IRATE ARCHITECT lieferten mit „Visitors“ ein Brutal Death Metal-Brett der Sonderklasse ab und unterstreichen damit eindrucksvoll, dass es nicht hoffnungslos um die Szene in Deutschland steht. Folgerichtig schnappten wir uns sogleich Chefgrunzer Christoph Madarasz zum Mail-Interview, um ihn mit Fragen zu löchern.
Hi, alles klar bei euch?
Yeah, alles klar bei uns.
Irate Architect sind wohl nicht jedem ein Begriff, könntest du die Band vielleicht kurz vorstellen?
2003 wurden Jens Ballaschke (Gitarre) und Philipp Pfeiffer (Drums) durch schicksalhafte Umstände wegen eines Samplerbeitrags musikalisch zusammengeführt. Später kam Asgard Niels (Ex-Bass) dazu, der wiederum mich mit in die musikalische Vorhölle nahm. IRATE ARCHITECT wurde geboren. So prügelten wir uns zusammen durch die Lande und es entstanden die EP „Born Blood Portrait“ (2005), sowie die Debüt CD „Visitors“. 2007 trennten wir uns noch während der Arbeiten am Album von Bassist Asgard. Unser neuer Mann am Tieftöner ist seit Anfang des Jahres Kai Schweers (Ex Embedded).
„Visitors“ ist nun doch schon einige Zeit draußen und inzwischen dürften alle Reviews dazu verfasst sein. Wie sind die Reaktionen insgesamt ausgefallen?
Der VÖ Termin der „Visitors“ war der 28.3.08. In der großen Läden steht das Teil erst seit Anfang Mai, dementsprechend ist alles noch recht frisch und es stehen bis heute noch diverse Reviews und Interviews auf dem Speiseplan. Bei den meisten Print Magazinen kommen die „Visitors“ Reviews ebenfalls erst zwischen Mai und Juli raus. Bis dato sind die Reaktionen jedoch sehr positiv bis überragend ausgefallen, was nach der ganzen Arbeit und dem Stress sehr gut tut.
Was wurde am Album besonders gelobt und was eher kritisch gesehen?
Gelobt wurde so gut, wie alles: Musik, Artwork & Sound, wobei die technische Versiertheit, das Zusammenspiel der einzelnen Musiker und die gute Produktion in dem Genre wohl die meiste Anerkennung fanden. Als Kritikpunkt wurde in erster Linie angeführt, das wir das Rad der Zeit nicht neu erfinden und Bands schon schneller und technischer zu Werke geschritten sind, als wir es tun. Das kann man auch ruhig so stehen lassen.
Ich habe das Gefühl, dass technischer (Brutal) Death Metal bei jungen Bands immer beliebter wird. Nun ist es ja so, dass der Hauptgrund, solche Bands zu hören, ja tatsächlich Brutalität und Technik sind. Meiner Meinung tendieren die Gruppen dadurch dazu, mit extrem ähnlichem Sound ohne echte, eigene Markenzeichen aufzuwarten, da man sich auf genau dieselben Stilmittel wie die anderen Bands verlässt und sich oft einfach hinter einem Wall aus anspruchsvollsten Gitarren- und Bassläufen verbarrikadiert. Würdest du mir da zustimmen? Und was hebt Irate Architect vom Einheitsbrei ab und macht den Album-Kauf trotzdem lohnenswert?
Sobald etwas annähernd trendy wird, sprießen immer überall Dublikate aus dem Boden die den Vorbildern nacheifern. Soweit ist dem ja auch nichts Schlimmes abzugewinnen, sondern eher sympathisches, zumindest wenn es diesen extremen Anspruch hat und handwerkliches Können voraussetzt. Schlimm wird es nur dann, wenn sich die Szene dadurch verrennt und langweilt ohne sich weiterzuentwickeln. Dazu wird es meiner Meinung nach aber nicht kommen.
Was hebt IRATE ARCHITECT ab? Wir sind alles verschiedene Charaktere in der Band, die ebensolch verschiedene musikalischen Einflüsse mit- und einbringen. Dadurch wird die Musik von uns nicht neu erfunden, aber wir mischen ein paar mehr Farben dazu und werden so vielleicht demnächst unseren eigenen „Schrei“ malen. Das Album „Visitors“ kann man so oder so beruhigt kaufen. Das Label achtet sehr drauf das die CD überall für einen fairen Kurs zu bekommen ist. Dafür bekommt man ein detailverliebtes Digipack inklusive aller Texte, das ganze gekrönt mit einem meiner Meinung nach kongenialen Coverartwork von Thomas Meldgaard.
Wenn man sich die Tracklist von „Visitors“ anschaut, so bemerkt man, dass ihr wohl vom allseits beliebten Gore-Image nicht allzu viel haltet. Wovon handeln die Texte auf dem Album stattdessen? Wird vielleicht sogar eine Art Konzept verfolgt?
