Interview mit Atf Sinner von Hate

HATE gehören zu den ältesten der polnischen Death-Metal-Bands: Bereits seit 1990 treiben sie ihr Unwesen. Mit „Crvsade:Zero erschien nun nicht nur der Nachfolger von „Solarflesh“ (2013), sondern auch das erste Album seit dem tragischen Tod von Bassist Mortifer. Bandkopf Atf Sinner über die Tragödie, die Auswirkungen auf das Bandgefüge und das neue Album.

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HATE bestehen nun seit 25 Jahren – Gratulation dazu! Was sind deine besten, aber auch deine schlechtesten Erinnerungen an dieses Vierteljahrhundert?
Es gab jede Menge großartiger Momente – eigentlich war der Großteil der Zeit mit der Band toll. Wir waren auf vier Kontinenten mit unseren Shows und haben viel erreicht. Aber natürlich gab es auch viele schwierige Situationen. Die härteste war der Tod eines unserer Bandmitglieder, Mortifer. Sein Begräbnis war eine herzzerreißende Erfahrung.

hate_5 (1)Wie seid ihr als Band mit dieser Tragödie umgegangen, wie habt ihr euren Weg zurück zur Normalität gefunden?
Es hat bei jedem von uns eine ganze Weile gedauert, mit diesem Verlust umzugehen. Viele Fans und Musiker waren da, um uns und seiner Familie in dieser Zeit beizustehen – dafür sind wir sehr dankbar. Es gab natürlich auch Spekulationen und Gerüchte über die Umstände seines Ablebens, die aufgeklärt werden mussten. Einige Leute wollten es einfach nicht wahr haben, dass er gestorben ist. Dennoch haben wir uns dazu entschieden, besser bald wieder im Ring zu stehen, als uns in Selbstmitleid zu ergehen. Shows zu spielen war für uns eher eine Art Therapie als ein Versuch, die Band weiterzubringen. Wir wollten einfach nur weitermachen und uns selbst auf der Bühne wiederfinden. Mortifers Frau hat uns zu dieser Zeit angeboten, am Bass auszuhelfen – sie ist selbst sehr talenteierte Musikerin, also haben wir zugestimmt. Wir haben zwei große Shows mit ihr gespielt. Jetzt haben wir einen anderen Knaben namens Kain am Bass – aber er ist kein festes Bandmitglied. Nach Mortifers Tod haben wir uns dazu entschieden, als Trio weiterzumachen.

Mit Paweł Jaroszewicz, den man von seinem Mitwirken bei vielen polnischen Bands wie Vader kennt, habt ihr auch einen neuen Schlagzeuger in der Band. Warum ist Hexen ausgestiegen?
Ich denke, dass der Ausstieg von Hexen eine Folge von Mortifers Tod ist. Sie waren wirklich enge Freunde, und ich glaube, dass sich Hexen von dieser Tragödie nicht erholt hat. Es wurde für ihn immer schwerer und schwerer, in einer Band zu sein, in der einer für immer fehlt. Nach unzähligen Gesprächen über das Thema, hat er sich dazu entschieden, seinen eigenen Weg zu gehen und ich denke, es war für ihn die richtige Entscheidung. Er hat einfach frische Luft zum Atmen gebraucht und etwas Abstand zu dem, was passiert ist. Jetzt ist er in einigen Projekten involviert, die weit von dem entfernt sind, was wir tun: Er spielt vor allem Rock und Alternative. Wir sind immer noch gute Freunde. Wenn du mich zu Pavulon fragst, so war er die offensichtlichste Lösung nach Hexens Ausstieg. Pavulon war immer im Umfeld der Band, wir kennen uns seit über 15 Jahren. Ich habe sein Talent und seine Beharrlichkeit immer bewundert. Er war von 2008 bis 2011 bei Vader, später bei Decapitated. Als ich ihn gefragt habe, ob er bei uns einsteigen würde, sagte er sofort “Ja” – das beweist, dass er die richtige Person am richtigen Platz ist.

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Bei HATE gab es immer schon viele Besetzungswechsel. Siehst du diese Tatsache als Chance für die Band oder eher eher als Ärgernis?
Für jeden Lineup-Wechsel gab es einen guten Grund – gewöhnlich waren es persönliche Gründe. Aber jeder Wechsel kann ein Wechsel zum Guten sein, und ich denke, wir können uns glücklich schätzen, heute stärker zu sein denn je zuvor.

