Mit ihrem über Lifeforce Records veröffentlichten Debüt „-Soil-„ haben die deutschen Post-Doomer GLARE OF THE SUN eine bemerkenswerte Platte kreiert, die von starken Kontrasten geprägt ist. In unserem Interview mit Gitarrist Martin Baumann erfahrt ihr nun Genaueres über die Entstehung des Albums, den doch recht untypischen Musikstil der Band und warum die Newcomer mit Vocals eher sparsam umgehen.
Hallo! Vielen Dank, dass du mit uns dieses Interview führst. Wie geht es dir?
Danke, danke, sehr gut und selbst? Danke, dass du dir die Zeit nimmst, mit mir zu plaudern! Wir kommen gerade aus dem Proberaum, um uns für die nächsten Konzerte vorzubereiten. Ich kann dir sagen, da wird es einige Überraschungen geben, wir freuen uns schon sehr darauf!
GLARE OF THE SUN – der Glanz der Sonne. Ein ziemlich spezifischer Name für eine Band. Was steckt dahinter?
Grundsätzlich ist der Gedanke dahinter, dass nichts ohne die Sonne existieren würde. Im Prinzip erstrahlt alles erst im Glanz der Sonne und zeigt uns so seinen gesamten Facettenreichtum. Damit gehen natürlich auch Blendung und Schatten einher. Ich denke, das beschreibt unsere Musik auch schon ziemlich gut.
In eurer Musik vereint ihr unter anderem Doom Metal und Post-Rock, eine (noch) nicht ganz so etablierte Kombination wie zum Beispiel Post-Black Metal. Was fasziniert euch gerade an dieses beiden Genres?
Das ist mit Sicherheit der Zusammenstellung der Band geschuldet. Wir hören alle fünf verschiedenste Stile und Genres, auch abseits von Metal. Ich denke, das hört man auch und macht einen Großteil des Sounds von GLARE OF THE SUN aus! Die Essenz dessen hört man jetzt auf „-Soil-“. Es ist weniger die Faszination der genannten Genres, sondern vielmehr Zufall, dass die ungefähr so klingen, wie wir spielen… (lacht) Aber im Ernst, es war schwierig für uns, nach der Albumproduktion Stilrichtungen zu benennen, die dem entsprechen könnten. Wir hatten uns da im Vorfeld keinerlei Gedanken gemacht, es sind mehr die Emotionen die uns treiben!
Welche Bands und Musiker haben euch geprägt?
Das wird interessant! Da wirst du von jedem von uns fünf komplett unterschiedliche und mit Sicherheit einige unerwartete Antworten bekommen! Für mich sind das Bands wie Neurosis, My Dying Bride, Dinosaur Jr., Hüsker Dü, Boards Of Canada, Godflesh, Skywave…
Mit „-Soil-“ habt ihr nun euer Debüt veröffentlicht – und das gleich über Lifeforce Records. Wie kamt ihr zu dem Vertrag mit dem Label?
Wir haben nur sehr wenige Labels angeschrieben und auch nur jene, die wir selbst gut finden und mit denen wir uns eine Zusammenarbeit vorstellen konnten. Zu Stefan von Lifeforce hatten wir gleich einen guten Draht und so kam der Deal dann ziemlich schnell zustande.
Euer erstes Album scheint generell unter einem guten Stern zu stehen, gemixt wurde es sogar von Dan Swanö. Wie kam das zustande und wie war die Zusammenarbeit mit ihm?
Dan Swanö war für das bombastische Mastering verantwortlich. Aufgenommen, produziert und gemixt wurde „-Soil-“ aber von Martin Schirenc (Pungent Stench) in Wien. Mit solchen Leuten zu arbeiten, ist natürlich grandios! Wir wollten die Platte eigentlich anfangs selbst aufnehmen, entschieden uns aber dann ganz bewusst, diese Rolle aus der Hand zu geben. Gerald (Huber, Gitarre) spielte mit Martin bereits einige Jahre bei Zombie Inc. Wir haben ihm einige Demos geschickt und die musikalische Verbindung war sofort da. Das war uns immens wichtig, da wir sehr konkrete Vorstellungen von unserem Sound hatten und ich glaube niemand hätte das besser umsetzen können als Martin und Dan!
Welcher Track des Albums bedeutet dir am meisten und warum?
Mein persönlicher Lieblingstrack ist „Coldfront“. Er besteht aus sehr starken Kontrasten und vereint so ziemlich alles von GLARE OF THE SUN. Harsch und auch schön, Zerstörung, Selbstzerstörung und doch mit einem Ende, das Zuversicht und Weiterentwicklung verspricht. Ich finde ihn fast ermutigend und aufbauend!
Gesanglich wechselt ihr auf der Platte zwischen kräftigen Screams und mysteriösem Flüstern, gesungen wird eigentlich kaum. Warum?
Wir wollten keine Kompromisse eingehen, keine Ablenkung, kein Geplänkel, sondern unseren inneren Kern „herausschälen“ – den Fokus auf das Wesentliche, weglassen, was uns zum Zeitpunkt der Produktion unwichtig erschien. Ich glaube, das ist uns sehr gut gelungen. Wir sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden.
