Interview mit Karl Hartwig von Hope Drone

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Mit „Void Lustre“, ihrem zweiten Album, haben die Australier HOPE DRONE ein beeindruckendes Album zwischen Black Metal, Sludge und Post-Rock vorgelegt, das die einige Monate zuvor erschienene Platte der mit ähnlichen Mitteln arbeitenden Downfall Of Gaia zwar nicht in den Schatten stellen konnte, aber ebenfalls auf äußerst hohem Niveau rangiert. Warum die Band es nicht nötig hat, sich als einzigartig darzustellen, welche Überlegungen hinter dem Titel des neuen Albums stecken und wie es zu der ersten Europatour der Band kam, erfahrt ihr im folgenden Interview mit Gitarrist Karl Hartwig.

Ihr spielt in erster Linie Post-Black-Metal – ein nach wie vor sehr beliebtes Genre, das von vielen Bands interpretiert wird. Was ist deiner Meinung nach die beste Herangehensweise, um in dieser Flut ähnlich klingender Bands nicht als bloße Kopie dazustehen?
Ich denke bei meiner eigenen Musik nicht an Genres, aber als wir diese Band gründeten, war das Genre, mit dem uns die Leute verbinden, hier (in Australien) weder beliebt noch besonders stark vertreten. Der Internet-Hype um das Genre wird meiner Meinung nach von der Musikpresse stark aufgebauscht. Wir lassen nicht zu, dass es unser Songwriting beeinflusst, wie andere unsere Musik wahrnehmen. Wir haben nicht den Wunsch, uns von einem Meer abzuheben, dem wir uns gar nicht zugehörig fühlen.

Eure Musik klingt sehr bedrückend, mitunter sogar verzweifelt. Inwiefern kann man darin deiner Ansicht nach trotzdem Katharsis finden oder daraus sogar Kraft schöpfen?
In unendlicher Weise. Sich selbst auszudrücken und anderen dabei zuzuhören, ermöglicht es uns, uns mit anderen zu verbinden und unsere Last zu teilen.

Euer neues Album trägt den Titel „Void Lustre“ (zu Deutsch: „Glanz der Leere“). Was hat man sich darunter vorzustellen?
„Void Lustre“ verfolgt die innere Reise von einem Erwachen hin zu einer existenzialistischen Weltanschauung bis in die Tiefen der unvermeidlichen Wahrheiten, die ein solches Erwachen mit sich bringt, über die Kämpfe, Sinn für das eigene Selbst zu definieren und Hoffnung angesichts von Verlust zu finden. Der Titel wurde durch das Artwork unseres Freundes Joscha (von der exzellenten Band Abest) inspiriert, nachdem wir ihm das Album und die Texte geschickt hatten, um das Artwork zu kreieren. Die Worte tauchten in meinem Kopf auf, als ich auf das Cover starrte, während ich die Platte hörte, und es hallte einfach in mir wider. Die Leere bezieht sich auf das verzweifelte Erbe der menschlichen Existenz, das in einem weitgehend leblosen Raum schwebt, und auf den Kampf gegen unseren unvermeidlichen Tod. Glanz ist ein Wort, das Schönheit und Licht ausdrückt, insbesondere die Art und Weise, wie das Licht von einem Mineral reflektiert wird, was sich für mich sehr ursprünglich anfühlt. Ich dachte, das repräsentiere das, was uns antreibt, zu existieren und es uns ermöglicht, dem Leben Sinn zu geben, unabhängig von unserem späteren Schicksal; Hoffnung, Ehrfurcht, Liebe und Beziehungen zu anderen.

Viele eurer Songtitel haben ein Bezug zu Wasser bzw. dem Meer. Was hat es damit auf sich?
Die Natur und die Elemente sind universelle Metaphern und bieten sich für die Musik, die wir spielen, und die Themen, die wir lyrisch ansprechen, an.

