Die New Yorker Metaller HITTMAN hatten Mitte der 80er das Große Glück, beim deutschen Label Steamhammer unter Vertrag genommen zu werden. Was klingt wie ein Ritterschlag, entpuppte sich kurze Zeit später als Pyrrhussieg, denn das U.S.-Büro der Plattenschmiede wurde noch vor Beginn des Promozyklus zur ihrem Debüt-Album dicht gemacht – an der Qualität der ihrer Musik kann es nicht gelegen haben, denn der einstige Ladenhüter gilt heute als Kult-Klassiker. Seit 2017 sind HITTMAN nun beinahe in Originalbesetzung wieder aktiv und habe mit „Destroy All Humans“ obendrein ein neues Album im Anschlag. Zeit, mit Sänger Dirk Kennedy und Gitarrist Jim Bacchi über den aktuellen Stand der Dinge zu sprechen.
Hallo Dirk und vielen Dank für dieses Interview! Ich hoffe, euch und euren Familien geht es in dieses seltsamen Zeiten gut?
Dirk: Uns geht es bestens, danke der Nachfrage! Wir sitzen die Sache jetzt aus und hoffen, dass die Dinge so schnell wie möglich wieder zur Normalität zurückkehren.
Jim: Vielen Dank! Ich hoffe, euch geht’s auch gut. Ich bin in Kalifornien und… wir kommen irgendwie klar. Diese COVID-Geschichte hat in mir die Kreativität beflügelt, um all dem Schlechten etwas entgegenzusetzen. Das ist meine Art, damit umzugehen.
HITTMAN haben zwischen 1988 und 1993 zwei Alben veröffentlicht, die von der Öffentlichkeit sehr gut aufgenommen wurden. Erzählt uns doch, was zum Neustart der Band im Jahr 2017 führte!
Dirk: Wir scheinen bei Kritikern und Fans immer ganz gut angekommen zu sein – es war die geschäftliche Seite, mit der wir nicht ganz so viel Glück hatten. Wir haben weder von unserer Plattenfirma noch von den Booking-Agenturen je den Support bekommen, den wir gebraucht hätten. Wir wurden tatsächlich so gut wie nie irgendwo als Act gebucht! Warum das so war, weiß ich bis heute nicht.
Jim: Die 90er waren keine gute Zeit, um in einer traditionellen Metal-Band zu spielen. So ziemlich jeder, der Metal spielte, bekam von der Industrie und dem jüngeren Publikum seine Kündigung in die Hand. Unsere Reunion auf dem „Keep It True“ war tatsächlich der Funke, das das alles entzündet hat – das und der der tragische Tod von Mike Buccel (ehemals Bass, Anm. d. Red.)
Mit „Destroy All Humans“ steht euer lange erwartetes drittes Album in den Startlöchern. Was müssen wir darüber wissen?
Dirk: Es ist eine Liebeserklärung an all unsere Fans, die uns treu geblieben sind und uns geschrieben haben. Wir wussten, dass wir ein Album machen müssten, das zu unserem bisherigen Schaffen passt und das ehrlich ist. Darum gibt es diesmal keine Experimente oder Anmaßungen – nur astreinen Power Metal.
Jim: „Destroy All Humans“ ist das Album, das unsere Fans der ersten Stunde eigentlich nach unserm 1988er Debüt erwartet haben – natürlich durch den Filter von 2020 betrachtet. Es ist recht gradliniger Metal und versucht nicht zwanghaft, „relevant“, oder „modern“ oder was auch immer zu sein… Der Grundgedanke war, den Leuten, die uns mögen, das zu geben, von dem sie gesagt haben dass sie es von uns hören möchten.
Wie liefen das Songwriting und die Aufnahmen zum Album ab?
Dirk: Sehr organisch. Jimmy (Bacchi, Gitarre, Anm. d. Red.) und ich haben den Großteil des Songwritings übernommen und die Sachen über das Internet hin- und hergeschickt. Dabei war es uns stets am allerwichtigsten, dass es auf jeden Fall nach HITTMAN klingt. Es kamen auch eine Menge Songs heraus, die da nicht so ganz passen, weshalb sie auch nicht auf dem Album gelandet sind. Es war sehr interessant, zu schreiben und diese Schätze freizulegen.
