Interview mit Vespasian von Imperium Dekadenz

Zweifelsohne stehen IMPERIUM DEKADENZ weit an der Spitze der deutschen Black-Metal-Szene. Mit „Into Sorrow Evermore“ veröffentlichte die Gruppe unlängst ihr siebtes Album. Wir unterhielten uns mit Mitbegründer Vespasian über seine Sicht auf den Erfolg und den Status der Band sowie natürlich über „Into Sorrow Evermore“, die Reaktionen auf das Album und das zugrunde liegende textliche Konzept.

 

Hallo und danke, dass ihr euch die Zeit nehmt! Alles gut bei euch?
Servus! Ja, alles gut bei uns. Wir genießen aktuell die großartigen Reaktionen zu unserer neuen Platte und sind durchaus stolz darauf, wie hart und diszipliniert wir für diesen Release gearbeitet haben. Die ganze Promophase war jetzt ziemlich anstrengend, aber die Resultate sprechen für sich. IMPERIUM DEKADENZ ist nochmals ein gutes Stück nach vorne gekommen. Viel wichtiger ist aber, dass wir nach wie vor sehr zufrieden mit dem Album sind. Das alles in der Summe bringt Zufriedenheit und Ausgeglichenheit und motiviert zudem für kommende Vorhaben.

Im letzten Interview mit euch auf unserer Seite ging es unter anderem noch um die Auswirkungen der Pandemie, gerade für euch als Musiker. Jetzt ist diese Zeit ja weitestgehend überstanden. Wie fühlt ihr euch damit? Was sind die größten Veränderungen, die ihr wahrnehmt, seit es wieder verstärkt zurück in die Normalität geht?
Nun, erstmal sind wir natürlich froh darüber, dass man wieder ohne Einschränkungen walten und gestalten kann. Große Veränderungen nehmen wir jetzt eigentlich gar nicht so drastisch wahr. Was sich sicherlich wieder zum Positiven gewandelt hat, ist, dass man wieder mehr Planungssicherheit hat, gerade was die Live-Aktivitäten angeht. Es ist einfach alles nicht mehr so ungewiss und unstet wie vor ein paar Monaten noch. Ich persönlich habe die Zeit der Pandemie gar nicht mal so negativ in Erinnerung, da wir in dieser Zeit ziemlich kreativ und arbeitsam waren. Aber darauf kommen wir sicher gleich noch zu sprechen.

Imperium Dekadenz auf dem Dark Easter Metal Meeting 2022
IMPERIUM DEKADENZ auf dem Dark Easter Metal Meeting 2022

2022 kann man wohl kaum als gelungenes Jahr bezeichnen. Wie würdest du es in eigenen Worten beschreiben und zusammenfassen?
Ich muss hier ganz klar zwischen der Lage der Welt und meiner persönlichen Situation differenzieren. Ersteres ist, nicht zuletzt aufgrund des Krieges auf europäischem Boden, eine Vollkatastrophe. Zudem stimmt mich generell der respektlose und teils trollhafte Umgang der Menschen untereinander ziemlich traurig. Ein Blick in die Kommentarspalten der sozialen Medien genügt, um das Kotzen zu bekommen. Ich glaube, dass viele Menschen einfach sehr unzufrieden mit sich selbst und ihrem Leben sind und deshalb mehr und mehr zu stänkernden, von Neid zerfressenen Mecker-Köpfen verkommen. Es ist ja so einfach, immer jemandem anderen die Schuld für die eigene Misere geben zu können – sei es der Staat, der ungeliebte Kollege, etc, etc. Für mich war 2022 durchaus ein gelungenes Jahr, sowohl beruflich als auch privat. Mit der Band konnten wir große Festivals spielen und das komplette Jahr hatten wir mit der Produktion des neuen Albums zu tun. 2022 hatte ich wenig bis gar keine Freizeit, dafür umso mehr intensive Momente, die ich gerne in Erinnerung behalte.

