Interview mit Stu Block von Iced Earth

ICED EARTH befinden sich anlässlich der Veröffentlichung von „Plagues Of Babylon“ auf ausgedehnter Welttournee. Wir haben den Stopp in Hamburg genutzt und uns mit Sänger Stu Block über die Tour, das kommende Bandjubiläum und das neue Album unterhalten. Außerdem redet sich  der kanadische Ausnahemsänger über persönliche Freiheit und Menschenrechte in Rage. Lest selbst!

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Ihr seid bereits eine ganze Weile auf Tour. Wie lief es bisher?
Es läuft verdammt gut und es ist schön wieder unterwegs zu sein, um eine richtig lange Headliner-Tour zu spielen, mit viel Zeit für Songs vom neuen Album und auch für Klassiker. Es scheint, dass die Mischung dem Publikum gefällt und wir hatten bisher eine schöne Zeit auf der Bühne.

Und wie war die Reaktion der Fans auf die Lieder von „Plagues of Babylon“?
Die ersten Reaktionen waren wirklich gut. Wir haben mit der Tour im Januar begonnen, als das Album gerade erst veröffentlicht wurde. Uns war bewusst, dass die Fans noch nicht so gut mit den neuen Stücken vertraut sind und sie noch verinnerlichen mussten. Aber es gab zum Album einen Vorgeschmack auf Spotify und es gibt immer Die-Hard-Fans, die die Songs von Beginn an mitsingen können. Desto länger die Tour dauert, desto mehr Fans singen mittlerweile bei den neuen Stücken mit, und es werden immer noch mehr.

Euer Tourplan macht einen sehr ambitionierten Eindruck. Ihr spielt mit Europa, Australien, Nord und Südamerika gleich auf vier Kontinenten. Gibt es zwischen den einzelnen Stationen so etwas wie eine Pause?
Iced Earth Block IV aNein, keine direkte Pause. Wir spielen jetzt quer durch Europa bis nach Russland und haben dann eine freie Woche, in der wir nach Hause zu unseren Familien können, bevor es wieder weiter geht nach Australien. Wir spielen dann in Australien, Neuseeland, danach weiter in Südamerika und dann in Nordamerika. Nach dem Abschnitt in Nordamerika geht es dann direkt weiter mit den Sommerfestivals. Es wird vielleicht immer mal ein oder zwei freie Wochen geben, in denen wir in die Heimat fliegen können, aber es ist auch noch einiges in Planung. Momentan sind wir bis in den August hinein ziemlich ausgebucht.

Ist das nicht ziemlich anstrengend?
Ja, das ist es sicherlich, aber es ist nun mal das, was wir tun wollen und lieben. Es ist schon hart, so lange von der Familie getrennt zu sein, aber wir sind Krieger und wir wollen raus und auf die Bühne. Wenn wir wirklich mal für einen Monat oder länger zu Hause sind, dann fangen wir schon an zu überlegen, wann wir endlich wieder auf Tour gehen. Das ist natürlich ein zweischneidiges Schwert.

Ihr habt auf dieser Tour ein neues Gesicht dabei, wie klappt das bisher?
Ja, das neueste Gesicht ist John Dette am Schlagzeug. Er hilft uns auf der Tour aus. Ich weiß nicht, ob man ihn schon als festes Besetzungsmitglied bezeichnen kann, aber wir werden sehen, wie es weitergeht.

Musstet ihr dadurch eine Menge proben oder ging es auch so?
John lernt neue Songs wirklich sehr schnell, auch wenn es eine solche Menge war wie hier. Wir haben ungefähr anderthalb Wochen zusammen im Proberaum verbracht und zusätzlich hatten wir noch einen Monat zu Haus, so dass er auch einen Monat für sich alleine hatte, um die Songs zu lernen. Insgesamt macht das also einen Monat und anderthalb Wochen – das war alles, was wir hatten. (lacht)

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Okay, dann lass uns ein wenig über das neue Album „Plagues Of Babylon“ und den Konzept-Teil zum Anfang des Albums reden. Warum habt Ihr diese Form gewählt und warum ausgerechnet die „Babylon“-Thematik?
Also, Jon und ich mögen beide Horrorfilme, Science-Fiction und Zombiefilme, und wir haben gedacht, wir könnten diese ganze Zombie-Apokalypse-Thematik nutzen und sie in das „Something-Wicked-Universum“ übertragen. Wir verbanden also die Thematiken, um die Geschichte am Anfang des Albums in den ersten sechs Songs zu erzählen. Es ist wirklich cool geworden. Die weiteren Songs sind dann losgelöst und stehen für sich selbst. Es hat echt viel Spaß gemacht, diese Songs zu schreiben.

