Interview mit Ole von Hagal

HAGAL aus dem Norden Deutschlands sind sicherlich einigen Leuten ein Begriff, nicht umsonst ist auch die Erstauflage von „Karg“ seit einiger Zeit vergriffen. Über die Wiederveröffentlichung des Albums, Hintergründe zur Band und zur Zukunft erzählt Schlagzeuger Ole.

Grüße dich, Ole, wie geht es und was machen Hagal in diesem Moment?
Ein Gruß zurück! Mir persönlich geht es den Umständen entsprechend gut: Mache gerade mein Examen an der Universität, was zwar auch Spaß macht, aber natürlich anstrengend ist. Dies ist auch ein Grund dafür, dass Hagal im Moment ehrlich gesagt nicht gerade sehr viel machen. Andere Gründe liegen bei den anderen Bandmitgliedern: So hat unser Bassist Janosch vor nicht allzu langer Zeit eine Tochter bekommen, die verständlicherweise an erster Stelle steht. Unser erster Gitarrist A.F. lebt in Berlin und muss für Proben extra nach Hamburg kommen und unser zweiter Gitarrist Dirk arbeitet extrem viel und vor allem oft im Ausland. Du siehst: Zufällige Treffen im Proberaum finden derzeit eher selten statt. Aber das wollen wir ändern.

Fasse doch mal kurz die Geschichte der Band zusammen, um diese Obligation muss ich dich bitten.
Hagal wurde 1998 von Dirk (Gitarre), A.F. (Gitarre, Gesang) und mir selbst (Schlagzeug) gegründet. Im Herbst 1999 hatten wir genug Material zusammen, um unser erstes Album „Karg“ in eigener Produktion aufnehmen zu können. Im März 2000 wurde dieses dann schließlich als CD veröffentlicht. Wir absolvierten mit wechselnden Session-Bassisten mehrere Auftritte in Norddeutschland, bis wir 2001 mit Janosch am Bass unser heutiges Line-Up komplettierten. 2002 begannen dann die Arbeiten an unserem zweiten Album „Sterbender Traum“, welches ebenso wie „Karg“ in eigener Produktion entstand. Durch verschiedenartige persönliche Umstände der Band-Mitglieder zogen sich die Arbeiten länger hin als geplant, wodurch es erst 2004 zur Veröffentlichung von „Sterbender Traum“ kam. Aufgrund der enorm hohen Nachfrage entschlossen wir uns in Zusammenarbeit mit Perverted Taste, Ende 2005 eine zweite Auflage des mittlerweile ausverkauften Debut-Albums „Karg“ herauszubringen. Dafür wurde es soundtechnisch überarbeitet und mit einem komplett neuen Artwork versehen.

Teile eurer Band spielen ja auch in bekannteren Genregrößen mit, erzähle doch mal bitte:
Nunja, unser Gitarrist Dirk zupft bei Negator den Bass. Ich selbst habe eine Zeitlang mal bei Funeral Procession am Schlagzeug ausgeholfen, bevor ich dies aus Zeitgründen nicht mehr weiterführen konnte. Hagal ist und bleibt aber natürlich unser aller Hauptband.

Ihr scheint mir sehr viel Wert auf die Klarstellung eurer unpolitischen Haltung zu legen, so prangt ein Statement auf eurer Seite und auch direkt im Booklet von „Karg“. Weshalb? Gab es da mal negative Erlebnisse?
In der Tat legen wir sehr viel Wert darauf. Dies hat natürlich auch mit negativen Erlebnissen zu tun – auf Konzerten und in einem Internetforum, in dem wir auf wundersame Weise mit braunem Schmutz in Verbindung gebracht wurden. Aber hauptsächlich haben wir uns für das Statement entschieden, weil es uns aus tiefster Seele spricht. Dafür brauchte es eigentlich keinen konkreten Anlass, sondern nur unseren gesunden Menschenverstand und tiefe Sorge um die heutige Black Metal Szene. Das Problem mit rechten Tendenzen in dieser Szene ist allseits bekannt und muss von mir hier deshalb nicht detailliert erläutert werden. Ich bin der festen Überzeugung, dass eine Black Metal Band heute Farbe bekennen MUSS! Es gibt einfach zu viele dilettantische Vollbratzen, die mit ihrer lächerlichen Rechtspropaganda ihr fehlendes musikalisches Können auszugleichen versuchen. Schon aufgrund der Tatsache, dass diese ganzen NSBM-Bands so unsagbar uninspirierte Musik spielen, möchten wir schon nichts mit dieser „Szene“ zu tun haben. Erst recht nicht, wenn sie auch noch ihre billigen und in jeglicher Hinsicht abzulehnenden Texte dazu preisgeben. Deshalb also unser Statement, welches – so denke ich – eindeutig klarmacht, dass Hagal unpolitisch ist und diese braune Scheiße verabscheut. Ich begrüße auch sehr, dass mittlerweile nahezu jede ernstzunehmende Black oder Pagan Metal Band sich von rechtem Gedankengut öffentlich distanziert – meist durch ähnliche Statements auf ihren Homepages. Ich hoffe, dass dies noch weiter zunimmt, damit es die hohen Herren Neonazi-Strategen nicht so einfach mit ihrer gezielten Infiltration der Black Metal Szene haben. Ausreden einiger Bands/Konzertveranstalter a la „wenn man gegen rechts sagt, müsste man genauso gut auch gegen links sagen“ nerven mich in diesem Zusammenhang zutiefst an: Derlei Gefahr der gezielten Szene-Infiltration besteht von linksradikaler Seite einfach derzeit nicht. Bestünde sie, würden wir uns auch dagegen wehren.