Jim: Ja… zum alten HITTMAN-Songwriting zurückzukommen war einerseits eine Herausforderung, hat andererseits aber auch sehr viel Spaß gemacht. Zu versuchen, mich wieder in die Person hineinzuversetzen, die ich mit 22 oder so war, war schon eine komische Voraussetzung. Für mich persönlich war es von Vorteil, dass ich seit HITTMAN in keiner anderen Metal-Band gespielt habe, aber die letzten 30 Jahre unzählige andere Stilrichtungen ausprobiert habe. Also ist meine Arbeit mit HITTMAN die einzige Form von Metal, die ich kenne. Das Genre funktioniert heute etwas anders – die Songstrukturen und das Songwriting sind nicht mehr das gleiche. In gewisser Weise war es so, als hätte ich ein altes Paar Schuhe angezogen, das ich sehr lange nicht getragen habe.
Würdet ihr sagen, dass sich euer Sound über die Jahre verändert hat? Welche Elemente sind eurer Meinung nach die gleichen geblieben und welche sind neu?
Dirk: Es war uns sehr wichtig, dass dieses Album unserem klassischen Sound treu bleibt. Allerdings ist die Zeit eine hinterhältige Geliebte und es gibt klare Unterschiede zwischen damals und heute. Wir sind älter und haben sehr viel mehr Erfahrung, aber es war eine sehr interessante Sache, wieder nach dem Feuer und der Verwegenheit und der Gefahr zu suchen, die nur die Jugend bietet. Es wäre viel einfacher gewesen, auf Nummer sicher zu gehen. Das war für uns aber definitiv keine Option.
Jim: Ich glaube, wenn man 30 Jahre lang gelernt, Wissen aufgenommen und sein Instrument gespielt hat, dann denkt man automatisch anders als früher. Ich freue mich allerdings, dass ich noch immer meine Hamer Flying V besitze, die ich auf dem ersten Album gespielt habe – wie gesagt, ein altes Paar Schuhe. Wenn man ein bestimmtes Instrument spielt, ist das ein spezielles Gefühl und dann kommen die Dinge zu einem zurück. Songs wie „Metal Sport“ oder „Dead On Arrival“ sind für mich auf anderen Gitarren fast unmöglich zu spielen. Diese Gitarre IST HITTMAN. Also, was ist gleichgeblieben? Wahrscheinlich unsere musikalischen Einflüsse und unser Stil. Und was ist neu? Vermutlich die Themen in unseren Texten. Ich bin ja jetzt älter und – hoffentlich – auch weiser und habe einen anderen Blick auf die Welt. Das führt uns zu eurer nächsten Frage …
Warum heißt die Platte „Destroy All Humans“?
Dirk: Ja, das ist ein provokanter Titel. Er beinhaltet eine gewisse Dualität: Politik und Menschlichkeit, die nicht mehr wirklich Hand in Hand zu gehen scheinen. Die Platte ist in keinerlei Hinsicht ein Konzeptalbum, aber ich denke als Amerikaner sind wir alle sauer, dass Demokratie nicht mehr für jeden das Gleiche bedeutet. Den zugehörigen Titelsong hat Jimmy geschrieben und er dreht sich um genau dieses Thema.
Jim: Da trifft Dirk den Nagel auf den Kopf. Obwohl ich den Song geschrieben habe, hat er es gerade sehr gut zusammengefasst. Als Amerikaner sind wir im Moment ALLE wütend, allerdings machen wir leider ganz unterschiedliche Leute dafür verantwortlich. Wir sind uns nicht einmal beim eigentlichen Problem einig. Das sind hässliche Zeiten hier in den Good Ol‘ USA und es sieht nicht aus, als würde es in naher Zukunft besser werden. Eines ist sicher: Die, die schon alles haben, werden noch mehr bekommen und der Rest von uns muss lernen, mit noch weniger auszukommen. Obendrein versuchen diese Leute, uns durch die unterschiedlichsten Arten von Manipulation gegeneinander auszuspielen. Das ist echt schlimm.
Das Album erscheint über die griechische Plattenfirma No Remorse Records. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Dirk: Sie haben uns angesprochen, als wir für das „Keep It True“ zugesagt haben. Oliver vom „Keep It True“ hat sie uns empfohlen und wir haben uns sofort in Chris Papadatos und sein Label verliebt. Seine Energie und Liebe zur Musik sind auf der Business-Seite des Genres sehr schwer zu finden. Es hat sofort gepasst und nachdem der Re-Release unseres Debüts so gut lief, mussten wir die neue Platte einfach auch bei seinem Label veröffentlichen. Chris ist unglaublich.
Jim: Ja, ich glaube auch, dass die Anfrage von No Remorse etwa zur gleichen Zeit wie das Angebot vom „Keep It True“ kam. Ich dachte, es wäre etwas früher gewesen, aber jetzt bin ich mir nicht mehr sicher. Ist auch egal, jedenfalls schien uns das Universum zu sagen, dass der richtige Zeitpunkt für die Rückkehr von HITTMAN gekommen war.
