Interview mit Heino

Sein Cover-Album „Mit freundlichen Grüßen“ schlug in der deutschen Rock-Szene Wellen, das rockige Folgealbum „Schwarz blüht der Enzian“ (2014) wurde zum am häufigsten heruntergeladenen Album eines deutschen Interpreten: Spätestens seit seinem Auftritt mit Rammstein vor 80.000 Metallern auf dem Wacken Open Air ist Schlagerstar HEINO auch dem langhaarigen Rocker nicht mehr nur aus Großmutters Schallplattensammlung ein Begriff. Vor seiner Show in München hatten wir die Gelegenheit, mit ihm über seine Motive für den abrupten Stilwechsel, Rammstein und Rock als neue Form der Volksmusik zu sprechen.

Heino-Logo

Im Rock und Metal ist es üblich, sich in Interviews zu duzen – wie steht es damit im Schlager-Bereich? Sollen wir Sie siezen?
Ne, ne – Rocker duzen sich! (lacht)

Gerne! HEINO, wie fühlt es sich für dich an, jetzt Rock zu machen?
Naja, Musik ist Musik. Rocker können ja auch Musik machen. Und was ich vorher gemacht habe, Volksmusik, war ja auch Musik. Nur eben eine andere Form. Rockmusik ist eben Musik mit etwas mehr Schlagzeug, mehr Gitarre, mehr Bass … Jetzt habe ich eben ein paar poppige Sachen gemacht, die in die rockige Richtung gehen, und hab noch vier Bläser dazugenommen und drei Chormädchen. Für mich ist Rockmusik die zukünftige Volksmusik der jungen Leute von heute, die musikalisch einfach andere Empfindungen haben.

Heino 2015Was denkst du, hat sich verändert?
In den 50er, 60er Jahren, als ich angefangen habe, kamen Schlager, kam die italienische Welle. Das ist heute ganz anders. Und junge Menschen haben im Vergleich zu früher auch ganz andere Gefühle, weil wir in einer ganz anderen Welt leben als vor 50 Jahren, als ich angefangen habe, Musik zu machen. Ich finde das aber schön, ich finde es wunderbar, dass ich jetzt in dieser Szene arbeiten darf. Ich habe in den letzten zweieinhalb Jahren, in denen ich jetzt dabei bin, feststellen dürfen, dass die jungen Leute in der heutigen Szene wesentlich angenehmer sind als in den 60er oder 70er oder 80er Jahren. Das hört sich vielleicht für ältere Leute blöd an, aber das ist so. Die jungen Leute von heute haben mir gegenüber – ich habe das ja auch bei Rammstein gesehen – wesentlich mehr Respekt und Toleranz. Ich muss sagen: Die sind top drauf!

Wie bist du auf die Idee gekommen, ins Rockgeschäft einzusteigen?
Vor drei Jahren habe ich angefangen, mir darüber Gedanken zu machen, dass ich wesentlich mehr junge Leute bei meinen Konzerten habe, als immer geschrieben wird. Das ist ja immer das Gleiche: Die Medien kommen nicht, aber sie schreiben dann „HEINO war da und da, da waren alles ältere Leute“. Aber das stimmt im Grunde genommen gar nicht. Vor zweieinhalb Jahren war ich mit anderen Interpreten auf Schalke auf einem Schlagerfestival und habe vor 35000 jungen Leuten gespielt. Da haben die dann alle – 35000 junge Menschen – nach einer Viertelstunde gesungen „Außer Heino können alle gehen!“. Da hab ich mich gefragt: Was mach ich jetzt? Ich habe ja für diese jungen Leute noch nie gesungen. Ich habe zu meinem Manager, der halb so alt ist wie ich, dann gesagt: Wir müssen mal ne Platte für junge Leute machen, kümmere dich doch mal um Repertoire, denn da kannte ich mich ja nicht aus. Und dann haben wir das Repertoire ausgesucht: Die Melodien waren alle toll, aber mit 75 Jahren kann man keine Texte singen, die aus der Sicht von 25-jährigen Menschen geschrieben sind.

Heino 2015Wie bist du bei der Auswahl der Songs vorgegangen, worauf hast du geachtet?
Die habe ich aussuchen lassen, und dann angehört, ob sie zu mir passen – von der Rhythmik her, vom Text her. Ich kannte die wirklich nicht. Ich kannte auch „Sonne“ nicht – das war ja nicht meine Welt. Was ich kannte, war natürlich Grönemeyer und Westernhagen, ich kannte Rammstein, wusste aber nicht, was die gesungen haben. Da habe ich mich jetzt erstmal mit befasst. Aber die einzelnen Titel, die die Kollegen gesungen haben, sind für mich Neuland gewesen.

