Jon Oliva ist einer der großen in der Szene des klassischen Heavy Metals: Nicht nur schrieb er mit Savatage Musikgeschichte, er etablierte mit dem Trans-Siberian Orchestra ein höchst erfolgreiches familienfreundliches Format zwischen Rockoper und Musical. Aber auch der härteren Musik blieb er mit Jon Oliva’s Pain treu. Anlässlich der Veröffentlichung seines ersten „richtigen“ Soloalbums „Raise The Curtain“ haben wir mit dem freundlichen Multitalent telefoniert und über das Album, den Aufnahmeprozess und das Songwriting mit seinem verstorbenen Bruder Criss (!) gesprochen. Zusätzlich fielen ein paar interessante Wort über das Savatage-Derivat Circle II Circle und Jons Tantieme-Schecks. Lest selbst!
Hallo Jon, vielen Dank, dass du dir die Zeit für unsere Fragen nimmst. Lass uns dieses Interview mit einer eher offensichtlichen Frage beginnen: Warum ein Soloalbum? Die meisten Leute würden denken, dass du mit Jon Oliva’s Pain (=JOP) bereits eine Art Soloprojekt hast …
Oh Nein, dass ist eine verbreitete Fehlannahme! Obwohl JOP immer auf meinen Ideen basiert, habe ich die anderen Jungs immer ihre Passagen schreiben lassen und ihre Ideen und ihren Stil mit einbringen lassen. Es war also nie wie ein Soloprojekt, weil jeder dazu beigetragen hat.
Das hier [das Soloalbum „Raise The Curtain“] ist völlig anders. Ich habe mich wirklich um alles selbst gekümmert. Das ist der große Unterschied, neben der Tatsache, dass ich fast alles selbst eingespielt habe. Bei JOP habe ich immer nur gesungen, Piano gespielt und ein bisschen Gitarre, also lange nicht so viel wie ich es auf diesem Album getan habe.
Okay, das bringt gleich zur nächsten Frage. Es gibt im Internet abweichende Aussagen darüber, wer zu welchem Maße an „Raise The Curtain“ mitgewirkt hat. Kannst du das einmal für uns klarstellen?
Ja, im Grundsatz war ich das und ich habe den letzten Rest der Musik von Criss [Oliva, sein Bruder und Gitarrist von Savatage, der 1993 bei einem Autounfall starb] genutzt. Hinzu kam mein Freund Dan [Finder], der ein Orgelspieler ist und ein guter Freund von Matt [Laporte, Gitarrist von JOP, der 2011 überraschend verstarb]. Wir haben uns zusammengesetzt, nachdem Matt gestorben war. Das war auch der Zeitpunkt, wo dieses Soloprojekt so richtig gestartet ist. Es war eine sehr schwierige Zeit für mich, so wie damals, als Criss starb. Es war für mich fast dasselbe. An einem Tag sprach ich noch mit ihm und am nächsten Tag war er weg. Das war sehr traumatisierend für mich und hat mich für mehrere Monate in regelrechte Depressionen versetzt.
Dan, der Matt wirklich sehr nahe stand, hat ein Studio in seinem Haus. Sein Haus liegt fast auf dem Weg, wenn ich zu Paul [O’Neill, Songwriter für Savatage und Trans-Siberian Orchestra (TOS)] wollte, um dort an neuen Sachen für das TOS zu schreiben. Am Ende lief es darauf hinaus, dass ich immer vorher bei Dan war. Unsere TOS-Sessions begannen nie vor 18 Uhr, sodass ich meistens um 8 oder 9 Uhr morgens bei Dan war. Hinzu kam, dass dann auch noch Dans Mutter starb und auch er sehr deprimiert war. Ich glaube, es war einfach so: Wir waren zwei Freunde, die jemanden zum Reden brauchten, um mit dem ganzen Mist klarzukommen, der um uns herum passierte.
