Interview mit Victoria "Vicky" Stoichkova von Gwendydd

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GWENDYDD sind momentan noch ein Geheimtipp, der aber auf dem besten Wege ist, eine große Nummer zu werden. Mit „Censored“ legten die Bulgaren dieses Jahr eine richtig starke Groove-Metal-Dampfwalze vor, waren mit Dark Tranquillity und Ensiferum auf Tour und sind sogar mit ihrer eigenen, kleinen Headlinertour durch europäische Clubs gezogen. Mit Sängerin Victoria „Vicky“ Stoichkova sprechen wir über die Erfahrungen dieser ersten großen Tour, Reifeprozesse und die persönliche Ebene von „Censored“.

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Gwendydd

Censored“ ist nun schon einige Zeit draußen. Wie fühlst du dich inzwischen mit dem Album und bist du zufrieden mit den Reaktionen der Fans?
Ich bin sehr glücklich mit dem Album und die Fans mögen es auch. Das ist das beste, was passieren kann. Wir haben etwas erschaffen, das wir lieben und die Reaktionen der Fans sind super! Mehr können wir gar nicht verlangen.

Seit dem Release wart ihr fast durchgängig auf Tour. Wie ist es, über zwei Monate unterwegs zu sein und in so viele Länder zu reisen?
Nun, für eine erste lange Tour… war es ein Abenteuer. Ich glaube, dieses Wort beschreibt es am besten. Wir haben viel gelernt und wertvolle Erinnerungen gesammelt. Wir haben uns meiner Ansicht nach auch verbessert. Es war eine Erfahrung, die ich nie vergessen werde! Schritt für Schritt können wir uns unseren Traum erfüllen.

Gwendydd live in Selb am 10.06.2022
GWENDYDD live im Rockclub Selb

Für zwei Wochen standet ihr als Support für Dark Tranquillity und Ensiferum auf größeren Bühnen, auf eurer eigenen Headliner-Tour spielt ihr dagegen in sehr kleinen Clubs. Was sind hier die größten Unterschiede und was gefällt dir besser?
In meinen Augen lag der größte Unterschied in der Organisation der Shows. Mit großen Bands wie Dark Tranquillity und Ensiferum zu spielen, war für uns ein Meilenstein und eine große Lektion. Wir hatten die Möglichkeit, zu sehen, wie viele Dinge auf einem solchen Level gemacht werden. Außerdem hatten wir natürlich die Chance, vor größerem Publikum in größeren Hallen zu spielen. Ich denke aber, die Größe des Veranstaltungsortes sollte auf die Performance keinen Einfluss haben. Unser Grundsatz, wenn wir das so sagen wollen, ist dass es egal ist, ob wir vor zwei, 200 oder 2000 Menschen spielen immer versuchen, hundert Prozent zu geben, was Performance und Energie angeht. Für mich persönlich ist es schwieriger, in kleinen Clubs zu spielen, weil alles viel persönlicher ist.

Wie verbringst du die Zeit zwischen den Konzerten? Schaust du dir die Städte an, in denen ihr spielt? Was ist das beste, was du abgesehen von den Shows auf dieser Tour erlebt hast?
Wenn wir die Zeit dazu haben, schauen sich ein paar von uns die Städte an. Die anderen holen Arbeit nach oder versuchen, Schlaf nachzuholen. Für mich war diese gesamte Tour eine extrem wertvolle Erfahrung. Jeder kleine Teil davon, die guten und die schlechten Sachen. Das beste am Touren – abgesehen von den Shows – ist die Zeit nach den Shows, zumindest für mich. Ich liebe es, nach der Show mit den Leuten zu sprechen. Ich liebe es, ihre Geschichten zu hören oder einfach Fotos mit ihnen zu machen. Wenn wir jemand erzählt, dass unsere Musik geholfen hat, in schweren Zeiten in ihrem Leben weiterzumachen… das inspiriert mich dazu, das alles zu weiterzumachen. Musik machen und sie mit den Menschen teilen. Das ist das kostbarste, das es gibt.

Ich finde, „Censored“ wirkt selbstbewusster, selbstsicherer und kraftvoller als „Human Nature“. Inwiefern habt ihr euch deiner Meinung nach seit dem ersten Album weiterentwickelt?
Ich denke, dass wir nicht nur als Künstler erwachsener und reifer geworden sind und was das Songwriting betrifft, sondern auch als Individuen. Für fast alle von uns war es etwas ganz neues, als wir mit GWENDYDD angefangen haben. Außerdem haben manche von uns gerade mal ihren Schulabschluss gemacht, als wir an „Human Nature“ gearbeitet haben. Bei „Censored“ kann man sehen und hören, dass wir alle erwachsener geworden sind und uns verbessert haben, was Songwriting, Texte, Aufnahmen und praktisch alles angeht, was das Album betrifft.

Du hast gesagt, euer neues Album „Censored“ heißt so wegen dem Song „Rape“. Wie ist das gemeint und worauf basiert der Song?
Eigentlich wollten wir das Album „Rape“ nennen, aber die meisten Leute fühlen sich heutzutage sehr schnell angegriffen. Der Song zielt auch gar nicht darauf ab. Unser Gedanke war, das Thema an die Öffentlichkeit zu bringen. Ich finde, die Menschen sollten über die schlechten Dinge reden, die passieren, und Wege finden, sie zu verhindern. Ja, es ist kontrovers und triggert sicher auch, aber wegschauen hilft eben auch nicht. Der Track kann außerdem auf viele verschiedene Weisen interpretiert werden. Nicht nur in der wörtlichen Bedeutung „Vergewaltigung“, sondern auch im übertragenen Sinne. Deshalb haben wir uns dafür entschieden, das Album „Censored“ zu nennen: Weil viele Themen, die als kontrovers, anstößig oder angreifend gelten, sofort zensiert werden. Besonders in den sozialen Medien.

