Mit „Oathbreaker“ haben die amerikanischen Melodic-Black-Metaller HOTH 2014 ein atemberaubendes, von Star Wars inspiriertes Konzeptalbum herausgebracht. Die nicht minder gelungene Nachfolgeplatte „Astral Necromancy“ zeigt das Duo von einer neuen Seite: Die merklich finstereren und geradlinigeren Songs folgen diesmal keiner fortlaufenden Geschichte, obwohl das Album eine bestimmte Grundthematik in sich trägt. Worin sich die Platte sonst noch von „Oathbreaker“ unterscheidet, wodurch sich HOTH stilistisch auszeichnen und warum die Band nicht live auftritt, erfahrt ihr im folgenden Interview.
Ich grüße dich! Vielen Dank, dass du dir die Zeit für dieses Interview nimmst. Wie fühlst du dich?
Danke für die Gelegenheit für dieses Interview! Die Dinge laufen gut! Für uns war es ein großes Jahr mit der Veröffentlichung unseres Albums. Es war schön, endlich zu zeigen, woran wir in den letzten vier Jahren gearbeitet haben. Insgesamt war 2018, wenn schon nichts anderes, ein großartiges Jahr für Metal-Musik.
Grundsätzlich spielt ihr mit HOTH Melodic Black Metal, allerdings mit einem großen Wiedererkennungswert. Welche Aspekte sind deiner Ansicht nach charakteristisch für euren eigenen Stil?
Wenn wir für HOTH schreiben, versuchen wir, durchdachte Melodien zu kreieren – nicht nur Ohrwürmer, sondern etwas, das gut konstruiert ist. Wir versuchen auch, den Gesang verständlich zu halten und die Worte so zu sprechen, dass man trotz des Screamings immer noch der lyrischen Geschichte folgen kann, die wir erzählen. Ich würde nicht sagen, dass wir das Rad mit unserem Stil neu erfinden, aber wir versuchen, etwas Neues zu schaffen, mit dem Ziel, die Art von Musik zu machen, die wir hören wollen.
Wie euer Bandname schon verrät, habt ihr euch in euren Texten ursprünglich auf das Star-Wars-Universum bezogen. Mittlerweile ist es jedoch nicht mehr so eindeutig. Seid ihr dem Ganzen inzwischen entwachsen oder kann man immer noch Verweise darauf finden?
HOTH als Planet aus Eis, Schnee und Kälte ist doch die perfekte Bildsprache für eine Black-Metal-Band, nicht wahr? Ich würde nicht sagen, dass wir aus Star Wars herausgewachsen sind, aber wir haben das definitiv hinter uns gelassen, um uns lyrisch neu inspirieren zu lassen. Wir haben andere Ideen und Interessen, die wir musikalisch ausdrücken wollen. Alle Hinweise, die man bei uns vielleicht bemerkt, sind Beweise für die mythologische Natur der Star Wars-Geschichten, in denen man Archetypen und zeitlose Geschichten findet.
Eure Texte sind nach wie vor im Sci-Fi-Bereich gelegen. Was hältst du demgegenüber von Black-Metal-Bands, die strikt über ihre Überzeugungen, ihren (Nicht-)Glauben oder andere ernste Konzepte besingen?
Metal ist theatralisch, Black Metal sogar umso mehr. Ich würde nicht sagen, dass das Singen über Satan mehr oder weniger ernst ist, als das Erfinden von lyrischen Sagen, die in Fantasy oder Science Fiction wurzeln. Es gibt vieles, wovon man sich lyrisch inspirieren lassen kann, und ich begrüße eine Vielfalt von Black-Metal-Bands, das bedeutet mehr gute Musik für alle.
Siehst du Musik generell ausschließlich als Unterhaltung an oder kann sie deiner Meinung nach auch mehr sein?
Musik ist Unterhaltung, wenn man es ganz simpel betrachtet, aber sie ist so viel mehr als das. Musik kann spirituelle Energie enthalten. Musik ist eine schöne Kunst. Musik ist der Ausdruck oder die Meinung eines Künstlers. Musik ist meiner Meinung nach eine unglaubliche Kunstform und ein unglaubliches Ausdrucksmittel. Ob jemand unsere künstlerischen Kreationen „unterhaltsam“ findet oder nicht, ist dem primären Zweck des Ausdrucks völlig untergeordnet.
Wenn du Musik zu deinem Hauptberuf machen könntest, würdest du es tun?
Wenn ich für andere Menschen Musik machen müsste, nach ihren Kriterien, wahrscheinlich nicht. Aber wenn ich einfach nichts anderes arbeiten müsste und meine eigene Musik machen könnte, ohne jemand anderem verpflichtet zu sein, absolut.
Für euer aktuelles Album „Astral Necromancy“ habt ihr neue Techniken ausprobiert, um euch weiterzuentwickeln. Kannst du uns ein konkretes Beispiel dafür geben?
Sicher, wir haben uns neue Geräte geholt, darunter eine neue Gitarre, ein neues MacBook, neue Audio-Plugins. Im Grunde genommen ist die Basis, auf der das Album entstand, ein völlig neues Equipment. Die ersten Demos von „Astral Necromancy“ wurden alle mit der gleichen Ausrüstung von „Oathbreaker“ kreiert, und wir dachten, wir müssen uns weiterentwickeln und verbessern.
Wir haben uns außerdem ein wirklich professionelles Mastering von Mika Jussila im Finnvox Studio geleistet.
Wir haben einen kritischeren Ansatz beim Songwriting gewählt und den Zweck jedes Teils eines jeden Songs in Frage gestellt, um die Dinge wirklich auf die guten Parts zu reduzieren. Es gibt zwei oder drei Demo-Tracks, die wir auf dem Album nie verwendet haben. Einige Songs wurden mehrmals aufgenommen, um die Dinge genau so klingen zu lassen, wie wir es wollten.
Mir sind beispielsweise die kalten Keyboards auf „The Horrid Truth“ und die Clean-Vocals auf „Vengeance“ und „Journey Into The Eternal Winter“ aufgefallen. Warum habt ihr gerade diese Stilmittel für exakt diese Songs ausgewählt?
Beim Schreiben von Musik fühlt sich etwas oft einfach richtig an – zum Beispiel in „Journey Into The Eternal Winter“ schien ein klar gesungener Refrain einfach die natürliche Ergänzung zu dem zu sein, was der Song zu diesem Zeitpunkt verlangte. Wir nahmen eine grobe Version auf, entschieden, dass uns die Ästhetik gefällt und nahmen sie in der von uns gewünschten Qualität neu auf. Die kalt klingenden Keyboards sind sorgfältig kalkuliert, denn bei HOTH haben wir immer versucht, eine kalte Atmosphäre zu schaffen, und die Wahl des perfekten Keyboard-Patchs ist dafür entscheidend, aber man darf es auch nicht übertrieben.
„Ad Inane Precatio“ ist ein Zwischenspiel mit sakral anmutendem Chorgesang. Welchen Zweck hat dieses Interlude im Kontext des Albums?
Ursprünglich wurde dieser Track als Intro konzipiert, er ist von gregorianischen Gesängen und isländischen Hymnen inspiriert. Schließlich wurde es zu einem Zwischenspiel, weil es zu diesem Zeitpunkt besser auf das Album passte. Ein kurzes Chorstück überrascht den Zuhörer und lässt ihm auch etwas Zeit, um über die akustische Reise nachzudenken, die er begonnen hat, bevor er wieder in sie hineingeworfen wird. Wir haben uns entschieden, es zu einem Chorstück zu machen, anstatt eines Ambient-Stücks mit Keyboards oder Soundeffekten, weil es gut zu unseren Texten über einen Weltraum-Nekromanten passte, der arkane und verbotene Überlieferungen studierte, um um jeden Preis Unsterblichkeit zu erlangen.
Die Songs scheinen im Allgemeinen auch etwas kompakter zu sein als auf dem Vorgänger. Habt ihr bewusst darauf geachtet, dass ihr nicht zu sehr ausschweift?
Auf jeden Fall. Wir wollten bei jedem Song so viel unnötiges Fett wie möglich entfernen. Wir wollten, dass sie alle schlank in ihrem Aufbau sind und jeder Teil einen Zweck hat. Wir wollten nicht, dass sich Segmente von Songs ohne Bedeutung hinziehen.