Was sollte oder muss sich 2023 aus eurer Sicht ändern? Was müssen wir als Menschen besser machen?
Mehr Respekt dem Gegenüber entgegenbringen. Weniger unreflektierter Hass. Menschen sollten mehr Mut haben, ihren eigenen, individuellen Weg zu beschreiten. Positiver Nebeneffekt: Das macht zufrieden und es bleibt weniger Platz, sich dauernd über die Unzulänglichkeiten anderer aufzuregen. Zusammenfassend wünsche ich mir einfach mehr mutige Menschen, die anpacken, die etwas wagen, die voller Schaffenskraft vermeintlich Unmögliches real werden lassen. Niemand ist dafür verantwortlich, wenn es mit deinen Plänen nicht so läuft wie gewünscht – außer DU SELBST.

Kommen wir doch auf das Thema Musik zu sprechen. Ich halte es nicht für übertrieben zu sagen, dass ihr innerhalb des deutschen Black-Metal-Sektors mittlerweile einer der größten Namen seid. Empfindet ihr das auch so? Was verbindet ihr mit eurem Erfolg?
Wir wollen nicht arrogant klingen, aber ja, es ist in der Tat so, dass wir in Deutschland ganz vorne mit dabei sind in Sachen Black Metal. Dafür gibt es ja viele Insignien, sei es das Vertreten sein in sämtlichen Medien – Print, Online, usw. -, die Verkaufszahlen, die Booking-Anfragen und vor allem auch die Zuschriften der doch recht zahlreichen Supporter. Zudem sind wir beim größten unabhängigen Metal-Label unserer Zeit, sprich Napalm Records, unter Vertrag. Die haben uns auch nicht aus Jux und Dollerei unter Vertrag genommen, sondern unser Potential erkannt – künstlerisch und wirtschaftlich. Mit dem Erfolg, welcher uns freut, verbinde ich vor allem harte und konstante Arbeit und ein klares Profil. Wir gehen seit 2004 unbeirrt unseren Weg. Wir haben uns nie irgendwelchen Trends angebiedert, sondern immer unser eigenes Ding durchgezogen. Wir waren auch nie ein „One-Hit-Wonder“, sondern sind konstant gewachsen – auch weil wir, und davon bin ich überzeugt, konstant Qualität abgeliefert haben. Das wichtigste Element ist aber sicher die Freundschaft zwischen Horaz und mir. Während bei anderen Bands Musiker wie Söldner ein und aus gehen und Egostreitereien an der Tagesordnung sind, haben wir seit jeher die besagte Freundschaft und unsere gemeinsame Vision über alles gestellt. Ich kenne Bands, da verziehen sich nach einem Auftritt die Musiker auf ihre Hotels, weil keiner Bock hat, mit dem anderen zu feiern. Wir genießen die gemeinsame Zeit, vor allem auch mit unseren Live-Musikern von Vargsheim– weil wir eben Freunde sind! Da will so schnell keiner ins Hotel (lacht). Ich denke, die Leute merken einfach, wenn es authentisch zugeht. Dies ist bei uns der Fall.

Imperium Dekadenz auf dem Dark Easter Metal Meeting 2022
IMPERIUM DEKADENZ auf dem Dark Easter Metal Meeting 2022

Verfolgt ihr die deutsche Black-Metal-Szene aktiv mit? Gibt es da aufstrebende Bands, die ihr besonders gut findet und empfehlen würdet, oder sind es eher die Klassiker, die bei euch privat auf dem Plattenteller landen?
Bei mir ist es seit jeher ein bunter Mix aus alten Klassikern und Neuentdeckungen. Horaz und ich schieben uns immer noch neue Plattentipps zu, sobald einer was Interessantes ausfindig gemacht hat. Das ist aber bei weitem nicht nur Black Metal. Wir sind also immer noch sehr neugierig, was neue Bands und Alben angeht. Namen braucht es an der Stelle nicht, es wäre unfair, da jetzt eine Band hervorzuheben und andere ungenannt zu lassen. Bezüglich Black Metal empfehle ich den YouTube-Channel „Black Metal Promotion“. Da stößt man regelmäßig auf interessante neue Veröffentlichungen!

