Interview mit Shantel Amundson von Illudium

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Mit ihrem zweiten Album „Ash Of The Womb“ hat die Post-Rock-Band ILLUDIUM um Mastermind Shantel Amundson auf würdige Weise bei Prophecy Productions Einzug gehalten. Wir haben die Gelegenheit der Veröffentlichung genutzt, um der Musikerin einige Fragen zu den Hintergründen des Albums und der Band sowie zu ihrer künstlerischen Entwicklung zu stellen. Welchen Einfluss die heftigen Waldbrände in Kalifornien im Spätsommer 2020 auf die Entstehung der neuen Platte hatten, welche ihrer musikalischen Vorbilder man bei ILLUDIUM nicht vermuten würde und weshalb es aus ihrer Sicht nicht wichtig ist, als Hörer*in die Intention hinter einem Album zu kennen, erläutert Amundson im folgenden Interview.

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Laut eurem Label habt ihr euch nach dem Konzept des „Illud Tempus“ des Philosophen Mircae Eliade benannt. Was hat es damit auf sich und weshalb erschien es euch als passendes Aushängeschild für eure Musik?
In meinen frühen Jahren als Anthropologiestudentin fühlte ich mich sehr zu den Arbeiten von Mircae Eliade und Joseph Campbell hingezogen. Das war genau zu der Zeit, als ILLUDIUM gegründet wurde und ein Großteil unseres frühen Materials geschrieben wurde. Der Name für ILLUDIUM wurde von Eliades Konzept „Illud Tempus“ in seinem Werk „The Sacred And The Profane“ inspiriert, das sich auf die heilige Zeit bezieht. Für dieses Projekt bedeutet es eine Art nostalgisches Sehnen nach einem verlorenen Paradies, nicht nur im Sinne eines ursprünglichen Orts, sondern vielmehr als ein Grenzraum der Einheit und Erneuerung. Ich habe den Namen gewählt, weil er ein Gefühl dafür vermittelt, was ich in meiner Musik zu verkörpern versuche, und einen Zustand des Seins, den die Zuhörer zumindest in Betracht ziehen, wenn nicht sogar versuchen sollen, durch ihre Erfahrungen beim Hören unserer Musik zu entdecken.

Die meisten Menschen werden zwischen solchen abstrakten Konzepten und ihrem Alltag wohl keinen Zusammenhang erkennen. Inwiefern können derlei Überlegungen aus deiner Sicht dennoch Bedeutung im Leben haben?
Musik ermöglicht es uns oft, uns von den chaotischen Elementen in unserer äußeren Umgebung zu lösen und in eine persönlichere Atmosphäre einzutauchen, in der unsere Gedanken, Träume, Sorgen und Grübeleien lebendig werden. Manche Lieder und Alben können zum Soundtrack werden, zu einer Klangkulisse für unser tägliches Leben. Ich könnte ein Konzeptalbum in einer fremden Sprache hören („Sorni Nai“ von Kauan ist ein hervorragendes Beispiel), wenn ich mit dem Zug nach Hause fahre, und in diesem Moment nimmt die Musik eine ganz andere, persönliche Bedeutung an, die weit von der Idee entfernt ist, die der Künstler mit seiner Musik konzeptionell zu vermitteln suchte. Die Abstraktion ermöglicht es dem Hörer, seine eigene symbolische Erfahrung mit der Musik zu machen und sich in ihr zurechtzufinden, was dem Werk eines Künstlers eine ganz besondere Intimität verleiht.

Shantel AmundsonDen meisten Bands hört man ihre Vorbilder deutlich an. Dass du laut eurem Label vor allem von Smashing Pumpkins, Isis, Kate Bush und Cocteau Twins inspiriert wurdest, würden hingegen wohl nur wenige erraten. Wie kommt es, dass man bei euch doch eher an Emma Ruth Rundle oder Alcest denken würde?
Ich denke, es gibt einen großen Unterschied zwischen dem, was einen Künstler prägt, und dem, was sich aus seiner Musik entwickelt. Die meisten Musiker werden schon in jungen Jahren durch eine Vielzahl von Genres und Künstlern kreativ geprägt, die für eine bestimmte Epoche typisch sind. Sicher, Musiker, die Black Metal spielen, sind ganz offensichtlich vom Kanon der Künstler dieses Genres beeinflusst, sodass es für manche offensichtlich ist, woher ihre Einflüsse kommen. Aber viele dieser Künstler wurden in ähnlicher Weise von Künstlern außerhalb dieses Genres inspiriert, ihr Instrument zu erlernen. Für mich bilden Progressive Rock und die Alternative-Musik der 90er Jahre die Grundlage meiner Inspiration. Ohne Bands wie King Crimson oder Deftones wäre ich keine Musikerin. Künstlerinnen wie Kate Bush und Liz Fraser haben mich ebenfalls schon früh dazu inspiriert, mich einfach als Musikerin zu sehen und zu identifizieren, die in der Lage ist, ihre eigene Macht zu halten und ihren eigenen Weg zu finden, um als weibliche Musikerin in einer historisch männlich dominierten und sexistischen Branche innovativ zu sein.