Wenn du jemandem nur einen einzigen Song eurer neuen Platte vorspielen könntest, um dem- oder derjenigen einen Eindruck davon zu vermitteln, welchen würdest du wählen und warum?
„The Void Between The Stars“, weil er die dynamischste Komposition hat und ein persönlicher Favorit von mir ist.
Während „Oathbreaker“ eine fortlaufende Geschichte erzählte, ist die Stimmung auf „Astral Necromancy“ mehr oder weniger konstant. Was ist der Grund dafür?
Es war interessant, eine lineare Geschichte als Konzeptalbum zu schreiben. Aber es erlegte uns gewisse Einschränkungen auf, mit denen wir nicht ganz zufrieden waren. Ein „thematisches“ Album zu haben, aber ohne einen linearen Zeitrahmen, ließ uns einen immensen Freiraum, um neue Ideen umzusetzen. „Astral Necromancy“ soll ein Gefühl der Zeitlosigkeit vermitteln, das überall und jederzeit aus dem Kosmos herrühren könnte.
Ich habe das Gefühl, dass ihr in einigen Tracks mehr auf charakteristische Black-Metal-Ästhetik zurückgreift. Textlich etwa auf „Journey Into The Eternal Winter“ und musikalisch bieten sich zum Teil Vergleiche mit Immortal an. Siehst du das auch so und falls ja, warum?
Es gibt einige Gemeinsamkeiten. „Journey Into The Eternal Winter“ nutzt viele eisige, verschneite, kalte Bilder, die sich neben den Songs von „At The Heart Of Winter“ wie zu Hause fühlen würden. Aber ich denke, bei den lyrischen Bildern sind endet die Ähnlichkeit. Das Lied handelt vom Ende aller Dinge, allen Lebens, aller Existenz, in einer gefrorenen Ödnis. Die Texte sind teilweise von Kristian Wåhlins Artwork für Wintersuns selbstbetiteltes Debütalbum inspiriert.
Eure Alben sind stets sehr hochwertig produziert. Denkst du, eine Black-Metal-typische Low-Fi-Produktion würde nicht zu eurer Musik passen?
Obwohl ich Black Metal mit Lo-Fi-Ästhetik oftmals sehr mag, denke ich, dass wir unsere künstlerische Absicht in HOTH am besten mit einer hohen Produktionsqualität ausdrücken. Wir haben das Gefühl, dass wir eine gute Balance gefunden haben, und ich glaube nicht, dass wir wollen, dass die Dinge noch aufpolierter klingen.
Hast du den Eindruck, dass ihr durch euer neues Album mehr Fans gewinnen konntet? Und spielt das für euch eine Rolle?
Durch das neue Album konnten wir definitiv mehr Fans erreichen. Es ist immer schön zu wissen, dass die Menschen die Musik, die du kreierst, genießen. Fans, die das Album kaufen, unterstützen uns und ermöglichen es uns, in Zukunft mehr Musik zu machen. Allerdings ist es nicht wichtig, neue Fans zu gewinnen oder auch nur alte zu behalten. Wir machen diese Musik für uns selbst, aus eigenen Gründen, und wir teilen sie mit jedem, der zuhören will. Wir sind anderen nicht verpflichtet, so wie niemand verpflichtet ist, sich unsere Kunst anzuhören.
Das Artwork zeigt eine finstere, humanoide Figur im Weltraum. Könnte man sagen, dass es sich dabei um den Protagonisten des Albums handelt? Was genau hat es mit ihm auf sich?
Der Coverkünstler, Dusty Peterson, hat für diese Figur vielleicht seine eigene Erzählung. Wir jedenfalls haben ihn „den astralen Nekromanten“ genannt, also nehme ich an, in gewisser Weise ist er tatsächlich die Hauptfigur des Albums. Das Ziel des Artworks ist es nicht, einen bestimmten Moment der Geschichte des Albums zu zeigen, sondern beim Betrachten ein Gefühl beim Hörer hervorzurufen. Wir wollten, dass das Bild die Dunkelheit einfängt, die unser Album enthält. Wir möchten den Zuhörer einladen, zu entscheiden, was es repräsentiert, und für uns ist es ein Weltraumnekromant, ein unbekanntes, ewiges Wesen, das in einer zeitlosen Leere gefangen ist, vielleicht lebendig, vielleicht tot, vielleicht in der Vergangenheit, vielleicht in der fernen Zukunft, aber wer kann schon sagen, was du darauf siehst? Es ist ein absichtliches Rätsel, aber es gibt dem Zuhörer einen Kontext dessen, worum es in der Musik geht.
Kreiert wurde das Bild abermals von Dusty Peterson. Warum habt ihr ihn ein weiteres Mal damit beauftragt und habt ihr vor, bei ihm in Zukunft „Stammkunden“ zu werden?
Dusty hat das Artwork für unser 2014er Album „Oathbreaker“ erstellt und phänomenale Arbeit geleistet, sodass wir ihn schließlich baten, auch das Artwork für „Astral Necromancy“ zu machen. Es war sehr einfach, mit Dusty zu arbeiten, wir sagten ihm einfach, dass wir etwas wollten, das sich „dunkel“ und „kalt“ anfühlte, und wir gaben ihm einige frühe Demos und alle Texte, die wir bisher hatten, das waren eigentlich nur zwei oder drei Songs, und wir gaben ihm volle künstlerische Freiheit. Künstler gedeihen immer am besten, wenn man ihnen Freiheit gibt und die Ergebnisse sprechen für sich. Wir würden in Zukunft auf jeden Fall wieder mit Dusty zusammenarbeiten. Tatsächlich hat er sogar ein (inzwischen ausverkauftes) T-Shirt-Design für uns gemacht, zusätzlich zu den zwei Albumcovern.
Diesmal habt ihr erstmals über ein Label veröffentlicht. Warum nicht schon früher und wie seid ihr dann letztlich an Epicurus Records geraten?
Epicurus Records ist ein Label, das wir selbst gegründet haben, um unsere verschiedenen musikalischen Projekte herauszubringen, und die Projekte anderer, die bei uns in der Gegend von Seattle ansässig sind, an deren Musik wir glauben. Alle unsere bisherigen physischen Veröffentlichungen erfolgten über Epicurus. Durch Epicurus haben wir volle künstlerische Freiheit, um die Musik, die wir wollen, nach unseren eigenen Zeitvorgaben zu gestalten. Bisher hat es für uns recht gut funktioniert, obwohl es uns an der Reichweite und Promotion fehlt, die ein großes Label ermöglichen würde, sind diese Dinge im modernen Zeitalter der Musik mit dem Internet und der Mundpropaganda, die so viel mehr ausmachen, weit weniger wichtig.
HOTH war bisher ein reines Studioprojekt, nicht wahr? Habt ihr vor, eines Tages vielleicht auch mal live zu spielen?
Ja, HOTH war schon immer ein Studio-Projekt. Es mag Spaß machen, live zu spielen, aber wir haben keine Pläne dazu. Das Schlimmste, was HOTH je passieren könnte, ist eine Live-Show, die nicht der Qualität der Musik auf unseren Alben entspricht. Wenn wir es jemals machen würden, würden wir wollen, dass es perfekt ist.
Kommen wir nun noch zu unserem traditionellen Metal1.info-Brainstorming. Was kommt dir bei den folgenden Begriffen in den Sinn?
The Black Dahlia Murder: Ein paar nette Jungs, die auf „Slaughter Of The Soul“ abfahren.
Solo – A Star Wars Story: Ein lustiger Abenteuerfilm – im Weltraum.
Internet-Memes: Sozialismus
Außerirdisches Leben: Fermi-Paradoxon oder es wird sich als künstliche Intelligenz manifestieren.
Videospiele: Videospiele machen Spaß. Gamer nicht.
Politik in der Musik: Unvermeidlich. Künstler lassen immer ein Stück von sich selbst in ihre Arbeit einfließen.
Nun sind wir auch schon am Ende angelangt. Nochmals danke für deine Antworten. Die letzten Worte gehören dir:
Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast, uns nach unserer Musik zu fragen. Es ist etwas, das uns sehr am Herzen liegt. Ich genieße immer Interviews, bei denen wir Fragen bekommen, die uns noch nie zuvor gestellt wurden, es ist erfrischend. Unsere letzten Worte: Unterstützt lokalen Metal: Sucht euch ein Album auf Bandcamp aus und kauft es noch heute! Schaut euch diese Woche noch eine lokale Band live an!
Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
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