War das dann auch eine Art Kulturschock für dich?
Für mich nicht. Ob ich Musik jetzt im Rockstil mache oder im herkömmlichen Stil, ist einfach eine Frage des Arrangements, wie ich mir das vorstelle. Ich habe ja auch den ersten Enzian in einer volkstümlichen Version, den zweiten in einer Rap-Version den dritten als Heavy-Metal-Version gemacht. Wenn man mit der Zeit gehen will, muss man sich schon Gedanken machen: „Was tue ich jetzt?“ Man bleibt ja auch nicht mit der Mode stehen, man will ja auch modern gekleidet sein. Viele Kollegen aus den den Hitparaden in den 70er Jahren sind stehengeblieben. Die haben alle nicht weitergemacht, weil sie gedacht haben „was ich mache, ist toll, was Besseres gibt es nicht“. Und das ist nicht mein Anspruch. Mein Anspruch ist, Musik zu machen, immer modern zu sein, immer up to date zu sein.Heino 2015Weil du das Thema Mode gerade ansprichst: Du läufst jetzt auch als „Rocker-HEINO“ herum, in schwarzen Kleidern und „Szeneschmuck“. Fühlst du dich in deinem neuen Bühnenoutfit verkleidet oder würdest du das auch privat anziehen?
Ich laufe auch privat so herum. Ich bin auch früher schon so herumgelaufen, habe früher auch schon Lederjacken getragen …
Aber keine Schädelringe, oder?
HEINOs Frau Hannelore, bislang stille Beisitzerin, meldet sich zu Wort: Den habe ich ihm gekauft, für die Präsentation der CD. Dann haben wir ihm da noch ein paar Nieten auf die Jacke gemacht … also er ist ein Edel-Rocker. Also nicht so urig, wie die normalen Rockfans aussehen.
In den 60er Jahren bestand mein erstes Outfit aus Lederjacke, Rollkragenpulli und Gitarre. Da hat sich nicht viel geändert.

Wie hat dein Label auf deinen Genrewechsel reagiert?
Ich habe die CD der Plattenfirma gezeigt und die meinten: Die Idee ist toll, aber wer soll das kaufen? Darauf meinte ich: Wer das kaufen soll, weiß ich auch nicht, aber ich weiß, dass, wenn ein 75-jähriger Mensch, der 50 Jahre Volksmusik macht, hergeht und plötzlich Rock macht, hat er in den Medien zumindest Aufmerksamkeit. Aber die haben sich dann nicht so richtig drangetraut. Da habe ich die CD dann bei einer anderen Plattenfirma rausgebracht und es ist Platin geworden. Das habe ich natürlich vorher auch nicht kommen sehen, aber ich bin froh, dass ich diesen Schritt gemacht habe. Es war ja auch nicht so, dass ich diesen Schritt das erste Mal gemacht habe: Ich habe ’72 den „Enzian“ in einer volkstümlichen Version gemacht und ’88 noch einmal in einer Rap-Version. Ich bin nie musikalisch stehengeblieben und habe gesagt, dass das, was ich jetzt mache, das Nonplusultra ist. Ich bin Musiker, ich habe das mal gelernt, Musik zu machen. Deshalb bin ich ganz froh, dass ich mich da weiter entwickelt habe.Heino 2015Die Rock-Szene ist ja eine sehr eingeschworene Gemeinde. Dass du da quasi reingegrätscht bist, hat nicht nur für positive Resonanzen gesorgt. Wie gehst du mit Kritik um?
Es steht ja schwarz auf weiß: Ich bin da reingerutscht und habe Platin bekommen, von jungen Leuten, die mir das abgekauft haben. Ich habe die Platten ja nicht verschenkt. Klar bin ich beschimpft und belächelt worden für das, was ich tue. Aber das bin ich seit 50 Jahren gewohnt, das prallt an mir ab. Ich meine, ich habe Erfolg in dieser Szene, ich fühle mich wohl.

Ist dir der Umstieg auf Rock musikalisch schwergefallen?
Auch Rocker können aus zwölf Tönen nicht mehr machen als ein volkstümlicher Interpret. Heavy Metal, was Rammstein macht, ist natürlich harmonisch nicht so ausgeklügelt wie Klassik, Mozart, Schubert oder Tschaikowsky, das ist aber auch gut. Das sind dann eher Mollmelodien, die man dann durch die Harmonien auch richtig mit Gitarren spielen kann. Das wollte ich auch, deshalb habe ich den „Enzian“ dann eben auch schwarz gemacht. Man darf das nur nicht so leichtfertig hinnehmen und sagen, die Rocker, die machen nur Lärm. Das stimmt nicht. Die machen sich schon Gedanken darüber, deswegen haben die ja auch sehr viel Erfolg, und das über Jahre.