Ihr steht nun seit kurzem bei dem deutschen Underground-Label Prophecy Productions unter Vertrag – nicht unbedingt die offensichtlichste Wahl für eine amerikanische Band. Wie seid ihr an das Label geraten?
Ich glaube, Martin Koller wurde durch einen Auftritt bei Thirst for Light V auf uns aufmerksam. Prophecy Productions ist seit langem eines meiner Lieblingslabels und wir hatten gerade begonnen, an dem neuen Album zu arbeiten, also fühlten wir uns natürlich geehrt und waren sehr begierig darauf, eine Beziehung mit ihnen aufzubauen.

Ihr habt euer neues Album „Ash Of The Womb“ während der heftigen Waldbrände in Kalifornien im Spätsommer 2020 geschrieben. Habt ihr die Katastrophe hautnah miterlebt? Wie haben die Brände eure Leben beeinflusst?
Jeder von uns, der an der Westküste lebt, hat diese Brände auf seine Weise erlebt. Wenn auch nicht direkt, so haben wir doch alle Freunde oder Familienangehörige gekannt, deren Zuhause evakuiert wurde, die ihre Häuser verloren haben oder während dieser anhaltenden Katastrophe vertrieben wurden. Wir alle kennen den Geruch von Brandrauch und Asche, die vom Himmel fällt, nur zu gut. Die Jahreszeiten der Brände verschmelzen zu einem einzigen Albtraum, der, wenn wir Glück haben, zu bestimmten Zeiten des Jahres ruht (derzeit wütet ein Waldbrand südlich meines Heimatbezirks mitten im Winter). Es ist etwas, das das Leben fast aller Menschen an der Westküste beeinflusst hat, und es gibt eine unterschwellige Strömung von Angst und Furcht vor der Rückkehr jeder neuen Jahreszeit.

Obwohl „Ash Of The Womb“ unter schlimmen Bedingungen entstanden ist, die sich allein schon auf dem Artwork abzeichnen, klingt es an vielen Stellen doch überraschend friedlich oder zumindest tröstlich. Wie konntest du dir diese Sanftmut bewahren?
Ich kehrte zu den Erinnerungen und heiligen Orten meiner Kindheit zurück, um mich inspirieren zu lassen und Zuflucht zu finden, wenn es mir schwer fiel zu atmen. Trotz der Tragödie, die diese Erde und ihre Bewohner durchgemacht haben, entsteht aus der Asche immer wieder neues Leben, wie wiedergeborene Hoffnung. Diese Harmonie zwischen den dunklen und den sanften Aspekten des Albums soll den Frieden widerspiegeln, der in Zeiten großer Unruhen existiert, auch wenn er schwer zu finden ist.

Der Albumtitel scheint sich auf den Tod zu beziehen, rückt mit „womb“ („Gebärmutter“) aber auch etwas biologisch Weibliches in den Fokus. Welche Überlegung steckt hinter dieser Wortwahl?
Es gibt eine unerzählte Geschichte zu diesem Album, die ich wahrscheinlich irgendwann einmal erzählen werde, aber im Moment habe ich mich entschieden, mich weniger auf meine persönlichen Erfahrungen mit Geburt und Tod zu konzentrieren, in der Hoffnung, zu zeigen, wie sehr diese beiden Prozesse miteinander verwoben sind. Der Titel fasst alles zusammen, worum es auf dem Album konzeptionell geht, aber mit dem Fokus auf die eher biologischen Komponenten begrüßt er die Qualen und den Verlust, die oft mit der Geburt einhergehen. Abgesehen von einigen der offensichtlicheren Themen ist das Überleben für mich unter den Themen auf „Ash Of The Womb“ das Wichtigste, und ich habe das Gefühl, dass dies etwas ist, mit dem wir uns alle im Moment außerhalb des Kontexts der Fortpflanzung identifizieren können.