Hagal, was bedeuten das Wort und die Rune überhaupt für dich, was verbindest du alles damit?
Wie jede Rune hat natürlich auch Hagal schier unendlich viele Bedeutungen. Was uns alle und auch mich persönlich dazu veranlasst hat, unsere Band Hagal zu nennen, ist nun keine einzige, sondern gerade die Vielfalt der Bedeutungen. Hagal ist das All, ist Alles, ist die Ganzheit und das Universum. Sie umfasst damit jegliche Lebensbereiche des Menschen und ist eine zutiefst positive Rune – zumindest für mich. In ihrer musikalischen Widerspiegelung durch unser Spiel bedeutet sie das Einreißen von Grenzen, die freie Manifestation von Inspirationen – ohne, dass zum Beispiel irgendwelche von Genre-Polizisten auferlegte Regeln eingehalten werden müssen, was denn nun im Black Metal sein darf und was nicht. Die Hagal-Rune in ihrer universellen Bedeutungsstruktur straft so all diejenigen Lügen, für die Black Metal nur eine Stoßrichtung haben darf und sonst keine.

„Karg“ wurde ja via Perverted Taste re-releast; arbeitet ihr auch zukünftig mit dem Label zusammen oder bleibt es beim Selbstvertrieb? Weshalb habt ihr die Sache überhaupt aus der Hand gegeben? Zu aufwändig?
Wir könnten uns durchaus vorstellen, noch mal mit Perverted Taste zusammenzuarbeiten. Fest geplant ist allerdings nichts. Positiv hervorheben muss ich allerdings, dass Perverted Taste uns in keinster Weise in die Gestaltung des Karg-Rereleases reingeredet hat und selbst etwas teurere Spielereien wie bestimmte Lackfarben im neuen Artwork unterstützt hat. Aus der Hand gegeben haben wir die Sache, weil Perverted Taste damals mit der Idee eines Rereleases der Karg auf uns zugekommen ist. Der Aufwand des Selbstvertriebs ist schon enorm, was ein Grund war, die Sache über Perverted Taste laufen zu lassen. Ein anderer Grund liegt schlichtweg in der größeren Reichweite deren Vertriebs, die mit unseren Mitteln nur schwer zu erreichen ist.

Ich verstehe nicht ganz, was der Titel der Trilogie „Inmitten Jotunsieges Zeit“ mit den drei Liedern selbst zu tun hat. Jötunn, okay, das sind die Riesen, aber wenn ich das doch richtig verstehe, kommen die in der Trilogie selbst nicht vor. Drum erleuchte mich bitte ,]
Ohje, da fragst du mich was. Ist ja nun schon ein paar Jährchen her, seit ich diese Texte geschrieben habe. Ganz vereinfacht gesagt, sind die Joten die Gegenspieler der Asen und Wanen. Und doch: Bei einem genauen Blick in die Texte wirst du feststellen, dass sie in der Trilogie vorkommen. Die eigentliche Geschichte – da gebe ich dir recht – dreht sich allerdings um die Hexe Gullweig, die Hader und Unfriede in die Welt brachte und so den Grundstein für Jotungeschlechts Sieg – also die Vernichtung der Asen und Wanen, den Weltenbrand – legte. Für eine detaillierte Rezeption unserer Texte verweise ich auf unsere Homepage www.hagal-blackmetal.de, auf der sämtliche Texte zu finden sind.

