Nachdem John Haughm mit Pillorian eine schwärzere Version von Agalloch gegründet hatte, haben sich auch die übrigen ehemaligen Mitglieder der Folk-Black-Metal-Truppe zusammen mit Aaron Gregory (ehem. Giant Squid) zu einer neuen Band zusammengetan: KHÔRADA. Mit ihrem stilistisch ungewöhnlichen Debüt „Salt“ spalteten die Post-Doom-Metaller die Gemüter. In unserem Interview äußerte sich Gitarrist Don Anderson zu dem eigenwilligen Sound seiner neuen Band, zu dem besorgniserregenden Ausmaß der Umweltverschmutzung und zum expressionistischen Artwork seiner neuen Platte.
Ich grüße dich! Danke, dass du dir die Zeit für dieses Interview nimmst. Wie geht es dir?
Sehr gut! Wir haben gerade unsere ersten drei Shows abgeschlossen und sie liefen sehr gut. Wir spielten zwei dieser Shows mit Yob, wir sind seit langem mit ihnen befreundet und Fans von ihnen.
Ihr habt KHÔRADA gegründet, nachdem sich Agalloch aufgelöst haben und auch Giant Squid gab es da schon nicht mehr, richtig? Wie kam es dazu, dass ihr beschlossen habt, zusammen eine neue Band zu gründen?
Wir drei aus Agalloch sind langjährige Freunde von Aaron und Giant Squid. Agalloch spielten bereits 2006 mit Giant Squid eine Show. Als Aaron also verfügbar wurde, waren wir sofort der Ansicht, dass er perfekt ist.
Hattet ihr da schon eine genaue Vorstellung davon, welche Art Musik ihr machen wollt oder kam das von allein?
Es kam ganz natürlich. Wir hatten sehr, sehr vage Ausgangspunkte. Aber wir waren von dem Risiko und der Möglichkeit angetan, wie eine Zusammenarbeit mit Aaron klingen könnte.
Würdest du sagen, dass man in KHÔRADA Einflüsse eurer früheren Bands heraushören kann?
Ich glaube schon. Eine Band ist eine Summe ihrer Teile. Wenn man ein wenig von mir in Agalloch hört – dann hört man wirklich „Don Anderson“. Nach dieser Logik gibt es also in KHÔRADA ganz klar etwas von Agalloch. Dasselbe kann man von Aaron und Giant Squid sagen. Allerdings wollten wir uns wirklich nicht selbst nachahmen oder offensichtlich wiederholen, was wir mit unseren vorherigen Bands gemacht haben. Dies war eine Gelegenheit, etwas anderes zu tun, und wir wären dumm gewesen, uns zu wiederholen.
Stört es dich, wenn man eure Musik mit der eurer früheren Bands vergleicht?
Überhaupt nicht. Ich bin stolz auf alles, was ich mit Agalloch gemacht habe, also gibt es keinen Grund, sich darüber Gedanken zu machen.
Wie sieht es mit euren früheren Bandkollegen von Agalloch und Giant Squid aus? Habt ihr noch freundschaftlichen Kontakt oder herrscht Funkstille?
Alle in Giant Squid sind Freunde. Ich wünschte, ich könnte dasselbe über John und uns drei sagen. Aber wir haben nur auf geschäftlicher Ebene miteinander zu tun. Die Trennung ließ uns keine Möglichkeit, mit John befreundet zu bleiben. Es ist traurig, aber es ist allein die Schuld von John.
Mit „Salt“ habt ihr vor einer Weile euer Debüt veröffentlicht. Die Reaktionen schienen mir sehr gespalten zu sein. Hast du vorweg bereits erwartet, dass die Meinungen der Leute so sehr divergieren würden?
Ja, ein wenig. Es ist nicht überraschend. Agalloch-Fans sind sehr intensiv und engagiert – und das macht mich demütig. Ich weiß, wie das ist. Aber das kann zu starken Gefühlen für eine neue Band führen. Ich verstehe das auch total. Es stört mich nicht. Ich sehe es als einen Hinweis darauf, dass wir etwas Unerwartetes getan haben, was besser ist, als zu versuchen, die Vergangenheit wieder aufzufrischen.
Was denkst du, woran lag es, dass sich manche Leute nicht mit eurem Sound anfreunden konnten, wohingegen andere euch himmelhoch loben?
Es ist schwer, Annahmen zu treffen. Ich habe das Gefühl, dass viele dem Ganzen keine faire Chance gegeben haben, weil sie zu persönlich mit Agalloch verbunden waren. Ich nehme auch an, dass einige die „cleanen Vocals“ nicht mochten. Ich denke, die, die es lobten, waren davon beeindruckt, dass wir nicht nur Agalloch Teil 2 gemacht haben.
Insbesondere der Vorab-Track „Ossify“ hat bei einigen Skepsis ausgelöst. Warum habt ihr gerade diesen Song im Vorhinein veröffentlicht?
