Interview mit Haris von Hail Spirit Noir

Mit „Pneuma“ haben die beiden Griechen Haris und Theoharis als HAIL SPIRIT NOIR ein Avantgarde-Black-Metal-Debüt veröffentlicht, das Seinesgleichen sucht: Individuell, einzigartig, kreativ, unterhaltsam und gefühlvoll sind nur einige Begriffe, mit denen man das Werk umschreiben könnte – oder auch einfach als „60s Black Metal“, wie Komponist Haris es im Interview tat. Was es noch über das junge Projekt zu berichten gibt, was sie mit Yes und Darkthrone verbindet, und nicht zuletzt, wie er über die Eurokrise in seinem Land denkt, erfahrt ihr hier:


Hallo Haris! Schön, dass du dir die Zeit für das Interview nehmen konntest. Wie geht es dir?
Alles super, danke der Nachfrage!

HAIL SPIRIT NOIR wurde erst 2010 gegründet, insofern gehe ich davon aus, dass die meisten unserer Leser noch nichts von euch gehört haben. Könntest du uns eure Band kurz vorstellen?
Theoharis und ich haben HAIL SPIRIT NOIR 2010 gegründet, außerdem spielen wir beide bei der Avantgarde/Symphonic-Band Transcending Bizarre?. Letzten Sommer sind wir dann ins Studio gegangen und haben unser Debüt aufgenommen, was im Endeffekt eine Mischung aus Psychedelischen Elementen, Horror, traurigen Melodien und modernem Black Metal darstellt.

Ihr habt für das Album einen Vertrag mit dem etablierten Avantgarde-Label Code666 unterschrieben. Wie seid ihr mit Emi in Kontakt gekommen, und wie konntet ihr ihn davon überzeugen, dass “Pneuma” über Code666 erscheinen muss?
(Wir haben ihm schöne griechische Frauen versprochen heheh…)
Wir haben unser fertiges Album an eine Reihe Labels geschickt, aber wir hatten irgendwie schon im Gefühl, dass Code666 für unsere Musik das Passendste wäre. Entsprechend haben wir uns dann gefreut, als wir eines Morgens eine Nachricht von ihm bekommen haben.

Wie wichtig sind euch dabei Reviews? Lest ihr so etwas überhaupt?
Oh, das ist uns sehr wichtig. Ich tu gar nicht erst so, als wäre ich ein Künstler, der nur für sich selbst Musik schreibt und für sonst niemanden – das ist einfach Unsinn. Ich lese jedes Review, das ich im Internet finde, aber ich weiß, dass man nicht alle Magazine, die es gibt, ernst nehmen darf, und nicht alle lesenswert sind. Aber wenn ein Album gut ist, bin ich mir sicher, findet es auch seinen Weg…

Drehen wir den Redakteur-Musiker-Spieß mal um: Wenn du selbst “Pneuma” in einem Satz beschreiben solltest, würde dieser lauten:
Black Metal aus den 60ern?

Und mit welchen drei Bands würdest du versuchen, die Musik von HAIL SPIRIT NOIR jemandem zu beschreiben, der euer Material noch nicht kennt? Ich glaube, das ist in eurem Fall gar nicht so einfach, weil ihr ja sehr individuell und einzigartig klingt…
Ja, das ist in der Tat nicht so einfach. Hmm… Alcest, Yes und Darkthrone.


Gibt es Bands, die dich als Musiker geprägt haben, oder die Einfluss auf die Musik von HAIL SPIRIT NOIR hatten?
Einer der Musiker, der uns inspiriert hat, ist Manos Hadjidakis, ein bekannter griechischer Komponist, und sein Flok/Rock/Symphonic-Album „Reflections“, welches 1969 erschien. Das ist eines meiner absoluten Lieblingsalben, und die Idee, HSN zu gründen, kam mir, als ich dieses Album gehört habe. Eine andere Band, die mir in dem Kontext einfällt, sind die Italiener Goblin, die immer die Soundtracks zu Dario Argentos Horrorfilmen geschrieben haben. Die sind wirklich furchteinflößend! Aber natürlich wurden wir auch von einer ganzen Reihe zeitgenössischer Black- / Extreme-Metal-Bands beeinflusst, da wir alle leidenschaftliche Metal-Hörer sind.

Und gibt es Bands aus dem Avantgarde-Genre, die du unseren Lesern empfehlen würdest?
Deathspell Omega, Aenaon, Thy Catafalque, Smohalla, Transcending Bizarre?, Dirty Granny Tales, Kerbenok, Murmuure. Und ich glaube, es gibt noch ein paar mehr, die ich grade vergesse. Aber hört euch zumindest die hier mal an, die sind alle wirklich großartig.

Würdest du HAIL SPIRIT NOIR eher als Band oder als Projekt bezeichnen? Ich meine, zu dritt könnte Live-Spielen ja schwierig werden, oder?
Wir sind eine komplette Band, aber einige unserer Mitglieder sind nur Session-Musiker. Wir planen auch, live zu spielen, aber bisher ist nichts konkret festgemacht.

Und wie entstehen eure Songs? Schreibt ihr die im Proberaum oder am Computer?
Ich schreibe für gewöhnlich alle Synths, Gitarren und Schlagzeug an meinem PC ( Ich verwende Pro Tools und Cubase) und schicke die dann per email an Theoharis, der sich dann ein paar Tage später mit neuen Ideen meldet. Dann nehmen wir normalerweise Pre-Recordings auf. Schließlich gehen wir dann ins Studio und alles wird von echten Musikern eingespielt. Wir haben ziemliches Glück gehabt, mit so erfahrenen und talentierten Musikern arbeiten zu können. Dim von Transcending Bizarre? Hat alle Akustik-Gitarren geschrieben, die schmutzigen Rock-Solos und die Bassgitarre. Auch, wenn er nichts zu den Kompositionen beigetragen hat, hat er damit der Musik seinen Stempel aufgedrückt. Wir proben vor Aufnahmen nicht, wir senden den Sessionmusikern einfach die Demos und sie lernen die Songs dann eigenständig.

Könntest du uns allgemein etwas über den Entstehungs- und Aufnahmeprozess von „Pneuma“ erhählen?
Nun, wir haben größtenteils auf analoges Equipment zurückgegriffen und Tape-Recorder verwendet, um ein gewisses Vintage-Feeling zu reproduzieren. Ziel war es, old school zu klingen und dabei trotzdem zugleich modern. Wir hatten eine Menge Ideen, wie der Sound am Ende klingen sollte: Beispielsweise wollten wir eine beengende Atmosphäre erschaffen, deshalb haben wir es vermieden, im Mix viel Hall auf die Spuren zu legen. Du hörst die meisten Saiteninstrumente, Gesang und Synths sogar komplett ohne Hall.Wir haben auch zu viel Zerre bei den Gitarren vermieden, weil das wie wir finden ein guter Weg ist, die natürlich rohe Performance des Gitarristen an den Tag zu legen. Die Schlagzeugaufnahmen waren sehr schwierig, weil wir einen alten Prog-Rock-Sound haben wollten, der zu einem modernen Black-Metal-Album passen sollte, also haben wir viel experimentiert. Allgemein war der Sound, den wir für HAIL SPIRIT NOIR im Kopf hatten, sehr unkonventionell und ein bisschen riskant. Der komplette Prozess war ziemlich ermüdend, aber wir hatten eine Menge Spaß.

Das Album wurde von Dim Douvras (Rotting Christ) gemixt, von Jens Bogren (Opeth, Katatonia, Amon Amarth) in Schweden gemastert und das Artwork ist vom amerikanischen Maler Jesse Peper (In Solitude). Wie seid ihr mit diesen Leuten in Kontakt gekommen, und hat es euch nicht viel Geld gekostet, sie an Bord zu holen?
Nun, Dim wohnt bei mir in der Gegend, insofern kenne ich ihn persönlich und mit ihm zusammenzuarbeiten war einfach eine natürliche Sache. Jens hat uns einiges Geld gekostet, klar, aber er ist so erfahren, dass er das wert ist. Mit Jesse haben wir bereits in der Vergangenheit bezüglich Transcending Bizarre?, meiner anderen Band, zusammengearbeitet. Er hat sich die Musik angehört und wollte nichteinmal bezahlt werden. Er hat uns nur um ein paar CDs für sein Archiv gebeten.

Gibt es ein die Songs textlich verbindendes Konzept, oder stehen die Songs jeweils für sich selbst?
Jeder Song erzählt eine andere Geschichte, die meisten davon sind Horrorgeschichten mit lovecraftschem Einschlag: Ein bisschen paranormal, ein bisschen pervers, ein bisschen rätselhaft und ironisch. All diese Geschichten tragen ihren Teil zur Gesamtatmosphäre bei. Die Texte haben keine tiefere Bedeutung, ihr einziger Zweck ist, positive und negative Gefühle wie Trauer, Furcht, Spannung, Hoffnung, Zorn und so weiter zu wecken, ähnlich den Gefühlen, die du empfindest, wenn du einen Film schaust.

Ihr habt ja auch ein paar Passagen in eurer Muttersprache verfasst. Wie kam es dazu?
Ja, in Song drei und sechs sind ein paar griechische Textzeilen, und auch der Chorus im letzten Song ist auf Griechisch. Wir mögen das sehr, und einige Leute haben uns schon gesagt, dass das Griechisch für sie sehr sehr mystisch klingt.

Wo wir grade von eurer Muttersprache beziehungsweise eurer Heimat sprechen: Gibt es in Griechenland eine starke Metal-Szene? Und welche Metal-Genres sind dort am populärsten?
Nun, ich denke, die Szene ist heute relativ schwach. Das war in den 80ern und 90ern deutlich besser. Die Mainstream-Pop-Szene ist hier stärker als in jedem anderen Land, deshalb ist hier in den Massenmedien kein Platz für gute Musik. Sogar Bands wie Septicflesh, die überall auf der Welt hunderte Leute anziehen, sind den Nicht-Metallern hier vollkommen unbekannt. Unsere Eurovision-Songs sind immer absoluter Pussy-Kram, die kitschigsten aller antretenden Länder. Ich würde tippen, dass Power und Black Metal die populärsten sind, aber wie gesagt: Es gibt kein Land, in dem Mainstream-Scheiß so viel Macht hat wie hier.


Heutzutage kommt einem ja trauriger Weise als erstes die Euro-Krise in den Sinn, wenn man den Namen Griechenland hört. Hast du zu dem ganzen Thema eine Meinung und willst uns deinen Standpunkt darlegen?

Griechenland ist eines der größten Opfer der Krise, weil unser Staat ein absoluter Chaoshaufen ist und unsere Politiker so korrupt wie unfähig sind. Europa könnte uns helfen, aber das einzige, was sie machen, ist uns neue Anleihen zu geben, um die alten davon zu bezahlen… das ist einfach bescheuert. Europa und der Rest dieser Kapialisten (Goldman Sachs und all die anderen Firmen aus dieser Investment-Bank-Scheiße) wollen die große Krise hier nur stabil halten, damit wir in Zukunft umsonst für sie arbeiten, wie Pakistan beispielsweise. Ich glaube, dass diese ganze Krise eine Lüge ist. Die Verschuldung der USA oder von Frankreich ist nicht kleiner als die von Griechenland, aber Griechenland ist das Ziel. Wenn Europa uns wirklich helfen wollen würde, könnten sie uns territoriale Sicherheit vor den Türken garantieren, dann müssten wir keine Millionen Euros in Rüstung und Waffen stecken. Aber warum tun sie das nicht? Alles ist eine Lüge oder inszeniert, es gibt keine aktuelle Krise.

Glaubst du, dass eure Politiker die Krise mit Hilfe der anderen Länder gelöst bekommen, oder siehst du im Verlassen der Eurozone eine Option?
Nun, ich glaube fest daran, dass wir in beiden Fällen überleben können. Das einzige, was wir brauchen würden, wären fähige Politiker, Leute, die begabt sind und ihrem Land gut dienen wollen. Aber natürlich ist die Hilfe der anderen Länder ein Muss, auch wenn wir die Euro-Zone verlassen… kein Land kann ganz auf sich gestellt überleben.

Ok, das war auch schon meine letzte Frage. Vielen Dank für die ausführlichen Antworten! Wenn du noch etwas loswerden willst, hast du dazu jetzt die Gelegenheit:
Danke für das Interview und deine netten Worte – ich wünsche dir für dein Magazin nur das Beste!

Gern geschehen und Danke!
Zum Abschluss des Interviews würde ich gerne noch ein kurzes Brainstorming mit dir machen. Was kommt dir als erstes in den Sinn, wenn du folgende Begriffe hörst:Black Metal:
Kult
Facebook: Nützlich, um Mädels zu finden und mit Freunden zu reden.
Deutschland: Ein gut organisierter Staat
Griechenland: Ein schlecht organisierter Staat
Metal1.info: Wo bleibt die englische Ausgabe?
Wolfgang Schäuble: Kapitalismus in Reinstform

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