Fast die komplette Besetzung des Debüts spielt auch auf „Destroy All Humans“. Wie war es, die Band wieder zusammenzubringen?
Dirk: Es war auf jeden Fall nicht leicht. Wir alle leben inzwischen sehr weit auseinander und viele von uns haben mittlerweile Jobs, die es nicht unbedingt gestatten, die Dinge daneben schnell voranzutreiben. Chuck (Kory, Drums, Anm. d Red.) und auch ein paar andere haben aus diesem Grund einst die Band verlassen, aber der Rest von uns ist noch da und wir haben richtig Bock drauf! Ich liebe es, Jimmy zu meiner Linken und John (Inglima, Gitarre, Anm. d. Red.) zu meiner Rechten zu haben – das fühlt sich einfach natürlich an!
Jim: Es hat Spaß gemacht, die ganze Sache aus heutiger Sicht wieder anzupacken, weil wir mittlerweile ja doch etwas mehr vom Leben verstehen. Vieles ist auch gleichgeblieben – egal, ob das etwas Gutes ist oder nicht. Aber es ist schön, dass wir noch immer eine kleine Fanbase haben, der die Band echt am Herzen liegt. Das gibt einem den nötigen Ansporn, es auch wirklich richtig machen zu wollen. Außerdem ist es einfach schön, wenn die Musik anfängt, gut zu klingen.
HITTMAN waren bereits in ihren Anfangstagen Teil der Metal-Szene. Wie beurteilst du das Genre heute?
Dirk: Ich denke mit dem Aufkommen der NWOTHM (New Wave Of Traditional Heavy Metal, Anm. d. Red.) geht es ihr so gut wie schon seit Jahren nicht mehr. Die Fans, aber auch die Industrie, merken, wie ehrlich diese Musik ist und erkennen auch ihre kommerzielle Zugkraft.
Jim: Das stimmt. Als wir ursprünglich aktiv waren, gab es eine Menge Druck, mit den Trends im Metal mitzuhalten. Leider wurde damals alles immer härter und weniger melodisch. Als wir unser Debüt veröffentlichten, klangen wir bereits „alt“. Das war scheiße. Auf einmal waren all die Riffs von Michael Schenker und Wolf Hoffmann, die ich gelernt hatte, angeblich nicht mehr „cool“. All die Arbeit, die wir in unsere Songstrukturen, Harmonien und Melodien gesteckt hatten, war plötzlich nichts mehr wert, weil wir nicht schnell oder „heavy“ genug waren. Jetzt gibt es ein ganzes Sub-Genre, das den Stil, den wir damals gespielt haben, abfeiert. Den Druck, „zeitgemäß“ zu klingen, gibt es da nicht und das ist sehr angenehm.
Die COVID-19-Pandemie betrifft alle Bereiche des Lebens, aber kaum jemand scheint so hart getroffen wie Live-Clubs und tourende Bands. Wie siehst du das?
Dirk: So etwas gab es noch nie, nicht war? Wer weiß, wo wir in ein paar Jahre sein werden – alles, was ich weiß, ist, dass diese Musik live gespielt werden muss. Und hoffentlich eher wieder früher als später. Wir alle lernen gerade echt etwas über die Menschheit.
Jim: Leider ist das nicht nur ein zeitlich begrenzter Einschnitt in unsere Leben. Alles, was von jetzt an passiert, wird davon betroffen sein. All die ausverkauften, schweißtreibenden Shows? Sowas werden wir lange Zeit nicht mehr erleben … Es wird allerhand neue Einschränkungen und Vorschriften geben – und das aus gutem Grund. Masken, Handdesinfektion und Abstandsregeln werden uns noch eine ganze Weile begleiten. Meiner Meinung nach werden all diese riesigen Festivals für die nächsten zwei bis fünf Jahre ausbleiben. Das ist scheiße, aber jetzt müssen wir eben kreative neue Wege finden, trotzdem Musik erleben zu können.
Werden HITTMAN nach Deutschland kommen, sobald das Touren wieder möglich ist?
Dirk: Zu einer Million Prozent ja! Dort hat alles für uns angefangen und wahrscheinlich lebt dort auch der Kern unserer Fanbase. Wir möchten so viel in Europa spielen, wie es geht. Wir müssen einen ziemlich großen Teil der Welt betouren und wir haben vor, keinen Flecken auszulassen.
Jim: Auf jeden Fall. Als wir 2018 dort waren, habe ich mich echt in Deutschland verliebt. Klar, wir waren nur in Würzburg und Lauda-Königshofen, aber es hat mir dort echt gefallen. Es ist wunderschön dort und das Essen, der Kaffee und das Bier sind fantastisch. Es ist einfach großartig und ich kann es kaum erwarten, wiederzukommen.
Vielen Dank für dieses Interview! Lass uns zum Abschluss noch etwas Brainstorming betreiben. Was fällt dir spontan zu den folgenden Begriffen ein?
Metal Sport:
Dirk: Unser Hymne. Wir sollten sie auf ewig respektieren, denn sie ist die Visitenkarte der Band.
Jim: Der erste HITTMAN-Song, der je geschrieben wurde. Eigentlich war er für meine alte Band Raid – ich habe das Demo noch!
Pay To Play:
Dirk: Tja, ich habe gehört, dass es das gibt. Ich kann nur sagen, dass wir noch nie für einen Auftritt zahlen mussten – hängt wohl vom Gig ab. Ehrlich gesagt kann ich mir nicht wirklich vorstellen, dass irgendwer die Dreistigkeit haben könnte, von einer Band Geld fürs Spielen zu verlangen, aber wir werden sehen …
Jim: Eine der unrühmlicheren Seiten des Rock-N-Roll-Geschäfts. Es ist ein Nebenprodukt der Tatsache, dass unzählige Bands um die Aufmerksamkeit des Publikums buhlen. Gierige Typen werden immer Teil einer Szene sein. Das ist Mist.
Festivalsaison:
Dirk: Das, was wir uns am meisten wünschen. Es ist so wichtig und ein riesiges Privileg, auf Festivals spielen zu dürfen. Ich selbst träume schon immer davon, auf Veranstaltungen wie dem „Wacken Open Air“, dem „Download“ oder dem „Hellfest“ zu spielen. Auf dem „Keep It True“ und dem „Up The Hammers“ sind für uns Träume wahr geworden. Das waren die größten Momente unserer Karriere.
Jim: Was Dirk gesagt hat. Dieses Riesenpublikum … Ja, zu allem.
Wahljahr:
Dirk: Wir haben eine Aufgabe: Den Herrscher loswerden.
Jim: Gruselig … Ich frage mich, was die Deutschen denken, wenn sie sehen, wie ein paar der gleichen Methoden von Machtmissbrauch und Faschismus allmählich von diesem Monster etabliert werden. Es ist, als würde er das gleiche Regelwerk verwenden. Das ist ziemlich verstörend – ER MUSS WEG! Ich wünschte, mehr Amerikaner würden die Parallelen erkennen und aus der Vergangenheit lernen.
Vivas Machina:
Dirk: Ein gutes Album, das leider missverstanden wurde und eher als vierte oder fünfte Platte hätte erscheinen müssen. Es hat gute Songs, aber vielleicht unterschied es sich zu sehr von unserem Debüt. Das bringen wir jetzt in Ordnung.
Jim: Es ist sehr schwer für mich, dieses Album zu hören. Währen der Aufnahmen litt meine Mutter an Krebs im Endstadium – sie starb am letzten Tag des Mixings. Auf der Platte sind ein paar echt ambitionierte Sachen drauf, aber auch ganz schön peinliches Zeug. Die Reaktionen der Fans fallen gemischt aus, aber überraschend viele Leute haben sich die Platte an unseren Konzerten unterschreiben lassen. Einer der besten Aspekte dieses Albums ist Mark Jenkins. Er ist ein brillanter Drummer und der Motor, der das Album antreibt. Wir sind derzeit wieder mit ihm im Gespräch und hoffen, dass er in die Band zurückkehrt. Drückt uns die Daumen!
HITTMAN in zehn Jahren:
Dirk: Ich hoffe, dass wir als Headliner touren, auf Festivals spielen und Alben machen, auf die wir stolz sein können. Ich selbst träume davon, für Iron Maiden zu eröffnen. Ich glaube, das würde gut passen.
Jim: Wow, ich frage mich, wie das wohl aussieht, wenn wir in zehn Jahren noch da sind. Ich kann mir das ehrlich gesagt nicht vorstellen, aber das habe ich vor 20 Jahren auch schon mal über HITTMAN gesagt. Wer weiß?
Noch einmal vielen Dank für deine Zeit! Die letzten Worte gehören dir – gibt es etwas, das du unseren Lesern noch mitteilen möchtest?
Dirk: Ich möchte euch allen dafür danken, dass ihr uns in den letzten Jahrzehnten unterstützt und nie vergessen habt. Ich weiß, es hat viel zu lange gedauert. Aber jetzt sind wir zurück und diesmal bleiben wir.
Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
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