Interview mit Gaahl von Gaahls Wyrd

Mit dem Mini-Album „The Humming Mountain“ haben GAAHLS WYRD einen würdigen Nachfolger zu „GastiR – Ghosts Invited“ veröffentlicht, der neben umgearbeiteten alten Songs auch neues Material enthält, das definitiv Lust auf mehr macht. Mit Szenekoryphäe Gaahl haben wir aber trotzdem lieber über Fotografie, Nebenprojekte und summende Kühe gesprochen.

Lass uns zunächst über das Artwork von „The Humming Mountain“ sprechen – es ist ein Foto, das du gemacht hast. Bisher kannte ich in nur Ölgemälde von dir – wie kam es zu der Fotografie als Cover?
Ich habe Ende Dezember beziehungsweise Anfang des Jahres angefangen, an dem visuellen Konzept zu arbeiten. Ich hatte ein paar verschiedene Optionen, fand aber, dass das Bild, für das ich mich schlussendlich entschieden habe, besonders gut gepasst hat – vor allem zum Titeltrack.

Gaahls Wyrd - The Humming MountainWas sehen wir denn auf dem Bild genau?
(lacht) Tatsächlich ist es simpel gesagt einfach Eis. Aber natürlich sieht man einige Relexionen, die Linse war sehr nah dran.

Werden wir künftig noch mehr Fotografien von dir zu sehen bekommen, oder war das ein einmaliges Projekt?
Ich arbeite immer mit vielen verschiedenen Mitteln. Mein Großvater war Fotograf. Wir werden sehen. In der Regel erarbeite ich das visuelle Konzept und die Musik parallel – so war es auch bei „GastiR – Gosts Invited“. Da war es eine Kunst-Kollaboration mit Raina Vlaskovska, ebenfalls im Bereich Fotografie.

„Ich ziehe es vor, selbst andere Künstler auszustellen“

Als Musiker und Galerist warst du von der Pandemie vermutlich doppelt betroffen – ist zumindest deine Galerie wieder geöffnet?
Ich konnte es die meiste Zeit offen halten, aber natürlich sind die Touristen und auch viele Leute von hier weggeblieben, weil sie Angst hatten. Aber ich hab es trotzdem hinbekommen, sie offenzuhalten. Wir haben aber die Anzahl der Ausstellungen reduziert. Normalerweise wechseln wir alle drei Wochen, während der Pandemie haben wir das heruntergefahren. Auch weil es schwierig war, mit internationalen Künstlern zusammenzuarbeiten. Momentan merken wir nichts von der Pandemie; außer dass nicht so viele Leute reisen. Ansonsten ist es hier wieder „normal“.

Screenshot von Instagram / @kristianespedalart
Screenshot von Instagram / @kristianespedalart

Wenn wir gerade über internationale Zusammenarbeit sprechen – würden dich Ausstellungen deiner Bilder im Ausland reizen, beispielsweise in Deutschland?
Ich hatte ein paar in London. Ich habe auch schon sehr viele Angebote bekommen. Eine kleine Ausstellung hatte ich sogar während der Pandemie in Paris, aber das war eher Konzeptkunst. Dergleichen passiert also immer wieder. Aber ich ziehe es vor, selbst andere Künstler auszustellen.

Aber wäre nicht wenigstens ein Bildband mal eine Überlegung wert, um deinen Fans Zugang zu deiner visuellen Kunst zu verschaffen?
Auch dafür gibt es Angebote, ja. Aber ich muss mir das erst noch in Ruhe anschauen. Da ist viel, was durchgesehen werden will. Wäre da nicht die Pandemie gekommen, wäre vielleicht sogar schon etwas erschienen. Ich stehe dahingehend zumindest mit jemandem in Kontakt.

„Es ist ein esoterisch angehauchtes Konzept“

Gaahls Wyrd Interview 2021
Gaahl im Interview mit Metal1.info; Screenshot

Lass uns zu eurem Minialbum „The Humming Mountain“ zurückkommen. Was ist denn das Konzept der Veröffentlichung, auch im Hinblick auf den Titel „The Humming Mountain“?
Es ist ein esoterisch angehauchtes Konzept. In der norwegischen Mythologie ist die Schöpfung, oder ist eigentlich jedes Lebewesen … ein Geräusch. Wie Ymir, der erste aus dem Geschlecht der Thurs [Urzeitriesen], den die Kuh Audhumbla mit ihrer Milch ernährt hat – die einen summenden [„humming“] Ton verkörpert. Das ist im Grunde der Schöpfungsmythos zur Entstehung der Welt und von allem. Für mich entspricht das dem Bild des Gletschers, der sich bewegt und wie in Zeitlupe alles umgestaltet.

Wenn ich es richtig verstanden habe, waren die Songs eigentlich für „GastiR“ vorgesehen und wurden nun nochmal überarbeitet. Korrekt?
Drei der Songs hätten genauso auch auf „GastiR“ enden können. Aber ich mag keine Doppelalben machen. In der Regel sind 42 Minuten genug, das ist auch ideal für die Vinyl-Fassung.

