Interview mit J.J. von Karg

Nachdem Harakiri For The Sky Anfang 2018 mit „Arson“ bereits ein hervorragendes Post-Black-Metal-Album hatten, brachte Sänger J.J. mit „Dornenvögel“ im selben Jahr zudem eine weitere Platte über sein Soloprojekt KARG heraus. Wie es derzeit um seine Inspiration steht, was es mit dem bewusst altmodischen, düsteren Artwork der Platte auf sich hat und welches seiner Soloalben er für das bisher wichtigste hält, erfahrt ihr unter anderem in unserem Interview mit dem österreichischen Einzelkünstler.

Mit deinem neuen Album „Dornenvögel“ hast du mittlerweile die sechste Platte als KARG veröffentlicht. Ist es für dich inzwischen schon schwerer geworden, neue Inspiration zu finden oder fliegen dir die Ideen immer noch so zu wie von Anfang an?
Ich muss sagen, dass es mir zur Zeit gerade besonders leicht fällt neue Songs zu schreiben, das liegt aber vielleicht auch daran, dass ich mittlerweile mit unterschiedlichen Tunings arbeite. Und wenn man mehrere Stunden in der Woche oder phasenweise fast täglich Gitarre spielt, da kommt schon einiges zusammen. Seit „Weltenasche“ habe ich aber wirklich so etwas wie einen Fluss, könnte man sagen. Aber keine Ahnung, wie lange das noch so weitergeht, Schreibblockaden kommen schließlich meist ohne große Vorankündigung.

Wenn du auf dein bisheriges Schaffen zurückblickst: Welches Album war für die Entwicklung von KARG das bedeutsamste?
Definitiv „Weltenasche“, weil ich damit am ehesten musikalisch dort angekommen bin, wo ich immer hin wollte.

Mit über 70 Minuten Spielzeit ist „Dornenvögel“ abermals ein ziemlich ausschweifendes Album geworden. Woher kommt deine Vorliebe für lange Musikstücke?
Das kommt einfach aus dem Post-Rock und selbst habe ich mich beim Schreiben langer Lieder auch schon immer recht wohl gefühlt, das war schon bei meiner ersten Band so, bevor ich den Begriff Post-Rock überhaupt kannte. Ich stehe einfach drauf, wenn sich ein Songs langsam aufbaut und seiner mentalen Höhen und Tiefen hat.

Was hat es mit dem Titel „Dornenvögel“ auf sich?
Für mich ist es eben ein sehr passender und bildhafter Vergleich, jeden der Songs als Dornenvogel zu sehen, als eigenständiges dramatisches Zwischenstück, da schließlich jeder Song thematisch ein anderes Kapitel behandelt, was zusammengenommen den Titel „Dornenvögel“ ergibt. Zudem gibt es ja diesen Mythos zu dem Begriff Dornenvogel, welcher wohl am besten im Internet nachzulesen ist, da eine Erklärung jetzt einiges an Zeit in Anspruch nehmen würde.

Die Songs auf „Dornenvögel“ stehen thematisch einzeln für sich, richtig? Wovon handeln die Geschichten, die du darauf erzählst?
Ganz unterschiedlich. „Advent“ etwa behandelt das Gefühl der Heimkehr, während „La Tristesse Durera Toujours“ eine Art Retrospektive auf mein 18-jähriges Ich darstellt. Die meisten Texte sind aber durchaus selbsterklärend, weshalb ich dem Hörer da durchaus gerne den nötigen Interpretationsspielraum lassen würde.

Gibt es trotz ihrer Eigenständigkeit einen roten Faden, der sich durch die Tracks zieht?
Ja, den Kompositionsstil, und eine homogene Aufnahme. Thematisch aber eigentlich nichts, außer vielleicht der autobiografische Hintergrund der Texte.

Du singst erneut im Dialekt, wie schon auf „Weltenasche“. Wirst du das auch künftig beibehalten?
Es ist dieses Mal wieder ein Text in Hochdeutsch verfasst, aber ansonsten werde ich das wahrscheinlich auch zukünftig so beibehalten, da ich mich schlichtweg in meinem Heimatdialekt besser ausdrücken kann.

Ich habe den Eindruck, dass du diesmal auf eher ungewöhnliche Stilmittel wie etwa Klavier oder Neofolk-Nummern wie „Spuren im Schnee“ verzichtet hast. Gibt es dafür einen bestimmten Grund?
Nein, gar nicht, diese Stilmittel fanden einfach schlichtweg keine Verwendung. Kann aber gut sein, dass auf dem nächsten Album wieder der ein oder andere Akustiktrack zu finden sein wird.

Du hast allerdings wieder einige Spoken-Word-Parts eingebaut. Handelt es sich dabei wieder um Samples aus Filmen oder habt ihr diese Einschübe diesmal selbst eingesprochen?
Sind wie immer Filmsamples.

Auf „Dornenvögel“ sind außergewöhnlich viele Gastsänger zu hören. Wie kamst du auf die Idee, diesmal mit so vielen Sängern zusammenzuarbeiten und wie hat sich das alles ergeben?
Puh, das werde ich recht oft gefragt, aber ich weiß es, ehrlich gesagt, nicht mehr. Irgendwann war da diese Idee, welche sich mit den Monaten und Jahren manifestierte. Ich bin dann Schritt für Schritt mit den einzelnen Personen in Kontakt getreten und habe ihnen mein Konzept erklärt. Mit dem Endprodukt bin ich durchaus zufrieden.

Zu „Heimat bist du tiefster Winter“ wurde diesmal sogar ein Musikvideo veröffentlicht. Wieso hast du gerade diesen Song für eine visuelle Umsetzung gewählt?
Das war rein intuitiv, muss ich sagen, wahrscheinlich deshalb, weil es ein recht vielschichtiger Song ist, der alle wichtigen Elemente des Albums enthält. Es wird aber in naher Zukunft noch ein zweites KARG-Video kommen. Und an all jene, die der deutschen Grammatik nicht mächtig sind: Es geht in dem Song nicht darum, dass der tiefe Winter meine Heimat ist, weshalb das im Sommer gedrehte Video keinen Widerspruch darstellt, es geht in dem Song um eine Frau, die den tiefen Winter beheimatet, banal ausgedrückt. Ginge es um den Winter, hätte der Titel einen Beistrich nach dem „du“.

Das Artwork der Platte sieht im Vergleich zu den Coverbildern deiner bisherigen Alben ungewöhnlich morbide und weniger modern aus. Wie bist du darauf gestoßen und inwiefern spiegelt es den Inhalt deiner Musik wider?
Naja, ich würde jetzt das CD-Cover zu „Malstrom“ nicht als weniger morbide bezeichnen, aber ja, das Gemälde ist etwas oldschooliger als viele frühere Coverartworks. Das Gemälde symbolisiert im Endeffekt die Endlichkeit, der Tod lauert überall, sogar über Kindern. Es ist voller Widersprüche: Rote Blüten im Winter usw., ich fand es einfach passend zur Grundthematik des Albums, zu Themen wie Entfremdung und Verlust.

Mit „Advent“ endet das Album meiner Wahrnehmung nach sogar fast schon fast hoffnungsvoll. War das so von dir beabsichtigt?
Mehr oder weniger. Der Song symbolisiert für mich Heimkehr, und auch der Titel ist natürlich irgendwie Programm, vor allem bei den akustischen Gitarren zum Ende hin. Der Song sollte schon auch etwas Adventstimmung widerspiegeln, wenn auch natürlich etwas abstrakter. Er sollte einfach etwas andächtig klingen zum Ende hin, das ist alles.

Du trittst mit KARG nun doch auch wieder live auf. Was hat dich zu dieser Entscheidung bewogen?
Ich wollte eine Release-Show zum neuen Album spielen. Dann habe ich ein paar Kumpels gefragt, ob sie Lust hätten, mitzumachen, und das war’s. Inwiefern es mit KARG als Live-Band weitergehen wird, kann ich dir bis dato noch nicht sagen, ein paar Konzerte im Jahr wird es aber sicherlich geben.

Wie bei uns auf Metal1.info üblich würde ich das Interview gerne mit einem kurzen Brainstorming beenden. Was fällt dir zu den folgenden Begriffen ein?
Schnee: Ich hoffe, er kommt bald. Winter in der Stadt ist immer recht erbärmlich, immer höchstens nass-kalt, weil der Schnee nicht liegen bleibt. Früher habe ich den Winter gehasst. Seit die Sommer bei uns aber so unglaublich heiß geworden sind, wurde ich ein ziemlicher Winterenthusiast.
Traditioneller Black Metal: Ja, eh geil. Gibt’s aber halt schon so viel und kommt nix Neues und Gutes. Ich habe mir schon vor über zehn Jahren bei Bands wie Graven oder Vargsang meinen Teil gedacht, weil halt alles eins zu eins von Darkthrone geklaut, aber soll jeder gerne machen, was er will. Aber Originale sind eben Originale, und alles andere nur Kopie. Deshalb werden Bands wie Burzum auch in Zukunft unerreicht bleiben, auch wenn mir natürlich auch Zeug gefällt, das ursprünglich klingt, aber total neu ist wie z.B. Spectral Wound, Forteresse und solche Sachen. Unterbewertetste Band in diesem Sektor: Ganz klar Nehemah.
Dornenreich: Habe gerade momentan die „Schwellenklänge“-Vinyl-Box ausgepackt. Sieht gut aus, auch wenn mir die frühen Layouts der Band weit besser als die aktuellen gefallen haben. Ich bin aber froh, nach fast 18 Jahren als Fan die entsprechenden Tonträger wie Album eins bis fünf sowie die Demo endlich auf Platte zu haben.
Freundschaft: Wird in der heutigen, schnelllebigen Zeit immer wichtiger, vor allem die Freunde, die man noch aus der Schulzeit kennt. Ich gebe mir Mühe, auch mit jenen Kontakt zu halten, auch wenn man sich natürlich mit den Jahren in verschiedene Richtungen entwickelt hat, aber das kann auch durchaus interessant sein.
Nostalgie: Naja, was kann man mit Ende 20, Anfang 30 schon nostalgisch sein. Klar kenne ich dieses Gefühl, da mir meist lieber wäre, ich könnte nochmal irgendwie um 2002 herum anfangen, aber noch würde ich mich nicht als Nostalgiker bezeichnen.
Derzeitiges Lieblingsalbum: Schwer zu sagen, ich kann dir aber ein paar Alben nennen, die ich in den letzten Tagen intensiver gehört habe. Das wären:
Void Omnia – Dying Light
Trainwreck – Old Departures, New Beginnings
NachtmystiumResilient EP
Wayfarer – World’s Blood
Svalbard – It’s Hard To Have Hope
Spectral Wound – Infernal Decadence

Zum Abschluss nochmals vielen Dank für deine Antworten.

Publiziert am von Stephan Rajchl

Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

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