Die Texte beinhalten in erster Linie persönliche und fiktive Themen, die mir so im Kopf rumschwirren. Das ganze ist teils sozialkritisch, teils surreal verpackt, damit jeder auch die Möglichkeit hat, sein eigenes Kopfkino anzukurbeln. In einigen Texten tauchen auch wieder ominöse Besucher auf, die die Handlung mitbestimmen oder wieder spurlos verschwinden.
Wie läuft das Songwriting bei euch ab? Wer ist für was zuständig und schreibt ihr die Songs im Proberaum oder verpasst ihr ihnen dort nur noch den finalen Schliff und probt sie ein, während die Riffs zuhause entstanden sind?
Jens baut das Grundgerüst eines Songs zuhause an der Gitarre und stellt uns dieses vor. Danach werden die Drums daraufgelegt und das Grundgerüst von der kompletten Band modifiziert bzw. verändert oder auch wieder zerlegt. Dazu werden Feeling Ideen eingeworfen, um den jeweiligen Song in die eine oder andere Richtung zu bewegen oder Höhen und Tiefen zu schaffen. Auf den fertigen Songs folgen anschließend Basslinien und die Gesangsstruktur.
Der Sound des Albums ist ja wirklich verdammt fett geworden, Gratulation dazu. Wo habt ihr aufgenommen und wer war für die Produktion zuständig? Gab es nennenswerte Probleme beim Aufnahmeprozess?
Wir haben bei Jens in seinem Third A Studio aufgenommen. Er hat das ganze auch produziert und dort gemischt. Gemastert hat er dann wie immer in den HAM Audio Studios. Technisch gesehen haben sicher die Bass Linien und der Bass Sound die größten Probleme gemacht weil die Anforderungen etwas speziell waren. Und Jens seine Selbstkritik war etwas problematisch. Er wollte nach dem Mix die halbe Platte noch mal neu einspielen und mischen aber wir haben ihn da rechtzeitig bremsen können.
Zu der Zeit hattet ihr ja noch Asgard Holub am Bass-Posten, der das Album auch eingespielt hat. Wie kam es zur Trennung und wie lange hat es gedauert, einen Ersatz zu finden und warum fiel die Wahl im Endeffekt gerade auf Kai?
Es gab schon seit geraumer Zeit musikalische, sowie persönliche Differenzen zwischen Asgard und dem Rest der Band. Irgendwann gab es dann keinen anderen Ausweg mehr, als getrennte Wege zu gehen. Das passierte kurz nach der Fertigstellung der „Visitors“ Aufnahmen. Danach standen wir erst mal nur zu dritt auf der Bühne, bis wir Anfang 2008 durch Zufall im Netz auf Kai stießen, der sofort Feuer und Flamme war. Wir ebenfalls.
Wann habt ihr angefangen, eure Instrumente zu spielen und wie oft und wie lange müsst ihr üben, um das Niveau zu halten?
Wir machen alle so ca. seit Anfang/Mitte der 90er Mucke. Jens und Philipp malträtieren ihre Instrumente mindestens die Hälfte der Woche um fit zu bleiben, aber auch, weil sie gar nicht anders und ohne können. Die gesamte Band probt mindestens 2x die Woche und Jens sitzt andauernd im Studio und feilt an neuen Ideen.
Welche Bands haben dich dazu inspiriert, Musik zu machen? Kannst du dir diese heute noch anhören?
Bevor ich selber den Drang verspürte, Musik machen zu müssen und relativ unberührt war, habe ich neben dem Radio BROS gehört. Danach ging es aber auch schnell zu Bon Jovi & Alice Cooper, von da aus weiter zu Cro Mags und kurz darauf folgten die ersten Deathmetal Scheiben und die erste eigene Klampfe. Von allen aufgelisteten Bands habe ich immer noch viele Platten in meinem Regal stehen, die dann und wann aufgelegt werden. Ich liebe jede Einzelne davon, u.a. natürlich auch, weil sie ein Stück persönliche Geschichte für mich bedeuten und bestimmte Stimmungen hervorrufen. Trotzdem gehört CRO MAGS z.B. bis heute zu meinen absoluten Favoriten und zwar jede einzelne Platte!!!
Gibt es heute Truppen, die du als Einflüsse für die Musik Irate Architects nennen würdest? Wenn ja, welche?
Alles was wir so im Hartwurstsektor, aber auch sonst an Musik konsumieren. Philipp bringt dabei ganz klar seine Punk/Hardcore Attitüde mit ein. Ansonsten reichen die Einflüsse von Unmerciful über Dying Fetus bis zu Hate Eternal und weiter…
Eure Live-Präsenz im Sommer hält sich bisher ja eher in Grenzen. Werdet ihr da noch ausbauen, bzw. folgt vielleicht sogar eine kleine Deutschland-Tour?
Leider sind wir im Sommer nicht soviel unterwegs, wie wir es uns wünschen würden. Es stehen lediglich ein paar Festivalgigs an.Im Oktober sind wir gerade dabei eine 10tägige Deutschlandtour mit Necromorph zu booken, also Augen und Ohren aufhalten! Ansonsten warten wir auf ein adäquates Tourangebot für eine dicke Support Tour, um ein größeres Publikum zu verstrahlen.
Wie kam es überhaupt zu eurem Bandnamen? Ist er vielleicht sogar eine Art Hommage an die ebenfalls sehr technischen Norweger Spiral Architect oder besteht diese Ähnlichkeit nur zufällig?
Einen Namen für die Band zu finden war die totale Katastrophe. Wir haben ewig gebraucht bis wir uns geeinigt haben. Der „zornige Schöpfer“ stammt aus dem Fundus von Jens und wurde demokratisch aus einer Liste von fast 50 (!) Namen gewählt. Mit Spiral Architect hat der Name allerdings überhaupt nichts zu tun.
Wie siehts mit der Metal-Szene bei euch oben im Norden aus? Hier im Süden ist zumindest teilweise eine Art echter Zusammenhalt auszumachen. Besucht auch ihr beispielsweise Konzerte befreundeter Bands bzw. Bands aus dem selben Genre um euch gegenseitig zu unterstützen, oder macht eher jeder sein eigenes Ding?
Bei uns im kalten Norden herrscht das genau Gegenteil. Die Metalszene ist relativ übersichtlich und jeder kennt meist jeden. Es gibt jedoch wenig Zusammenhalt untereinander, der besteht eher überregional. Ich für meinen Teil gehe nur auf Konzerte, die ich aufgrund der Musik und der Leute sehen will, egal ob es eine befreundete Band ist oder nicht.
In einem anderen Interview mit euch habe ich gelesen, dass ihr euren Teil dazu beitragen wollt, um gegen rechtes Gedankengut in der Metal-Szene vorzugehen. Hast du zufällig von der BIFFF…-„Reportage“ über das Berliner Pagan Fest gehört, bzw. diese gelesen (wird in diversen Internet-Foren aktuell recht angeregt diskutiert)? Wenn ja, hältst du diese Art von Aufrufen gegen Rechts für sinnvoll? Findet Peter Kratz den richtigen Tonfall, um die Leute wachzurütteln, indem er gegen Bands hetzt, die zweifellos nicht das eigentliche Problem der Szene darstellen?
Von der BIFFF – Reportage habe ich leider nichts gehört. Ich halte in der Regel jeden Aufruf gegen Rechts für sinnvoll, auch wenn ich in diesem Fall den Zusammenhang nicht kenne. Das Problem wächst ja immer auch aus dem Kleinen heraus, dementsprechend sind Bands mit rechtem Gedankengut ebenfalls eine große Gefahr für die Gesellschaft, gerade wegen dem hinreichenden Einfluss auf die frustrierte Jugend, die auf der Suche nach Idealen schnell solchen Hasstiraden verfallen kann.
Gibt es schon Pläne für ein kommendes Album? Wie könnte dieses aussehen bezüglich dessen, dass es doch recht schwierig sein dürfte, in genau der gleichen Schiene nochmals für einen kompletten Langspieler interessante Songs zu schreiben? Natürlich lasse ich mich auch gerne vom Gegenteil überzeugen ;-)
Die ersten Songs für die neue Platte sind schon fertig gestellt, 2 davon sogar auch schon im Liveset untergebracht. Wir werden unseren Irate Sound weiter verfolgen, uns dabei aber bestimmt nicht eins zu eins kopieren. Es wird eine logisch nachvollziehbare Weiterentwicklung und Perfektionierung unserer Vision von brutal-bizarrer Musik werden.
Sind die neuen „Visitors“-Shirts schon fertig?
Leider nein. Eventuell wird es Shirts zur „Visitors“ Platte zum Party San Open Air geben, ansonsten wohl erst zur anstehenden Tour im Oktober.
Könnt ihr mit eurer Musik nennenswertes Geld verdienen?
Die Einnahmen decken nicht mal die Ausgaben und wir zahlen oft drauf.Solche Musik taugt überhaupt nicht zum Geldverdienen. Du machst sie aus purem Idealismus und für die eigene Begeisterung. Mal sehen was die nächste Scheibe bringt, vielleicht können wir dann von den Einnahmen mal Pizza essen gehen oder so.
Okay, vielen Dank für die Beantwortung der Fragen, wir sind fast am Ziel, einzig das traditionelle metal1-Brainstorming steht noch aus. Was sagst du zu…
Stechpalme: Meinst du die in meiner Hose?
Cannabis: Meine Droge ist die Musik!
Rektalgeschwür: Da kann ich dir auch nicht weiterhelfen. Frag deine Großmutter!
Schweinenackensteak: 6.66 EUR
FC St. Pauli: Klar, was denn sonst?
metal1.info: Besser als Verkehrsfunk.
Dann nochmals vielen Dank und viel Glück für Irate Architect in Zukunft! Die letzten Worte gehören dir.
Danke für das Interesse an IRATE ARCHITECT und das nette, umfangreiche Interview.
Besten Gruß in den Süden,
Christoph Madarasz.