Am Ende haben wir angefangen, zusammen Musik zu schreiben. Er hat mir ein paar seiner Sachen vorgespielt, nachdem er sehr nett gefragt hatte, ob ich das hören wollte – „Hey, Jon, wie wäre das, ich spiele dir mal ein paar Sachen vor, die ich geschrieben habe.“ Und ich sagte: „Klar, spiel’ sie für mich!“ Er meinte noch, sie seien nicht sehr gut, bevor er sie spielte, aber als ich sie hörte, sagte ich nur „Bist du verrückt? Das ist einfach großartig!“
Dan und ich haben uns großartig ergänzt, denn er ist eigentlich kein Songwriter, sondern mehr ein Riffwriter. Er hatte die Riffs, ich hatte einen Berg unbeendeter Musikstücke, dann kamen da noch die Sachen von Criss hinzu, die unbeendet waren. So haben wir einfach gedacht: „Lass uns doch mal schauen, was dabei rauskommen kann.“ Ich habe es immer vermisst, einen Songwriting-Partner zu haben. Gut, Paul und ich schreiben für TSO, aber ansonsten mache ich das immer alleine. Als Dan und ich dann angefangen haben, passte es sehr gut zusammen. Er ist eigentlich ein Orgelspieler, er war noch nie in einer Band – nur ein Mann, der Orgel spielt. Ich aber habe die Orgel schon immer geliebt, Bands wie Deep Purple, Uriah Heep und diese Art von Musik. Ich war also immer ein großer Fan davon, bin aber einfach kein guter Orgelspieler. Er half mir, manche Songs zu schreiben und andere fertig zu machen, auch die von Criss, die ich noch nicht fertig hatte. Konsequenterweise hat er dann auch die Orgel auf dem Album gespielt.
Chris Kinder hat dazu noch Schlagzeug auf den Tracks gespielt, wo ich es nicht tat – ich weiß gar nicht mehr, vier oder fünf sind von mir, der Rest ist von ihm. Das waren aber die einzigen beiden, die viel getan haben, ein paar andere Freunde haben hier und da noch mal eine Kleinigkeit beigetragen, wie Backing-Vocals hier oder mal ein Riff da. Das war es eigentlich, im Nachhinein ein riesiger Zufall – Dan hatte halt dieses Studio. Das mit ihm hat einfach super funktioniert, er ist ein hervorragender Songwriter und ich plane, in Zukunft noch mehr mit ihm zu schreiben. Ich bin sehr zufrieden mit den Ergebnissen.
Du hast jetzt schon mehrfach die Musik von Criss erwähnt. Ist das immer noch von den Bändern, die du einmal in deinem Haus gefunden hast?
Ja, richtig, nur leider waren das jetzt die letzten. Was wirklich seltsam ist, ist dass es zugleich die allerersten Songs sind, die Criss und ich zusammen geschrieben haben. Sogar noch vor „Sirens“ und „Dungeons Are Calling“. Riffs von diesen Songs sind in „Ten Years“, „Father Time“ und „The Witch“. Das sind eher kleine Riffs von Criss, die ca. 12-15 Sekunden lang sind, wie zum Beispiel das am Anfang von „Father Time“, das war vermutlich das zweite Riff, das Criss in seinem Leben je geschrieben hat.
Die Sachen auf dem Album sind so alle etwas ganz Besonderes geworden. Nummer 11, „Can’t Get Away“, haben Criss und ich im Keller unsere Oma geschrieben, im Jahr 1977, als wir sie besucht haben. Die Lieder haben auch deshalb eine besondere Bedeutung für mich, weil es die ersten Songs waren, die wir je zusammen geschrieben haben – oder es versucht haben, wir lernten ja gerade erst, wie man das macht. Das meiste davon war ehrlich gesagt Schrott, aber ich habe die besten Teile daraus genommen. Das waren die, die diese besondere „Crissness“ hatten, wie ich das nenne, die „crissy“ waren. Es hat mich einige Zeit gekostet, mir die Sachen anzuschauen und sie in richtige Songs zu verwandeln, aber das war es definitiv wert.
Also ist es musikalisch ein sehr persönliches Projekt …
… oh ja, definitiv!
Spiegelt sich das auch in den Texten wieder?
Oh ja, ich denke, in bestimmten Songs ist das so. Auf „Ten Years“ zum Beispiel singe ich eigentlich über mich selbst – ich war an einer Menge Orten auf der Welt, habe eine Menge Leute getroffen und inzwischen denke ich mir: „Wow, weißt du noch, vor zehn Jahren …“ Ich habe den Song ein paar Wochen geschrieben, nachdem Matt [Laporte] gestorben ist, denn JOP war da gerade zehn Jahre zusammen. Ich habe die Band ja 2003 gegründet. Also kam genau diese Phrase in meinen Kopf: „Wo sind bloß diese zehn Jahre geblieben? Es kommt mir doch nur vor wie zwei Jahre!“ Da kam ich auf diese Textzeile „Ten Years have slipped away, where did they go?“ Der Song ist also sehr persönlich für mich.
Aber auch „The End“, der Bonustrack, ist mir wichtig – es war der erste Song, den Criss und ich mit einer Akustikgitarre geschrieben haben. Wir hatten damals zwei billige 50$-Akustikgitarren, die einfach nicht in Stimmung bleiben konnten, und fuhren damit zum Strand. Er war damals wohl 14, ich 18. Wir setzten uns dort hin und schrieben den Song. Es sollte ein Instrumental werden, Criss spielte dieses Flamenco-Gitarrenzeug darauf, aber das habe ich später geändert und eine Gesangslinie hinzugefügt. Das ist eine tolle Geschichte, denn der nächste Akustiksong, den wir geschrieben haben, war schon „Out On The Streets“ [vom Album „Fight For The Rock“]. Die Musik davon ist sehr alt, die meisten wissen das gar nicht. Criss war damals 15, wir haben ihn einfach lange nicht verwendet – die zweite Ballade, die wir je geschrieben haben, gleich nach dem Bonussong, der jetzt auf „Raise The Curtain“ ist. Solche Dinge sorgen dafür, dass dieses Album wirklich eine besondere Bedeutung für mich hat.
Der Song „The Witch“ hat auch eine Geschichte. Dan hatte eine großartige Melodie im Kopf und dann hatten wir noch ein einzelnes Riff von Criss, ungefähr 14 Sekunden lang. Als Criss seine erste Double-Neck-Gitarre, wussten wir anfangs gar nicht, wie man die stimmen sollte. lacht Wir haben sie fast acht Stunden bearbeitet, danach hat er sie in seinen Verstärker gestöpselt und wir haben den Kassettenrekorder angestellt, weil ich neugierig war. Und das erste, was er gespielt hat, war genau dieses Gitarrenriff, das am Anfang von „The Witch“ steht: singt vor Bam-bam-ba-bababam. Und er geht zum Tape und fragt: „Klingt das zu sehr nach Rush?“ und ich antworte: „Fuck that!“ Und solche Geschichten machen das Album für mich so besonders, weil diese Geschichten wieder hochkommen.
Es ist verdammt traurig, dass jetzt nichts mehr von Criss’ Musik übrig ist. Das ist der traurige Teil daran, denn für eine lange Zeit konnte ich noch mit ihm arbeiten, obwohl er jetzt an einem viel besseren Ort ist. Aber immerhin hatte er Musik zurückgelassen, mit der ich herumspielen konnte. Jetzt aber habe ich alles benutzt. Seufzt hörbar Jetzt ist es wohl an der Zeit, das Buch zu schließen und weiterzumachen. Und auch deshalb fand ich das Soloalbum berechtigt, ich wollte es tun – auch als meinen Weg, die Sache mit Criss auf eine sehr persönliche Weise abzuschließen.
Aber es ist auch für Savatage-Fans interessant: Sie können jetzt sehen, wo wir gestartet sind – noch vor „City Beneath The Surface“ gab es „Father Time“. Das finde ich cool, weil es zeigt, dass wir nicht als Heavy-Metal-Band gestartet sind, wir haben uns dahin entwickelt, über mehrere Jahre.
Das erklärt natürlich auch, warum viele Songs so nach Progressive Rock der 70er klingen: Sie wurden in den 70ern geschrieben.
Genau, vieles wurde schon in den 70ern geschrieben! Vieles aber auch nicht, da ist viel Neues drin, das wir mit den späten 70ern und frühen 80ern gemischt haben. Es sind ja eigentlich nur Spuren, ein Teil hier, ein Riff dort – alles darum herum ist neu.