Wer ist eigentlich Alfred Lord Tennyson? Ich meine, ihr zitiert ihn immerhin im Text zum Titellied eurer Demo, da muss der ja schon vielleicht eine besondere Stellung mit seinem Gedankengut oder so einnehmen, oder?
Tennyson war ein englischer Dichter des viktorianischen Zeitalters, hat also im 19. Jahrhundert gelebt. Ich könnte nun nicht gerade behaupten, dass er generell eine besondere Stellung mit seinem Gedankengut für uns einnimmt. Es war vielmehr diese einzelne Textstelle aus einem seiner Gedichte, die ich irgendwo las und die mir sofort den gesamten Text zu „Karg“ offenbarte. Ich habe gewissermaßen den Text von „Karg“ um dieses Zitat herum geschrieben, nicht umgekehrt das Zitat zur Würzung des fertigen Textes benutzt.

Nun gebt ihr euch ja sehr viel Mühe mit den Texten und der Visualisierung, was ich persönlich sehr schön finde und vor allem besser als eine Zeichnung, die mal eben so hingeklatscht worden ist. Wo kommt die Inspiration her? Eure Bilder sind ja schon recht düster und kalt. „Sterbender Traum“ erinnert mich übrigens an „Ars Moriendi“ von Lunar Aurora (ich meine die Cover, nicht die Musik).
Ein Vergleich mit Lunar Aurora erfreut uns immer, egal in welcher Hinsicht, schätzen wir diese Band doch sehr. Woher nun die Inspiration kommt, kann ich dir gar nicht so genau sagen, denn: Mein Bruder ist bei uns für die Visualisierung zuständig. Die Band vertraut ihm da voll und ganz und ich würde sagen, es gibt wenige vergleichbar gute Grafik-Designer, die ihr Können in der Gestaltung von Black Metal Alben einsetzen. Natürlich sprechen wir uns vorher ab, was genau wir mit den Alben musikalisch ausdrücken wollen und wie sich dies wohl am besten visuell umsetzen ließe. So ist „Sterbender Traum“ etwa in seiner Visualisierung ziemlich verworren, verwurzelt, entfremdend und von der realen Welt entrückt. Wer sich beispielsweise den Titelsong anhört und sich den Text dazu durchliest, wird die unmittelbare Verbindung von Song und Gestaltung der Bookletseite feststellen, auf der der Text abgedruckt ist. Und so verfahren wir bei jedem einzelnen Song: Jede Bookletseite ist auf das jeweilige Musikstück hin konzipiert, dessen Text sie offenbart. So verbinden sich Musik und Visualisierung zu fremden Welten, die es für jeden aufmerksamen Hörer und Seher zu entdecken gilt.

Ich las, dass ihr sogar drei Jahre für den Titelsong auf „Sterbender Traum“ gebraucht habt, eine beachtliche Zeitspanne. Euch geht also Sorgfalt über zügiges Fertigstellen, richtig?
In diesem Kontext las ich auch, dass Eigenständigkeit einfach wichtig für euch ist. Kann man vielleicht auch deshalb nicht von dir verlangen, die eigene Musik einzuordnen?
Stimmt genau: Sorgfalt steht an oberster Stelle. Wenn wir mit einem Lied nicht zufrieden sind, wird so lange daran herumgewerkelt, bis es hundertprozentig stimmt. Das ist auch der Grund, weshalb wir alte Lieder durchaus hier und da etwas neu arrangieren, verkürzen, um neue Elemente erweitern, mit neuen Schlagzeug-Mustern versehen und so weiter. Wir wollen einfach nichts spielen, hinter dem wir nur halbherzig stehen. Natürlich ist Eigenständigkeit in diesem Kontext wichtig für uns. Wobei wir natürlich niemals verneinen würden, dass es bestimmte Inspirationsquellen gibt, die sich bei uns heraushören lassen. Wenn ich zum Beispiel irgendeine kleine HiHat-Spielerei bei irgendeinem Drummer höre und sie gefällt mir, versuche ich, sie irgendwo einzubauen. Alle Musik ist immer schon irgendwo vorher da gewesen, da es zum Beispiel nur eine begrenzte Anzahl von Tönen gibt. Das Geheimnis ist, diese immer wieder neu zu arrangieren. Unsere Musik ordne ich unter dem Genre-Begriff Black Metal ein, da unser Soundgewand Black Metal ist. Von zu kleinteiligen Unterteilungen halte ich persönlich nicht viel, aber es steht jedem frei, uns mit Pagan Metal oder sonst was zu labeln. Genrebezeichnungen sind mir nicht wichtig. Was zählt, ist die Musik.

Der klare Gesang bekam bei euch auf „Sterbender Traum“ mehr Einsatz als auf dem Debüt „Karg“, ihr habt euch also dafür entschieden, ihn mehr einzuflechten. Klarer Fall, A. F. singt auch gut und hat sich freilich verbessert, wie ich finde. Nun gibt es ja viele Pagankapellen, die ebenfalls Klargesang oder Bardengesang nutzen, dennoch wirkt das anders als bei euch. Kannst du dir vorstellen was ich meine und woran das liegt? Ich persönlich habe immer das Gefühl, es liegt am instrumentalen Kontext.
Nun, ich glaube, was du hier meinst, ist ein gradueller Unterschied im Einsatz von Pathos in der Stimme. Viele Paganbands verwenden klaren Gesang, der mit ungeheurer Inbrunst die Herrlichkeit Odins preist oder ähnliches und somit – man verzeihe mir diesen kleinen Seitenhieb – oftmals ins etwas kitschige abdriftet. So etwas gibt es bei uns eigentlich nicht. Andere Paganbands verwenden gerne diesen klaren Chor-Gesang, der sich anhört wie eine Horde fröhlicher, besoffener Wikinger auf Beutefahrt. Auch so was wird man bei uns nicht finden. Wir dagegen verwenden den Wechsel zwischen klarem und kreischendem Gesang meist als Stilmittel, um innere Zerrissenheit auszurücken.

„Die Weltenesche“ ist sogar komplett mit Klargesang versehen, gibt es da in Zukunft noch weitere Lieder, die ohne Gekrächze auskommen werden?
Die wird es geben, ja.

Komm, gibt es da nicht mehr zu erzählen, möchtest du grad nicht mehr verraten oder sind die Ideen bei Hagal derzeit wirklich so unausgereift?
Die Ideen diesbezüglich sind tatsächlich noch sehr unausgereift. Konkretes kann ich dir hier also nicht verraten. Aber gut, weil du so nett nachfragst: Zumindest angedacht ist ein Doppelalbum, welches auf einer CD ein neues Album beinhaltet und auf der zweiten CD eine rein auf Akustikgitarren aufgebaute Interpretation dieses Albums präsentiert. Spätestens hier werden wieder Lieder nur mit klarem Gesang zu finden sein. Ob wir diese Idee aber nun beim nächsten oder übernächsten Album realisieren, steht in den Sternen. (Anm.: Na also, geht doch ,])

Auf „Sterbender Traum“ gibt es nicht mehr diese extrem langen Tracks wie „Walvaters Pfand“, wieso?
Ich las ja auch einige Rezensionen und da fiel mir auf, dass eben die letzten Minuten dieses 18 Minuten-Stückes manch einem eher überflüssig vorkamen…
Ich kann die Kritik an derartig langen Liedern ja durchaus verstehen. Sowas lässt sich nicht nebenbei hören, sondern erfordert in der Regel die gesamte Aufmerksamkeit des Hörers, um dem Lied durch seine einzelnen Stimmungen und Kapitel zu folgen. Auch ich habe nicht immer die Lust und Zeit, mich so intensiv mit Liedern auseinanderzusetzen. Dies war ein Grund, weshalb wir versucht haben, uns auf der „Sterbender Traum“ ein wenig kürzer zu fassen: So erhalten wir die Aufmerksamkeit des geneigten Zuhörers besser aufrecht, was natürlich unserer Musik zugute kommt. Schließlich haben wir sie gemacht, damit sie gehört wird. Nichtsdestotrotz muss ich sagen, dass Walvaters Pfand immer noch eines meiner persönlichen Favoriten von uns ist. Wir haben es sogar schon live gespielt, allerdings ohne den akustischen Mittelpart.

Kann man in Zukunft eine Rückkehr zu diesen epischen, monumentalen Stücken erwarten oder „reichen“ grob zehn Minuten wie bei „Sturmgottes Trauer“?
Wahrscheinlich wird diese zehn-Minuten-Marke ausreichen. Aber ausschließen möchte ich nichts. Drei-Minuten-Tracks wird es bei Hagal dagegen wohl nie geben. Dazu ist unsere Musik stets zu vielschichtig angelegt. Ich glaube, unser Hauptsongwriter A.F. kann gar keine kurzen Lieder schreiben.

Wieso kann er das denn nicht? Gibt es zuviel unterzubringen, „erzählt“ er gerne einfach epische Sachen?
Er legt sehr viel Wert auf Spannungsbögen. Und so ein richtig guter Spannungsbogen muss sich entfalten, das geht nicht von einer auf die nächste Sekunde. Aus diesem Grunde ist unsere Musik immer wieder durchsetzt mit ruhigen Passagen, bevor der Sturm losfegt. Viele Hörer schätzen gerade dieses Wechselspiel als charakteristisch für Hagal ein. Darauf wollen und werden wir natürlich nicht verzichten.

Ihr baut viele akustische Interludien ein, die als Überleitungen dienen und die vorigen Lieder gut ausklingen lassen. Dienen diese Stücke noch einem anderen Zweck?
Hauptsächlich sind sie tatsächlich Verbindungsstücke zwischen den einzelnen Liedern, in denen teilweise das ein oder andere Thema aus dem nächsten oder vorangegangenen Lied angespielt wird. So entsteht der Eindruck eines in sich geschlossenen Musikerlebnisses und wir machen deutlich, dass unsere Musik stets als Gesamtwerk anzusehen ist und sich nicht auf einzelne Elemente reduzieren lässt.

Eure Lyrik – die meisten Texte sind ja von dir – wirkt tiefgründiger als die vieler anderer Bands, würdest du das so stehen lassen? Ich meine, alleine dass du „Nebelkrieger“ ja in einem Interview vier mögliche Interpretationen zusprichst, die auch über die einfache, simple Sicht hinausgehen, ist interessant.
Das lasse ich natürlich gerne so stehen, auch wenn es natürlich auch sehr tiefgründige Texte von anderen Bands gibt. In der Tat ist eigentlich jeder meiner Texte auf verschiedene Weisen interpretierbar. Ich denke, das sollte jegliche Lyrik sein. Diese verschiedenen Interpretationsweisen werden von mir auch ganz bewusst im Schreibprozess der Texte angelegt. Was dann die Menschen aus meinen Texten ziehen, hängt sicherlich stark davon ab, auf welche Weise sie die Texte im Zusammenspiel mit der Musik in sich aufnehmen. Jeder Mensch tickt da ja anders, und das ist auch in Ordnung so. Ich schreibe niemandem vor, wie er meine Texte zu verstehen hat.

Schön finde ich übrigens auch eure Handhabung in Sachen germanische / nordische Mythologie. Klar, eure Musik ist davon deutlich beeinflusst, ihr geht aber nicht so weit, dass ihr sagt, sie ist wichtig im täglichen Leben. Wie genau stuft ihr die Mythologie und ihre Bedeutung denn ein? Wie seht ihr all diese Bands, die sich ultra-heidnisch geben und am liebsten das Rad der Zeit zurückdrehen würden?
Ich finde es recht lächerlich, wenn heutige Wohlstandskinder sich zurück in die Wikingerzeit oder das Mittelalter wünschen. Das zeugt einfach von unglaublicher Unkenntnis dieser Zeit, in der ich froh bin nicht gelebt zu haben. Meine Güte, Wikinger waren in der Regel arme Bauern, die froh sein konnten, wenn sie den nächsten Winter halbwegs überstehen. Diese ganze Romantisierung dieser Zeit mit ihrem Bild des kräftigen, blonden, furchtlosen Wikingers, der seine Zeit am liebsten mit der Christenhatz verbringt, hat wenig bis gar nichts mit der damaligen Wirklichkeit zu tun. Deshalb lehne ich sie ab, genauso wie diese ewige Gestrigkeit. Die Menschheit entwickelt sich weiter, das liegt nun mal in ihrer Natur, auch wenn es natürlich auch mehr als genug Kritikpunkte an bestimmten Entwicklungstendenzen gibt. Ich finde diese aufgesetzte Menschen- und Zukunftsfeindlichkeit im Black Metal ohnehin vollkommen kindisch: Da sitzen dann die finsteren Black Metaller vor ihrem PC, um sich in irgendwelchen Internetforen a. über die ach so beschissene Menschheit und ihre unnützen Errungenschaften seit dem Mittelalter zu beschweren und b. über die verweichlichten Menschen heutzutage herzuziehen, die ja aus Schwäche stets die Gemeinschaft suchen. Fragen sich solche Leute eigentlich, was sie da gerade machen? Reflektieren sie auch irgendwann einmal, dass sie gerade eine von Menschen geschaffene Technik nutzen und auch die Gemeinschaft von Gleichgesinnten in ihrem Forum suchen? Zum Thema Mythologie: Mythologie als solche und natürlich auch die nordische Mythologie enthält viele universelle Weisheiten, die damals wie heute ihre Gültigkeit haben. Die alten Geschichten sind stets mit Bezug auf eine klare Morallehre geschrieben. Und daraus lässt sich auch heute noch schöpfen. Ob man daraus nun auch einen gewissen Grad an Spiritualität schöpfen möchte, ist jedem selbst überlassen. Wer jedoch jedes Wort einer Mythologie – auch der nordischen – so glaubt, wie es geschrieben steht, ist in meinen Augen genauso erbärmlich wie ein bibeltreuer Christ.