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„It’s All Up To You” dreht sich um mentale Gesundheit, den Schmerz den sie verursacht und wie schwer es sein kann, damit umzugehen. Findest du es wichtig, über diese Themen zu reden, wie es einem am leichtesten fällt und somit den Schmerz zu teilen?
Ja. Ich denke, die Menschen sollten über mentale Gesundheit sprechen und anfangen, einander zu helfen und geistige Probleme wie körperliche Probleme zu behandeln. Wenn du krank bist oder dir die Hand gebrochen hast, gehst du zu einem Arzt und bekommst eine Auszeit von der Arbeit oder der Schule, damit du gesund werden kannst. Du bekommst Hilfe. Wenn du aber Depressionen, schwere Angstzustände oder sonstige mentale Probleme hast, ist es immer noch irgendwie ein Tabuthema und die Menschen suchen sich kaum Hilfe oder erkennen nicht, dass sie bei diesen Symptomen Hilfe verdienen.

Ist das Schreiben der Songs und Lyrics eine Art Selbsttherapie für dich und würdest du sagen, „Censored“ ist ein sehr persönliches Album? Ist es wichtig für dich, eine echte Botschaft zu vermitteln und wichtige Themen zu behandeln?
Ja, für mich persönlich ist das Schreiben der Texte wie eine Therapie. Eine kostenlose Therapie! (lacht) Aber ja, „Censored“ ist ein sehr persönliches Album für mich und es macht mich wirklich glücklich, dass die Hörer es so gut aufnehmen und sich damit sogar identifizieren können. Wenn ich Lyrics schreibe, denke ich nicht wirklich über die Botschaft nach. Ich gebe einfach meine Gedanken, Gefühle und praktisch mein ganzes Ich in den Song. Erst, wenn ein Text fertig ist, beginne ich zu erkennen, was die Botschaft dabei sein könnte.

Die seltsamen Melodien und Strukturen sowie die brutalen Momente in eurer Musik erinnern mich an Jinjer und Sepultura. Was würdest du sagen, sind eure Haupteinflüsse oder musikalischen Vorbilder?
Oh, vielen Dank! Als Band sind unsere Haupteinflüsse Bands wie Jinjer, Sepultura, Korn und Slipknot.

Gwendydd Censored CoverartworkIch finde das Coverartwork sehr interessant und spannend. Aus welchen Fotos ist es zusammengesetzt und was ist die Grundidee dahinter?
Das war die Idee unserer Bassistin. Das Artwork ist tatsächlich eine Collage, die aus Bildern von all unseren Gesichtern zusammengesetzt ist. Die Idee ist, die Bedeutung des Wortes „Censored“ darzustellen: Zensieren, was du siehst, hörst und sagst. Daher die Augenbinde und die geschlossenen Augen, die Hände über den Ohren und der zugenähte Mund.

Dein Auftritt bei „The Voice Bulgaria“ ist vier Jahre her und wurde auf YouTube über 6 Millionen Mal aufgerufen. Was denkst du, hat dieser Auftritt für dich und deine Karriere bewirkt und wie blickst du heute darauf zurück?
Ohne diesen Auftritt wäre ich heute wohl nicht bei GWENDYDD, denke ich. Dort hat mich unser Schlagzeuger Bambi gesehen und mich gefragt, ob ich zur Band kommen will. Um ehrlich zu sein, kann ich es gar nicht glauben, dass ich bei so einem Format mitgemacht habe. (lacht) Ich hatte nie geplant, zu gewinnen oder überhaupt die erste Runde zu überstehen. Ich habe es einfach aus Neugier und Spaß gemacht.

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In Europa werdet ihr gerade immer bekannter und seid auf einem sehr guten Weg. Wie sieht es in eurem Heimatland aus und was kannst du mir über die bulgarische Metalszene erzählen?
In Bulgarien ist es zumindest für uns ganz normal. Ich meine, wir spielen Konzerte und Festivals. Die Metalszene in unserem Heimatland ist ziemlich klein, aber sehr geschlossen und wie eine eigene Gemeinschaft.

Kommen wir zum Abschluss zu unserem traditionellen Brainstorming. Was fällt dir zu folgenden Begriffen zuerst ein…
Aktuelles Lieblingsalbum: Ghostemane – Anti-Icon.
Bestes Buch-/Film-/Serien-Universum:
Oh verdammt, vielleicht… bei Filmen: „Drachenzähmen leicht gemacht“ oder „Der Herr der Ringe“.
Serien: „Rick And Morty“.
Bücher: “Skulduggery Pleasant” von Derek Landy.
Lieblingstier: Wolf und Drache.
Das beste am Touren: Konzerte spielen, neue Menschen kennenlernen und auf Reisen Musik hören.
Etwas, das jeden schlechten Tag besser macht: Mit einem geliebten Menschen reden.
Der beste Weg zu entspannen: Schlafen.

Danke für deine Zeit, Vicky! Die letzten Worte gehören dir.
Danke für die Anfrage, es war ein tolles Interview! Macht weiter mit der guten Arbeit! Danke auch an die Leser, folgt uns auf Facebook, Instagram und YouTube. Hört euch unser neues Album „Censored“ an. Bleibt gesund und seid nett zueinander!

Publiziert am von

Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

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