Da sind natürlich auch viele unterschiedliche Ideen auf dem Album, zum Beispiel die Bläser auf „Ten Years“, die du ja auch schon erwähnt hattest. Ist das etwas, was du schon immer machen wolltest, das aber nicht zu deinen anderen Projekten gepasst hat?
Ja, genau! Das ist es. Ich wollte das immer machen, aber ich konnte doch keine Hörner bei Savatage einbauen! Ich wollte immer mal eine echte Hörnerpassage haben, jetzt konnte ich das in zwei Songs machen, bei „Ten Years“ und „Can’t Get Away“ – echte Hörner übrigens, keine Effekte. Das war ein Riesenspaß und hat mir gezeigt, dass man das mal wieder machen könnte, weil es so interessant ist und ich es noch nie getan habe. Das habe ich geliebt.
Wenn du ein Album veröffentlichst, so wie jetzt „Raise The Curtain“, interessiert dich eigentlich, was Journalisten darüber schreiben und liest du die Reviews? Oder ist dir das relativ egal?
Früher, also bei Savatage, habe ich das sehr viel verfolgt, auch anfangs noch mit dem TSO. Aber inzwischen denke ich mir: Du kannst es nicht jedem recht machen. Natürlich hoffe ich, dass alle es mögen, aber ich kann nicht jeden glücklich machen. Wenn du Sachen so schreibst, dass sie vor allem die Journalisten oder auch nur die Fans glücklich machen und eben nicht zuerst dich selbst, dann wirst du versagen. Elendig versagen. Musik ist Emotion und die muss vor allem zu dir passen. Das bringt die besten Ergebnisse und dann, wenn es ehrlich ist, werden auch die Leute da sein. Ich schreibe keine Fake-Musik. Ich schreibe alles ehrlich. Ich setze mich da nicht hin und denke „Ich schreibe jetzt den so und so vielten Song für mein Album und der wird so und so klingen und ein Hit werden, weil jeder ihn lieben wird.“ Ich mache, was ich mache und wenn Leute es mögen, macht mich das glücklich und berührt mich. Und wenn nicht – dann ist das auch okay, aber erkennt wenigstens an, wie viel Arbeit darein geflossen ist. Also: Nein, ich lasse mich von Journalisten nicht beeinflussen.
Ich bin aber sehr überrascht von der Resonanz des Albums, die ich bisher bekommen habe. Von allen Alben, die ich bisher gemacht habe, dachte ich, dass dieses das sein würde, für das ich am meisten kritisiert werden würde – aber im Gegenteil: Ihr alle sind wirklich großartig nett zu mir gewesen, ich bin damit sogar an manchen Stellen „Album des Monats“ geworden und habe dabei ein paar wirklich große Namen besiegt: Sabbath, Megadeth, Queensryche, Alice In Chains – das hat mich umgehauen, damit hatte ich nie gerechnet. So etwas berührt mich, das sorgt dafür, dass sich all die Arbeit lohnt.
Wenn ich mir das Lineup von „Raise The Curtain“ so anschaue, ist eine Tour aber eher unwahrscheinlich, oder?
Ja, das wird schwierig. Ich werde aber nächsten Monat eine Ankündigung machen – noch prüfe ich ein paar Ideen – und das würde dann eine Art „Storyteller“-Tour. Das ist in meinen Augen passender. Ich glaube nicht, dass es etwas bringen würde, wenn ich diese Sachen auf meinen regulären Touren zwischen JOP und Savatage mische, dafür ist das einfach zu schräg. Ich hatte das auch nie vor, ich habe das Album in meinem Kopf geschrieben für eine ganz andere Situationen: Du kommst in ein Theater oder zu einer Bühne, die Lichter gehen aus, der Vorhang geht hoch und es kommt „Raise The Curtain“. Dann endet der Song und die Show geht los – mit „Soulchaser“, als Teil der Rockshow. In meinem Kopf ist da eine imaginäre Band, die aus vier Jon Olivas besteht. Jon am Schlagzeug, Jon an der Gitarre … die kommen raus und die Show geht los, das ganze Album. Mit „Can’t Get Away“ am Ende und dem Akustiksong am Ende als Outro. So wäre das in meinem Kopf, nur mit mir als Band.
Du hast eben die Storyteller-Tour erwähnt. Kannst du uns da schon mehr drüber verraten? Werdet ihr auch nach Europa kommen?
Naja, nach Europa werden wir wohl vor Weihnachten nicht mehr kommen. In den Staaten aber werden wir vom 28. November bis 20. Dezember touren, wohl auch in Kanada. Insgesamt 18 Shows in sehr intimer Atmosphäre, ich werde einiges von diesem Album machen, aber auch die Savatage-Geschichte bedienen und Songs in ihren ersten Formen spielen, die viele gar nicht kennen. Das wird viele überraschen, wenn sie hören, wie die Lieder ursprünglich mal geschrieben wurden. Ich denke auch darüber nach, ein paar alte Tapes mitzubringen. Es wird sehr persönlich aufgezogen, jeder sitzt, hat ein paar Drinks und ich sitze da und gehe durch meine Geschichte, mit Savatage-Sachen, TSO-Sachen, JOP-Songs und eben Tracks vom Soloalbum.
2012 hast du ja mit JOP schon mal eine Tour mit speziellem Set gespielt, auf der ihr den 30. Geburtstag des „Hall Of The Mountain King“-Albums gefeiert habt, indem ihr es in Gänze aufgeführt habt. Willst du so was noch mal machen oder war das eine einmalige Sache?
Oh ja, nächsten Sommer spiele ich „Gutter Ballet“. Mein Management bucht dieser Tage, besonders Festivals, die fangen früh damit an. Im Wesentlichen werden es Festivals sein. Es wird so laufen wie bei der Tour zu „Mountain King“: Ich spiele erst ein paar einzelne, andere Lieder und danach das ganze „Gutter Ballet“-Album. Chris Kinder [Schlagzeuger bei JOP] und ich hatten kürzlich darüber gesprochen, es „From The Gutter To The Streets“ zu nennen und einige Songs von „Streets“ mit reinzumischen. Das sollte gut werden.
Das klingt nach einer tollen Idee. Ebenfalls 2012 hatten Circle II Circle eine spezielle Tour gemacht, während der sie das komplette „Wake Of Magellan“-Album gespielt haben, und früher dieses Jahr habe ich sie gesehen, wie sie das „Edge Of Thorns“-Album aufführten. Sprecht ihr euch da eigentlich ab?
Ohne zu lachen Nein. Zak hat meine Idee gestohlen und dafür haue ich ihm eine runter, wenn ich ihn sehe. lockerer Nein, es ist okay. Ich bin froh, dass er es gemacht hat. Er hat auf diesen Alben gesungen, es stört mich nicht. Ich meine, ich habe diese Songs geschrieben und ich hätte mir gewünscht, er hätte mich vorher gefragt, aber es ist okay. Ich vergebe ihm, ich liebe ihn ja schließlich. Er ist ein guter Typ und er muss natürlich auch über die Runden kommen. Und es ist ja auch gut, dass Leute die Gelegenheit hatten, diese Alben live aufgeführt zu bekommen. Ich meine, sie konnten ja auch mich sehen, wie ich „Mountain King“ gemacht habe und ich werde noch „Gutter Ballet“ machen und noch andere Sachen. Also, es ist alles in Ordnung.
Nun, ich habe beide Shows gesehen, sie haben ihren Job doch auch verdammt gut gemacht …
Ohja, ich habe das im Internet gesehen und denke auch, er hat es gut gemacht.
Ist es denn so, dass Zak und du gar nicht regelmäßig miteinander sprecht?
Nun, wir leben doch ein Stück auseinander. Er lebt 60-70 Meilen von mir entfernt, ich weiß gerade nicht, wie weit das in Kilometern ist, aber es ist eine Zwei-Stunden-Fahrt. Wir haben aber einen gemeinsamen Freund, der quasi in der Mitte von uns lebt. Da treffe ich ihn manchmal zufällig, aber sonst nicht. Ich arbeite ohnehin die ganze Zeit, ich gehe kaum noch raus. Ich bin vermutlich seit drei Jahren nicht mehr mit Freunden ausgegangen.
Oh.