Das neue Album heißt „Crvsade:Zero – was steht hinter diesem Titel?
Die Idee zu dem Titel entstammt einem Roman, der in den 90ern geschrieben und in einem Sci-Fi-Underground-Verlag in Polen veröffenltlicht wurde. Es ging um einen religiösen Kreuzzug, voller Arroganz und Selbstsicherheit, der in einem kompletten Desaster und dem Tod aller Hauptcharaktere endet. Nicht eben ein Happy End. Das war die Hauptinspiration für das ganze Album, das vom Zustand der Menschheit und ihrem Weg zur Selbstvernichtung. Es geht um eine Welt, die von Entropie und Verfall regiert wird; die Dämmerstunde der Zivilisation wie wir sie kennen. Es geht um den verzweifelten Versuch, diese Zivilisation zu retten, aber selbst die größten Zivilisationen der Vergangenheit sind am Ende kollabiert, weil die Menschheit unfähig ist, von früheren Generationen und Erfahrungen zu lernen. Wir alle haben eine Tendenz zu Konflikten, die zu Kriegen führen. Dieses „War Mem“ ist so stark in uns, dass es kaum möglich ist, ohne Kriege zu existieren. Du lebst zu kurz und hast keine Distanz zu den Veränderungen und Mechanismen, die die Welt regieren. Religionen sind Illusionen. Gott ist nichts als eine tumbe Kreatur der Massenillusion. Das Schlechte triumphiert, weil die Menschen mental zu schwach sind. Wir marschieren hirnlos der Selbstvernichtung entgegen, und erfinden immer neue Götter. Das Ergebnis dieses großen menschlichen Aufwandes ist keiner. Gleich null.

Hate - Crusade ZeroWo siehst du die Hauptunterschiede zwischen „Crvsade:Zero“ und seinem Vorgänger „Solarflesh: A Gospel Of Radiant Divinity“?
“Crusade:Zero” ist nicht sonderlich revolutionär, sondern einfach die Fortführung des vorangegangenen Albums. Was du auf dem Album hören kannst, ist eher eine Weiterentwicklung und ein Wandel des Gesamtsounds. Das Material klingt lebendig und authentisch. Es hat eine Menge Raum und Dynamik – daran mangelte es dem Vorgänger. Was die Musik angeht, ist es zu 100 % HATE – düster, kraftvoll und verdorben. An einigen Stellen ist es extrem intensiv, an anderen Stellen majestätisch und hypnotisch. Das Album führt also die Essenz unseres Stils fort und ist vielleicht unsere bislang größte künstlerische Leistung.

Ich finde das Album aber auch vielseitiger und deshalb atmosphärisch stärker als den Vorgänger. Ist das etwas, das ihr beim Schreiben der Songs im Auge hattet? War es das erklärte Ziel, oder hat sich das einfach so entwickelt?
Wir wollten ein neues Kapitel unserer Biographie eröffnen, all die schlimmen Dinge, die 2013 passiert waren, hinter uns lassen. Unser Ziel war es, starke, authentische Songs zu schreiben, die auf unseren eigenen Erfahrungen und Sichtweisen basieren. Als wir uns dazu entschieden haben, an neuem Material zu arbeiten, war es ein schneller und intuitiver Prozess. Das gesamte Material ist zwischen Februar und Juni 2014 entstanden. Zunächst hatten wir noch viel mehr Songs, als wir dann schließlich aufgenommen habne, aber wir haben uns dann dazu entschieden, die besten neun auszuwählen, die unseren Stil am besten repräsentieren. Wir hatten dabei auch viele Diskussionen über die Message des Albums und den Gesamtsound.