In diesem noch sehr jungen Jahr habt ihr bereits mit dem Release eures Albums „Into Sorrow Evermore“ vorgelegt – dazu sind erstmal Glückwünsche angebracht! Es ist bereits euer siebtes Studioalbum. Wie fühlte sich die Zeit des Releases konkret an? Ist es noch immer aufregend, wenn das neue Album endlich draußen ist, oder habt ihr eher das Gefühl, dass eine gewisse Routine einkehrt?
Ja, es ist und bleibt immer noch sehr aufregend. Man hat ja schließlich im Vorfeld etwa drei Jahre mit Songwriting, Produktion und dann last but not least der Promophase verbracht. Da unsere Alben immer sehr persönlich sind, hängt wirklich viel Herzblut dran. Das kann einen nicht kalt lassen. Die Abläufe während der Produktion und der Promotion mögen über die Jahre routinierter geworden sein – unsere Emotionen bezüglich allem, was mit der Band zu tun hat, sind genau so intensiv und aufrichtig wie am ersten Tag. Und genauso sollte das doch sein, oder?

Das Album hat es sogar in die Charts geschafft. Das ist heute zwar leichter als vor 30 Jahren – aber bedeutet es dir trotzdem etwas?
Ja, ich habe mich sehr darüber gefreut. Ist doch klasse, wenn es einige Leute da draußen gibt, die sich für unser Schaffen interessieren. Mich freut es auch für unser Label, da es auch eine Bestätigung ihrer Arbeit ist. Vor allem auch, dass wir in den USA und auch Kanada ansprechende Platzierungen erreicht haben, hat uns gut geschmeckt. An dieser Stelle ist einfach auch mal Demut angebracht. Wie viele gute Bands gibt es da draußen, die sich den Arsch aufreißen, aber kaum Gehör finden? Wie viele Promo-Pakete wirklich vielversprechender Gruppen landen täglich im Mülleimer der Labels? Wir hingegen dürfen unseren Traum leben. Dafür bin ich dankbar.

Vielleicht habt ihr ja bereits unser Review zum Album gelesen. Dieses äußert ja die Kritik, dass manche Songs, wie auch auf den vorherigen Alben, unnötig lang geraten sind. Könnt ihr es aus Musiker-Sicht nachvollziehen, dass eure Musik diesen Eindruck hervorrufen kann?
Die Kritik, dass die Songs zu lang geraten sind, habe ich wirklich nirgendwo anders gelesen. Im Gegenteil: unser Ziel war es, eine kompaktere, mehr auf den Punkt gebrachte Platte an den Start zu bringen. Das ist uns meiner Meinung nach gelungen. Bestätigt wird meine Einschätzung, durch zahlreiche Reviews und Gespräche, die genau diesem Umstand positiv hervorheben. Ich denke, du hattest beim Verfassen des Reviews einfach einen schlechten Tag (lacht). Alles gut.

Wo würdet ihr „Into Sorrow Evermore“ innerhalb eurer Diskographie stilistisch einordnen? Wo verortet ihr die größten Unterschiede oder Weiterentwicklungen im Vergleich zu euren vorherigen Alben?
Wir wollten, wie bereits erwähnt, das neue Album kompakter gestalten. Das war zu Beginn ein klar formulierter Wunsch unsererseits. Die Songs sollten schneller auf den Punkt kommen. Aufgrund der Dynamik des Songmaterials haben wir auch bewusst keine akustischen Zwischenstücke mit auf das Album gepackt, weil es die einfach nicht gebraucht hat. Bei früheren Alben hat man sich nach dem letzten Song eventuell eher erschlagen gefühlt von der Fülle der Eindrücke – das sollte diesmal aufgrund der Kompaktheit nicht mehr der Fall sein.
Zudem finden wir, dass unsere Darbietung auf „Into Sorrow Evermore“ nochmal energiereicher und auch emotionaler ist als auf den Vorgängern. Schnelle Parts sind schneller und energischer, melancholisch-doomige Parts noch ergreifender und konsequenter dargeboten. Wir haben es, so glauben wir, geschafft, alle Facetten unseres Sounds weiter zu intensivieren. Der Gesamtsound ist deutlich aggressiver ausgefallen. Hier hat unser Freund und Producer Christoph Brandes von den Iguana Studios definitiv großen Anteil dran. Die Texte fallen auch persönlicher denn je aus. Geschichtliche Themen wurden diesmal gar nicht verarbeitet.

Was könnt ihr konkret über die Texte erzählen? Was sind die hauptsächlichen lyrischen Themen auf „Into Sorrow Evermore“ und gibt es ein übergeordnetes Konzept, einen roten Faden?
Generell sind die Texte sehr persönlicher Natur. Es geht um die Wahl zwischen Hell und Dunkel. Auch sind einige Lyrics vermehrt, wie die Musik, melancholischer Natur. Sei es Abschiedsschmerz, Sehnsüchte oder einfach Hass ob der verlorenen Zeit während der Pandemie.

