Teil 15 unseres Specials „Metallisierte Welt – auf den Spuren einer Subkultur“ widmet sich den Fragen: Wie viele Metalheads gibt es unter den rund 1,3 Milliarden Einwohnern Indiens und wie steht es um die Szene in dem Land, in dem heilige Kühe schon mal den Verkehr zum Erliegen bringen? Nolan Lewis, Sänger, Gitarrist und Bandgründer von KRYPTOS gibt Auskunft.
Deine Band KRYPTOS war die erste Band aus Indien, die auf dem Wacken Open Air aufgetreten ist. Erinnerst du dich an den Moment, als du erfahren hast, dass der Gig steht?
Ja, daran erinnere ich mich sehr lebhaft. Als wir jung waren, haben wir immer in den Metal-Magazinen über die großen europäischen Metal-Festivals und vor allem über das Wacken Open Air gelesen und uns gesagt: „Mann, wäre das großartig, wenn wir dort eines Tages spielen könnten.“ Aber wir konnten uns nicht vorstellen, dass das tatsächlich eines Tages passieren würde. Als der Auftritt bestätigt wurde, mussten wir uns wirklich erst einmal zwicken – das war, als hätten wir einen dieser „unmöglichen“ Punkte auf unserer Liste von Dingen, die wir noch erreichen wollten, abgehakt. (lacht) Das war wirklich ein Erlebnis.
Was war euer erster Eindruck, als ihr dort angekommen seid? War alles, wie ihr es euch vorgestellt hattet?
Ich hatte das Wacken Open Air bereits 2005 und 2010 als Fan besucht, insofern wusste ich ungefähr, was uns erwartet. Aber das Festival war nochmal gewachsen, als wir dort gespielt haben – das war schon faszinierend. Am interessantesten fand ich, zu sehen, was hinter den Kulissen eines so riesigen Festivals abgeht, wie das alles organisiert und koordiniert wird. Das war wirklich unglaublich. Wir hatten dort auch unsere erste Meet & Greet-Session, das war ziemlich lustig: Meshuggah hatten ihr Meet & Greet direkt neben uns. Bei denen war eine riesige Schlange, während unsere „Schlange“ aus zwei Freunden von uns bestand, die uns Sandwiches gebracht haben, und ein paar anderen Leuten, die uns neugierig angeschaut haben. (lacht) Aber es war trotzdem cool. Wir haben es geschafft, in diesen 40 Minuten das ganze Bier aus unserem Kühlschrank zu trinken. Der Gig war jedenfalls großartig. Wir haben um Mitternacht auf der WET-Stage gespielt und es war wirklich gesteckt voll. Die Crew war super cool und es war wirklich beeindruckend, wie schnell sie zwischen den Bands umgebaut haben. Das ist gelebte deutsche Effizienz!
Wart ihr von irgendetwas enttäuscht?
Nicht wirklich. Die einzige Schwierigkeit war die unglaubliche Hitze, die uns wirklich fertiggemacht hat. Für alle, die jetzt denken, wir wären Inder und müssten die Hitze deshalb doch gewohnt sein: Sorry, in unserer Heimatstadt Bangalore ist es das ganze Jahr über ziemlich kühl – insofern sind wir solche sengende Hitze nicht gewohnt. (lacht) Natürlich haben wir uns dann letztes Jahr, als wir das Wacken wieder besucht haben, im eiskalten Matsch die Sonne zurückgewünscht, aber es war alles in allem trotzdem spaßig. Ich kann mich nicht beschweren.
War es für euch als Band leicht, vom größten Metal-Festival der Welt zurück in den Alltag einer Metal-Band in Indien zurückzukehren?
Es ist nie leicht, nach Indien zurückzukommen, wenn man davor in Europa gespielt hat, weil hier einfach alles so unglaublich anders ist als bei euch. Wir spielen hier in Indien zwar relativ oft, aber wir haben nichts Vergleichbares zu den großen europäischen Festivals und natürlich erst recht nichts, was man mit Wacken vergleichen kann. Insofern war es nach dem, was wir erlebt haben, schon erst einmal ein Dämpfer, wieder in den Alltag zurückzukehren. Aber nach ein paar Wochen findet man seinen Rhythmus wieder … viel Verkehr, lange Arbeitstage und schlechte Bezahlung – da bleibt keine Zeit zum Träumen. (lacht)
Wie schwierig ist es, sich in Indien als Metal-Band zu behaupten?
Ich denke, es ist hier nicht viel anders als überall sonst in der Welt. Klar, manchmal schauen uns die Leute hier schief an, weil wir lange Haare haben oder wegen unserer Kleidung oder dergleichen, aber alles in allem ist es nicht so schlimm. Es ist ein kleiner Kampf, aber auch das ist doch überall anders genauso.
Gibt es für junge Bands genug Proberäume, Tonstudios und dergleichen?
Nicht wirklich. Einen guten, vor allem aber bezahlbaren Proberaum zu finden ist ziemlich schwierig – wenn eine Band also nicht selbst einen geeigneten Raum hat, kann es ziemlich schwierig sein und viel kosten, an einen guten Raum zu kommen. Tonstudios gibt es viele gute überall in Indien, allerdings sind die auch sehr teuer. Aber heutzutage kannst du ein Album im Endeffekt auch in deinem Schlafzimmer aufnehmen, insofern ist das kein allzu großes Problem. Wir gehen nur für die Schlagzeugaufnahmen und den Gesang ins Studio, da reichen ein paar Tage, was es deutlich günstiger macht.
Und wie steht es um Auftrittsmöglichkeiten?
Es ist nicht ganz einfach, weil es nicht so viele Metal-Konzerte oder -Festivals gibt, wie es geben sollte. Wegen der enormen Größe unseres Landes und weil es zu wenig Locations gibt, ist es ziemlich schwierig, Indien zu betouren. In den großen Städten wie Bangalore, Mumbai, Hyderabad, Kolkata, Chennai und Delhi gibt es zwar ein paar Clubs, in denen man auftreten kann, und sogar einige Locations, in denen vergleichsweise große Rock- und Metal-Events stattfinden, aber insgesamt sind sie rar gesät. Deshalb haben wir uns auch immer eher darauf fokussiert, in Europa auftreten zu können.
Gibt es in Indien auch Konzerte internationaler Künstler?
Ja. Als Iron Maiden 2007 nach Indien kamen, hat das in gewisser Weise die Tore für andere internationale Metal-Bands geöffnet. Seitdem haben viele große Bands wie Metallica, Slayer, Megadeth, Kreator, Iced Earth oder Cannibal Corpse hier gespielt. Es gibt sogar ein paar kleinere Festivals wie das Bangalore Open Air oder das CultFest, die auch ein paar große internationale Metal-Bands ins Land holen, während Festivals wie das Trendslaughter einige der besten Underground-Metalbands aus aller Welt hierherbringen.
Unterstützen die Fans in Indien lokale Bands, beispielsweise indem sie zu Underground-Konzerten kommen?
Ja, aber das sind nicht so viele, wie man vielleicht erwarten würde. Das Internet hat die Leute wirklich faul gemacht und die meisten ziehen es mittlerweile vor, daheim herumzusitzen und Musik auf YouTube oder dergleichen zu hören. Klar, wir haben nicht so viele gute Metal-Bands hier in Indien, die man unterstützen könnte, was auch ein Faktor ist, warum immer weniger Leute zu Konzerten gehen. Aber ganz allgemein gibt es nur einzelne, über ganz Indien verstreute Nester mit Die-Hard-Metalheads.
Werden bei euch noch CDs gekauft?
Das ist tatsächlich eines der Hauptprobleme hier. Wegen des Internets kaufen die meisten Leute keine CDs von lokalen Bands mehr – oder sogar Metal-Alben ganz generell. Alle reiten auf der YouTube- oder Torrent-Welle. Trotzdem gibt es noch ein paar Die-Hard-Metalheads, die die Bands, die sie mögen, unterstützen – egal, ob lokal oder international – indem sie ihre Alben und das Merchandise kaufen. Alles in allem verkaufen Underground-Bands hier aber leider nicht viel.