Das Label hat auf diesen Song gepocht. Wir wollten ihn anfangs nicht benutzen, wurden aber dazu überredet. Was in Ordnung ist. Wir vertrauen Prophecy und wollten dieses Vertrauen in Ehren halten. Im Nachhinein wäre „Glacial Gold“ vielleicht eine bessere Wahl gewesen… Ich weiß nicht. Es ist schwer, einen Debüt-Song zu wählen, denn wie bei Agalloch ist jeder Song sehr unterschiedlich und kann nicht das ganze Album repräsentieren.
Welchen Track auf „Salt“ würdest du denn als deinen persönlichen Favoriten ansehen und warum?
Ich denke, dass „Glacial Gold“ am emotionalsten und gleichzeitig musikalisch am interessantesten ist. Aber ich bin auch sehr glücklich mit der Vielfalt der Genres, die „Seasons Of Salt“ ausmachen.
Auf „Salt“ behandelt ihr vor allem die Schäden, die der Mensch in der Natur anrichtet. Warum war es euch gerade zu dieser Zeit ein Anliegen, diese Dinge in den Fokus zu rücken?
Weil der Klimawandel real ist und wir derzeit eine Administration haben, die ihn leugnet. Es wäre unverantwortlich, diese Themen nicht in den Vordergrund unserer Texte und Anliegen zu stellen.
Umweltschutz ist nach wie vor eine sehr problematische Angelegenheit. Denkst du, dass man als Konsument überhaupt die Möglichkeit hat, einen Wandel herbeizuführen oder besteht das Problem deiner Ansicht nach eher im Unwillen der Staaten, strengere Regelungen zu schaffen und diese konsequent durchzusetzen?
Ich glaube, es ist der Staat. Ich denke, es ist der Kapitalismus. Solange Gewinn und Produktion mehr geschätzt werden als unsere Umwelt, sind wir am Arsch.
Zurück zu eurem aktuellen Album: „Salt“ drückt meiner Ansicht nach großes Elend aus. Würdest du sagen, dass es trotzdem auch positive Momente darin zu finden gibt?
Ja, da gibt es immer etwas Hoffnung. Oder zumindest eine Art Frieden bei dem Wissen, dass die Welt am Ende größer und älter ist als wir und dass die Menschheit nur als ein Kapitel auf diesem Planeten geschrieben steht. Das mag katastrophal klingen, aber es gibt auch eine Art „Zen“ in dieser Art von Denken. Es ist das Eingeständnis, dass es etwas Größeres gibt als uns.
Auch das Artwork von Cedric Wentworth hat etwas Dreckiges, Trostloses an sich. Wie kam es dazu, dass er dieses Bild kreiert hat und ihr es dann als Cover verwendet habt?
Wir waren auch alle beeindruckt von der Menge an Farbe, die in dem Bild enthalten war. Nicht viele „Metal“-Alben haben so viel Farbe oder dieses Farbschema. Also selbst dieser technische Aspekt war attraktiv. Aber ich stimme dir zu, dass es auch trostlos aussieht – diese Porträts zeigen die Angst vor unserem aktuellen Zustand.
Die Produktion klingt in meinen Ohren etwas unscharf, aber trotzdem kraftvoll. Was war der Gedanke hinter diesem Ansatz?
Nun, wir haben einfach zu viele verdammte Gitarren aufgenommen! Nächstes Mal werden wir uns zurückhalten.
Wie kam es dazu, dass ihr für den Release bei Prophecy Productions untergekommen seid?
Ich war von Anfang an ein Fan und Bewunderer von Prophecy. Ich war bereits bei Sol Invictus aktiv und hatte mit Sol Invictus am Prophecy Fest 2016 gespielt. Die Leute von Prophecy waren immer sehr unterstützend und ermutigend. Sie waren das zweite Plattenlabel, an das ich mich wandte, und nachdem sie zugestimmt hatten, kümmerte ich mich nicht darum, was sonst noch infrage gekommen wäre.
Seid ihr rückblickend immer noch vollauf zufrieden mit eurem Debüt oder würdet ihr inzwischen manches anders machen?
Ja, ich meine, es könnten vielleicht weniger Gitarren sein!
Habt ihr schon Ideen für ein weiteres Album?
Ja, wir haben schon Demos in Arbeit.
Zuletzt möchte ich mit dir noch unser traditionelles Metal1.info-Brainstorming durchgehen. An was denkst du bei den folgenden Begriffen?
Greenwashing: Kapitalismus mit grünem Gesicht.
Experimentelle Musik: Sobald man einmal selbst Musik gemacht hat, ist es kein Experiment mehr. Dieser Gedanke wird Edgar Varese zugeschrieben.
Klargesang – Screaming: Beide sind toll und sollten verwendet werden, wenn der Song es erfordert.
Prophecy Fest: Eine unglaubliche Zeit, als wir in einer Höhle mit Sol Invictus gespielt haben!
Expressionismus: Ich bin ein Fan und glaube, dass Cedrics Werk zweifellos einen Teil der frühen expressionistischen Maler in sich hat.
Pillorian: Wer?
Nochmals vielen Dank für deine Antworten. Gibt es noch ein paar letzte Worte, die du an die Leser richten möchtest?
Vielen Dank für eure Unterstützung!
Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
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