Und was gibst du dem Rock?
Das Rockpublikum kennt ja gar keine Bläser, das gibt es in dieser Szene nicht. Ich bin ja, glaube ich, der erste, der in dieser Szene Bläser hat. Man wird das auch merken, man wird das auch hören: Überall, wo ich jetzt aufgetreten bin, reden die Medienleute von Chor und Bläsern auf der Bühne – das finde ich toll.
Wenn ich die jetzt alle nicht dabei hätte, O.K., dann hätte ich auch mit sechs oder sieben Leuten spielen können. Dann wäre das üblich gewesen. Aber so habe ich etwas inszeniert, wo die jungen Leute sagen: Wunderbar!

Siehst du dich in der Tradition von Musikern, die jahrelang ihre Musik gemacht haben und dann experimentelle Schritte gewagt haben, beispielsweise Johnny Cash?
Man muss immer mal was Neues ausprobieren. Ich habe mich immer als Musiker gesehen, ich habe Volksmusik gemacht und bin der Meinung, dass diese Lieder, die ich jetzt hier auf dieser CD gesungen habe, ob das jetzt Rammstein ist oder Grönemeyer oder Westernhagen, dass das die Volksmusik der nächsten Generation ist. Deswegen habe ich das gemacht. Junge Leute wie ihr kennen Lieder wie „Am Brunnen vor dem Tore“ ja gar nicht mehr. „Sonne“ oder was ich jetzt alles gemacht habe – das sehe ich als die zukünftige Volksmusik der jungen Leute an.

Die Band Rammstein spielt eine Schlüsselrolle in deiner aktuellen Rocker-Karriere: Du hattest 2013 bei ihrer Wacken-Show einen Gastauftritt vor 80.000 Metal-Fans. Was für eine Erfahrung war das für dich?
Das habe ich ja anfangs gesagt: Ich habe junge Leute kennengelernt, die unheimlich tolerant sind und äußerst respektvoll mir gegenüber. Wie die Jungs von Rammstein, die sehr nett zu mir waren: Wir haben eine Stunde lang in deren Garderobe geprobt. Ich habe ja ein ganz anderes Arrangement als das, mit dem die Jungs auf der Bühne stehen. Aber sie haben mich so betreut und ich habe mir gedacht: Toll! Der Till hat mich dann angesagt, vor 80.000 Menschen. So. Die hätten ja auch alle pfeifen können, die hätten ja alle „Buh!“ rufen können … was ich auch schon erlebt habe. Nicht bei mir, aber bei anderen Rock-Veranstaltungen, wo Künstler kamen, die die Fans gar nicht sehen wollten. Aber wie der Till mich angesagt hat und 80.000 jubeln, da standen mir Tränen in den Augen. Und da habe ich mir gedacht: Ich bin bei den Jungen angekommen, das macht mir Spaß. Ich bin sehr glücklich mit meiner Situation.Heino 2015Du nennst die „jungen Leute“ dein neues Zielpublikum. Das steht in Kontrast zum Ticketpreis von fast 40€, den sich nicht jeder Jugendliche leisten kann …
Ja, das verstehe ich.

Ist das etwas, worüber du dir im Vorhinein Gedanken gemacht hast?
Nein, da habe ich gar nicht drüber nachgedacht. Ich bin jetzt zum ersten Mal in dieser Szene und es gibt Veranstalter, die diese Szene bedienen und die haben mich engagiert. Und zu dem Preis – das sind ja fast 36, 37 Euro – kann ich nichts sagen. Wenn ich normalerweise Konzerte mache, ist das üblich. Aber diese Szene hier kenne ich nicht. Wenn ich diese Szene jetzt schon länger kennen würde, würde ich sagen: Ne, für diese Art Locations, wo wir auftreten, ist es vielleicht 10 Euro zu teuer. Also da kann ich nichts zu sagen, ich konnte ja auch den Veranstalter nicht beeinflussen, da hat der mehr Ahnung als ich. Ich kenne diese Art von Häusern nicht, in denen ich jetzt auftrete.

Über die jungen Rockfans haben wir viel geredet. Aber wie stehen deine alten Fans zu deinem jüngsten Imagewandel?
Es gibt viele, die früher immer belächelt worden sind und die jetzt sagen können: Seht ihr, der HEINO kann das auch. Aber im Grunde genommen … als ich angefangen habe mit Volksliedern, war ich 25, da waren meine Fans 40, 45. Die wären jetzt alle um die 90 …
… und die beschweren sich nicht mehr? (lachen)
Nein, aber für die wäre es auch schwer zu singen. Deswegen bin ich froh, dass ich diesen Schritt gemacht habe. Das hält mich jung, dafür bin ich den jungen Leuten dankbar!

Heino 2015

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