Wie steht es generell um den Metal in Indien? Habt ihr eine florierende Szene mit Bands, Bars, Konzerten und Fans, oder führen Metalheads in Indien eher ein Schattendasein?
Irgendwas dazwischen, würde ich sagen. Es gibt hunderte Bands in unserem Land, aber nur wenige existieren länger als ein paar Jahre. Indien ist von seiner ganzen Natur her einer florierenden Metal-Szene nicht förderlich. Die Gesellschaftsstruktur hier trägt nicht dazu bei, dass eine Musikszene wachsen kann, geschweige denn eine Metal-Szene, und für ein so großes Land ist die Zahl der Fans, Clubs, Konzerte und Festivals im Metal-Bereich extrem niedrig. Aber den Leuten kann man dafür keinen Vorwurf machen, weil sie erst einmal zusehen müssen, dass sie ein annehmbares Leben führen können und mit ihren Einkünften auskommen, bevor sie sich eingehend mit Musik beschäftigen. In diesem Sinne ist Indien fast so etwas wie ein schwarzes Loch der Kreativität.
Welche Rolle spielen hier die enorme Größe des Landes und die vergleichsweise schlechte Infrastruktur? Ist die Szene vernetzt oder eher in jeder Stadt auf sich gestellt?
Das Ganze ist eher in Cluster geteilt, die überall im Land verteilt sind – vor allem natürlich in den größeren Städten. Die meisten Leute in der Metal-Szene hier kennen sich mehr oder weniger gut, aber eigentlich hat jede Stadt ihre eigene Szene, die mehr oder minder unter sich bleibt. Bangalore beispielsweise ist die Heimat des traditionelleren Metal, während in Mumbai und Delhi moderner Metal und Metalcore zu Hause sind, Kolkata eher für Thrash und Death Metal steht und so weiter.
Wie bist du selbst mit Metal in Berührung gekommen?
Das ist passiert, als ich zehn war: Bis zu diesem Zeitpunkt war die einzige Musik, die ich gehört habe, die 50er- und 60er-Jahre-Musik, die mein Vater über seinen Plattenspieler hat laufen lassen – und, glaub‘ es oder glaub‘ es nicht, Kirchenlieder. Das hat sich alles an dem Tag geändert, als ich einen Nachbarn in unserem Wohnhaus besucht habe, der viel älter war als ich: Wir kannten uns vom Fussballspielen und eines Tages hat er mich zu sich eingeladen, um dort ein bisschen abzuhängen. Ich erinnere mich, dass er irgendwelche „laute“ Musik gespielt hat, und ich erinnere mich, wie ich mich darüber gewundert habe, dass sich jemand solchen „Krach“ anhört. Als ich ihn danach gefragt habe, hat er mir nur drei Kassetten in die Hand gedrückt und gesagt, ich solle mir die ein paar Tage lang anhören und schauen, ob mir etwas davon gefällt. Das waren AC/DCs „The Razor’s Edge“, Def Leppards „Pyromania“ und „Piece Of Mind“ von Iron Maiden. Ich hab die Kassetten mit nach Hause genommen – und obwohl mir sowohl das AC/DC-Album als auch Def Leppard gefallen haben (und bis heute gefallen), war es „Piece Of Mind“, das mich wirklich umgehauen hat. Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen, an den Moment, als das Schlagzeug-Intro zu „Where Eagles Dare“ losging und ich überall Gänsehaut bekommen habe. Als dann das Opening-Riff eingesetzt hat, gab es kein Zurück mehr. Das war’s für mich. Aber die Band, die mich dazu gebracht hat, Metal wirklich zu lieben, war Judas Priest. Ich habe eine Woche später „Defenders Of The Faith“ gehört und war schlichtweg sprachlos. Dieses Album hat tatsächlich mein Leben verändert und ist bis heute mein absolutes Lieblings-Metal-Album geblieben.Was hat dich am Metal so fasziniert?