Hast du eine Erklärung dafür, dass polnischer Death Metal so charakteristisch klingt? Ich finde es sehr interessant, dass polnische Bands es geschafft haben, quasi ein eigenes Subgenre zu kreieren, das seine eigenen, charakteristischen Elemente aufweist.
Das ist in der Tat ein Phänomen, und ein sehr mysteriöses obendrein. Ich denke, das solltest du besser einen Soziologen fragen! (lacht) Aber ich versuche dir trotzdem eine Antwort zu geben. Du musst dabei den historischen Kontext im Auge behalten: Polen hat im 20. Jahrhundert ein enormes Maß an Zerstörung und Leid durchgemacht – zwei Weltkriege und anschließend 60 Jahre unter dem Kommunistischen Regime. Unsere Nation ist in ihrer Seele verletzt. Metal bedeutet in Polen Rebellion und Rache – es ist weit davon entfernt, bloßes Entertainment zu sein. Es ist vielmehr eine Stimme der Apokalypse. hate_4

Die Metal-Szene hier besteht zu großen Teilen aus rebellischen, satanischen Bands. Du findest hier kaum etwas softeres als sagen wir mal Vader. Polen ist ein sehr traditionelles Land, mit einer sehr dominanten Rolle der Katholischen Kirche und vielen sehr rigiden Gesetzen, denen die “normalen” Leute folgen. Kein Wunder also, dass viele anders sein wollen: Für viele junge Leute ist Metal wie eine frische Briese, und wenn du anfängst zu spielen, muss es wild, brutal und sehr ernst sein. Das hat sich über die Jahre nicht geändert.

Wie gehst du persönlich damit um, dass eure Musik stets mit der von Behemoth oder Vader verglichen wird? Bist du darauf stolz oder davon eher genervt?
Ich bin stolz, ein Teil der polnischen Metal-Szene zu sein, und auf die Tatsache, dass ich viel zu deren Entstehung beigetragen habe. Es nervt mich eher, wenn die Leute unsere Musik dafür kritisieren, dass wir den anderen Bands gleichen, weil sie für gewöhnlich keine Ahnung haben, dass wir vor vielen dieser Bands existiert haben und schon seit 1990 in dieser Szene aktiv sind. Einige dieser Bands sagen sogar selbst ganz offen, dass sie von unseren frühen Alben, aber auch von unseren aktuelleren Werken, beeinflusst wurden. Aber das ist voll in Ordnung, weil wir aus den gleichen musikalischen und kulturellen Background haben – da muss es einfach Ähnlichkeiten geben.

hatefest-posterwebIhr geht im April mit Marduk, Six Feet Under und Vader auf Tour.
Was erwartest du dir von den Shows?

Wir wollen einfach unser neues Album mit großartigen Shows promoten, weil wir finden, dass es definitiv ein Highlight in unserer Diskographie darstellt. Wir bekommen derzeit eine Menge Anfragen, insofern sieht es so aus, als würde 2014 ein sehr arbeitsreiches Jahr für uns.

Zum Abschluss noch ein kurzes Brainstorming.
Welchen Begriff aus den folgenden Paaren bevorzugst du und warum?


US Death Metal vs. Polnischer Death Metal:
Polnischer! Vor allem, weil er nicht so sehr technisch orientiert ist, sondern emotionaler und voller im Sound als der amerikanische. Zumindest in meinen Ohren.
Beer vs. Vodka: Vodka. Ich trinke kein Bier.
Festival vs. Klubshow: Festival. Du triffst viele Leute und “Festival” bedeutet auch nicht notgedrungen “keine Atmosphäre”. Wir haben ein paar Festival-Auftritte gespielt, die ich zu unseren besten Shows zähle.
„The Satanist“ vs. „Tibi Et Igni“: Ich liebe beide CDs, auch wenn beiden stellenweise etwas fehlt: “The Satanist” ist kraftvoll, aber manchmal etwas arg simpel gehalten. “Tibi” ist super heavy, aber nicht spannend genug. Trotzdem zeigen beide Aufnahmen, wie stark unsere Kollegen sind und was für großartige Musik sie immer noch machen.
Songwriting vs. Auftreten: Beides. Songs zu schreiben ist eine spannende Reise, etwas sehr privates und profundes. Touren ist immer ein Kampf und auf alle Fälle der verrücktere Teil des Ganzen. Ich kann mir meine Band ohne Konzerte nicht vorstellen – unser Hauptanliegen ist es, live Musik zu spielen!

Die letzten Worte gehören dir – möchtest du unseren Lesern noch etwas mitteilen?
Zunächst einmal Danke für dieses Interview! Und an die Leser – Rest in HATE! Und schaut auf unserer neuen Webseite unter ww.hate-metal.com vorbei. Dort könnt ihr alles über die Vergangenheit und Zukunft dieser Band finden!
Ich habe zu danken!

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