Interview mit J.J. von Harakiri For The Sky

Im Post-Black-Metal haben sich HARAKIRI FOR THE SKY schon vor Jahren einen guten Ruf erspielt, den das österreichische Duo auch mit seinem Viertwerk „Arson“ vollauf rechtfertigt. Wie sich Sänger J.J. den Erfolg seiner Band erklärt, warum diesmal ein Gastdrummer an den Aufnahmen zum neuen Album beteiligt war und unter welchen Umständen J.J. seinen Platz am Mikro aufgeben würde, erfahrt ihr neben anderen Dingen im folgenden Interview.

Eure Band HARAKIRI FOR THE SKY gehört wohl zu den renommiertesten Vertretern des Post-Black-Metal. Wie geht es euch damit, dass in eurer Nische so hohe Erwartungen an euch gestellt werden?
Ich bin mir nicht sicher, ob die Erwartungen, die von außen an uns gestellt werden, wirklich so hoch sind. Vor allem denke ich, dass sie ziemlich unterschiedlich sind. Wie bei so vielen Bands gibt es jede Menge Fans, die sich von uns ein Album wünschen würden, welches wie das erste oder „Aokigahara“ klingt. Genauso viele gibt es wiederum, die „III: Trauma“ abfeiern. Deswegen kann man das mit den hohen Erwartungen sowieso vergessen, denn wie man es macht, macht man es sowieso falsch. Uns ist es relativ egal, was die Leute von dem neuen Album halten. Wir selbst sind damit äußerst zufrieden, deswegen geht das in jedem Fall klar.

Womit erklärst du dir, dass ihr in so kurzer Zeit eine solche Bekanntheit in eurem Subgenre erlangen konntet?
Das ist schwer zu sagen. Ich denke, M.S. hat es ganz gut drauf, catchige Gitarrenriffs mit hohem Wiedererkennungswert zu schreiben. Zudem gibt es ja nicht wirklich viele gute Bands, bei denen etwa auch der Sound passt und die so viele Konzerte spielen wie wir. Ich glaube, das ist gar nicht mal so ein unwichtiges Thema, das mit den Konzerten. Wir konnten uns, so denke ich, in Zentraleuropa schnell einen Namen machen, da wir einfach viel unterwegs sind. Das Internet hilft einem natürlich auch, eine Band bekannter zu machen. Eine Zauberformel oder so etwas Ähnliches kenne ich aber nicht. Ich denke, wir machen einfach einiges richtig und hatten natürlich auch viel Glück. Das ist alles.

Welches eurer bisherigen Alben würdest du persönlich als das beste ansehen?
Das neue. Ganz eindeutig. Diese Frage würde auch M.S. sicherlich so beantworten.

Mit „Arson“ habt ihr inzwischen eure vierte Platte herausgebracht. Meiner Ansicht nach führt ihr darauf euren typischen Sound weiter. Inwiefern unterscheidet sich das Album deiner Meinung nach dennoch von seinen Vorgängern?
Da hast du sicherlich recht. Auch ich denke, dass es konstant unseren HFTS-typischen Sound weiterführt. Die Produktion ist nochmal besser als auf „III: Trauma“, einfach ausgewogener und harmoniert so super mit dem eigentlichen Sound der Band.

Findest du es wichtig, dass Bands mit jedem Album etwas Neues ausprobieren oder kann es deiner Meinung nach auch funktionieren, ohne kleinere und größere Experimente als Musikgruppe spannend zu bleiben?
Ich für meinen Teil möchte nicht in einer Band spielen, die Album für Album immer dasselbe abliefert. Funktionieren kann es jedoch auf alle Fälle, man braucht sich nur die ganzen Thrash-Metal-Bands anzusehen. Freude am Experimentieren gehört für mich zu jeder progressiven Musikrichtung und da würde ich den Post-Black-Metal, oder wie du auch immer es nennen magst, auf jeden Fall einordnen. Solange man mir nicht mit übertriebenen Experimenten in Punkto Clean-Gesang kommt, bin ich wahrscheinlich dafür zu haben.

Die Drums habt ihr diesmal von Kerim Lechner (Septicflesh) einspielen lassen. Was ist der Grund dafür und wie kam es dazu, dass ihr euch gerade an ihn gewendet habt?
Ein programmiertes Schlagzeug kann organische Drums niemals ersetzen. Programmierte Drums sind immer eine Notlösung, mit der wir uns für „Arson“ schlichtweg nicht mehr zufriedengeben wollten. Auf Kerim fiel die Wahl, da er eine Maschine ist und zudem ein guter Bekannter unseres Produzenten. Polen ist auch nicht aus der Welt, weshalb Kerim kurzerhand für ein paar Tage in seine alte Heimat Niederösterreich zurückkehrte um für HFTS das Schlagzeug einzuprügeln, was für ihn ein Leichtes war.

Könnt ihr euch auch vorstellen, dauerhaft einen Schlagzeuger in die Band aufzunehmen?
Wir haben einen dauerhaften Live-Drummer. Leider ist das aber dann doch etwas Anderes als im Studio, weshalb wir das wohl so beibehalten werden.

Deine Texte sind meist sehr persönlich und schwermütig, die einzelnen Songs sind diesbezüglich voneinander unabhängig. Warum habt ihr euch zusammenfassend für den Titel „Arson“ entschieden?
Brandstiftung trifft wohl am ehesten den inhaltlichen Gesamtkonsens, weshalb dieser Titel für das Album schon recht passend ist. Lyrisch habe ich auf „Arson“ mit vielen noch offen Kapiteln meines Lebens abgeschlossen, von denen einige sich bereits über mein ganzes Leben als Erwachsener gezogen haben. Man muss erst alles niederbrennen, damit es Sinn macht, auf demselben Boden neues Firmament zu erbauen.

Verzeih mir, falls die Frage zu persönlich ist: Aufgrund der Texte kann man wohl davon ausgehen, dass du eher melancholisch veranlagt bist, richtig? Versuchst du, etwas dagegen zu tun oder siehst du gar keine Notwendigkeit darin, eine Therapie oder ähnliches zu machen?
Das ist mit Sicherheit Veranlagung, ja. Therapien habe ich schon die ein oder andere gemacht, aber da fehlt es wohl dann doch etwas weiter. Man hält sich mit Medikamenten und kreativer Arbeit, wie eben dem Schreiben von Songs oder Texten über Wasser. Das funktioniert mal besser, mal schlechter. Da muss jeder seinen eigenen Weg finden, mit diesen Gefühlen umzugehen. Ob eine Therapie hilft oder nicht, kommt auf den zu behandelnden Menschen an, und ob er an diese Form der Medizin glaubt. Mich hat es dagegen nicht wirklich weiter gebracht im Leben.

Angenommen, deine Stimmungslage ändert sich mit der Zeit zum Positiven. Würden sich dann auch deine Texte und Musik dementsprechend verändern?
Ich denke, dann würde ich damit aufhören, Texte zu schreiben. Es würde keinen Sinn machen in einer Black-Metal-Band darüber zu singen, wie erfüllend das Familienleben ist oder wie schön der letzte Sonntagsspaziergang mit dem Familienhund war. Ich glaube nicht, dass ich als glücklicher Mensch in einer Black-Metal-Band spielen würde.

Eure Songs sind inzwischen meist sehr ausschweifend, manche haben sogar eine Spielzeit von über zehn Minuten. Hat das einen bestimmten Grund? Und könntet ihr euch auch vorstellen, kürzere Songs zu schreiben?
Das passiert ganz von selbst. Da haben wir überhaupt keinen Einfluss drauf. Ein Song ist dann vorbei, wenn es sich so anfühlt als müsste er enden. Bei uns dauert sowas eben und hat wie eine kleine Reise eben ihre Höhepunkte und Ruhephasen.

Gibt es einen Track auf „Arson“, der dir persönlich besonders viel bedeutet? Wenn ja, welcher und warum?
„Tomb Omnia“. Siehe Lyrics.

In einer Vinyl-Version ist als Abschlusstrack ein Cover von „Manifesto“ von den Graveyards Lovers enthalten. Warum habt ihr euch das entschieden, gerade diesen Song neu zu interpretieren?
Weil wir, wenn überhaupt, für eine Platte immer Songs covern, die absolut nichts mit Black Metal zu tun haben, wie eben „K’s Choice“ vom Debut oder „Mad World“ von „Aokigahara“. Wir sind beide ziemliche Indie-Fans, weshalb wir mit „Manifesto“ schnell den perfekten Song gefunden hatten.

Darauf ist auch eine Gastsängerin zu hören. Um wen handelt es sich und wie hat sich die Zusammenarbeit ergeben?
Es sind zwei. Leesa ist die Freundin von unserem Produzenten, die zweite Gastsängerin eine Bekannte. Das mit dem Frauengesang war ein Experiment, das M.S. schon immer mal angehen wollte. Ich kann mit Frauengesang eigentlich nicht wirklich was anfangen, der Song ist so für mich aber durchaus in Ordnung.

Im März geht ihr zusammen mit den Dark-Rockern Dool auf Tour. Stilistisch unterscheidet ihr euch deutlich voneinander. Wieso werdet ihr gerade in dieser Konstellation auftreten?
Das hat sich ergeben und ist über unsere Booking-Agentur gelaufen. Ich persönlich finde es immer interessant, mal zwischendurch wieder mit Vertretern anderer Genres die Bühne zu teilen, da ich mich selbst auch für andere Genres begeistern kann. Deswegen ist das schon alles cool so.

Was steht sonst noch so in nächster Zeit bei euch an?
Wahrscheinlich werden wir im Herbst nach China und Japan fliegen, um dort eine Tour zu spielen.

Gehen wir zum Schluss jetzt noch unser traditionelles Metal1.info-Brainstorming durch:
AlcestDeafheaven: Beides super Bands. „Kodama“ fand ich nach „Shelter“ (auch geil) wieder super, weil auch wieder mit Schreigesang. Bei Deafheaven bin ich sehr gespannt, was da als Nächstes kommt. Bin mir sicher, dass die 2018 ein neues Album machen werden.
Deine größte Angst: Aus der Höhe zu fallen, etwa von dem Berg zu stürzen. Ich bin mir zwar nicht sicher, aber das ist das, wovon ich am öftesten träume.
Death Metal: Ich höre nur die ersten paar Death-Alben. Ansonsten kenn ich mich da nicht aus.
Konzeptalbum: Durchaus interessant, wenn zum richtigen Thema.
Politik: Ich bin ein politischer Mensch, finde Politik aber innerhalb der Musik (außer meinetwegen im Punkrock) überholt.
HARAKIRI FOR THE SKY in fünf Jahren: Das kann wohl niemand sagen. Keine Ahnung wie lange wir Bock haben.

Nochmals ein großes Dankeschön, dass du uns deine Zeit geschenkt hast.

Publiziert am von Stephan Rajchl

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert