Seit nunmehr acht Jahren ist Erik Andreas Vingbäck (alias Heljarmadr) Sänger der schwedischen Black-Metal-Instanz DARK FUNERAL. Und obwohl er zudem seiner Band GRÁ treu geblieben ist, scheint der umtriebige Schwede längst nicht ausgelastet zu sein. Unter seinem Pseudonym HELJARMADR startete er darum in der Pandemie ein medienübergreifendes Soloprojekt: Neben einer ersten Single veröffentlichte Vingbäck auch ein Fotobuch. Ein Gespräch über Musik und Fotografie, Sprachen und Schnee, Zukunftspläne und seine zweite Heimat.
Du bist gerade aus dem Studio zurück, wo du mit deiner Band GRÁ aufgenommen hast. Ist alles gut gelaufen, bist du zufrieden?
Ja. Wir sind es diesmal etwas anders angegangen, und zwar so, wie wir es bei DARK FUNERAL gemacht haben: Wir haben Demo-Aufnahmen gemacht, bevor wir ins Studio gegangen sind, um dann alles fertig zu haben, statt noch im Komponier-Modus zu sein, wenn man schon Aufnimmt. So kann man sich voll auf das Aufnehmen konzentrieren und die Songs vor den Aufnahmen üben! Das war sehr bequem und natürlich auch zeitsparend, nachdem man nicht unterbrechen und nachdenken muss und vielleicht einen halben damit zubringt, einen Text oder ein Riff abzuändern. Insofern lief es sehr angenehm. Jetzt habe ich alles zum Mixen geschickt – und dann sehen wir weiter!
Wie würdest du das neue GRÁ-Material beschreiben, was dürfen wir erwarten?
Oh Shit … wenn man so tief im Entstehungsprozess eines Albums steckt, ist das wirklich schwer zu sagen. Aber etwas ist passiert, als ich eine 7-Saiter-Gitarre bekommen habe. Deswegen hat das neue Album einige verrückte Elemente. Etwas, das wir im Kopf hatten, seit wir angefangen haben, die Songs zu schreiben, war der Heavy Metal der 1980er-Jahre. Es klingt natürlich nicht nach ’80er-Jahre-Metal, aber es hat diesen Vibe … Das ist schwer zu beschreiben! Du musst dir die Songs anhören. Aber am Ende wird es gemixt und wird vermutlich einfach wie GRÁ klingen und der Rest bleibt in unserem Kopf. So ist das, wenn man Demos macht … man hat einen anderen Sound im Kopf. Wenn dann alles zusammenkommt, das Schlagzeug, der Bass, der Gesang, klingt es am Ende sowieso nach deinem Style. Die Demos klingen teilweise ziemlich abgefahren, aber am Ende, mit dem Mix und allem, wird es einfach wieder ein GRÁ-Album.
Du hast DARK FUNERAL vorher schon angesprochen – euer neues Album ist jetzt seit ein paar Wochen draußen. Wie unterscheidet sich die Arbeit an einem DARK-FUNERAL-Album von den Arbeiten mit GRÁ?
Nun, der entscheidende Unterschied ist natürlich, dass ich bei DARK FUNERAL nicht die Musik schreibe. Das macht Lord Ahriman, er schreibt die Riffs – und ich die Texte. Bei GRÁ mache ich beides. Außerdem tragen bei GRÁ auch die anderen Jungs Textideen und Riffs bei. Das ist wohl der größte Unterschied: Bei GRÁ bin ich der, bei dem die Fäden zusammenlaufen. Bei DARK FUNERAL ist das Lord Ahrimans Funktion – dort ist er der Bandkopf und hält die Zügel in der Hand.
Und was die Texte angeht – gehst du an die Texte von GRÁ anders heran als an die für DARK FUNERAL?
Der größte Unterschied ist, dass ich bei GRÁ oft auf Schwedisch schreibe, wodurch sich für mich natürlich der gesamte Prozess des Textschreibens ganz anders anfühlt. Wenn ich Texte schreibe, muss ich generell die Musik hören, und herausfinden, worum es in der Musik geht. Ich muss das Konzept des Textes aus der Musik heraus entwickeln. Für mich ist es immer schwierig, einen fertigen Text auf einen Song zu packen, das funktioniert so nicht. Er muss zur Musik passen und mit ihr zusammengehen.
Also schreibst du deine Texte immer zu fertigen Songs?
Ja. Nachdem ich viele Gedichte schreibe, habe ich natürlich einen großen Fundus an Versen, aus denen ich Ideen ziehen kann … aber es passiert wirklich selten, dass ich einen fertigen Text auf einen Song übertragen kann. Eher ziehe ich Ideen aus drei oder vier Gedichten und verarbeite sie zu einem Songtext. Aber in der Regel muss dafür die Musik zu einem gewissen Grad fertig sein, ja.
Und was die Sprache angeht: Wären Schwedisch als Textsprache für DARK FUNERAL nicht auch mal eine Option?
Nein, ich denke nicht, dass das passen würde.
Warum nicht? Schließlich haben viele schwedische Black-Metal-Bands Texte in ihrer Muttersprache?
Das mag sein, aber wenn ich das machen würde, wo ich das ja bei GRÁ auch mache, würde diese beiden Bands etwas zu nah zusammenbringen. Das würde gefühlt zu sonderbaren Überschneidungen führen. Ich denke DARK FUNERAL sollte DARK FUNERAL bleiben, und GRÁ eben GRÁ.
„We Are The Apocalypse“ ist das zweite Album, das du mit DARK FUNERAL gemacht hast. Hat sich dadurch, dass ihr euch jetzt besser kennt als auf deinem Debüt „Where Shadows Forever Reign“, auch etwas an eurer Arbeitsweise geändert?
Der Hauptunterschied war eher die Pandemie! (lacht) Aber nachdem Ahriman und ich jeweils unsere eigenen Studios daheim haben, haben wir schnell angefangen, uns Ideen zuzuschicken. Er hat mir Gitarren-Parts mit programmiertem Schlagzeug geschickt, einfach als Demos, ich habe dazu etwas Gesang aufgenommen und ihm zurückgeschickt. Dazu muss man sagen, dass wir komplett unterschiedliche Tag-Nacht-Rhythmen haben: Er ist ein Morgen-Mensch und steht früh auf, und ich bin das komplette Gegenteil, ich arbeite spät in der Nacht, manchmal ganze Nachtschichten bis in der Früh. Wenn er also am Morgen aufgestanden ist, hatte er in der Regel über Nacht wieder etwas von mir zugeschickt bekommen … wenn ich dann in meinen Arbeitsmodus gekommen bin, hatte er seine Arbeit in der Regel beendet und mir etwas geschickt, womit ich wieder weiterarbeiten konnte. Dazwischen haben wir immer mal wieder telefoniert oder geskypt, um sich mal wieder zu vergegenwärtigen, dass da auf der anderen Seite auch ein Mensch sitzt. (lacht) So haben wir von Anfang an zusammengearbeitet, seit der „Nail Them To The Cross“-Single. Das klappt auch deshalb ziemlich gut, weil man, ehe man dem anderen etwas schickt, die Zeit hat, zu reflektieren, was man gemacht hat. Darum haben wir diesen Arbeitsmodus einfach beibehalten – warum auch etwas ändern, was gut funktioniert? Und mit der Pandemie hätten wir sowieso nicht viel zusammen abhängen können. Insofern war es gut, dass wir an diese Arbeitsweise schon gewöhnt waren.
Ich habe gelesen, dass du viele der Texte für das Album in Chile geschrieben hast – wie kam es dazu?
Ich war seit Anfang der Pandemie in Chile – ich lebe dort zeitweise.
Ich könnte mir vorstellen, dass die meisten Fans von diesem Fakt überrascht sind, nachdem man bei DARK FUNERAL in erster Linie an Schweden, dunkle Winter und Schnee denkt. Hat der Entstehungsort deinem Empfinden nach Einfluss auf die Texte oder die Stimmung der Texte?
