben. Die waren genau dafür gedacht, wir hatten erst gar nichts geplant. Dieser Teil – ich will hier nicht wie ein Arsch klingen, aber dieser Teil der Band fällt uns leicht. Der Teil des Schreibens. Ich will damit nicht sagen, dass wir uns nicht auch anstrengen müssen, denn das tun wir, aber es gibt keinen Mangel an Ideen und Inspiration von uns gegenseitig. Es gibt keine Obergrenze für die Anzahl der Platten, die wir machen könnten, dies könnte die letzte sein, wer weiß? Aber ich habe nicht das Gefühl, dass es so ist.
Frank: Du hast Recht. Es ist lustig, bei manchen Bands und Projekten ist es so mühsam, sich etwas Neues einfallen zu lassen oder einen neuen Song zu schreiben oder ins Studio zu gehen. Das ist bei dieser Band nicht der Fall. Das war hier nie der Fall und ich würde gerne sagen, dass es auch nie der Fall sein wird. Jeder ist so selbstlos mit seinem kreativen Output. Keiner hat so ein komisches Ego-Ding, wo er sagt: „Nein! Ich habe es so geschrieben und so muss es sein!“ Es gibt nichts von dem Scheiß. Es ist irgendwie verrückt. Und man sollte meinen, dass es immer so sein sollte, aber allzu oft ist das nicht der Fall. Besonders bei Leuten, die von anderen, Zitat, „erfolgreichen“ Bands kommen, wo jeder denkt, er wisse es besser als alle anderen. Das war nie unser Problem. Vom ersten Tag an sind wir einfach allem hinterhergejagt.
Und jedes Mal, wenn ich ein Riff durchschicke, ist Tuckers Antwort, wenn er den Drumbeat hinlegt, „erstbeste Vermutung“. Und ich liebe das, weil es einfach so ist: „Das ist genau das, was mich in diesem Moment angesprochen hat, das ist das, was mir eingefallen ist. Das muss nicht unbedingt das Nonplusultra sein, aber das ist meine erste beste Vermutung.“ Und normalerweise ist der erste Eindruck auch richtig. Ich würde auch ehrlich sagen, dass „Past Lives“ in seiner Gesamtheit unsere erste beste Vermutung als Band war.
Tucker: Hundert Prozent.
Frank: Ich glaube, da haben wir uns gedacht: „Scheiße, na gut, cool! Hey, wir können das schaffen. Okay, jetzt machen wir es noch besser!“ Und wir versuchen einfach ständig, uns gegenseitig zu beeindrucken und es noch weiter zu treiben.
Tucker: Ich glaube, wir alle wollen hier sein. Wir haben alle das Glück, hier zu sein, und wir möchten alle hier sein, und ich denke, das ist …
Frank: Ein Haufen verdammter Möchtegerns!
Tucker: Ein Haufen von Möchtegerns! (lacht) Ja, aber wir sind glücklich und froh, hier zu sein, und wir wollen hier sein.
Tucker, du hast L.S. DUNES in der Pandemie gegründet, um etwas zu tun zu haben, um kreativ zu sein. Wie ist es für dich, die Band so wachsen zu sehen, wie sie ist? Ist es das, was du dir vorgestellt hast?
Frank: Er sagt jetzt bestimmt „schrecklicher Fehler!“ (lacht)
Tucker: (Lacht) Ich weiß nicht, was befriedigender war, es hinter den Kulissen zu erschaffen oder es in die Welt hinaus zu lassen. Ich hatte wirklich das Gefühl, dass mein Glas so voll war, als ich diese Songs und diese Band gemacht habe, als noch niemand davon wusste. Alles, was darüber hinausgeht, ist also ein Bonus. Leute, die sich ein Tattoo der Band stechen lassen, Menschen, die zu den ersten Shows überhaupt gekommen sind. Das ist alles wie eine Garnierung.
Das Schönste, das ich davon hatte, war all das, was hinter den Kulissen passiert ist. Die Aufregung, dieses Zeug zu verschicken und inspiriert zu werden und sich durch die ganze Erfahrung wirklich gestärkt zu fühlen. Wir sprechen oft darüber, dass es so ist, als würden wir unsere erste Band noch einmal neu gründen. Du weißt schon, wenn du zum ersten Mal eine Note spielst, ein Schlagzeug einsetzt und ein Sänger singt und alles zusammenpasst und du denkst: „Oh mein Gott, wir haben gerade etwas geschaffen!“ So hat sich diese ganze Sache angefühlt und fühlt sich immer noch an. Es ist verrückt!
Cool! Ich habe das Gefühl, dass das aus meiner Sicht, aus der Sicht des Publikums, total spürbar ist. Wenn ich euch live spielen sehe und eure Platten höre, fühlt es sich auch für mich so an, als hättet ihr so viel Spaß dabei.
Tucker: Danke schön!
Frank: Danke, das bedeutet uns sehr viel. Denn es ist spannend, dass du das auch so wahrnimmst, dass du diesen Aspekt der Sache siehst. Was Tucker gerade gesagt hat, dass es so ist, als würde man mit seiner ersten Band noch einmal ganz von vorne anfangen, das stimmt einfach! Wenn du deine erste Band gründest, fragst du deine Freunde, die Instrumente spielen, einige von ihnen spielen vielleicht keine Instrumente, aber du fragst zuerst deine Freunde und du sagst einfach: „Hey, lass uns zusammen abhängen und eine Band gründen und zusammen Musik machen“, und genau das ist es hier auch. Ich dachte mir, als du gesprochen hast, Tucker, für diese Band oder diese Freundesgruppe bist du der Mikey Way (My Chemical Romance), du bist derjenige, der am sozialsten ist und du hast die meisten Freunde. Er kennt so viele Leute, so wie Mikey Way, der verdammt nochmal jeden kennt!
Tucker: Mann, der kennt wirklich jeden!
Frank: Stimmt’s? So ein Typ bin ich nicht. Ich bin nicht dieser Typ, der ständig ausgeht…
Tucker: Da bin ich anderer Meinung! Du bist darin auch ziemlich gut!
Frank: Das ist alles erzwungen. (Lacht) Aber weißt du, ich bin nicht der Typ, der sagt: „Oh, ja, lass uns mit diesen ganzen verdammten Leuten abhängen.“ So ein Typ bin ich nicht, ich muss dich dazu wirklich mögen. (lacht)
Tucker: Stimmt, stimmt.
Frank: Aber auf der Anrufliste für diese Band zu stehen, obwohl ich weiß, dass er so viele andere Leute hätte kontaktieren können, ist sehr schmeichelhaft. Ich fühle mich wirklich glücklich, dabei zu sein. Und es gab eine Zeit, erinnerst du dich, während der Pandemie, da habe ich aus Versehen die Benachrichtigungen abgeschaltet und war eine Woche lang nicht erreichbar, und du hast gesagt: „Alter, was ist los? Willst du das immer noch machen oder nicht?“ und ich sagte: „Oh mein Gott! Ich will!“
Tucker: Das war meine Version eines Wellness-Checks. Ich dachte: „Er könnte tot sein“… (lacht)
Frank: Weißt du, ich denke manchmal daran, dass ich es fast versaut hätte, und ich bin so froh, dass es trotzdem geklappt hat und du nach mir gesehen hast.
Tucker: Ehrlich gesagt glaube ich, es hat alles damit angefangen, dass du die Future Violents zusammengestellt hast.
Frank: Ich habe diese Band geliebt.
Tucker: Ich erinnere mich, dass du den ersten Song geschickt hast und wir sofort darauf abgefahren sind und dann zu dir nach Hause gekommen sind und ein paar Stücke zusammen gespielt haben. Da dachte ich irgendwie: „Okay, das ist definitiv das Fundament einer Band.“
Frank: Das ist großartig.
Tucker: Ich wusste, dass es damit funktionieren würde, und ich wusste, dass es mit Tim funktionieren würde, also waren das im Grunde die beiden Säulen von „In Ordnung, das könnte cool sein, das könnte Spaß machen. Ich weiß, dass es vielleicht nie jemand hören wird, aber ich weiß, dass wir Spaß haben werden und etwas dabei herauskommen wird, und dass es nicht diese, wie du schon sagtest, mühsame Aufgabe sein wird. Wir werden ein paar Songs schreiben, ob sie nun das Licht der Welt erblicken werden oder nicht, sie werden Spaß machen.“
Frank: Und wir werden auch noch Spaß dabei haben.
Habt ihr eine Anekdote aus dem Aufnahmeprozess, die ihr teilen wollt? Eine coole Geschichte, etwas Lustiges, etwas, das ihr gelernt habt?
Frank: Nun, wir wohnten alle zusammen in einem Haus die Straße runter von Will (Yip, Produzent) und es war so ein kleines Reihenhaus am Rande von Philly in Conshohocken und wir sahen uns jeden Abend Filme an und ich habe buchstäblich keine Geschichte, die ich erzählen könnte, ich versuche eine zu finden, indem ich sage, wo wir waren und ich hoffe, dass Tucker einspringt und sagt: „Und da war dieses eine Mal!…“
Tucker: Okay, ich hab dich! Was waren das für Filme, die wir uns angesehen haben, die, die Travis gezeigt hat?
Frank: Ja, weil wir haben uns überlegt, worum es auf der Platte gehen und wie sie heißen sollte, und wir haben uns den Film „Being There“ und alle „Excorcist“-Filme angesehen.
Tucker: Die „Excorcist“-Filme, ja! Und wir haben nach subtilen Hinweisen in den Filmen gesucht oder nach irgendeiner verrückten Inspiration. Es war sehr seltsam, wir sahen uns alle diese wirklich abgefuckten Filme an und dachten: „Okay, ich schätze, wir werden morgen eine Platte aufnehmen…“
Frank: Ja, und danach musste man alleine durch diesen Gang, in diesem verdammten seltsamen Haus.
Tucker: Und dann wachten wir am nächsten Morgen auf, aßen alle Müsli wie kleine Kinder und bereiten uns auf die Aufnahme vor.
Klar, so macht man das halt! Okay, bei Metal1.info haben wir diese kleine Tradition, bei der wir eine Art Hotseat-Spiel spielen. Ich sage also ein Wort und ihr sagt, was euch als erstes einfällt.
Punk: Frank: As Fuck! – Tucker: Ramones!
Magic: Frank: „The Gathering“ – Tucker: Mit „k“ buchstabiert!
2025: Frank: Oh, Scheiße. Ich hoffe, wir überleben (lacht) – Tucker: Hey, das reimt sich! (im Englischen)
David Bowie: Tucker: Der Beste! – Frank: Er ist einfach das A und O!
Lieblingsbuch: Frank: Lieblingsbuch, oh Scheiße, cool! – Tucker: „Post Office“ von Charles Bukowski. – Frank: Oh, das ist echt eine gute Frage. Ich meine, die einfache Antwort ist „Der Fänger im Roggen“, aber im Moment? Ich würde momentan „Die Bücherdiebin“ sagen.
Dieses Interview wurde per Telefon/Videocall geführt.