Ja. Das ist scheiße, Mann. Ich habe einfach so viel Arbeit zu tun, so zwischen dem TSO, meinen Sachen und all dem anderen Zeug. Ein voller Terminkalender.
Hast du denn das jüngste Album von Circle II Circle gehört?
Nein. Das einzige neue Album, das ich in letzter Zeit – also seit einem Jahr – gehört habe, war das neue Album von Black Sabbath, das habe ich am Tag gekauft, als es rauskam.
Hat dir das gefallen?
Ich liebe es. Es ist einfach super. Es ist halt Sabbath, das sind meine Helden. Ich habe Musik von den Beatles gelernt, aber Heavy Music von Black Sabbath.
Wie wichtig sind dir denn allgemein Live-Shows heutzutage?
Nicht mehr so wichtig wie früher. Ich bin in meinem Leben viel getourt, habe viel erlebt und viele unterschiedliche Sachen gemacht. Ich spiele immer noch sehr gerne Festivals, ich liebe es. Ich meine, da spielt man nicht für zweieinhalb Stunden in einem heißen, schwitzigen kleinen Club. Ich mag es auch, weil ich glaube, dass ich besser bin, wenn ich mich nur darum kümmern muss, eine Stunde und 15 Minuten lang zu spielen. Ich glaube, das menschliche Gehirn kann nur etwa 75 Minuten lang dasselbe machen, danach braucht es Abwechslung. Für mich gilt das auch als Zuschauer, nach der Zeit will ich was anderes. Dazu kommt, dass ich am liebsten draußen spiele, da war ich schon immer ein Fan von. Das Publikum ist super und ich treffe auf Festivals viele andere Bands, viele Freunde, die ich lange nicht gesehen habe und deshalb liebe ich Festival-Touren, wie ich sie jetzt auch für nächstes Jahr plane.
Gerade bei euch in Europa ist die Atmosphäre einfach großartig, ihr wisst Konzerte noch richtig zu würdigen. Hier in den USA schert sich da keiner mehr drum. Wir könnten hier kein Festival wie „Wacken“ oder „Bang Your Head“ oder „Rock Hard“ machen. Es würde nicht funktionieren. Das ist das Tolle für Bands aus den Staaten wie uns, wenn wir nach Europa kommen: die ganze Atmosphäre, wie sehr die Fans sich freuen, wie toll sie Festivals finden.
Okay, nun zu einer Frage, die ich immer stelle, wenn ich einen Musiker vor mir habe, dessen Bands große Hits im Backcatalouge haben: Macht es dir eigentlich noch Spaß, deine größten Hits wie „Gutter Ballet“ oder „Believe“ live zu spielen oder …
unterbricht Aber sicher! Ich liebe es, gerade diese! Naja, gut, „Sirens“ habe ich doch sehr oft gespielt, aber nein, ich liebe es einfach. Ich habe die besten Jahre meines Lebens an Savatage gegeben und viele dieser Lieder haben eine große persönliche Bedeutung für mich – „Gutter Ballet“, „Believe“, sogar die ganz alten, wie „Power Of The Night“. Es ist einfach großartig, die immer noch zu spielen und Spaß daran zu haben. Ich denke nicht: „Oh Gott, muss ich das wieder spielen, ich hasse den Song.“ Nein, ich liebe es!
Du warst jetzt wirklich lange im Musikbusiness. Was würdest du sagen ist die wichtigste Veränderung der letzten Jahre?
Ganz eindeutig: das Internet. Es hat eine Menge gutes für die Fans geleistet, aber eben auch viele Probleme bei Musikern verursacht. Ich sage nur: Piraterie. Mein Gott, CD-Verkäufe sind praktisch über den Rand der Erde gefallen. Die Menschen verstehen immer noch nicht: Der einzige Weg, wie eine Band überlebt, deren Musik du magst, ist, ihre CDs zu kaufen! Wie sollen wir sonst unsere Rechnungen bezahlen? Das ist traurig. Ich sage dir was: Meine Tantiemen aus Albenverkäufen von vor 15, 16 Jahren waren sechsstellig. Der Scheck, den ich letztes Jahr bekommen habe, war vierstellig. Und bedenke dabei bitte: Ich habe fünf Platinalben veröffentlicht! Das ist eine riesige Veränderung.
