KETZERs letztes Album „Starless“ zählt zum interessantesten, was im deutschen Underground in den letzten Jahren veröffentlicht wurde. Verspielt, unberechenbar und voller Ideen zeigte sich die Band und genau deshalb ist die Spannung im Vorfeld der neuen Scheibe „Cloud Collider“ enorm hoch. Das sich KETZER von dieser Erwartungshaltung und dem musikalischen Erbe von „Starless“ nicht haben beeinflussen lassen, hat uns Bassist Daniel im Interview erklärt.
Hallo und danke, dass du dir die Zeit für dieses Interview genommen hast. Alles gut bei dir?
Danke dir für das Interview. Bei mir ist alles gut, ich bin noch etwas geschlaucht, da wir gerade aus Leipzig kommen, wo wir mit dem Team von “Pallid Eyes Film”, die auch schon sehr gute Videos für Bands wie Deathrite und Black Salvation gedreht haben, einen Videoclip für unseren Song “Keine Angst” produziert haben. Es war arschkalt und wir haben zwei Tage bis in die Nacht hinein komplett durchgearbeitet, aber ich denke, der fertige Clip wird sehr intensiv wirken.
Seit eurem letzten Album „Starless“ sind drei Jahre ins Land gezogen, was hat sich in der Zeit bei euch getan?
Wir waren nach der Veröffentlichung von “Starless” mit Primordial und Svartidaudi, zwei Bands die wir sehr schätzen, auf Europa Tour, haben einige Festivals, wie das Rock Hard und das Summer Breeze gespielt und uns dann wieder in unserem Proberaum in Köln eingeschlossen und fast zwei Jahre lang an unserem vierten Album “Cloud Collider” geschrieben. In den letzten 4-5 Jahren hat sich bei uns nicht nur als Band, sondern auch in unserem “alltäglichen und normalen Leben” (wenn man das überhaupt so nennen kann) eine Menge verändert, so dass ich mehr und mehr das Gefühl bekomme, die Zeit geht immer schneller vorüber und rinnt uns durch die Finger.
Eure musikalische Reise seit dem Debüt „Satan’s Boundaries Unchained“ war ziemlich ereignisreich und spannend und nicht wenige sehen „Starless“ als Wende- bzw. Höhepunkt. Seht ihr „Cloud Collider“ als logischen nächsten Schritt oder habt ihr wieder komplett bei null angefangen?
Ich glaube “logisch” ist bei uns erstmal gar nichts (lacht). Aber bei Null angefangen haben wir auch nicht, das wäre nach einer über zehnjährigen Bandgeschichte auch etwas schwierig. Uns ist es einfach wichtig, dass wir uns nicht wiederholen, dass sich kein Album anhört, als hätten wir es schon mal aufgenommen. Das ist ein wichtiger Bestandteil unserer DNA.
Im Vergleich ist „Cloud Collider“ wieder um einiges ruppiger und aggressiver ausgefallen. Habt ihr bewusst den Härtegrad höhergeschraubt oder war das ein natürlicher Prozess?
Als wir “Starless” geschrieben haben, sind viele Songs aus endlosen Jam-Sessions entstanden, der ganze Prozess war mit dem einer 70s-Rockband zu vergleichen, die sich einfach im Kreis aufstellt, anfängt zu experimentieren und beim Spielen auseinander driftet, nur um sich wenige Minuten später wieder zusammenzufinden und dann nach einigen Stunden den Song herauszukristallisieren. Bei “Cloud Collider” haben wir – und das geschieht tatsächlich ganz unbewusst – wieder etwas straighter gearbeitet und sind dadurch ganz automatisch schneller geworden. Obwohl wir in der Band gerne diskutieren, sind wir bei unserem Songwriting doch eher herz- als kopflastig und lassen die Dinge erstmal geschehen, bis wir sie die dann in geordnete Bahnen bringen.
Mit Proscriptor McGovern habt ihr eine echte Legende als Gast für den Song „No Stories Left“ gewinnen können. Wie kam diese Zusammenarbeit zustande?
Legende ist auf jeden Fall das passende Wort. Wir hören Absu seitdem wir als Teenager nach dem klassischen Heavy-Metal- und Rock-Kram wie Black Sabbath und Iron Maiden auf härtere, extremere Bands gestoßen sind. Absu sind eine absolute Ausnahmeband und irgendwo auch ein Vorbild für uns. Während wir “No Stories Left” geschrieben haben, hatten wird das Gefühl, dass an ein paar Stellen ein Gastgesang im Wechsel mit unserem Sänger Gerrit passen würde. Eher scherzhaft als ernst gemeint, warf dann jemand den Namen Proscriptor in den Raum. Aber dann haben wir uns gedacht: Wieso eigentlich nicht? Chris hat ihm eine Mail geschrieben und es stellte sich heraus, dass er unsere Musik seit unserem Debütalbum kennt und schätzt. Er war dann sofort dabei, was für uns eine echte Ehre ist.
Der lyrische Fokus von „Starless“ lag auf dem Wirken von Religionen und Glauben. Wohin führt die lyrische Reise auf „Cloud Collider“?
“Starless” war in der Hinsicht ein sehr konzeptuelles Album, das stimmt. Bei “Cloud Collider” war es mir einerseits wichtig, dass jeder Song inhaltlich für sich selbst steht, andererseits sollten die Texte in eine etwas persönlichere, atmosphärischere Richtung gehen. Interessanterweise haben sich dann beim Schreibprozess die Texte verselbstständigt und sich inhaltlich miteinander verbunden. Das merkt man auch an bestimmten Motiven und Redewendungen, die hier und dort immer wieder auftauchen. In einem Song wie “The Wind Brings Them Horses” geht es zum Beispiel darum, wie die Vergangenheit Einfluss auf die Gegenwart hat, “(The Taste of) Rust and Bone” behandelt daran anschließend, welche Rolle der Zufall in unserem Leben spielt. Irgendwie ist alles miteinander verwoben.
Das Artwork zur neuen Platte drückt meiner Meinung nach sehr gut die Energie und Macht der Songs aus. Wer war für Konzeption und Ausführung verantwortlich?
Das Cover wurde von dem amerikanischen Künstler Adam Burke nach unseren Vorgaben gemalt. Wir sind durch seine Arbeiten für Bands wie Hällas und Hexvessel auf ihn aufmerksam geworden und haben ihm unsere Ideen geschickt. Was am Ende dabei herausgekommen ist, kann man nur als perfekt beschreiben, wir sind mehr als zufrieden damit, wie unsere Vorstellungen umgesetzt wurden.
Eure Musik ist spätestens seit eurer letzten Scheibe schwer zu kategorisieren und geprägt von Veränderungen. Habt ihr euch beim Schreiben neuer Musik jemals von den Erwartungen der Fans oder Genregrenzen beeinflussen lassen und bestimmte Ideen als zu abwegig oder andersartig verworfen?
Ich glaube, wenn man beim Schreiben neuer Musik versucht, Erwartungen zu erfüllen, kann das Ergebnis nur uninspiriert und austauschbar klingen – zumindest für unsere Ohren. Wir haben oder hatten viele Fans, die eher auf den 80s mäßigen Retro Black/Thrash stehen und die haben mit unserem Debüt “Satan’s Boundaries Unchained” ihren heiligen Gral gefunden, was ja auch sehr schön ist. Und ganz ehrlich: Natürlich hätten wir so ein Album einfach noch mal schreiben können. Aber warum sollten wir das tun? Das ist doch stinklangweilig. Wir sind nicht besonders kopflastig beim Schreiben neuer Musik und folgen da ganz unserem Gefühl. In den vergangenen zwei Jahren, während wir “Cloud Collider” geschrieben haben, wurden viele Ideen verworfen, aber nicht, weil sie zu abwegig oder anders waren, sondern wenn überhaupt, weil sie nicht zum Gesamtsound des Albums passten, oder weil wir sie einfach nicht spannend genug fanden.
Viele aktuelle Bands aus dem Grenzbereich von Post-Metal, Black Metal oder Doom legen Wert auf eine theatralische Bandoptik und Bühnenshow, ihr hingegen verzichtet komplett auf jegliche Art von Verkleidung oder Ritual. Wieso habt ihr diesen cleanen Ansatz gewählt?
“Clean” ist vielleicht das falsche Wort, wir tragen komplett schwarze Kleidung und zwar seit Jahren dieselbe, was bedeutet, dass die Sachen mittlerweile nicht nur bis zum Himmel stinken, sondern auch ziemlich löchrig und verschmutzt sind. Aber es stimmt natürlich, dass wir keine Rituale aufführen, so wie Watain das zum Beispiel tun. So etwas würde eben auch überhaupt nicht zu unserer inhaltlichen Ausrichtung passen. Ich muss auch sagen, dass diese Art von überladenem Kabuki, welches insbesondere im Black Metal in den vergangenen Jahre sehr zugenommen hat, ab einem gewissen Punkt zumindest für mich als Zuschauer jegliche Bedeutung verloren hat. Die Band mag sich mit irgendwelchen Blutritualen oder so in Stimmung bringen, für mich fühlt sich das nur noch leer an, wie das Amen in der Kirche.
Zur Feier der Veröffentlichung von „Cloud Collider“ spielt ihr zusammen mit Slægt eine Show in Oberhausen. Wieso genau dort und mit dieser Band im Vorprogramm?
Mit Slægt spielen wir sogar nicht nur diese Show, sondern eine 16-tägige Europa-Tour, die uns neben einigen Shows in Deutschland auch nach England, Italien, Frankreich, Ungarn, die Schweiz, Österreich und noch ein paar Länder mehr führen wird. Wir haben vor zwei Jahren mit Slægt in Münster gespielt und waren sofort von ihrer Bühnenpräsenz und der Energie, die sie live rüberbringen, beeindruckt. Als wir überlegt haben, mit wem wir auf Tour gehen könnten, waren Slægt daher einer der ersten Namen, die uns in den Kopf gekommen sind. Und dass wir die Albumveröffentlichung im Helvete in Oberhausen feiern, macht in besonderem Maße Sinn, denn dort haben wir vor zwölf Jahren eines unserer ersten etwas “größeren” Konzerte gespielt, davor haben wir immer nur in Jugendzentren irgendwo im Bergischen Land gespielt. Generell ist das Ruhrgebiet so etwas wie unsere musikalische Heimat und wir haben immer das Gefühl dass Konzerte dort etwas ganz besonderes für uns sind.
Habt ihr schon Pläne für die Zukunft von KETZER oder plant ihr gar nicht lange im Voraus?
Der Plan ist erstmal, “Cloud Collider” auf so viele Bühnen wie möglich zu bringen und das werden wir im April bei unserer 16-tägigen Europa Tour mit der dänischen Band Slægt auch tun. Neben einigen Konzerten in Deutschland, spielen wir unter anderem in Italien, Ungarn, England, Frankreich, Österreich und der Schweiz.
Besten Dank für Zeit und Antworten. Zum Abschluss ein Brainstorming: Was fällt dir spontan zu folgenden Begriffen ein?
Watain: Eine fantastische Band, die sich ihren Erfolg hart erarbeitet hat.
FC Bayern: Fußball ist mir total egal, aber es scheint ein einvernehmliches Verständnis unter den meisten Fußballfans zu sein, den FC Bayern scheiße zu finden. Unser Drummer, ein beinharter FC-Köln-Fan, wird das bestätigen können.
Festival vs. Clubshow: Ganz schwer zu sagen, wir fühlen uns auf beiden Bühnen zuhause. Aber wenn ich mich entscheiden müsste, dann ist mir eine verschwitzte Show in einem vollgepackten Club doch am liebsten.
DC Comics: Batman war schon immer mein Lieblingssuperheld, eben weil er eigentlich kein Superheld in dem Sinne ist, sondern ein ziemlich abgefuckter, traumatisierter Typ mit zu viel Geld. Sympathisch.
Die letzten Worte gehören dir – gibt es noch etwas, was du unseren Lesern mitteilen möchtest?
Eigentlich nicht – da lasse ich lieber unsere Musik für uns sprechen: “Cloud Collider” kommt am 12.4. raus.
Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
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