Ich finde das Artwork sehr stimmungsvoll und atmosphärisch, ausdrucksstärker noch als die bisherigen. Was verbindet ihr damit konkret? Wofür stehen insbesondere die beiden Masken?
Im Gesamtkonzept gesehen, symbolisiert das Cover eine Art Waage, eine Wahl zwischen Hell und Dunkel, Glück oder Leid. Die Lieder zeigen unterschiedliche Wege auf, die bewusst durch die Dunkelheit (als Metapher für Leid, Unglück, Unzufriedenheit, Resignation usw.) führen. Wir wählen die furchterregende Seite des Covers („Into Sorrow Evermore“) und ziehen Kraft aus dieser dunklen Energie, wo die allgemeine Gesellschaft hingegen dem Licht entgegen strömt und schlussendlich erblindet. Blind für die Realität und die eigenen dunklen Seiten des Geistes, die jedem innewohnt. Die Idee mit den Masken hatten wir schon länger im Kopf. Holzmasken sind tief im Brauchtum unserer Heimat verankert – Stichwort: Fastnacht. Wir waren schon als Kinder von dämonischen Teufels- oder Hexenmasken begeistert. Die Vorstellung, die Emotionen der neu komponierten Musik und der Lyrics in Holz geschnitzt zu bekommen, reizte uns. So reifte die Idee, den befreundeten Maskenschnitzer Simon Stiegeler zu kontaktieren, mit ihm unsere Ideen bezüglich des Covers und generell des Artworks auszutauschen. Schnell war klar, dass wir für das Covermotiv zwei individuelle Masken anfertigen lassen wollten. Das finale Covershooting haben wir dann zusammen mit Void Revelations realisiert. Den letzten Schliff bekam das Foto dann durch Alex von den Heresie Studios.

Wie zufrieden seid ihr bislang mit dem Feedback, das ihr für das Album erhaltet? Welche Rolle messt ihr generell Reviews oder Meinungsäußerungen seitens der Fangemeinde etc. bei?
Wir sind mehr als zufrieden. Wir haben aus allen Herren Länder sehr positive Reaktionen erhalten. Viele Zuschriften erreichten uns. Es gibt auch dermaßen viele Reviews, dass wir gar nicht mehr alles lesen können. Wir waren zudem in einigen Radioshows am Start. Interviews haben wir Stand heute um die 70-80 Stück gegeben. Wir freuen uns natürlich über wohlwollende Reviews, gar keine Frage. Viel ergreifender und wichtiger sind uns aber die Reaktionen der Zuhörer. Das geht einem wirklich nicht selten unter die Haut. Da merkt man schon, dass man etwas erschaffen hat, was anderen Menschen viel bedeutet. Das ist einfach der Wahnsinn.

Wie sieht es mit Live-Auftritten zur Promotion des Albums aus? Ist da etwas Konkretes geplant, eine Tour, Festival-Gigs etc.?
Wir arbeiten aktuell an einigen Konzerten. Ein paar Events haben wir ja schon bekanntgegeben. Mit Redback Promotions haben wir seit kurzem auch wieder eine schlagkräftige Bookingagentur an der Hand. Somit stehen die Zeichen gut, dass noch tolle Veranstaltungen hinzukommen werden.

Zum Abschluss unser klassisches Metal1-Brainstorming – was fällt euch als erstes dazu ein?
Skandinavien:
Tolle Landschaften, Bands, die uns alle geprägt haben. Muss mal wieder nach Olso reisen.
USA: Hoffentlich mal eine Tour dort. Kalifornien gefällt mir sehr.
Bestes Metal-Album 2022: fällt mir gerade keins ein.
Bestes Non-Metal-Album 2022: 40 Watt Sun – Perfect Light.
IMPERIUM DEKADENZ in zehn Jahren: Immer noch am Start, immer noch hungrig und neugierig.

Vielen Dank! Die letzten Worte des Interviews gehören euch.
Danke für das Interview! Danke an alle, die uns unterstützen! Wir wissen das wirklich zu schätzen.

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Publiziert am von Pascal Weber

Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

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