Was hält denn die Zukunft für Hagal bereit beziehungsweise arbeitet ihr an neuem Material und was könnt ihr darüber erzählen?
Schwierige Frage. Aufgrund der schon erwähnten Tatsache, dass wir im Moment arge Schwierigkeiten haben, uns überhaupt zu einer Bandprobe zusammenzufinden, gestaltet sich die Arbeit an neuem Material äußerst schwierig. Im Moment passiert da zu wenig, auch wenn Ideen existieren. Es mangelt uns einfach an der gemeinsamen Zeit, die Ideen systematisch zu Liedern zu verdichten. Sobald wir diese Zeit aber wieder haben, wird selbstverständlich ein neues Hagal-Album erklingen! Zurzeit versuchen wir, uns wenigstens für Live-Auftritte fit zu machen. Ich musste in letzter Zeit derartig vielen Anfragen für Auftritte eine Absage erteilen, dass es mir in der Seele schmerzt.

Zu guter Letzt zwei eher allgemeine Fragen: Wie war eigentlich das Av Is Og Ild-Festival, für das ihr auf eurer Homepage werbt? Ich hörte ja nun auch schon Stimmen, denen z.B. das Ragnarök-Festival zu groß ist und die darum kleinere Pagan-Festivals wie besagtes Av Is Og Ild bevorzugen.
Das Festival war super, ich und unser Bassist Janosch waren da – allerdings nur am Samstag. Besonders gefallen hat uns der Auftritt von Kerbenok, der Band des Festivalveranstalters Stefan. Nicht nur sympathische Leute, sondern auch extrem intelligente Musik. Sollte man im Auge behalten.

Deutschland rückt immer mehr in den Black Metal-Fokus, oder? Alteingesessene Gruppen wie Lunar Aurora werden immer bekannter, Bands wie Drautran etc. stürmen nach vorne und langsam aber sicher ist man wohl führend, was Black Metal angeht. Wie siehst du die Entwicklung der letzten Jahre? Auch im Vergleich mit Norwegen und dem sehr starken Frankreich?
Drautran stürmt nach vorne? Schön wärs. (Anm.: Okay, stürmen ist vielleicht das falsche Wort, sie waren aber ambitioniert) Diese Band ist ja leider noch unproduktiver als Hagal. Eine Schande, bei dem Potential! Ich sehe es nicht so, dass Deutschland führend im Black Metal ist. Es gibt zwar sehr gute Bands hier, aber auch sehr, sehr viel Durchschnittsware oder schlechter. Da sehe ich Norwegen nach wie vor eine Liga höher: Es gibt dort auch sehr viele Bands, aber es wird auch mehr Qualität hervorgebracht. Jüngstes Beispiel ist die neue Mayhem, aber auch eher unbekannte Bands wie Code liefern grandiose Alben ab. Alben-Meilensteine wie Emperors „In the nightside eclipse“ oder „A vikingligr veldis“ von Enslaved müssen hierzulande erstmal übertroffen werden. Das sehe ich noch nicht, auch wenn Bands wie Lunar Aurora oder Nagelfar definitiv schon nahe dran waren. Nein, Norwegen bleibt hier wohl führend.

Das war es auch schon, danke für deine Antworten, Ole!
Ein Dank zurück. Up the Irons!

Geschrieben am von Metal1.info

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