Interview mit Alf Ator von Knorkator

KNORKATOR sind mit Quatsch und Spaß bekannt geworden – das machen sie auch heute noch, die Berliner zeigen sich auf ihrem neuen Album „Sieg der Vernunft“ jedoch so ernst, sozial- und politikkritisch wie noch nie. Anlässlich der Albumveröffentlichung sprechen wir mit Bandkopf Alf Ator über Probleme des Fortschritts, die Spaltung der Gesellschaft und die Nachhaltigkeit von Kacke.

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Sei gegrüßt Alf, vielen Dank dass du dir die Zeit für dieses Interview nimmst. Wie ergeht es dir dieser Tage?
Wir sind gerade sehr froh, dass unsere ersten drei Videos so gut laufen. Auch die Kommentare sind zu über 90 % positiv. Wir sind gespannt, wie sich das bei den nächsten Videos entwickelt. Natürlich machen wir uns auch Sorgen, wie das alles weitergeht. Im Musikgeschäft ist nichts mehr Routine, alles kann sich von heute auf morgen ändern. Und die Situation in der Welt ist ebenfalls so kritisch wie lange nicht mehr.

Knorkator Sieg der Vernunft CoverartworkBisher habt ihr euch politisch eher bedeckt gehalten, auf „Sieg der Vernunft“ bezieht ihr nun recht deutlich und unverblümt Stellung. Wie kam es dazu?
Früher habe ich politische Statements vermieden. Nicht, weil ich keine Meinung gehabt hätte, oder weil ich niemanden verprellen wollte. Politik war mir einfach zu schnelllebig, zu schnöde. Ich wollte Lieder machen, die man auch in ferner Zukunft noch versteht. Aber in hundert Jahren wird ein Lied über die AfD oder Corona wohl eher Achselzucken hervorrufen. Da ist das Thema Kacke wirklich nachhaltiger. Oder eben grundsätzliche Fragen über das Leben und das Sein und das Warum.  Und das haben wir ja auch immer gemacht. Aber in den letzten Jahren hat die Politik immer massiveren Einfluss auf unser Leben genommen, dass man schon sehr aufpassen müsste, um nichts zu sagen, das nicht auch politische Relevanz hätte. Mit anderen Worten: Wir reflektieren schon immer die Welt, die uns umgibt. Und wenn sich diese gerade auf dem Highway to Hell befindet, wird sich das in unseren Liedern niederschlagen.

Was den Umgang mit der Pandemie oder dem Krieg in der Ukraine angeht, ist bei uns sicher nicht alles glatt gelaufen. Was stößt dir aktuell an der deutschen Politik auf?
Na toll … ich bin mir durchaus bewusst, dass es schon weitaus klügere Köpfe als mich gab, die sich mit allzu kritischen Bemerkungen über derzeitige politische Entscheidungen in Aus katapultiert haben. Aber ich will den Schwanz nicht einziehen und sage es mal so: Ich hatte eigentlich geglaubt, dass der zweite Weltkrieg, Hiroshima und auch die 70 Jahre UNO zu einer gewissen Besonnenheit der Regierungen im Umgang mit Konflikten geführt hätten. Aber gerade jetzt, wo der Krieg in der Ukraine all die in Jahren angesammelte Weisheit und diplomatische Finesse gebrauchen würde, um eine weitere Eskalation zu verhindern, scheinen alle wichtigen Entscheidungsträger lediglich darauf aus zu sein, den Feind in die Knie zwingen zu müssen, koste es was es wolle. Wer Frieden nur als Ergebnis eines Sieges akzeptiert, ist gerade in der heutigen Zeit eigentlich nicht mehr tragbar. Erst recht nicht, wenn es um Atommächte geht. Ich weiß, dass das alles leichter gesagt als getan ist. Aber Politiker werden ja auch sehr gut bezahlt.

„Sieg der Vernunft“ dürfte euer bisher ernstestes und düsterstes Album sein. Siehst du das auch so und ist die grundlegende Stimmung eines Albums etwas, dass du beim Songwriting bereits forcierst?
Wie gesagt, wir schreiben über das, was uns bewegt. Einen Song nach dem anderen. Einen Plan gibt nicht. Konzeptalben liegen uns nicht so.

Spaß und Quatsch spielen aber nach wie vor eine große Rolle. Wie wichtig ist es, auch im Erwachsenenalter immer den Blödsinn auszuleben, der in einem steckt?
Es ist unglaublich wohltuend, Quatsch machen zu dürfen und dafür auch noch geachtet, geliebt und bezahlt zu werden. Zugegeben, wir sich nicht mehr ganz so albern wie früher, aber auch mal völligen Schwachsinn verzapfen zu können, ohne dass die Leute sich gleich abwenden, ist schon eine tolle Sache. Und ich würde mich mit einem durchgehend ernsten, mahnenden Album auch selbst nicht wohl fühlen. Wir wollen unterm Strich doch eher gute als schlechte Laune verbreiten.

Knorkator Bandfoto
KNORKATOR, die meiste Band der Welt.
Berlin, 14.12.2021

Während der Pandemie habt ihr euch öfter zu Wort gemeldet und unter anderem das Clubsterben und die Schwierigkeit, Konzerte durchzuführen, angesprochen. Wie hat sich diese ganze Zeit auf euch als Band und das neue Album ausgewirkt?
Vor allem die Spaltung der Gesellschaft hat mich sehr erschüttert. In der Pandemie wurde immerhin vieles infrage gestellt, was bisher als unverrückbar galt. Dass es dabei zu Unmut und Widerstand kommt, halte ich für absolut verständlich. Gerade wenn man bedenkt, wie sehr Lobbyismus und Interessenkonflikte das Tagesgeschehen bestimmen, sollte ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber den Politikern okay sein. Die ewige Anprangerung der Ungeimpften war wirklich entsetzlich. Ich kenne so einige Ungeimpfte, die durch ihre Vorsicht und ständigen Tests weitaus weniger zur Virusverbreitung beigetragen haben, als manch ein Geimpfter, der sich so benahm, als beträfe ihn das alles nicht mehr. Irgendein Politiker hat am Anfang der Pandemie mal gesagt, wenn das alles zu Ende ist, werden wir uns alle viel zu verzeihen haben. Tja, nun sind zwei Jahre vergangen, und wer möchte, kann ja die Gelegenheit nutzen, um Verzeihung zu bitten.

Ein großes Thema des Albums sind wieder Reiche und Geld. Hattest du bei „Milliardäre“ bestimmte Superreiche im Kopf und was könnte sie mit ihrem überschüssigen Geld Vernünftiges leisten? Immerhin gibt es hier ja schon gute Beispiele wie etwa Bill Gates.
Ich meine alle Milliardäre. Gates und Co. sind nur die prominentesten. Aber wer sich mal die Mühe gemacht hat, deren Aktivitäten wirklich näher zu betrachten und zu analysieren, wird feststellen, dass es unterm Strich doch immer nur um noch mehr Macht und Profit geht, egal, welche humanitäre Fassade aufgebaut wurde. Ja, Menschen sind halt, wie sie sind. Und eine fortschrittliche humanistische Gesellschaft kann mit der Gier und Rücksichtslosigkeit ihrer Mitglieder auch gut umgehen, sie in gewisser Weise sogar für alle nutzbar machen. Aber nicht, wenn einige Wenige so mächtig sind, dass sie sich jeglicher Einflussnahme entziehen können. Es ist fatal, dass die Gefahr, die von diesen Leuten ausgeht, so wenig im Fokus steht. Die müssen es ja nicht unbedingt alle im Kern böse meinen. Jeder versucht irgendwie weiterzukommen. Und Skrupellosigkeit ist nicht immer gesetzeswidrig. Aber jemand, der mit einem Mausklick die Abholzung ganzer Regenwälder oder den Bankrott kleiner Staaten verursachen kann, darf diese Freiheit einfach nicht besitzen. Sonst ist Demokratie nur ein leeres Wort.