Generell scheint der Fokus eher auf den Instrumenten zu liegen, „Extinction“ ist sogar gänzlich instrumental. Hat das einen bestimmten Grund?
Das stimmt und liegt vermutlich daran, dass die Texte erst richtig im Studio entstanden sind. Wir wollten einfach mehr Interpretationsspielraum lassen und den Hörer nicht „zutexten“, sondern die Emotionen unterstreichen und herausheben. Wir betrachten Gesang als weiteres Instrument, das sich in die Stimmung und die Musik integrieren muss, um mit ihr interagieren zu können.
Das cleane Intro „Awoken“ erzeugt noch eine eher friedliche Stimmung, ab „One Step Nothing“ wirken hingegen sogar die ruhigeren Momente eher unheilvoll. Warum dieser plötzliche Umschwung?
„Awoken“ ist die sich selbst überlassene Natur, ab „One Step Nothing“ kommt der Mensch dazu. Das heißt, auch im Artwork haben wir absichtlich Bilder der Natur verwendet, um die Diskrepanz darzustellen zwischen den Abgründen der menschlichen Psyche und der Makellosigkeit und Schönheit der Natur…
Worum geht es in euren Texten? Gibt es da ein zusammenhängendes Konzept?
Es ist der Mensch und das Leben an sich, seine Schönheiten und Abgründe. Das alles liegt sehr nah beieinander, was sich ja auch in den Dynamiken der Musik widerspiegelt. Der Kampf mit dem eigenen Sein, von Verzweiflung bis zum Frieden mit sich selbst. Oft sind es nur Wortfetzen, manchmal verletzend, manchmal versöhnlich, aber immer stark und sehr fokussiert. Die goldene Mitte gibt’s hier nicht.
Ihr habt eure Texte komplett auf Englisch verfasst. Wolltet ihr sie damit für potentielle ausländische Fans leichter zugänglich machen oder hat das einen anderen Grund?
Das entstand ganz automatisch. Genau wie bei der Musik haben wir einfach zu schreiben begonnen. Es hätte auch deutsch, französisch oder spanisch sein können, das war uns in diesem Fall nicht wichtig. Was auch immer der Musik und der Stimmung zuträglich ist, wird gemacht. Wir haben hier keine Präferenzen und schon gar keine Scheuklappen.
Werdet ihr in Zukunft vielleicht auch mal auf Deutsch texten?
Eventuell, wir haben von Anfang an gesagt, dass wir für alles offen sind, und können uns das gut vorstellen. Wir sehen die Band als lebenden Organismus, der sich weiterentwickeln muss, ansonsten würde es uns keinen Spaß machen – und das ist für uns zum jetzigen Zeitpunkt das Wichtigste! Wir wachsen gemeinsam, und mit uns unsere Musik.
Das Artwork wirkt ziemlich sonnig, aber trotzdem auch sehr kalt. Was kannst du uns darüber erzählen und inwiefern passt es gut zu eurer Musik?
Genau wie mit unserer Musik, so wollten wir auch mit dem Artwork nicht in klassische Rollenbilder verfallen. Wir dachten eher daran, die Schönheit unserer Welt festzuhalten, aber mit Distanz, da der Mensch sich ja immer mehr von seiner eigentlichen Natur entfernt. Deshalb haben wir uns auch für die Schwarzweiß-Fotoserie im Booklet entschieden – schwarzweiß deshalb, um einfach etwas mehr Interpretationsspielraum zu lassen und die Distanz des Menschen zu seiner eigenen Natur zu visualisieren…
Wie wird es als Nächstes mit GLARE OF THE SUN weitergehen?
Natürlich brennen wir jetzt zunächst alle darauf, unser Debütalbum nun auch endlich live und vor Publikum zu präsentieren. Wir haben schon Termine für die, die uns im süddeutschen Raum bzw. Österreich sehen wollen: Salzburg 11.3.17 im Mark, Trostberg/D 8.4.17 im Club Stiege und Graz 20.05.2017 im Club Wakuum. Wir freuen uns natürlich generell über jegliche Konzertanfragen, gerne unter mail©glareofthesun.com! Außerdem haben wir bereits mit dem Schreiben von neuen Songs begonnen.
Das war’s dann auch schon von unserer Seite. Zum Abschluss möchte ich mit dir noch unser traditionelles Metal1.info-Brainstorming machen. Was fällt dir zu den folgenden Begriffen ein:
Shoegazing: G.A.S. Gear Acquisition Syndrom
Erde: wunderschön
Kälte: nervt
Bestes Doom- und bestes Post-Rock-Album: Winter – „Into Darkness“; Jakob – „Solace“
Wasser: Ursprung
GLARE OF THE SUN in fünf Jahren: Wir werden vermutlich an unserem dritten oder vierten Album arbeiten, danach Welttournee? (lacht)
Dann vielen Dank nochmal für dieses Interview. Die letzten Worte gehören dir:
Danke, dass unser Album bisher auf solch positive Resonanz gestoßen ist, das bedeutet uns echt viel. Wir freuen uns, dann unsere Hörer bald auf Konzerten persönlich zu treffen und, bei einigen Bieren, gemeinsam ’ne gute Zeit zu haben!