Shantel Amundson

In Rock und Metal sind Frauen immer noch unterrepräsentiert, wenn eine Band doch mal weiblich geführt wird, wird das mitunter zum Gimmick hochstilisiert (Stichwort „Female-Fronted Metal“). Hat die Szene aus deiner Sicht Aufholbedarf in puncto Inklusion?
Wir haben noch einen langen Weg vor uns, was Inklusion und Repräsentation in der Musik angeht. Ich verstehe und respektiere, dass einige den Begriff „Female-Fronted“ verwenden wollen (obwohl ich finde, dass er hauptsächlich von Cis-Männern in der Branche verwendet wird), aber ich persönlich bin nicht daran interessiert, meine Musik auf diese Weise zu bewerben. Um ehrlich zu sein, ist es für mich ich jedes Mal cringe, wenn ich das Wort „Female-Fronted“ höre. Oft wird von Fachleuten angenommen, dass ich nur eine Sängerin bin oder dass ich eine Band für andere männliche Musiker leite. Es wäre ein Traum von mir, dass die Leute nur meine Musik hören und fühlen und ich die meisten Elemente meiner Identität für mich behalte, aber ich habe das in der Vergangenheit mit Projekten versucht und es gibt ein gewisses Maß an Transparenz darüber, wer ich als Individuum bin, das ich durch meine Kunst vermitteln möchte.

„Ash Of The Womb“ klingt produktionstechnisch um einiges besser abgerundet als „Septem“. Wie seid ihr diesbezüglich vorgegangen?
Ich denke, dass ich bei beiden Alben gerne mehr Zeit in die Produktion gesteckt hätte, aber bei unserer ersten Veröffentlichung ist es am offensichtlichsten. Unser Ziel war es, ein sehr rohes und organisches Album aufzunehmen, und es wurde nicht viel darüber nachgedacht, Ambient-Passagen zu kreieren oder Samples für die Texturen hinzuzufügen. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt schon eine Weile an dem Material gesessen, und Greg und ich wollten wirklich mit neuem Material, das wir zu schreiben begonnen hatten, vorankommen, also ging es bei „Septem“ wirklich darum, zu feiern, wo wir zu diesem Zeitpunkt als Musiker und Kollaborateure angelangt waren.

Wie denkst du rückblickend über euer erstes Album?
Ich habe gemischte Gefühle, aber im Großen und Ganzen hat es viel Kraft und Verletzlichkeit gekostet, „Septem“ herauszubringen. Beide Alben haben einen gewissen Grad an Rohheit und Unvollkommenheit, und ich bin mir sicher, dass viele Künstler zustimmen werden, dass man Alben oft einfach fertigstellen und veröffentlichen muss, da sonst die Feinabstimmung und das Neuarrangieren von Songs ein endloses Unterfangen sein kann. Es gibt ein paar Songs, auf die ich wirklich stolz bin, und ein paar, die ich mir nur ungern anhöre, aber insgesamt hat das Album einen besonderen Platz in meinem Herzen.

Illudium - Ash Of The Womb CoverIn Artworks und Musikvideos setzt ihr wie viele andere Bands auf eine Schwarz-Weiß-Optik. Warum passt diese Ästhetik aus deiner Sicht zu euch?
Das ist etwas Besonderes für dieses Album, das ich genutzt habe, um zwei Konzepte nebeneinander zu stellen, die normalerweise nicht miteinander in Verbindung gebracht werden: Geburt und Sterblichkeit, Tod und Regeneration. Überall an der Westküste – in Kalifornien, Oregon und Washington – gibt es Orte, die vor neuem Leben strotzen, inmitten einer vom Feuer verkohlten und geschwärzten Landschaft. Es ist ein surrealer Anblick. Ich habe Daniel Hart von Festering Wounds für einen Großteil des Artworks zu dieser Veröffentlichung engagiert, da sein visueller Stil und seine Vorliebe für Schwarz-Weiß-Fotografie sehr gut zu der Vision und Ästhetik dieses Albums passen.

Oberflächlich betrachtet ist „Ash Of The Womb“ ein typisches Post-Rock-Album, erst bei genauem Hinhören bemerkt man Besonderheiten wie zum Beispiel die Synthesizer in „Soma Sema“. Stört es dich, dass manche Leute euch deswegen vielleicht vorschnell als beliebig abtun?
Wenn ich ehrlich bin, habe ich bisher noch keine dieser Äußerungen gehört. Es war wirklich faszinierend für mich, das Feedback von Kritikern oder Leuten aus der Branche zu hören, die versucht haben, uns in ein bestimmtes Genre zu stecken, was sie bei dieser Veröffentlichung hören. Aber letzten Endes stören mich Kritiken oder Genrebezeichnungen, mit denen ich nicht einverstanden bin, nicht, jeder hat ein Recht auf seinen eigenen Geschmack und seine eigene Meinung.

Wie siehst du selbst diese Sache – muss Musik einzigartig sein, um deine Aufmerksamkeit zu erregen oder dich zu begeistern?
Ich denke, in der Vergangenheit war das definitiv der Fall, da ich mich in der Vergangenheit von Mainstream-Genres abgewandt habe, um progressivere und experimentellere Künstler zu hören. Ich bin ziemlich wählerisch, wenn es darum geht, was ich höre, aber heutzutage gibt es eine Menge Künstler, die mich anziehen, über die viele Leute wahrscheinlich die Nase rümpfen würden.

Im Vergleich zu anderen Post-Rock-Bands scheint ihr nur selten Effekte wie Reverb und Delay einzusetzen. Denkst du, dass es in diesem Genre zu viel Effekthascherei gibt?
Niemals. Gebt mir alle satten Töne. Ich bin ein absoluter Fan von Reverb-lastiger Musik, obwohl ich denke, dass die Unverwechselbarkeit hier einen großen Faktor darstellt. Ein gutes Beispiel dafür sind Bands wie DIIV, Pinkshinyultrablast und Holy Fawn. Ihre Musik ist natürlich ziemlich effektlastig, aber ich finde das Songwriting und die melodischen Arrangements dieser Bands sehr einzigartig. Natürlich experimentieren Bands aus dem Post-Rock- oder Shoegaze-Spektrum mit Tönen und Texturen in ihrer Musik, und es gibt eine ganze Reihe von Bands, die es übertreiben. Aber es gibt auch Fälle, in denen man es mit dem Hall geschmackvoll übertreiben kann.

Habt ihr bereits weitere Pläne für ILLUDIUM?
Im Moment liegt die Priorität auf dem Songwriting und wir sind schon ziemlich weit mit unserer nächsten Veröffentlichung. Angesichts des aktuellen Covid-Klimas war es für uns logistisch unmöglich, irgendwelche Touren zu planen, aber wir haben einige Ankündigungen in der Hinterhand, von denen ich glaube, dass viele unserer Fans sehr begeistert sein werden. Ich kann mit Sicherheit sagen, dass ein großer Teil unserer Fans uns 2023 sowohl in den USA als auch im Ausland sehen können wird.

Ich möchte mit dir zum Abschluss noch ein kurzes Brainstorming durchgehen. Was fällt dir zu den folgenden Begriffen ein?
Ich antworte mit dem ersten, was mir in den Sinn kommt, in ein paar Worten oder einem einfachen Satz. Los geht’s!
Nachhaltigkeit: Wechselseitige Beziehungen
Schreigesang: Kann redundant oder einer der gefühlvollsten Aspekte des Metal sein.
Winter in Kalifornien: Waldbrände an der Küste, mitten in der Saison.
Worauf du als Musikerin besonders stolz bist: Dieses Album und die ganze Arbeit, die alle Beteiligten hineingesteckt haben.
Recht auf Abtreibung: Ist genau das.
ILLUDIUM in fünf Jahren: Ich kann das noch nicht abschätzen, aber ich hoffe, dass wir noch ein paar Alben und einige große Touren hinter uns haben werden.

Zum Abschluss nochmals ein Dankeschön für deine Antworten. Möchtest du noch ein paar letzte Worte hinzufügen?
Vielen Dank für eure Zeit und wie immer unseren Fans für ihre Unterstützung! Wir sind sehr überwältigt von der bisherigen Resonanz auf das Album und sind jedem, der das Album in die Hand genommen hat und uns auf dieser Reise begleitet hat, unendlich dankbar.

Publiziert am von Stephan Rajchl

Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

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