Ich sehe deinen Punkt – aber weißt du, ich bin im Norden Schwedens aufgewachsen. Ich habe mehr Schnee gesehen als die meisten Menschen in ihrem ganzen Leben sehen werden. Damit könnte man vermutlich das Containerschiff aus dem Suez-Kanal vollmachen! (lacht) Insofern habe ich meinen Anteil an Kälte definitiv schon erlebt, ich weiß alles darüber! Aber Spaß beiseite: Es war ziemlich cool, mal in einem anderen Setting zu sein – zumal man durch die Pandemie sowieso quasi eingeschlossen war, egal, wo auf der Welt man sich befand. Es war ja überall der gleiche Mist mit Beschränkungen und alledem. Außerdem ist Chile ein extrem cooles Land: Im Norden hast du eine Wüste, in der Mitte ist das Klima wie in Südeuropa: In Santiago, wo ich mich aufgehalten habe, fühlt man sich, was das Klima angeht, als wäre man in Italien oder so. Und im Süden ist das Klima fast wie in Skandinavien … da hast du auch Fjorde, Schnee und Eis. Das ist das andere Ende der Welt – so südlich, dass es schon wieder dem Norden ähnelt. Das finde ich schon sehr cool!
Deine Begeisterung für Natur und Landschaft führt uns direkt zum nächsten Thema: Du hast unter deinem Pseudonym HELJARMADR noch eine Art Multi-Media-Projekt, bei dem du Fotografie, Poesie und Musik sammelst. Kann man das so sagen, „Multi-Media-Projekt“?
Das trifft es wohl schon ganz gut. In erster Linie bin ich natürlich Musiker, aber ich habe jetzt eben auch ein Fotobuch gemacht, und arbeite aktuell an einem weiteren Buch, das weniger auf Fotografie basiert. Warum sollte man sich auf eine Kunstform limitieren, wenn man auch in einer anderen etwas auszudrücken hat?
Wie kam es zu diesem Projekt?
Ich bin so ein Mensch … wenn nichts passiert, muss ich mir ein Projekt suchen, sonst werde ich verrückt. Ich kann schon mal einen Abend mit Netflix rumbringen, aber das reicht dann auch. Dann muss ich wieder etwas tun. Als die Pandemie hereinbrach, habe ich mir überlegt, was ich tun kann. Also haben wir das DARK-FUNERAL-Album fertiggestellt, das GRÁ-Album wurde fertig, dann habe ich das Fotobuch gemacht und meine Solo-Single … und ich habe ein Demo für ein ganzes Album. Und ich habe eben noch ein weiteres Buch in der Mache!
Dann lass uns doch der Reihe nach über all das sprechen! Ich fange mal bei der Musik an: Besagte Single ist eigentlich eine Split mit Eldur von Fortíð. Ich weiß, dass du auf seinem letzten Album einen Gastbeitrag beigesteuert hast, aber wie und wann kam dieses Split-Projekt konkret zustande?
Ich kenne Eldur schon lange, 2013 haben wir mit GRÁ eine Minitour mit seiner Band Fortíð gespielt. Danach sind wir in Kontakt geblieben – er hat ja auch lange in Oslo gelebt. Ich bin dann mal für ein Wochenende zu ihm gefahren, und wir haben am Abend zusammen getrunken. Am nächsten Tag habe ich ihn gefragt: „Erinnerst du dich daran, worüber wir gestern gesprochen haben?“ Und er sagte: „Ja, lass es uns angehen!“. Wir hatten darüber gesprochen, wie wir beiden ohne unsere Bands klingen würden, wenn wir alles auf unsere Weise machen könnten. Also haben wir beschlossen, eine Solo-Split-Single zu machen: Jeder einen Song, mit einem gemeinsamen Drummer und dem gleichen Mischer, der Einheitlichkeit wegen. Und genau so haben wir das dann auch gemacht. Am Schlagzeug hat uns Kristján Gudmundsson ausgeholfen, der jetzt auch bei Fortíð spielt. Also sind wir nach Island gefahren, haben dort das Schlagzeug aufgenommen, dann kam Eldur nach Schweden und wir haben hier bei mir Bass und Gitarre aufgenommen, und am Ende haben wir es selbst herausgebracht, ohne Label. Das war etwas, das wir einfach für uns gemacht haben.
Hattet ihr jeweils auch Einfluss auf den Song des jeweils anderen, oder hat jeder von euch seinen Song ganz auf sich allein gestellt geschrieben?
Tatsächlich hatte jeder von uns schon einen Song, den er aus dem Ärmel zaubern konnte. Die erste Demo-Version meines Songs stammt eigentlich aus dem Jahr 1998 oder so. Natürlich hat sich der Song seitdem weiterentwickelt, aber es ist eines dieser Stücke, die nie in eine der Bands gepasst hat, in denen ich aktiv war. Also war er immer zwischen die Stühle gefallen. Jetzt ist es eben meiner, unter meinem Namen veröffentlicht. So sollte es am Ende wohl sein.
Ich mag den Song wirklich gerne, er hat den Ausschlag dafür gegeben, dass ich mich mit dem Projekt HELJARMADR beschäftigt und dich um dieses Interview gebeten habe. Ich finde, er klingt wie eine Mischung aus Dissection und Thyrfing. Findest du ihn in dieser Beschreibung wieder, und was sind ganz generell deine musikalischen Einflüsse?
Ich hatte mal eine Band namens CURSED 13, die ich 1998 gegründet hatte. Zunächst war das ein Soloprojekt, dann wurde es eine Band. 2018 hat sich die Band dann aufgelöst, nach 20 Jahren – weil wir schlussendlich quasi die gleiche Besetzung hatten wie bei GRÁ. Warum also unter zwei verschiedenen Namen arbeiten – es hatte keinen Vorteil, und wir konnten eh nicht beiden Bands die volle Aufmerksamkeit schenken. Also haben wir uns dazu entschlossen, CURSED 13 aufzulösen. Aber ich empfinde meine Single als eine Art Fortführung dieses Projekts, insofern sie auf die Zeit zurückgeht, in der ich CURSED 13 gegründet habe. Ich denke, das ist einfach mein Stil, den ich immer auf die eine oder andere Art gespielt habe, als eine Akkumulation meiner Erfahrungen über die Jahre. Was die Vergleiche angeht … schwer zu sagen. Da stecken viele verschiedene Einflüsse drin. Der zweite Teil des Songs ist rein instrumental und sicher stark von Ulver beeinflusst, etwa von „Kveldssanger“, ihrem Akustikalbum. Das habe ich wirklich oft gehört, als es herausgekommen ist. Das könnte also eine Inspiration gewesen sein. Und auch das Akustikalbum von Opeth, „Damnation“ … auch das mochte ich damals sehr gerne. Vielleicht ist der zweite Teil meines Songs also auch davon beeinflusst. Was den ersten Teil des Songs angeht, steckt da vermutlich alles drin, was in den frühen 1990er-Jahren in Norwegen herausgekommen ist und mich damals beeinflusst hat. Und unverkennbar steckt auch etwas von Dissection, Dark Funeral und Marduk aus Schweden drin.
Hörst du heute auch noch viel Black Metal? Ich traue mich das schon fast nicht mehr zu fragen, weil Black Metaller auf diese Frage so oft antworten, dass sie privat gar keinen Black Metal mehr hören. Das habe ich kürzlich erst bei Lord Ahriman wieder erlebt … (lacht)
Es kommt immer drauf an. Ich höre alles Mögliche. Als wir das GRÁ-Album fertiggestellt haben, habe ich dort einen Plattenladen gefunden, und mir noch eine andere Version von „Screaming For Vengeance“ [Judas Priest, 1982 – A. d. Red.] gekauft. Ich höre zuletzt generell viel Judas Priest. Aber ich mag auch Country-Musik sehr gerne, ich habe mir auch ein Supertramp-Album gekauft. Ich versuche auch, up to date zu bleiben, was so an Musik herauskommt. Aber es hängt einfach immer von der Situation ab. Wenn ich komponiere, höre ich keinen Black Metal … ich will nicht aus Versehen eine Idee klauen. Wenn ich eine Textzeile von Willie Nelson klaue, merkt das eh keiner. (lacht) Aber zum Beispiel das neue Album von Abbath … ich will nicht, dass mein nächster Song nach Abbath klingt! Er macht diese Art von Musik sowieso selbst am besten. Deshalb höre ich, wenn ich im Songwriting-Modus bin, wirklich komplett andere Musik. Beim GRÁ-Album war es eben ganz viel 1980er-Jahre-Metal. Wie gesagt, ich glaube, dass sich das in der Musik auch widerspiegelt. Am Ende höre ich einfach alles … gute Musik ist gute Musik, egal, aus welchem Genre sie kommt. Die Musik, die ich mache, ist das eine – aber das heißt nicht, dass ich mich selbst auf solche Musik limitiere. Ich meine, das wäre ja, als würdest du als Bäcker nur Brot essen … oder als Pizzabäcker nur Pizza. (lacht)
Zurück zu dieser Kollaboration mit Eldur: War das eine einmalige Angelegenheit, oder habt ihr vor, das zu wiederholen oder gar auf ein gemeinsames Projekt auszuweiten?
Nein, aktuell haben wir da nichts am Laufen. Ich bin mir sicher, dass er irgendwann wieder in ein Projekt von mir involviert sein wird, und genauso andersherum, weil wir Freunde sind und unsere Musik nun schon sehr lange miteinander teilen. Das wird sich auch nicht ändern. Konkret geplant ist aber nichts. Ich habe aber ein Solo-Album unter meinem Namen HELJARMADR in Arbeit. Die Demo-Aufnahmen sind gemacht, das Songwriting ist also größtenteils abgeschlossen. Tatsächlich unterstützt mich dabei der Drummer von Thyrfing, Dennis [Ekdahl, A. d. Red.] – er wird das Album einspielen. Und Natt, der bei DARK FUNERAL Bass gespielt hatte, als ich 2014 eingestiegen bin, wird als zweiter Gitarrist mitwirken. Das ist die Kernbesetzung des Albums. Christopher [Edward Brown, A. d. Red.], der auf der Single Cello gespielt hat, wird auch wieder mitmachen. Nicht bei jedem Song natürlich, aber überall, wo es passt.
Wie sieht euer Zeitplan aus, wann wird man etwas zu hören bekommen?
Ich hoffe, in der ersten Hälfte des nächsten Jahres, wenn es schnell geht. Aber definitiv im Laufe des nächsten Jahres. Wann genau, ist schwer zu sagen … jetzt mache ich erst einmal das GRÁ-Album fertig, und dann geht es mit DARK FUNERAL auf Tour. Vermutlich gehen wir es dazwischen dann an.
Ich bin gespannt! Dann kommen wir jetzt auf den anderen Teil deines HELJARMADR-Projektes zu spechen: deine Fotos und das Fotobuch. Wie hast du überhaupt zur Fotografie gefunden?
Wie schon gesagt, komme ich aus dem hohen Norden, aus dem Nähe-Polarkreis-Norden. Früher, als es kein Internet gab, musste man da alles selbst machen, wenn man etwas gemacht haben wollte. Wir waren damals vier Kinder und hatten keine reichen Eltern, die uns Studioaufenthalte bezahlen hätten können. Also haben wir uns billiges Equipment ausgeliehen, um aufzunehmen. Wir haben niemanden, der Gitarre spielt? Dann spiele eben ich. Wir sollten auch Bass auf der Aufnahme haben, aber wir haben keinen Bassisten? Verdammt, dann lerne ich eben den verdammten Bass spielen. So lief das damals … ich habe sogar eine Zeit lang Schlagzeug gespielt! Ich bin jemand … wenn etwas fehlt, sorge ich dafür, dass es passiert. Wir konnten uns niemanden leisten, der uns eine Website baut … also habe ich damals in den 2000ern etwas HTML gelernt und das selbst gemacht. Und natürlich brauchten wir irgendwann ein Cover, das konnten wir ja auch nicht einfach irgendwo klauen. Also habe ich mir eine billige Kamera gekauft und ein verdammtes Schwarzweißfoto gemacht. Ich denke, damit hat es angefangen. Und so habe ich über die letzten 20 Jahre Fotos angesammelt … Als dann die Pandemie hereinbrach, habe ich diese Fotos durchgesehen und angefangen, sie zu sortieren. Da habe ich gemerkt, dass sich da einiges angesammelt hat, und überlegt, ob ich vielleicht etwas damit machen kann, damit ich dieses Kapitel abschließen kann. So kam es dann von 4000 Fotos zu den 120 oder wie viele jetzt in dem Buch gelandet sind. Mehr war es eigentlich nicht.
Was macht für dich ein gutes Foto aus, wie hast du entschieden, welche Bilder in das Buch kommen?
Das ist schwer in Worte zu fassen. Ich denke, es muss ein Feeling haben. Wie gesagt, ich habe mit rund 4000 Fotos angefangen, die ich dann auf ein paar hundert reduziert habe, die ich dann dahingehend weiter aussortiert habe, wie ich das Ergebnis stimmig gestalten kann, wie es einen roten Faden von Anfang bis Ende bekommt. Am Ende habe ich als Coverfoto das alte Familienhaus meiner Mutter in Finnland ausgewählt – und die letzten Fotos im Buch sind aus Santiago. Es geht also von „vor meiner Zeit“ bis heute. Es sind auch ein paar Bilder von den Straßenkämpfen in Santiago dabei, die das Land sehr verändert haben. Ich glaube, das ist ganz cool geworden – das ist jedenfalls eine mögliche Art, das Buch durchzugehen. Zudem ist das Buch in verschiedene Kapitel unterteilt – eines zum Thema Natur beispielsweise. Natur war für mich immer eine große Inspiration. Ich war immer gerne in der Natur, seit ich ein Kind war … damals habe ich mir oft im Schnee den Arsch abgefroren, wie vorher erwähnt. Ich war auch viel auf Reisen, und viele der Seiten zeigen auch eine Art Vergleich: ein Naturfoto aus Neuseeland, und gegenüber eines aus Schweden. Am Ende gibt es da viele Ähnlichkeiten! Aber ich möchte auch nicht zu viel verraten.
Ein wenig erklärst du ja auch in den jeweiligen Texten zu den Kapiteln. Nicht jedes Fotobuch hat so etwas. Warum war dir das wichtig?
Diese Texte waren ursprünglich nur dafür da, um das Material für mich zu strukturieren. Aber ich habe mich dazu entschieden, sie abzudrucken, weil es auch den Betrachter gut durch das Buch führt. Auch das mit den Gedichten dazwischen hat sich einfach so ergeben … viele Seiten haben nichts dergleichen, aber wo es sich richtig angefühlt hat, habe ich sie eingefügt.
Deine Fotos zeigen ganz unterschiedliche Szenarien, von der erwähnten Naturfotografie über Lost Places bis zu Schnappschüssen von deinen Touren mit DARK FUNERAL. Gibt es ein bestimmtes Bildthema, das du besonders gerne fotografierst, einen Bereich, in dem du dich als Fotograf „zuhause“ fühlst?
Das war immer sehr situationsabhängig, aber seit ich das Buch gemacht habe, ist mein Interesse daran auch nochmal gewachsen. Ich habe früher einfach Fotos gemacht und mich erst später darum gekümmert, was damit passiert. Jetzt versuche ich da etwas strukturierter dranzugehen, und frage mich vor dem Fotografieren, was ich eigentlich damit bezwecke. Ich mache mittlerweile auch mehr Bilder von Menschen. Ich weiß nicht warum, aber die Vielfalt von Gesichtern fasziniert mich.
Gab es einen unwiederbringlichen Moment, den du nicht mit der Kamera festhalten konntest, was du aber bis heute bereust?
Ich bereue, dass ich oft keine bessere Kamera dabei hatte. Ich hätte beispielsweise in Tschernobyl wirklich gerne eine bessere Kamera dabei gehabt. Diese Bilder habe ich mit meiner Handykamera gemacht … und jetzt ist dieses ganze Areal nicht mehr zugänglich. Über den Krieg muss ich ja niemandem etwas erzählen. Wer weiß, ob man dort jemals wieder hin kann. Das ist aber definitiv ein Ort, von dem ich mir heute wünschte, ich hätte dort auch ganz generell mehr Fotos gemacht. Ich habe einige gemacht, aber ich wünschte, ich hätte mehr gemacht.
Die düstere Atmosphäre deiner Bilder wird durch die Nachbearbeitung verstärkt … oft färbst du die Bilder düster oder ganz in schwarz-weiß. Hast du schon im Kopf, wie ein Foto aussehen soll, wenn du es machst, oder ist die Nachbearbeitung davon losgelöst ein zweiter Schritt zum fertigen Bild?
Eher zweiteres, ich schaue einfach, wohin ich das Bild bringen kann. Ich habe bisher eher aus der Gelegenheit heraus fotografiert. Aber seit ich das Buch veröffentlicht habe, plane ich meine Bilder besser … ich mache nicht mehr 200, sondern 10, weil ich weiß, dass ich die anderen 190 später sowieso löschen werde. Das ist ein Lernprozess. Ich würde mich selbst aber auch nicht „Fotograf“ schimpfen.
Du hast schon angesprochen, dass es ein zweites Buch geben wird … kannst du uns dazu schon Konkreteres sagen? Wann soll es erscheinen, und was darf man erwarten?
Ich will nicht zu viel verraten, aber es wird sicher kein Fotobuch werden. Es werden viele Bilder darin zu finden sein, aber es wird auch viel Text enthalten. Es hängt alles davon ab, wie viel ich dieses und nächstes Jahr auf Tour sein werde. Realistisch wäre vielleicht, zu sagen, dass es etwa zusammen mit meinem Soloalbum nächstes Jahr erscheinen wird.
In der Zeit des Internets ist Fotografie zu einer brotlosen Kunst verkommen, mehr noch als Musik. Vermutlich ist auch das Interesse an Fotobüchern betroffen – hat sich das Projekt für dich trotzdem auch finanziell gelohnt?
Ja – tatsächlich war das Interesse deutlich größer als ich erwartet hätte. Ehrlichgesagt hat es mir finanziell gesehen in der Pandemie den Arsch sogar gerettet … das Buch und die Single. All die Fans da draußen, die mich unterstützt haben, sind wirklich fantastisch. Weil natürlich konnte ich in dieser Zeit keine Shows spielen. Damit war mein Einkommen bei Null … für zwei Jahre. Konzerte sind schließlich mein Job. Schlussendlich habe ich dann auch mehr Bücher gemacht als ich geplant. Ein paar habe ich noch, aber ich denke, das werden die letzten sein. Also wenn ihr das hier lest, und eines haben wollt, solltet ihr es euch jetzt besorgen – ich glaube nicht, dass ich nochmal welche produzieren lasse. Zumindest nicht, bis das zweite herauskommt, oder bis ein Verlag Interesse daran hat, es zu verlegen.
Hast du vom Schwedischen Staat in dieser Zeit als Künstler auch finanzielle Unterstützung bekommen?
Nein – der einzige Weg, über den ich an Geld gekommen wäre, wäre gewesen, meine Firma zuzumachen, über die mein ganzes Musik-Business läuft. Ich hätte die Firma aufgeben und Sozialhilfe beantragen müssen. Das wäre der einzige Weg gewesen – aber das hätte auch bedeutet, dass ich jede Website hätte abschalten müssen, inklusive Instagram- und Facebook-Seite, dass ich in keiner Form weiter Werbung hätte für mich machen dürfen. Ich hätte komplett aus dem Musikbusiness aussteigen müssen, komplett. Um Sozialhilfe zu bekommen. Das wäre die einzige Option gewesen, und natürlich war das keine Option.
Umso besser, dass es jetzt mit den Konzerten wieder losgeht! Wenn ihr in die Nähe von München kommt, bin ich definitiv da!
Es ist tatsächlich schon zweimal vorgekommen, dass eine Tour von uns in München geendet ist, und ich dann ein paar Extra-Tage in der Stadt geblieben bin. Es ist eine schöne Stadt und es gibt großartige Schnitzel!
Dieses Interview wurde per Telefon/Videocall geführt.