Das ist schwer zu erklären, aber ich würde sagen, Metal ist die einzige Musikrichtung, die ich kennengelernt habe, die jede einzelne Emotion, die wir empfinden können, berühren kann: Metal kann dich im einen Moment vor Kraft strotzen lassen und sogleich in ungeahnte Tiefen ziehen. Ich finde es auch großartig, dass im Metal-Bereich kein Thema tabu ist, ebenso, dass der Phantasie des Einzelnen im Metal wirklich keine Grenzen gesetzt sind. Aber der für mich entscheidende Punkt ist, dass Metal eine Art Zuflucht vor all dem Scheiß im Alltag darstellt. Metal ist immer da für mich, durch dick und dünn. Das ist wie eine beruhigende Hand auf der Schulter, die mir gut zuredet, nicht aufzugeben und den guten Kampf weiterzukämpfen.
Du selbst bist schon sehr lange in der Szene aktiv – wie würdest du die Entwicklung in den letzten zehn Jahren beschreiben? Wächst das Interesse an Metal in Indien?
Auf einige Arten ist die Szene in einer sehr kurzen Zeit unglaublich schnell gewachsen. Aber ich persönlich finde nicht, dass sie sich dabei in die richtige Richtung entwickelt hat. In den 90ern war Metal ein absolutes Underground-Ding und in den verschiedenen Städten hat sich auf natürliche Art und Weise eine Szene entwickelt … Tape-Trading, Mund-Propaganda und so weiter, du weißt schon. Aber seit das Internet hierher kam und in Indien zum Standard wurde, ist alles etwas oberflächlicher geworden. Deswegen sind die wirklich passionierten Metal-Fans in Indien Leute, die in den 80ern und 90ern damit angefangen haben, während in den letzten zehn Jahren viele Gelegenheitshörer dazugestoßen und wieder abgesprungen sind. Leider zeichnet sich dahingehend derzeit auch keine Veränderung ab.
Metal ist in vielerlei Hinsicht sehr vom westlichen Lifestyle geprägt. Wie gut passt Metal zum indischen „Way Of Life“?
Das ist hier drüben tatsächlich ein Problem. Ganz generell ist Metal im indischen Alltag eine Absonderheit. In Europa oder den USA ist der Metal aufgeblüht, weil ihm die Freiheit dazu gelassen wurde. Seien wir doch ehrlich: Musik kann sich nur so weit verbreiten, wie es die direkte Umgebung zulässt. In Indien wird gegen Metal und Rock zwar nicht gezielt vorgegangen, wie es in manchen arabischen Ländern der Fall ist, aber der Metal scheint sich selbst den indischen Gebräuchen angepasst zu haben: Indischer Metal ist meistens sehr „diplomatisch“ – er versucht, nicht zu vielen Leuten auf den Fuß zu steigen. Mit anderen Worten: Es geht alles etwas zu höflich zu. (lacht)
Stichwort „Metal Lifestyle“: Was unterscheidet einen Metalhead in Indien vom Durchschnittsbürger?
Schwer zu sagen. Für mich bedeutet Metal Freiheit, sei es körperlich, im Geist oder beides. Körperlich kann bedeuten, tragen zu dürfen, was man mag, aussehen zu können, wie man will und tun zu dürfen, was einem in den Sinn kommt, solange man damit niemand anderen belästigt. In diesem Sinne ja: Viele von uns haben lange Haare, Tattoos, tragen Bomberjacken oder Leder und so weiter. Aber wir werden dafür von den normalen Leuten ausgelacht, weil es sich von der indischen Kultur so stark unterscheidet. Aber während Freiheit, was Äußerlichkeiten angeht, wichtig ist, ist es meiner Ansicht nach noch viel wichtiger, im eigenen Geist frei zu sein. Das ist, was uns meiner Ansicht nach von der normalen Gesellschaft unterscheidet. Im eigenen Geist frei zu sein bedeutet, die Dinge immer zu hinterfragen und keiner Religion zu folgen, keiner Regierung, Politik oder was auch immer dich zu kontrollieren versucht. Darum sollte es meiner Ansicht nach beim „Metal Lifestyle“ gehen.