Warum sind ausgerechnet diese Tracks dann nicht auf dem Album gelandet?
Bevor ich mit den konkreten Arbeiten an „GastiR“ begonnen habe, war ich absolut sicher, dass zwei dieser Songs Teil dieses Albums würden. Aber dann haben sie Zwillinge bekommen, die ihren Platz eingenommen haben. Ich arbeite immer konzeptorientiert – und sie sind aus dem Konzept herausgefallen, weil andere Songs das abgedeckt haben, was sie eigentlich abdecken sollten. Das Konzept für dieses Minialbum unterscheidet sich von meinem ursprünglichen Plan für die Songs, darum musste ich sie umarbeiten. Also sind Ole, Iver [Sandøy, Produzent – A.d.Red.] und ich sie gemeinsam durchgegangen und haben beispielsweise Keyboards hinzugefügt und sie neu geformt.

„Ich habe schon viel zu viele Nebenprojekte“

Wie seid ihr die Überarbeitung angefangen? In welchem Status waren die Songs, als ihr angefangen habt?
Das Schlagzeug war bereits fertig, auch der Bass und viele der Gitarrenspuren. Aber wir haben den Sound neu kreiert. Den Track „The Humming Mountain“ habe ich ziemlich zerlegt, ein paar Teile entfernt und viel Zeit in die Soundkollage gesteckt. Die Stimmen, mit denen ich versuche, die Atmosphäre des Gletschers zu kreieren, der sich in Wasser transformiert … das war die Hauptarbeit. Dann haben wir die kalten, eisigen Keyboards hinzugefügt und am Ende habe ich die Texte geschrieben.

Der Opener erinnert mich stilistisch etwas an den Track „Aleine“, den du mit Chris Wicked für sein gleichnamiges Album – hat dich diese Zusammenarbeit beeinflusst?
Nein, das ist nur Zufall. Lust Kilman – beziehungsweise Ole, wie ich ihn nenne – kam mit ein paar Ideen auf der Akustikgitarre zu mir und meinte, dass wir dafür vielleicht ein Nebenprojekt gründen müssen. Er war sich nicht sicher, ob wir das Material bei GAAHLS WYRD unterbringen könnten. Aber ich habe schon viel zu viele Nebenprojekte, also habe ich gesagt: Klar können wir! So kam das zustande.

GAAHLS WYRD 2021; © Raina Vlaskovska
GAAHLS WYRD 2021; © Raina Vlaskovska

Wo ihr dann gerade dabei wart, an dem Material zu arbeiten … warum habt ihr nicht direkt ein neues Full-Length-Album fertiggemacht, sondern euch für ein Mini-Album entschieden?
Das sind Songs, für die ich die Hilfe meine Schwester gebraucht habe. Außerdem hatte ich nicht das Gefühl, dass das Thema umfangreich genug ist, um daraus ein ganzes Album zu machen. Das war der Hauptgrund. Und ich mag dieses Format einfach; das sollte es wieder viel öfter geben. Ich bin kein Nostalgiker, aber es mag trotzdem ein bisschen Nostalgie dahinterstehen. Es ist einfach ein Format, das ich gerne höre, wenn ich arbeite. Es gibt sehr viele gute Mini-Alben.

Zum Beispiel? Welche würdest du hier nennen?
Da gibt es wirklich sehr, sehr viele. Aber natürlich wären da die ersten beiden Alben von Celtic Frost und auch von Hellhammer, Kreator und Black Flag

Du bist bekanntermaßen ein Weinkenner – welchen Wein würdest du uns zu einem Durchlauf von „The Humming Mountain“ empfehlen?
(lacht) Oh … den Wein, den du am liebsten magst! (lacht) Wir haben alle einen anderen Geschmack. Man sollte etwas wählen, mit dem man entspannen kann. In der Regel hängt das einfach davon ab, worauf man gerade Lust hat. Heute ist mir überhaupt nicht nach Wein, insofern … (lacht) Generell bin ich ein großer Freund der Gegend Jura in Frankreich, und natürlich der Loire. Aber das variiert wirklich von Tag zu Tag.

Screenshot von Instagram / @kristianespedalart
Screenshot von Instagram / @kristianespedalart

„Das erste Jahr war in kreativer Hinsicht eine ziemliche Totzeit“

Lass uns noch kurz über die Pandemiesituation reden. Für manche Künstler war das jetzt die kreativste Zeit in ihrem Leben, andere haben gar nichts erschaffen können. Wie hast du diese anderthalb Jahre erlebt?
Das erste Jahr, also bis etwa August, war in kreativer Hinsicht eine ziemliche Totzeit. Aber dann ist es auf einmal explodiert. Es war dann also doch eine kreative Zeit, aber es hat also etwas gebraucht, ehe es mich gepackt hat. In diesem Jahr habe ich bislang an drei Alben gearbeitet und arbeite derzeit noch an zwei kommenden Veröffentlichungen.

