Interview mit David und Nils von Heretoir

2011 hat sich David aka Eklatanz mit dem selbstbetitelten Debüt seines Soloprojekts HERETOIR die Herzen vieler Post-Black-Metal-Fans erspielt. Nun legt die inzwischen als Band agierende Genre-Sensation mit dem nicht minder beeindruckenden „The Circle“ nach. Im folgenden Interview mit Sänger und Gitarrist David und Schlagzeuger Nils erfahrt ihr unter anderem, warum das Zweitwerk so lange auf sich warten ließ, inwiefern „The Circle“ offener und heller wirkt als das Debüt und wie es zu dem Gastbeitrag von Neige (Alcest) kam.

Hallo! Zuerst mal vielen Dank, dass ihr euch die Zeit für dieses Interview genommen habt. Wie geht es euch?
David: Hallo! Vielen Dank für die Interviewanfrage! Wir stecken aktuell mitten in der Promophase zu „The Circle“ und haben deswegen natürlich eine Menge zu tun. Momentan sind wir vor allem sehr froh, dass das Album kurz vor der Veröffentlichung steht und die ersten Rückmeldungen bis jetzt durchaus positiv sind.

Sechs Jahre sind seit dem selbstbetitelten Debüt vergangen, fünf seit dem Demo-Re-Release unter dem Titel „Substanz“. Was hat sich in der Zwischenzeit bei euch getan?
David: Ich stecke musikalisch und persönlich in einem völlig anderen Lebensabschnitt als damals während des Studiums, als „Heretoir“ entstand und veröffentlicht wurde. Meine Sicht auf viele Dinge hat sich entsprechend verändert – was sich auch im musikalischen Ausdruck niederschlägt. Diese Veränderungen hatten neben neuer musikalischer Inspiration durch Erlebnisse, Begegnungen und andere Musikrichtungen einen bedeutenden Einfluss auf das Songwriting. Ich habe die letzten sechs Jahre vor allem dazu genutzt, um in Ruhe die Songs bis ins kleinste Detail auszuarbeiten. Es war uns allen wichtig, mit dem Ergebnis zu 100 Prozent glücklich zu sein. So etwas braucht leider seine Zeit. Neben dem Songwriting haben wir Shows gespielt und konnten uns durch Festivals wie dem Summer Breeze und Rockharz Open Air sowie Touren mit Der Weg einer Freiheit, Agrypnie und Dornenreich einem breiteren Publikum vorstellen.

Mit Matthias und Max hast du, David, seit dem letzten Album zwei feste Mitglieder um dich geschart, nachdem HERETOIR ursprünglich ein Soloprojekt war. Beide spielen außerdem bei Thränenkind. Wieso hast du aus HERETOIR eine Band gemacht und gerade die beiden dazu geholt?
David: Während der Arbeit an „Heretoir“ merkte ich mehr und mehr, dass ich die Songs live spielen möchte. Ich suchte eine gut funktionierende Band, in der ich mit den Mitgliedern auch privat verbunden bin. Es war nicht von Anfang an geplant, live zu spielen, aber durch jeden komponierten Song und auch durch wachsendes Interesse seitens der Hörerschaft wurde mir diese Entscheidung doch erleichtert. Matthias kannte ich bereits seit einigen Jahren, der Zeit in der die „Existenz“-Demo entstand, und spätestens nach unserer Zusammenarbeit an der ‚Wiedersehen – unsere Hoffnung‘-Split mit Thränenkind 2010 war es klar, dass wir eine große Leidenschaft für diese Art von Musik teilen und er einsteigen sollte. Max ist Toningenieur und hatte für Matthias schon viel produziert. Da bot es sich an, dass auch er Teil der Band werden würde. Unseren damaligen Drummer Belial holten wir zuletzt mit ins Boot. Als Band funktioniert HERETOIR heute sehr gut – die Band hätte sich als Ein-Mann-Projekt nie so entwickeln können und ich bin über das Feedback, die Ideen, das Engagement und die Leidenschaft, die von den anderen eingebracht wird, sehr froh.

Mit eurer zweiten Platte „The Circle“ meldet ihr euch nun wieder zurück. An den Drums ist diesmal Tobias Schuler (Der Weg einer Freiheit) zu hören. Aus welchem Grund habt ihr gerade ihn als Session-Musiker bei den Aufnahmen ins Boot geholt und hatte er auch Einfluss auf die Drum-Arrangements?
David: Kurz vor den Aufnahmen mussten wir uns aus persönlichen Gründen von unserem Drummer trennen. Einige von mir erdachte Drumpatterns sind ziemlich kompliziert und da war für mich eigentlich sehr schnell klar, dass Tobias die Scheibe einspielen sollte. Er ist einer der fähigsten Metal-Drummer in Deutschland und hat eine Menge Studioerfahrung. Tobias kennen wir bereits seit unserer gemeinsamen Tour mit Der Weg einer Freiheit in 2013 und wussten deshalb, dass wir uns auch menschlich auf ihn verlassen können. Die Schlagzeug-Arrangements wurden schon in den Vorproduktionen zum Großteil genau ausgearbeitet. Tobias hat aber an vielen Stellen Verbesserungsvorschläge und eigene Ideen eingebracht, die dem Album definitiv gut getan haben – ich bin ja primär doch kein Schlagzeuger. (lacht)

Seit diesem Jahr bist du, Nils, – ebenfalls von Thränenkind – bei HERETOIR fester Drummer. Wäre es nicht naheliegend gewesen, dich auch gleich die Drums für das Album einspielen zu lassen?
Nils: Da hast du natürlich Recht. Zu dem Zeitpunkt als das Album fertiggestellt und der Termin für die Aufnahmen bestimmt wurde, spielte ich aber noch meine letzten Shows für Ophis. Ich hätte nicht die Zeit für die Vorbereitung auf das Album gehabt. Dass ich fest einsteigen würde, haben wir außerdem erst kurz nach den Aufnahmen entschieden.

Das erste, was einem an „The Circle“ ins Auge springt, ist das Artwork. Abermals zeichnet Fursy Teyssier (Les Discrets) dafür verantwortlich. Doch nicht nur im Vergleich zu seinen sonstigen Werken, auch im Vergleich zu dem Cover eures Debüts wirkt es diesmal viel heller und wärmer. Was ist der Grund dafür?
David: Im Gegensatz zum Erstlingswerk bezieht sich „The Circle“ weniger auf Frustration, Trauer und die urbane Isolation, sondern beleuchtet auch die positiven Aspekte des Lebens. Als wiederkehrendes Element ist die Sonne zu nennen. Natürlich haben wir bewusst auch die Artworks an die Themen und Stimmungen der Alben angeglichen. Fursy ist ein von mir hoch geschätzter Künstler, der eine besondere und einzigartige Art des Malens hat. Von Anfang an war klar, dass die Sonnenthematik des Albums im Artwork zu finden sein soll. Fursy hat einmal mehr gezeigt, wie gut er die Stimmung der Musik in ein Kunstwerk verwandeln kann.

Nicht nur das Cover, auch die Musik an sich wirkt weniger kalt und depressiv als noch auf dem Debüt. Würdet ihr mir da zustimmen und falls ja, was hat es damit auf sich?
David: Auf alle Fälle. „The Circle“ besticht durch eine etwas wärmere und positivere Grundstimmung, was das Album jedoch nicht weniger melancholisch macht. Es war uns wichtig, einen Schritt weiter zu gehen und nicht auf ausgetreten Pfaden zu wandern. Einfach eine 2.0-Version des ersten Albums aufzunehmen, kam für uns demnach nicht in Frage. Was ich mit dem Debüt ausdrücken wollte, habe ich gemacht und mit „The Circle“ konnten wir ein neues Kapitel öffnen. Mal sehen, wohin uns der Weg auf dem nächsten Album bringt.

Textlich setzt ihr euch auf „The Circle“ dem Namen entsprechend mit dem Kreislauf von Leben, Tod und Wiedergeburt auseinander. Was inspirierte euch zu diesem Thema?
David: Das Leben ist von Kreisläufen durchzogen. Ob es die Jahreszeiten, der Sonnenauf- und Sonnenuntergang oder menschliches Leben sind. Während das Leben des einen Wesens endet, beginnt irgendwo gerade etwas Neues. Solche wiederkehrenden Abläufe faszinieren mich und inspirierten mich zum Konzept des Albums.

Im Gegensatz zu eurer ersten Platte sind die Texte diesmal gänzlich auf Englisch, keiner der Tracks ist auf Deutsch. Weshalb?
David: Dafür kann ich keinen speziellen Grund nennen. Es hat sich während des Songwritings einfach so ergeben. Sollte es passen, werde ich aber auf dem nächsten Release auch wieder deutsche Texte verfassen.

In der Mitte des Albums befindet sich ein kurzes, größtenteils instrumentales Interlude namens „XIX XXI XIV“. Was hat es mit dieser römischen Zahlenfolge auf sich?
David: Wir wählten den Liedtitel, um ein etwas enigmatisches und nicht ganz offensichtliches Element in der Trackliste zu haben. Ein Tipp: Es hat etwas mit Zahlen und Reihenfolgen zu tun.

Szene-Ikone Neige von Alcest hat auf dem Track „Laniakea Dances (Soleils Couchants)“ sogar einen Gastauftritt. Wie kam es dazu? Warum gerade er und gerade auf diesem Track?
David: Neige und ich sind schon seit einigen Jahren miteinander bekannt und über die Zeit gute Freunde geworden. Während „The Circle“ entstand, schickte ich ihm immer mal wieder Vorproduktionen der Songs zu und wir sprachen über einige Details. Dass er singen würde, war aber erst klar, als das Album komplett fertig geschrieben war und wir kurz vor den Studioaufnahmen standen. Alcest war für jeden von uns ein Einfluss. Demnach sind wir besonders glücklich, ihn mit dabei zu haben. Wir haben „Laniakea Dances (Soleils Couchants)“ gewählt, weil er Neige durch seinen verträumten Charakter besonders gefiel und auch wir ihn als am passendsten empfanden.

Für das Mixing habt ihr Oliver Carell engagiert, der unter anderem auch am neuen Album von Fäulnis mitgearbeitet hat. Ebenjene unterscheiden sich musikalisch schon stark von euch. Warum habt ihr euch also gerade für ihn entschieden?
Nils: Oliver ist seit Jahren ein sehr guter Freund und ehemaliger musikalischer Wegbegleiter von mir. Wir haben bereits mit Fäulnis, Ophis und Thränenkind mit ihm zusammengearbeitet und wussten demnach, dass wir auch für HERETOIR einen sehr guten Sound bekommen würden. Man darf dabei aber nicht vergessen, dass die gesamten Aufnahmen im Forester Recording Studio von unserem Gitarristen Max gemacht wurden und dass Lasse Lammert die Scheibe im LSD-Studio klasse gemastert hat.

Wie wird es als nächstes mit HERETOIR weitergehen? Wird man wieder eher lang auf ein weiteres Album warten müssen?
Nils: Ich werde bewusst nicht den Fehler machen und irgendwelche Daten nennen. (lacht) Aber es sind bereits einige Ideen vorhanden und wir versuchen alles dran zu legen, dass die nächste Platte nicht wieder fünf Jahre auf sich warten lässt. Damit, dass es so lange gedauert hat, sind wir natürlich nicht unbedingt zufrieden, aber die damaligen Lebensumstände haben es einfach nicht zugelassen, „The Circle“ früher fertigzustellen.

So, dann kommen wir langsam zu einem Ende. Beenden wir das Interview noch mit unserem traditionellen Metal1.info-Brainstorming. Bitte sagt uns, was euch zu den folgenden Begriffen in den Sinn kommt:
Liebstes Alcest-Album: David: „Les Voyages De L’Âme“
Nils: Ich gehöre zu den wenigen Leuten, die nur „Souvenirs“ wirklich gut finden. Das Album hat mich damals total abgeholt. Ich muss aber auch gestehen, dass ich mich danach nicht mehr eingehender mit der Band beschäftigt habe
Black Metal: David: Atmosphäre, Intensität, musikalische Wurzeln, unnachvollziehbare Dogmen
Nils: Rumpelige Drums mit sehr viel Hall, mieser Gitarrensound und ekelhafter Gesang (alles positiv gemeint). Natürlich keinen Bass! Zum Teil wirklich tolle Musik (gerade veröffentlichen ehemalige Bandkollegen von mir eines der besten BM-Alben der letzten Jahre), aber zu oft komplett unkritische Haltung gegenüber verbalem Dünnpfiff der Protagonisten.
Reinkarnation: David: Energiefluss
Nils: Nach dem Leben kommt der Tod und nichts weiter.
Clean-Gitarren: David: Unverzichtbar, Fender Stratocaster und Hall.
Nils: VOX AC 30
Traum: David: Den Lebensfokus komplett auf Musik auslegen zu können.
Nils: Eine Welt ohne Ausbeutung, Diskriminierung, Krieg und Elend.
HERETOIR in zehn Jahren: David: Ich möchte natürlich weiterhin Musik machen, coole Shows spielen und mit tollen Menschen auf der Bühne stehen.

Wunderbar, dann nochmals vielen Dank für dieses Interview. Wenn es noch etwas gibt, das du den Lesern mitteilen möchtest, kannst du das jetzt gerne noch tun:
David: Großer Dank gilt natürlich allen Menschen, die uns supporten. Wir spielen im Mai/Juni eine ausgedehnte Europatour mit einer befreundeten Band. Welche das sein wird und wo wir genau anzutreffen sein werden, erfahrt ihr in Kürze. Wir würden uns natürlich freuen, einige von euch in erster Reihe zu sehen, denn nur durch die Unterstützung der Fans ist es uns überhaupt möglich, zu touren. Tausend Dank dafür.

Publiziert am von Stephan Rajchl

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