Bekommt ihr wegen eures Aussehens in Indien auch größere Probleme?
Nein, große Probleme bereitet uns das hier nicht. Klar, viele Leute schauen uns wegen unserer langen Haare, der Kleider oder unseres generellen Auftretens komisch an. Aber das ist eigentlich keine große Sache, weil es im Allgemeinen bei neugierigen Blicken oder gelegentlichem Lachen und mit dem Finger auf uns Deuten bleibt – viel mehr passiert in der Regel nicht.
Gibt es irgendwelche staatlichen Reglementierungen, die euch als Band einschränken?
Nein, so etwas gibt es nicht – Metal ist in Indien einfach zu unbedeutend, als dass die Gesellschaft davon Notiz nehmen würde. Es gibt ein paar Bands, die provokative Albumcover oder Texte haben, aber das interessiert hier wirklich niemanden. Dafür sind die Leute zu sehr damit beschäftigt, mehrstündige Verkehrsstaus durchzustehen, die die Kühe hier ständig auslösen: Hier in Indien haben wir überall in den Städten streunende Kühe. Die laufen dann durch den Verkehr oder legen sich in der Mitte der Straße einfach hin, so dass nichts mehr weiter geht. Die Kühe hier interessieren sich grundsätzlich einen Scheiß für die Menschen. (lacht)
Stellen religiöse Fanatiker für Metalheads in Indien eine reelle Bedrohung dar, wie es etwa in Bangladesch der Fall ist?
Wie gesagt: In Indien ist die Metal-Bewegung schlichtweg zu klein, um für irgendeine religiöse Gruppe oder politische Partei ein lohnenswertes Ziel abzugeben. Sie sind zu sehr damit beschäftigt, das Land auszurauben und die Bevölkerung einer Gehirnwäsche zu unterziehen, um sich über Metal oder seine Fans zu Sorgen zu machen. Wir kommen auf deren Radar kaum vor, deshalb interessieren wir sie nicht.
Was denkst du generell über Religionen?
Ich verachte alle Formen von Religion. Ich wurde katholisch erzogen und war einigermaßen religiös, bis ich 18 wurde oder so. Aber dann hat einfach nichts davon mehr Sinn ergeben. Es ergibt immer noch keinen Sinn, vor allem, wenn du dir die unglaubliche Zahl von Verbrechen anschaust, die im Namen von Religionen verübt wurden. Klar, es ist faszinierend, wie Religion es fertigbringt, die Fähigkeit eines Individuums, logisch und feinfühlig zu denken, komplett zu ersticken, aber alles in allem ist Religion eine Plage, die vom Antlitz der Erde gewischt gehört. Ich würde sogar so weit gehen, zu behaupten, dass Religion und mit Politik die beiden entscheidenden Faktoren sind, die Indien im Mittelalter gefangenhalten.
Schließen sich Metal und Religion deiner Ansicht nach automatisch aus?
Für mich persönlich sind Metal und Religion unvereinbar. Der Grundgedanke von Heavy Metal ist doch, frei von Kontrollmechanismen wie Religion zu leben – insofern kann es einfach nicht funktionieren, beides zu vereinen. Aber das ist nur meine Meinung.
Mit deiner Band KRYPTOS spielst du Oldschool-Metal. Welche Bands haben euch dazu inspiriert?
Vornehmlich Bands der 70er und 80er. Ich würde sagen, unsere größten Inspirationsquellen waren Judas Priest, Iron Maiden, Black Sabbath und Thin Lizzy. Diese Bands waren unsere Grundlage, während andere Bands wie Mercyful Fate, Accept, Candlemass, Coroner, Kreator und die gesamte NWOBHM-Bewegung uns darüber hinaus inspiriert haben, die Musik zu spielen, die wir heute spielen.
Euer Bandname entstammt dem Altgriechischen – ihr bezieht euch also nicht nur musikalisch, sondern auch in eurem Namen auf die westliche Kultur. Warum nicht Metal und indische Kultur mischen?
Schlicht und ergreifend, weil wir mit „indischer Kultur“ nicht wirklich viel anfangen können. Es gibt in der heutigen Zeit so etwas wie „indische Kultur“ nicht mehr. Es gibt nur noch einen Mischmasch aus allem Möglichen, von dem niemand wirklich erklären kann, wofür er eigentlich steht. Jedenfalls wurden wir alle unterschiedlich erzogen: Die meisten unserer Eltern standen auf Elvis, die Beatles, die Rolling Stones, Jazz und Country, insofern sind wir damit aufgewachsen. Ich finde nicht, dass eine Band sich darum bemühen muss, ihre „Kultur“ in ihrer Musik zu repräsentieren. Alles, worum es bei Musik und beim Metal im Speziellen geht, ist doch, das zu spielen, was du wirklich in dir drinnen spürst – und nicht, was alle anderen von dir wollen oder erwarten. Das mag dann westlich, indisch, orientalisch, afrikanisch oder marsianisch klingen – das ist doch egal. So lange es mit Leidenschaft gemacht ist, mit Überzeugung und dem Bestreben, sich selbst zufriedenzustellen und nicht alle anderen.
Sonderbarerweise werde ich das oft gefragt. Ich weiß nicht genau, warum, aber Bands wie Nile werden so etwas nie gefragt, obwohl sie aus South Carolina in den USA sind, aber über ägyptische Mythologie schreiben. Da habe ich noch nirgends die Frage gelesen, warum sie nicht mehr amerikanische Kultur in ihre Musik einfließen lassen. (lacht)
Wie dem auch sei – den Namen KRYPTOS haben wir schlicht deshalb ausgewählt, weil er zu dem passt, was wir sind und was wir tun. KRYPTOS bedeutet auf Altgriechisch „verborgen“ und das spiegelt uns als Personen sehr gut wider: Als Metalhedas sind wir in Indien immer am Rande der Gesellschaft. Auch wenn wir ein Teil dieser Gesellschaft sind, sind wir zugleich doch kein Teil von ihr, wenn du verstehst, was ich meine.
Eine letzte Frage zum Abschluss: Was bedeutet dir das Metal-Zeichen, die „Devil Horns“?
Nun, jedes Mal, wenn ich das Zeichen sehe, muss ich an Dio denken. Er war so sehr eins mit diesem Zeichen, dass ich es nicht wirklich mit etwas anderem in Verbindung bringen kann. Ich bin mit Konzertvideos groß geworden, in denen er die Hörner so oft erhoben hat, dass es mich bis heute einfach an ihn erinnert. Was ja auch irgendwie großartig ist.
Vielen Dank für deine Zeit und Antworten – zum Abschluss ein Brainstorming:
Deutschland: Bier, Bier und noch mehr Bier.
Kühe: Lecker, aber sie können nerven, wenn sie hier mal wieder den Verkehr zum Erliegen bringen. (lacht)
Lemmy: Die Personifizierung von Rock ’n‘ Roll. Wenn es jemals einen Mann gab, der nach seinen eigenen Prinzipien gelebt hat, dann war er das.
Bollywood: Ziemlich sicher die geistloseste Form von Entertainment auf diesem Planeten.
Traditionelle indische Musik: Interessant, aber bei einer Tequila-Party nicht sonderlich unterhaltsam.
KRYPTOS in zehn Jahren: Etwas fetter, vielleicht etwas kahler, aber immer noch am Rocken!
Die letzten Worte gehören dir:
Vielen Dank für das Interview – es hat echt Spaß gemacht. Für alle, die das hier gelesen haben, und die sich jetzt fragen, was wir für Musik machen, sei noch hinzugefügt: Unser neues Album erscheint in Europa und dem Rest der Welt ende diesen Jahres über das deutsche Label AFM Records. Ich kann euch versichern, es wird euch dazu verleiten, die Lederjacke überzustreifen und richtig hart abzurocken!