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„Tut uns leid“ behandelt unseren verschwenderischen Umgang mit Nahrung und Rohstoffen. Machst du dir als Vater besondere Sorgen zu dem Thema und können wir überhaupt noch etwas tun, um den nachfolgenden Generationen das Leben nicht noch schwerer zu machen?
Viele werden mir jetzt widersprechen, aber unser Wachstum ist nun mal der größte Feind der Natur. Basta. Immer, wenn eine neue Technologie da ist, mit der man weniger verbrauchen könnte, nehmen wir das doch nur zum Anlass, noch schneller zu wachsen. Meiner Meinung nach wäre es mal ganz interessant, darüber zu sinnieren, ob unserer ganzer sogenannter „Fortschritt“ tatsächlich in so rasendem Tempo stattfinden muss. Was haben uns denn die letzten zwanzig Jahre Fortschritt unterm Strich gebracht? Überall ist die Effektivität aller Prozesse enorm gestiegen. Aber geht es den Menschen im Schnitt besser als 1999? Haben wir weniger Sorgen? Hat sich in puncto Gesundheitssystem, Renten, sozialer Gerechtigkeit oder Staatsverschuldung irgendwas verbessert? Für den einfachen Menschen hat sich lediglich das Entertainment verbessert. Der Glaube an den technischen Fortschritt als Lösung unserer Probleme ist einfach eine grandiose Lüge, solange nicht dafür gesorgt wird, dass die Errungenschaften auch allen zugutekommen. Die grandiosen neuen Möglichkeiten der KI nützen erstmal nur denen, die sie besitzen. Ja, wir wachsen, weil unser Wirtschaftssystem nichts anderes zulässt, jeden bestraft, der da nicht mitrennt. Aber ist es nicht peinlich, dass wir ach so klugen Menschen bei Fragen wie der Rettung des Planeten zu hilflosen Lakeien unseres Wirtschaftssystems geworden sind, das nicht mal allen nützt? Viele Experten behaupten, es sei eh am Ende. Warum sitzen nicht die klügsten Köpfe zusammen und beraten öffentlich über mögliche künftige, bessere Modelle? Auf das WEF in Davos setze ich keine Hoffnung. Es besteht nur aus Gewinnern des jetzigen Systems, die vor allem daran interessiert sind, die Oberhand zu behalten.

Knorkator Bandfoto
KNORKATOR, die meiste Band der Welt.
Berlin, 14.12.2021

Gerade während der Pandemie haben Social Media und die Digitalisierung nochmal rasant an Fahrt aufgenommen. Viele Menschen konnten so untereinander in Kontakt bleiben. „Ihr habt gewonnen“ lässt erahnen, dass du dem Ganzen kritisch gegenüberstehst. Wie siehst du die aktuelle Entwicklung und die Wichtigkeit des Smartphones vor allem für die junge Generation?
Dass für ein heranwachsendes Kind ein Blick in die Natur weitaus besser ist, als vor dem Bildschirm zu sitzen, sollte eigentlich allen klar sein. Nun gut, unser Fortschritt (!) zwingt uns dazu, immer mehr Zeit am Rechner oder am Smartphone zu verbringen. Vor einigen Jahren konnte man sich dem noch bewusst entziehen. Man hatte gewisse Nachteile, aber es ging irgendwie. Mittlerweile sind so viele Bereiche des Alltags ins Digitale verlagert worden, dass jemand, der da nicht mitmacht, kaum noch lebensfähig ist. Und ja, in der Pandemie wurden wir alle nochmal mit Macht in diese Richtung geschoben, und die Tech-Riesen haben sich gefreut. Wenn wir nicht aufpassen, werden die nächsten Generationen völlig verlernt haben, wie man eigentlich auf diesem Planeten leben kann, wenn einem nicht ständig ein Algorithmus sagt, was man tun soll.

Im Herbst 2021 konntet ihr nur wenige Konzerte spielen, fast alle wurden abgesagt. Unter anderem konnte das Konzert in Nürnberg stattfinden, dank 3G sogar ohne Maske und Abstand in der Halle, was zu dieser Zeit fast unvorstellbar war. Wie habt ihr diese Erfahrung und die wenigen Konzerte in dieser Zeit erlebt?
Die ersten Konzerte vor richtigen Menschen, die tanzten, mitsangen, atmeten und schwitzten, waren extrem wohltuend. Da schien die Welt plötzlich wieder in Ordnung. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

Bei manchen Konzerten waren dein Sohn oder Stumpens Tochter – unter anderem beim Rock Harz Festival – mit auf der Bühne. Wie erlebst du das als Vater und was können solche Auftritte für die Zukunft von KNORKATOR bedeuten?
In Kürze werden alle Mitglieder von KNORKATOR ihre Nachnamen in „Kelly“ umändern lassen. Okay, im Ernst: In diesem Jahr haben beide uns zu verschiedenen Anlässen den Arsch gerettet. Einmal war Stumpen krank, da haben seine Tochter und ich uns die Gesänge geteilt, um die Konzerte nicht schon wieder absagen zu müssen. Ein anderes Mal war Buzz Dee krank, da ist mein Sohn kurzfristig eingesprungen. Es war ein gewagtes Abenteuer, aber es hat funktioniert, und die Fans haben es dankbar angenommen. Beide „Kinder“ sind inzwischen sehr tolle Musiker geworden. Agnetha hat eine atemberaubende Stimme, Tim Tom singt ebenfalls, hat zwei Bands und schreibt Gitarrenriffs, wo ich oft neidisch werde. Sie haben ihre eigenen Pläne im Leben und werden ihren Weg machen. Aber solange wir sie noch für ‘n Appel und ’n Ei bekommen, beuten wir sie für unsere Zwecke schamlos aus.

Das CD-Digipack ist mit den vielen Illustrationen ein echt dickes und schönes Ding geworden, das man gerne immer wieder durchblättert. Muss man heute einfach solche Luxus-Editionen liefern, um überhaupt noch eine vernünftige Anzahl an physischen Tonträgern zu verkaufen?
Ja.

Diesmal habt ihr bei „Knurrkater“ einen ungewöhnlichen Gastmusiker dabei. Wie kam die Zusammenarbeit zustande und wie stehen die Chancen darauf, ihn/sie auf der Bühne performen zu sehen?
Ich selbst kenne diesen Musiker nur flüchtig. Stumpen aber arbeitet seit ein paar Jahren für ihn als Dosenöffner. Und irgendwie hat er ihn anscheinend überreden können, ein paar Minuten seiner wertvollen Zeit für diese Aufnahme zu opfern. Und was soll ich sagen – bisher hat er noch nicht einmal eine Rechnung gestellt.

Überall steigen die Preise, alles wird teurer. Könnt ihr es euch jetzt noch leisten, bei den Konzerten Keyboards zu zerstören?
Ich weiß noch nicht, ob ich bei der kommenden Tour überhaupt wieder Keyboards zerschlagen will. Mal sehen.

Kommen wir zum Abschluss zu unserem traditionellen Brainstorming. Was fällt dir zu folgenden Begriffen zuerst ein…
Aktuelles Lieblingsalbum:
Muse – Will Of The People.
Bestes Buch-/Film-/Serien-Universum:
„Star Trek“.
Künstlerische Identität:
Hä?
Europa:
Momentan noch Hofstaat.
Etwas, das einen schlechten Tag besser macht:
Ein Blick in den Himmel, auf die gewaltigen Wolkenformationen vor sattem Blau oder sanftem Rosa, auf dieses überwältigende Gratis-Entertainment, um sich zu vergegenwärtigen, dass es immer noch wunderbare Dinge gibt, die auch das mächtigste Arschloch nicht in die Tonne treten kann.
Der beste Weg zu entspannen:
Dieses Interview.
KNORKATOR in 10 Jahren:
 Milliarden auf dem Konto, und der Rest der Welt interessiert uns einen Dreck.

Nochmals vielen Dank für deine Zeit! Die letzten Worte gehören dir.
Wer die Welt retten will:
IBAN: DE48100700240301632600
Inhaber: Alexander Thomas
Verwendungszweck: Yeah!

Knorkator Bandfoto
KNORKATOR, die meiste Band der Welt.
Berlin, 14.12.2021

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Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

2 Kommentare zu “Knorkator

  1. Aktuell gibt es ja in nahezu jedem (Online)Mag ein Interview mit dem guten Alf Ator. Eures war aber tatsächlich in Sachen Fragen das interessanteste. Danke dafür!

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