Das ist auch der Grund, warum ich so viel arbeite. Ich muss andauernd neues Zeug veröffentlichen, alleine, um überleben zu können. Man kann heute nicht mehr eine Scheibe schreiben und zwei, drei Jahre von den Tantiemen leben. Niemand kauft die CDs noch. Wenn ich zu youtube gehe und dort auf, sagen wir mal: John Browns Brand gehe, dann hat sie 80.000 Views. Wenn diese 80.000 stattdessen eine CD gekauft hätten, wäre John Brown heute ein ganz großer. Er würde ein vernünftiges Gehalt haben und könnte weiter mit dem machen, was er tut. Das ist der große Unterschied und wie das Internet unsere Verkäufe beeinträchtigt hat.
Wenn du auf deine Karriere zurückblickst: Gibt es da irgendeine musikalische oder kreative Entscheidung, die du gerne ändern würdest?
Oh. lacht Mann, vermutlich zehn Millionen. Die eine, wirklich große Sache aber wäre klar: Mein größtes Bedauern ist immer noch, dass wir „Fight For The Rock“ aufgenommen haben. Das war nur, weil wir ein schlechtes Management hatten, das buchstäblich unser Geld gestohlen hat. Wir waren jung und naiv und sie sagten, was wir machen sollten. Beinahe hätten die unsere Karriere ruiniert, fast wäre die Band daran zerbrochen. Wenn nicht Paul O’Neill aufgetaucht wäre, wäre das unser letztes Album geworden. Aber Paul kam und hat ernsthaft ein sinkendes Schiff gerettet. Wir waren fertig, Criss und ich hielten schon Ausschau nach einer anderen Band. Aber dann kam Paul und sagte: „Oh nein, ihr Jungs seid viel zu gut. Wir werden diese Managertypen los und fangen neu an.“ Er nahm Geld aus seiner eigenen Tasche, kaufte uns ganz neues Equipment, steckte uns in einen Proberaum und sagte: „Okay, alles, was ich will, ist: mit euch zu schreiben. Lasst es uns versuchen, schauen wir, was daraus wird!“ Er hat nie nach etwas anderem gefragt, er wollte nie Geld von uns, er berechnete uns nie auch nur einen Cent dafür, dass er unsere Alben produziert hat! Er sagte nur: „Lass uns ein echtes Savatage-Album schreiben!“ So entstand „Hall Of The Mountain King“. Das Album, danach „Gutter Ballet“ und „Streets“, das war unser Zenit. „Mountain King“ war wirklich gut, aber es war immer noch das erste Album mit Paul, wir lernten uns immer noch kennen. Danach aber, mit „Gutter“ und „Streets“, hatten wir einen Lauf. Die Chemie war super, deshalb sind die beiden Alben „Gutter“ und „Streets“ die besten Savatage-Alben geworden, die wir gemacht haben, als Criss noch am Leben war.
Gut, einen kleinen Blick auf die Zukunft: Du hast schon deinen umfänglichen Tourplan erwähnt. Gibt es auch bald ein neues Album von Jon Oliva’s Pain?
Oh ja, ich schreibe da schon dran.
Oh. Das auch noch?
lacht Ja, siehst du, ich hatte dir ja gesagt, ich habe fast keine Zeit für nichts. Wir sind schon dabei, Dan, Chris und ich schreiben schon. Ich sagte ihnen: So, ich bin mit dem Soloding durch, jetzt will ich ein JOP-Album schreiben und es wird das heavieste Album werden, das ich jemals geschrieben habe. Das ist mein Ziel: Das heavieste Album, keine Flöten, keine Hörner, das war alles schön und ich mache das vielleicht in einem oder zwei Jahren wieder, aber jetzt gibt es das heavieste Album, das ich je gemacht habe. Und daran arbeite ich jetzt. Ich werde mir Zeit lassen und sicherstellen, dass es heavy und dark wird und schauen, was daraus wird.
So, Jon, ich danke dir sehr für dieses Interview und deine Zeit.
Sehr gerne! Passt auf euch auf da drüben und ich hoffe, wir sehen uns alle bald!