Die Vocals auf dem Album sind relativ eindimensional, man hört durchgehend heisere, nur schwer verständliche Screams. Aus welchem Grund hat eure Musik aus deiner Sicht mehr gesangliche Abwechslung nicht nötig?
Der Gesang steht im Gegensatz zu anderen Musikrichtungen in unserer Musik nicht im Mittelpunkt. Als solcher macht er nur einen kleinen Teil des Gesamtbildes aus. Nicht, dass wir dagegen wären, den Dingen Abwechslung zu verleihen, aber ich glaube auch nicht, dass es notwendig ist.

Wie wichtig sind dir die Texte im Vergleich zur Musik – könntest du dir vielleicht auch vorstellen, ein gänzlich instrumentales Album zu kreieren?
Die Texte sind wichtig. Ich glaube nicht, dass wir jemals ein komplett instrumentales Album unter dem Namen HOPE DRONE erschaffen würden, wir haben aber auch schon Songs ohne Gesang geschrieben.

Obwohl es auf dem Album durchaus ruhigere Passagen mit Clean-Gitarren und atmosphärischen Sounds gibt, spielt ihr doch überwiegend rauen Black Metal. Warum verlangte die Platte deiner Meinung nach gerade dieses Verhältnis von laut und leise?
Es ist einfach die Art und Weise, wie sich die Songs entwickelt haben. Wenn wir anfangen, eine Platte zu schreiben, haben wir oft bestimmte Vorstellungen davon, wie sie klingen soll, aber letztendlich führen uns die Songs dahin, wohin wir gehen sollen, wenn sie sich uns offenbaren.

Inwiefern habt ihr euch deiner Meinung nach in den letzten Jahren seit dem Release eurer vorherigen Platte als Band weiterentwickelt?
Ich denke, wir sind sehr viel reifer geworden, wenn man bedenkt, wie wenig Zeit wir haben, um unsere Musik mit dem Rest unseres Lebens in Einklang zu bringen. Unsere Entwicklung auf dieser Platte erfolgte eher im subtilen Bereich der feinen Details, wobei wir unsere Ideen und Ansätze beim Songwriting und bei der Aufnahme verbessert haben. Ausgehend von dem bisherigen Feedback haben einige Leute das wahrgenommen und andere nicht.

Wie schon auf „Cloak Of Ash“ sind die Songs auf „Void Lustre“ ziemlich lang. Dennoch ist Laufzeit insgesamt kürzer und kein Track überschreitet die 20-Minuten-Marke. Würdest du demnach sagen, dass euer neues Album geradliniger ist?
Ich denke, die durchschnittliche Songlänge ist immer noch länger als auf „Cloak Of Ash“, es sind eben weniger Songs und wir haben die 20-Minuten-Marke nicht ganz durchbrochen, obwohl der Abschlusstrack immerhin etwa 17 Minuten lang ist. Ich würde sagen, dass die neue Platte vielleicht etwas zugänglicher ist, da wir die Leute nicht mit einem 20-minütigen Song direkt am Anfang der Platte bombardieren. Das schien für einige Leute ein Hindernis zu sein.

„Forged By The Tide“ ist mit seinen sieben Minuten für eure Verhältnisse sogar ein ziemlich kompakter Track. Warum habt ihr gerade diesen Song nicht weiter ausgebaut?
Wir schreiben viele lange Songs, aber es ist nicht bloß zum Selbstzweck, dass wir sie so lang machen. Dieser Song brauchte einfach nichts mehr. Es macht die Live-Auftritte auch viel einfacher, da es schwierig sein kann, ein Set zusammenzustellen, wenn alle Songs, die man hat, etwa zehn Minuten dauern.

Ich habe den Eindruck, dass die Produktion eurer neuen LP fülliger und ausgewogener ausgefallen ist als auf der Vorgängerplatte. War das so von euch beabsichtigt und falls ja, aus welchem Grund?
Ich denke, unser Ansatz war dem des letzten Albums sehr ähnlich. Es wird nach wie vor überwiegend live aufgenommen, wobei der Schwerpunkt auf dem Erfassen unseres natürlichen Klangs liegt. Wir hatten diesmal nur etwas mehr Erfahrung darin und haben auch einiges von unserem Equipment ausgetauscht. Ich liebe es, auf diese Weise aufzunehmen und beabsichtige, unsere Abläufe für zukünftige Releases weiter zu optimieren.

Bist du mit „Cloak Of Ash“ rückblickend noch vollkommen zufrieden oder würdest du, wenn du die Möglichkeit hättest, noch etwas daran ändern?
Ich bin nie mit etwas zufrieden, aber ich kann auch verstehen, dass eine Platte ein Abbild eines Moments in der Zeit ist. Man kann nur nach vorne schauen.

In eurem letzten Interview mit uns habt ihr gesagt, dass ihr unter den richtigen Bedingungen gerne auch mal in Europa Konzerte spielen würdet. Inzwischen habt ihr das tatsächlich bewerkstelligt. Wie kam es schließlich dazu?
Wir haben im Jahr davor einfach eine E-Mail vom Amplifest in Portugal erhalten, in der wir gefragt wurden, ob wir daran interessiert wären, dort zu spielen. Wir konnten beim ersten Mal, als sie es uns angeboten haben, nicht spielen, aber im nächsten Jahr, als sie ihr Line-Up bekanntgaben, kamen wir wieder mit ihnen in Kontakt, zum Teil nur, weil ich Neurosis wieder sehen wollte und sie immer tolle Line-Ups haben. Davor waren wir mit Downfall Of Gaia in Australien unterwegs und haben uns mit ihnen angefreundet, also haben wir eine Tour mit ihnen rund um das Amplifest gebucht.

Welche Erfahrungen hast du von dieser Tour durch Europa in Erinnerung behalten?
Für die meisten von uns war es unser erstes Mal in Europa, also waren wir dankbar, die Kultur- und Musikszenen der Städte, in denen wir gespielt haben, zu erleben und uns mit unseren Freunden in Downfall enger anzufreunden. Da HOPE DRONE für uns eher ein kathartisches Hobby als eine Karriere ist, waren es auch bei weitem die meisten aufeinander folgenden Shows, die wir je gespielt haben, sodass wir die Gelegenheit hatten, so etwas wie eine gut geölte Maschine zu werden, die jeden Abend spielt.

Denkst du, dass ihr in absehbarer Zeit eine weitere Europatour auf die Beine stellen könnt?
Wir würden sehr gerne irgendwann wiederkommen, wenn sich die richtige Gelegenheit bietet.

Kommen wir zum Abschluss noch zu unserem traditionellen Metal1.info-Brainstorming. Was fällt dir zu den folgenden Begriffen ein?
Downfall Of Gaia: Gute Freunde.
Greta Thunberg: Eine junge Frau, die sich für ihre Werte und die objektiv vernünftige Sache einsetzt, sich um unseren unersetzlichen Planeten zu kümmern. Scheint mir ziemlich vernünftig zu sein.
Traditioneller Black Metal: Der Begriff ist für mich nicht wirklich relevant. Ich mag Bands und kümmere mich nicht besonders darum, ob die Leute sie als traditionell ansehen oder nicht. Das Gespräch darüber, welche Bands true sind oder nicht, ist sehr schnell sehr langweilig geworden.
Vegemite: Fein
Die Matrix Fortsetzung: Großartig für die Stuntpersonenindustrie.
Klargesang: Alle Arten von Gesang sind wertvoll.

Damit bedanke ich mich nochmal herzlich bei dir für dieses Interview. Möchtest du den Lesern an dieser Stelle noch etwas mit auf den Weg geben?
Kümmert euch um euch selbst und um andere.

Publiziert am von Stephan Rajchl

Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

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