Aber war es von Beginn an klar, dass ihr die sechs Stücke zusammen- hängend an den Anfang stellt?
Ja, wir wollten mit dem Konzept starten und dann weiter machen. Wisst ihr, es hat etwas von einer A- und einer B-Seite, wie alte Rush-Alben, wo die erste Seite ein Konzept hatte und die zweite Seite losgelöste Songs besaß. Auf der ersten Seite wird eine Geschichte erzählt und auf der zweiten kann man ein paar andere Songs genießen.

Ihr habt für die Platte außerdem das erste Mal in Deutschland aufgenommen. Normalerweise nehmt ihr in den Morrisound Studios auf, ist das richtig?
1899871_10152031533236647_1090805523_nJa, wir haben einige Sachen in den Morrisound-Studios aufgenommen, speziell „Dystopia“. Aber der Grund dafür, dass wir in Deutschland aufgenommen haben, waren eigentlich die Sommerfestivals. Wir hatten keine Lust, für die Aufnahmen jedes Mal in die USA zu fliegen, da es doch sehr ermüdend ist. Wisst ihr, du hast ständig Flugzeiten von neun, zehn oder elf Stunden, und da erschien es uns einfacher, Deutschland zur Heimatbasis zu machen und hier zu proben und noch einiges am Songwriting zum Ende zu bringen. Wir haben also für drei Monate unser Hauptquartier in Deutschland aufgeschlagen.

Und hatte die neue Umgebung eine besondere Bedeutung oder war es „Business as usual“?
Es war schon ein sehr gewohntes Arbeiten. Ich meine, es ist ein gewisser Bonus, wenn man eine gemütliche Arbeitsumgebung hat. Die Principal Studios befinden sich in einer Art Bauernhof, wodurch eine Menge Felder um uns herum waren.

Somit gab es nicht viel Ablenkung?
(lacht) Nein, nicht wirklich. Um uns herum war wie gesagt eine Menge Natur, viel Wald. Es gab aber eine kleine Stadt in der Nähe, wohin wir gehen konnten, wenn wir wollten. Eine schöne kleine Stadt mit einer Kneipe, das war schon ziemlich cool.

Wenn du die Hauptunterschiede zwischen „Plagues Of Babylon“ und „Dystopia“ benennen müsstest, welche wären das?
Ja gut, es sind neue Songs mit anderen Texten. (lacht) Wie gesagt, haben wir das neue Album mit einer A- und einer B-Seite ganz anders konzipiert. Ich habe in gewisser Weise versucht meine Stimme anders einzusetzen und damit einiges zu verändern. Ich würde sagen, die Musik spricht einfach zu uns und wir versuchen nicht, sie zu analysieren, dass wir dieses oder jenes jetzt anders machen müssen, oder wo genau die Unterschiede liegen.

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Also gab es im Voraus keine Entscheidung den Sound heavier zu gestalten? Das neue Album wirkt nämlich deutlich direkter.
Das liegt an der Thematik. Als wir uns für das Konzept der Zombie-Apokalypse entschieden haben, wollten wir natürlich nicht, dass das Material fröhlich klingt. So ist es heavier und böser geraten.

Es gibt auf „Plagues of Babylon“ aber auch zwei Coversongs und bei einem von ihnen habt Ihr zwei spezielle Gäste. Das ist ja doch ungewöhnlich für ICED EARTH. Zumindest habe ich so etwas bei euch noch nie gesehen. Wie kam die Zusammenarbeit zustande?
Wenn du über „Highwayman“ sprichst, ist es so, dass Jon diesen Song schon immer covern wollte und es war bereits in den letzten drei Jahren im Gespräch, als ich der Band beigetreten bin. Er hatte auch schon immer einige Leute dafür im Hinterkopf. Vor zwei Jahren waren wir dann mit Symphony X auf US-Tour und Russell (Allen, Sänger von Symphony X – Anm. der Red.) und ich sind schon lange befreundet, aber auch Jon und er wurden auf dieser Tour Freunde. Wir sind wirklich miteinander verbunden. Über die letzten drei bis vier Jahre wurden auch Michael Poulsen (Volbeat – Anm. d. Red.) und Jon sehr gute Freunde.
Die Gesichter hinter dem Original von „Highwaymen“ waren ja Waylon Jennings, Willie Nelson, Kris Kristoffersen und Johnny Cash, die sich alle als Musiker und ihre jeweilige Musik sehr respektiert haben. Das Gleiche gilt auch für uns, also für Michael, Russel, Jon und mich. Wir respektieren uns untereinander und es schien für uns, als wären wir die perfekten vier Teile in einem Ganzen. Jon hat dann Russell und Michael kontaktiert und gab ihnen ein paar Monate Zeit, darüber nachzudenken. Leider hatten sie keine Zeit für die Aufnahmen nach Deutschland zu kommen und so hat jeder für sich seinen Part eingesungen, bis alles zusammen kam. Das Ergebnis ist wirklich gut geworden.

Iced Earth Block IV bDer andere Coversong ist ein Stück von Sons Of Liberty, Jons anderer Band …
Ja, „Spirit Of The Times“, genau …
Das hat mich schon ein wenig überrascht, da ich immer dachte, Ihr wollt eine Abgrenzung zwischen ICED EARTH und Sons Of Liberty haben.

Ich weiß nicht, ob Jon direkt eine Grenze zwischen beiden Bands ziehen möchte, aber Sons Of Liberty sind definitiv direkter und schärfer in ihren Hauptaussagen. ICED EARTH hat diese Themen immer in gewisser Weise angeschnitten, aber sie eher in das Alltägliche verpackt , oder in das „Something Wicked-Universum“.
Ich kenne die genauen Gründe nicht, aber ich denke, er wollte, dass mehr Leute den Song hören und ihm mehr Aufmerksamkeit schenken. Ich halte es für eine großartige Entscheidung und „Spirit Of The Times“ hat mir wirklich Spaß gemacht. Außerdem steckt eine tolle Botschaft dahinter.

Hast du das Original oft gehört, bevor du ihn aufgenommen hast?
Lustigerweise ja. Das Stück war ja auf dem zweiten Album von Sons Of Liberty und als wir an „Dystopia“ arbeiteten und es geschrieben haben, schrieb Jon parallel auch an „Spirit Of The Times“. Dadurch habe ich den Song bereits ganz am Anfang kennengelernt, vom ersten Riff an. Ich war ebenfalls im Studio, als Jon ihn ausgearbeitet hat und es war wirklich toll, dass ich jetzt in gewisser Weise auch ein Teil davon sein konnte. Diesen Song zu singen hat Spaß gemacht, und wie gesagt: Die Aussage ist wirklich gut.

Wo du die Aussage des Songs ansprichst: Wir in Europa diskutieren momentan sehr lautstark über die ganze „Edward-Snowden-Internetüberwachungs“-Geschichte. Viele Menschen hier feiern Snowden als Held. Man hat aber das Gefühl, dass es in den USA nicht so ist. Uns würde daher interessieren, wie deine Meinung dazu ist, wenn du an diesen Song denkst und das wofür Sons of Liberty stehen, was ja hauptsächlich die persönliche Freiheit ist.
Ich bin zwar Kanadier, aber die gleichen Dinge passieren ja auch in meinem Land, was diese eben diese Überwachung betrifft. Ich denke, ohne jetzt zu tief in die Thematik einzusteigen, dass er ein großer Mann ist, wenn es darum geht, für das einzustehen, was man als richtig empfindet. Ich finde es wirklich toll, dass viele Menschen und viele Länder ihm geholfen haben. Er ist ein Mann, über den man irgendwann bestimmt einen Film machen kann, so interessant ist die Geschichte. Ich bin jemand, der an die persönliche Freiheit glaubt – ich möchte nicht im Badezimmer überwacht werden. Es gibt gewisse Freiheiten, die die Menschen in ihrem Leben brauchen und die ihnen Vernunft geben. Freiheit ist, aus meiner Sicht, mehr als einfach nur ein Recht, das die Menschen haben sollten. Vielmehr hat sie Einfluss auf die Psyche und auf die Art, wie du lebst. Wir haben überall Überwachungssysteme und jeder hat Kameras an jeder Ecke, sodass man kann sich dem nicht wirklich entziehen kann. Wenn man zu Hause in seinen eigenen vier Wänden ist, gibt es Fernsehgeräte mit Kameras, die auch noch mit dem Internet verbunden sind. Wer weiß, ob diese Leute nicht auch in unsere Wohnzimmer schauen! Die Entwicklung der Technik wird mehr und mehr angsteinflößend. Wir haben Kameras an der Vorderseite unserer Telefone und wer weiß, ob die nicht auch den ganzen Tag aufzeichnen. Das sorgt schon dafür, dass man sich unwohl fühlt und hat natürlich Auswirkungen auf deine Psyche. Es ist eine Art Schneeballsystem.

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Ich bin in diesen Dingen zwar nicht so bewandert wie Jon, aber ich glaube an die persönliche Freiheit –  auch an die Freiheit eine Waffe zu besitzen und sich und seine Familie zu beschützen. Ich denke, wir haben das Recht, ob nun mit oder ohne Waffe, dafür zu kämpfen, wenn jemand in mein Haus einbricht und mich bestehlen will oder meine Frau vergewaltigen will, mich zu verteidigen und nicht abzuwarten, bis derjenige fertig ist, und danach dann die Polizei zu rufen. Das wird mir nicht passieren. Es gibt eben gewisse Rechte und diese werden den Menschen leider jeden Tag immer mehr aus der Hand genommen, was wirklich beängstigend ist.

Das sollte es dann jetzt auch gewesen sein mit der Politik. 2014 bzw. 2015, leider ist das Internet da nicht sehr genau, ist ein wichtiges Jahr für ICED EARTH beziehungsweise Purgatory (ursprgl. Name d. Band – Anm. d. Red.), da ihr euer dreißigjähriges Jubiläum feiert. Gibt es schon spezielle Pläne?
Das kommt jetzt sehr überraschend. Ich würde sagen 2015 ist richtig, aber ich habe noch nichts diesbezüglich gehört. Ich denke, Jon hat da sicher schon eine Idee. Er ist in solchen Dingen sehr kreativ und hat sicherlich schon etwas in seinem Kopf herumschwirren. Aber es ist auf jeden Fall eine starke Leistung, so lange dabei zu sein.

Einmal unabhängig davon – in den letzten Jahren haben viele Bands Akustik-Alben veröffentlicht, wie Saxon. Wäre das auch eine Idee für ICED EARTH?
Das ist alles im Raum des Möglichen. Ich weiß, dass Jon so etwas schon einmal erwähnt hat, aber momentan gibt es so viele andere Dinge zu tun und wir müssen dann erst mal die Zeit finden. Wir haben ja auch eben erst ein Album veröffentlicht (lacht) und wollen jetzt erst mal die Tour spielen. Danach müssen wir darüber reden, was wir tun werden.

IE München 3Viele Bands haben ja auch ganze Setlists für ihre Touren oder die Festivals durch die Fans bestimmen lassen. Ist das auch eine Idee für euch?
Ich habe keine Ahnung. Ich habe noch niemanden darüber reden hören, aber ich finde die Idee toll. Ich hoffe natürlich, dass wir dann nicht zu viel proben müssen und hoffentlich ist es nicht eine Liste von Songs, die niemand mehr in den letzten 20 Jahren gespielt hat. (lacht) Die jetzige Setlist wurde übrigens von Michael Poulsen zusammengestellt, als wir mit Volbeat auf Tour waren. Anfangs kam er mit ungefähr vier Seiten mit circa 50 Songs darauf an.
Die Setlist die wir heute Abend hören werden, also die Setlist für diese Tour?
Ja, es sind eine Menge der Songs dabei, die Michael ausgesucht hat.

Okay, damit wären wir am Ende angelangt. Wir sind gespannt auf die Show heute Abend und vielen Dank das du dir die Zeit genommen hast.
Vielen Dank. Ja, es wird hoffentlich ein schöner Abend heute.

Anmerkung: Die Livebilder stammen nicht aus Hamburg, sondern vom Auftritt in München wenige Tage zuvor.
Mehr Bilder aus München findet ihr in unserer Facebook-Galerie.

Zum Konzertbericht aus München >>

Publiziert am von Christoph Ilius und Marc Lengowski

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