Das ist viel … für welche Bands denn alles?
Ein Projekt hat noch keinen Namen, und eines war das Album von Lindy-Fay Hella, das jetzt am 26. November erscheint – ein herausragendes Album! Die wissen wirklich, was sie tun, alle. Das sind wirklich herausragende Musiker. Dann arbeite ich noch am nächsten Trelldom-Album – Sir [Stian Kårstad, A. d. Red.] und ich haben angefangen, hier eine ganz neue Klangwelt zu erschaffen. (lacht) Ich bin schon sehr ungeduldig, die zu formen: Ich werde versuchen, in den nächsten sechs Jahren drei Trelldom-Alben zu veröffentlichen.

Glaubst du denn, dass wir bald zur Normalität zurückfinden werden?
Wegen mir kann das noch ein paar Jahre warten. (lacht) Es sind gute Zeiten.

„Ich schreibe nie etwas auf.
Ich behalte alles immer nur im Kopf“

Du hast an anderer Stelle gesagt, dass du hoffst, dass dich das Touren dann nicht zu sehr von der Studioarbeit abhalten wird. Beziehst du dich darauf? Bist du lieber im Studio als auf Tour?
Im Moment schon, ja. Ich mag den kreativen Teil, aber ich liebe es auch, das dann umzusetzen: Die Songs erwachen zum Leben, wenn wir sie live spielen – die Energie ist dann direkter und auf deinen ganzen Körper gerichtet, nicht mehr nur auf deinen Kopf. Aber ich mag auch Bandproben sehr gerne. Touren entzieht mir viel Energie, danach braucht es eine Weile, ehe ich wieder in den Kreativprozess einsteigen kann.

Gaahl mit GAAHLS WYRD 2019 live in München

Also trennst du den kreativen Prozess und das Touren immer strikt? Oder schreibst du auch manchmal Songs auf Tour?
Ich schreibe nie etwas auf. Ich behalte alles immer nur im Kopf. Insofern ist eine Tour nicht ideal für diese Arbeit. Aber natürlich trägt das Reisen auch etwas bei … unterwegs zu sein bringt mich manchmal auf Ideen, die ich dann mit nach Hause nehme. Aber ich ziehe eine ruhige Umgebung vor, wenn ich an neuen Songs arbeite.

Soweit ich weiß, seid ihr kurz davor, ins Studio zu gehen – das nächste Album ist also bereits fertig geschrieben?
Ja, wir gehen schon sehr bald ins Studio. Aktuell üben wir die Songs und machen die Vorproduktion.

Was dürfen wir uns stilistisch erwarten?
Für eine Antwort auf diese Frage wirst du dich gedulden müssen. (lacht)

Wie ist das mit den verschiedenen Kunstformen – hast du Phasen, in denen du malst, und solche, in denen du komponierst, oder überschneidet sich das auch mal?
Ich kombiniere das nur sehr selten, vor allem, was das Malen angeht, weil mich das so aufzehrt. Du fällst dabei in ein anderes Universum! Das ist anders, wenn du es kombinierst – ich versuche darum, die Ölmalerei von der Musik zu trennen.

Viele Künstler versuchen gezielt, ihre visuelle Kunst und Musik zu kombinieren – reizt dich das nicht?
Ich habe viele verschiedene Charaktere. Ich will nicht die gleiche Geschichte auf verschiedenen Plattformen erzählen. Ich will die Energie in nur eine Sache stecken. Es könnte sonst auch sehr leicht zu viel von mir werden, wenn ich das noch kombinieren würde.

GAAHLS WYRD 2021; © Raina Vlaskovska
GAAHLS WYRD 2021; © Raina Vlaskovska

Und wie stehst du zur Kombination aus eigener Musik und fremder Kunst? 1349 haben ja unlängst einen Munch-Song vertont, und auch Satyricon kollaborieren mit dem Munch-Museum – würde dich das auch reizen?
Wenn ich das machen würde, würde ich es nicht mit einer meiner Bands machen, sondern dafür eine neue Band gründen. Das wäre nichts für GAAHLS WYRD, aber ich würde es mit Mitgliedern von GAAHLS WYRD machen. Es ist immer wichtig, das Songwriting getrennt zu halten. Ich habe dergleichen schon ein paarmal gemacht, mit Wardruna haben wir etwa einige Kollaborationen mit einem Schweizer Künstler gemacht. Aber mit meinen Bands würde ich das nicht machen.

Das war meine letzte Frage – lass uns das Interview mit unserem traditionellen Brainstorming beenden, OK?
Lass es uns versuchen!
Europa:
Nations
Weißwein: Kann vorzüglich schmecken!
Dein derzeitiger Lieblingsmaler: Lass mich überlegen … ich habe mit so vielen Künstlern zusammengearbeitet … aber ich glaube, Alex Rose ist der, bei dem ich am meisten darauf gespannt bin, was er mir in die Galerie bringt.
Das letzte Black-Metal-Album, das du mochtest: [überlegt lange] Ich habe keine Antwort auf diese Frage. Es wäre vermutlich nicht die richtige Antwort.
GAAHLS WYRD in zehn Jahren: Ja … absolut!

Gaahls Wyrd Interview 2021
Gaahl im Interview mit Metal1.info; Screenshot

Publiziert am von

Dieses Interview wurde per Telefon/Videocall geführt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert