Interview mit Fiar von Foscor

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Mit „Les Irreals Visions“ haben die Katalanen FOSCOR endgültig den Schritt vom Black zum Dark Metal gewagt – und gut daran getan, denn dadurch ist ihnen ein eigenständiges Album mit einer einnehmenden, geisterhaften Atmosphäre gelungen. Im folgenden Interview spricht Frontmann Fiar ausführlich über seine Faszination für das Fin De Siècle, die Gründe für die stilistische Wandlung seiner Band, seine Verbundenheit zu seinem Heimatland sowie seine Zusammenarbeit mit Season Of Mist und Alan von Primordial.

Hallo und vielen Dank, dass du uns ein paar Fragen beantwortest. Wie geht es dir?
Hallo, vielen Dank für euer Interesse an unserem Output und dafür, dass ich einen Teil unserer Welt mit euren Lesern teilen darf. Mir geht es gut, danke, seitdem wir bei Season Of Mist unterschrieben haben, haben wir echt hart an dem neuen Album gearbeitet und die Ergebnisse nach der Veröffentlichung könnten nicht besser sein. Wir wussten, dass wir mit einer großen Plattform wie Season Of Mist eine große Chance vor uns hatten, und die ganze Arbeit hat sich mehr als nur gelohnt. Auch scheint es, dass wir mit dem neuen Album „Les Irreals Visions“ musikalisch und künstlerisch die richtigen Knöpfe gedrückt haben, sodass es nun an der Zeit ist, es so weit wie möglich live zu verbreiten. Nur so kann es richtig wachsen.

Einige unserer Leser werden euch wohl noch nicht kennen, darum erst mal etwas Allgemeines: Was bedeutet euer Bandname FOSCOR und inwiefern ist er mit eurer Musik verbunden?
FOSCOR ist wie eine Art Filter, durch den wir die Welt lesen und fühlen. Er bedeutet auf Katalanisch, unserer Sprache, „Dunkelheit“. Einige von euch wissen vielleicht, dass es in Spanien vier Amtssprachen gibt, keine Dialekte. Als Falke und ich Ende der 90er Jahre darüber nachdachten, wie wir unsere Musik benennen sollten, setzten wir uns die Prämisse, dass der Name so eng wie möglich mit uns in Verbindung stehen sollte. Anstatt über ein Konzept nachzudenken und zu versuchen, es kohärent zu gestalten, entschieden wir uns, dass unsere eigene Realität den künstlerischen Weg von FOSCOR so weit wie möglich beschreiben und inspirieren sollte. Ein Konzept in unserer Muttersprache wäre nützlich, um eine enge Verbindung zu unserer Kultur herzustellen, mit der wir gewachsen sind und von der wir gelernt haben. Und ein möglichst allgemeines, aber konkretes Konzept in Bezug auf Landschaft und Farbpaletten sollte die Art und Weise bestimmen, wie wir die Welt sehen.
FOSCOR fungiert also als der Filter, durch den wir die Welt sehen. Wir sind es gewohnt, den Menschen zu thematisieren, zu behandeln und zu verstehen, wie der Einzelne das Leben im Sinne seines eigenen Kampfes erlernt und sich trotz seiner Schwächen und ständigen sozialen Bedrohungen weiterentwickelt. In einer Welt voller Schmerz gibt es auch viel Schönheit und die Dunkelheit, die den Himmel bedeckt, ist eine lebenswichtige und emotionsgeladene Antwort auf die Frage, wie man sich ihr stellt. Rilke hatte eine perfekte Metapher, um zu beschreiben, wovon ich spreche: Jemand, der an der Grenze zwischen Leben und Tod spaziert und die Performance genießt, ein Equilibrist.

Euer Musik ist vom Fin De Siècle und von den Gesellschaftsstrukturen am Ende des 19. Jahrhunderts beeinflusst, richtig? Wie seid ihr mit dieser Epoche in Berührung gekommen und was fasziniert euch daran?
Schau dir unser allererstes Logo an. Es gibt dazu eine schöne Geschichte, denn das F stammt von einem Wort, das in einem alten Gaudí-Gemälde aus einem ihrer berühmtesten Gebäude, der „Heiligen Familie“ in Barcelona, geschrieben stand. Das Wort „Fassade“ wurde darauf im Jugendstil von einem anderen berühmten Architekten namens Domenech i Muntaner geschrieben. Ich muss zugeben, dass man im ersten Moment vielleicht von der Ästhetik fasziniert sein könnte, ohne allzu tief in die Bedeutung der kulturellen Bewegung einzutauchen, aber im Laufe der Jahre würde man das Gewicht dieser Bewegung nicht nur in Barcelona, sondern in dem ganzen kleinen Land, in dem wir leben, erkennen.
Eine der aufregendsten Bewegungen ist die emotionale Dimension der Natur, die unseren Gedanken sehr nahe steht, und die Entwicklung aus einer früheren Bewegung wie der Dekadenz, die unserem gesamten künstlerischen Ausdruck einen Sinn gibt. Als eine Art Vorstufe der „Fin de Siècle“-Bewegung stand die Dekadenz dem Realismus entgegen, als ein Hunger nach Poesie und der Wiederbelebung der Welt, um den Menschen mit der Natur zu vereinen. Ihre Alltagswelt war ein magischer Ort und hierhin setzen wir unser Szenario, indem wir alles, was wir erschaffen oder ausführen, mit den gleichen Schritten angehen:
Gewöhnliche Dinge müssen eine neue Bedeutung bekommen.
Visuelle Dinge ein neues, geheimes Aussehen.
Das bereits Bekannte die Würde des Unbekannten.
Der Modernismus (Jugendstil) sucht die Halluzinationserfahrung, um das zu entwickeln, was sie selbstgefällig genannt haben, die Selbstgefälligkeit der Sinne. Wiederum ist diese Art von Sinnlichkeit das, was wir fühlen, wenn es um die Form der Dunkelheit geht, in die wir eintauchen.

Von welchen Bands und Musikern seid ihr am meisten inspiriert?
Ich denke, dass unsere DNA Anfang und Mitte der 90er Jahre von der norwegischen Black-Metal-Szene und ihrer Freiheit in Sachen musikalischer Kreation und der Erschaffung unendlicher emotionaler Schichten und Ebenen geschrieben wurde. Ich erwähne diese Periode immer wegen ihrer Dichte und Intensität und der Fähigkeit, sich Album für Album neu zu erfinden. Es gibt eine spezielle Band, die die Regeln geändert hat und uns auch beeinflusst hat, Ved Buens Ende. Wahrscheinlich wegen der Melancholie werden wir oft mit Katatonia verglichen, hat wohl auch viel mit dem musikalischen Schaffensprozess und der emotionalen Ebene zu tun.
In der Vergangenheit waren diese Referenzen wahrscheinlich viel klarer hörbar, aber eine Band muss Schritt für Schritt wachsen und versuchen, ihren eigenen Weg zu finden. Dies war eines der wichtigsten Ziele, die wir uns im Laufe der Jahre gesetzt haben. Nun würde ich die Musik auf diesem neuen Album als eine Sammlung von subtilen Texturen beschreiben, die von einer allgemeinen Farbe bedeckt sind, die von der emotionalen Ebene geprägt ist, die wir immer zu erreichen versuchen. Die Produktion ist einem Rock-Album näher als einem Extreme-Metal-Album. Es hat einen gewissen 80er-Jahre-Vintage-Sound und die Gitarren sind jetzt auf eine neue Art und Weise arrangiert, mit weniger Präsenz, weniger Verzerrung als je zuvor und einem höchst atmosphärischen Ansatz.
Man hört das Mysteriöse der 80er Jahre, einen Dark-Wave-Vibe, aber auch einige eingängige Gitarrenriffs wie aus modernem Pop, die Majestät und Dichte des Black Metal der 90er Jahre und sogar den Psychedelic und Prog Rock der 70er Jahre… Wir haben aus jedem musikalischen Zeitraum einiges gelernt und diesmal haben wir versucht, ihnen nicht zu folgen, sondern ihre Essenz auf unsere eigene Weise zu übernehmen. Vielleicht haben wir endlich einen wertvollen Weg gefunden, uns mit unseren eigenen Worten auszudrücken.

Ihr habt früher Black Metal gespielt, habt euch aber mit der Zeit immer mehr dem Dark Metal zugewandt. Aus welchem Grund?
Es ist klar zu hören, wie anders unsere Musik heutzutage klingt, im Vergleich zu den rohen und primitiven Klängen, die wir auf unserem ersten Album verfolgten… oder sogar auf den folgenden Alben, aber letztlich, wie ich immer sage, dreht sich alles um Emotionen. Das ist der Hauptpunkt und das Ziel, das wir immer hatten, wenn wir Musik schufen; an einen Ort zu führen, an dem die Intensität des Lebens und starke persönliche Bedürfnisse auf eine sehr dichte Art und Weise in Musik umgesetzt werden. Nehmen wir an, es gibt eine klangliche Verarbeitung verschiedener emotionaler Landschaften… und wie es bei uns Menschen selbst der Fall ist, resultieren unerwartete akustische Wendungen aus den Veränderungen des Lebens.
Nach 15 Jahren hat sich die Metal-Musik und insbesondere Extreme Metal überhaupt nicht weiterentwickelt und hat nur einen Nachahmer nach dem anderen hervorgebracht. Obwohl wir immer versucht haben, höhere Ausdrucksformen zu erreichen, glauben wir auch, dass es eine stagnierende Gefühlslandschaft ist, die aus dem musikalischen Schaffen hervorgegangen ist und eine Pause brauchte. Deshalb haben wir angefangen, mehr Inspiration, Ressourcen oder angenehme Momente in anderen Stilen zu finden… Sagen wir mal, es lief etwas schief und deshalb hat sich unsere Musik im Laufe der Jahre von Black Metal zu einer schwieriger zu kategorisierenden Musik entwickelt. Wir würden gerne glauben, dass dies unser bisher persönlichstes Material ist.

Euer aktuelles Album „Les Irreals Visions“ beinhaltet zwar fast keinen gutturalen Gesang mehr, aber immer noch düstere Riffs und Blast-Beats. Warum habt ihr diese Stilmittel beibehalten, aber gerade den Gesang nicht?
Wir haben versucht, eine große Sammlung von Liedern zu schaffen, bei denen weniger mehr ist, wenn es um den Einsatz von Elementen und Ressourcen geht. Es geht also darum, wie wir sie nutzen, wir haben dieses überraschende und magische Ergebnis auf dem Album erzielt, weil wir die richtigen Knöpfe gedrückt haben. Man sehe sich unser vorhergehendes Album „Those Horrors Wither“ an, es war absolut notwendig für uns, um unsere eigenen Gesetze und Grenzen zu brechen, aber es endete wahrscheinlich damit, dass es in zwei Seiten aufgeteilt wurde, weil der Gesang und das Screaming in jedem Track nebeneinander existierten. Viele Leute sagten, dass es einen progressiven Vibe hat, das hatten wir nicht geplant, aber wir verstehen, dass die Menge an Informationen und wie kalt es herauskam, die Leute dazu führte, das Album auf diese Weise zu verstehen.
Mit dem Ziel, an einer zeitlosen Klanglandschaft zu arbeiten, haben wir uns daher entschlossen, nicht zurückzublicken, sondern alle nötigen Entscheidungen zu treffen. Für mich und die Band war es ein entscheidender Wendepunkt, Klargesang hinzuzufügen, und so folgten wir der Botschaft, die in unserer Musik steckt, lebendig und leuchtend trotz der Dunkelheit, die unser Name und unsere Musik in sich tragen. Die Übung und Übersetzung von Gefühlen in Texturen, Stille und Raum hat unserer Meinung nach die besten Ergebnisse gebracht, indem wir sie auf diesem Album erarbeitet haben. Das wollten wir schon immer erreichen, deshalb sind wir sehr froh, dass wir es geschafft haben.

Auf dem Track „Espectres Al Cau“ sind dann doch noch ein paar starke Growls zu hören. Warum gerade in diesem Song?
Als Falke diesen Track komponierte, wurde irgendwann klar, wie wir die Intensität und Dichte unserer Vergangenheit wiedergewinnen und neu umsetzen konnten. Ich wollte nie, dass das Album weiterhin halb clean gesungen und halb gegrowlt ist… Was ich wollte, war, kohärenteres und solideres Zeug zusammen zu bekommen, aber warum nicht ein hartes Element verwenden und ein paar Blast-Beats hinzufügen? Ich könnte diese Ressource sicherlich in anderen Songs und Momenten verwenden, aber „Espectres Al Cau“ hatte etwas, das wie eine Hommage an unsere eigene Vergangenheit war, was mich dazu führte, dass ich hier ein paar Growls benutzte.
Hört euch „Instants“ an… Dort spielen wir das schnellste Drum-Tempo, das wir je hingekriegt haben. Der Grund dafür ist einfach, dass wir es so empfunden haben… Aber auch hier gibt es subtile Gründe dafür, wie zum Beispiel die Tatsache, dass das Riff dort wahrscheinlich das am meisten nach Alternative oder Indie klingende ist, das jemals von uns geschrieben wurde… Auch hier wieder eine der allgemeinen Regeln, mit denen wir gerne arbeiten: der Kontrast.

Wie ist das Feedback zu „Les Irreals Visions“ ausgefallen? Gab es Leute, die eurem Fortgang vom Black Metal kritisch gegenüberstanden?
Wir sind richtig zufrieden und sogar überrascht von der positiven Resonanz und wie die Presse diese Entwicklung in unserem Output sieht. Generell spielt es keine Rolle, woher wir kommen, weil das Album so speziell zu klingen scheint und so einzigartig und persönlich im Vergleich zu dem ist, was wir als Band in der Vergangenheit hervorgebracht haben. Zu unserem Glück verstehen die meisten unsere Logik hinter der Reduzierung der Menge an Ressourcen und Referenzen, um diese Einzigartigkeit zu erreichen. Es ist in der Tat unbezahlbar, aber ich schätze, es hängt nur davon ab, wie ihr Jungs die Musik fühlt…
Wir sind immer davon ausgegangen, dass wir in der Vergangenheit kein solides Kunstwerk erschaffen konnten oder zumindest nicht so reichhaltig und speziell wie unser aktuelles und deshalb konnten wir auch keinen konstanten Rhythmus als Band in Bezug auf Fortschritt, Live-Termine, etc. hinbekommen. Wir hoffen, von nun an anders arbeiten zu können, da wir das Gefühl haben, einen guten Ausgangspunkt gefunden zu haben, um weiterhin auf eine kohärente Art und Weise zu arbeiten.
Alles in allem gibt es viele Aspekte im Hier und Jetzt, die nach vielen Jahren der Arbeit eine wichtige Rolle spielten, wodurch das Label von Anfang an verstanden hat, wo die Band vor dem Vertrag stand, und nun, wie das Album als Gesamtwerk konzipiert ist. Es war der richtige Moment und das richtige Label, um alles zum Laufen zu bringen.
Angesichts der ästhetischen Seite mit dem schönen Fotokunstwerk von Nona Limmen, dem von Maria Picassó gestalteten Layout und natürlich all den neuen musikalischen und textlichen Elementen, war es für uns als Band wohl der richtige Moment, ein für allemal die richtigen Knöpfe zu drücken, um unser bisher solidestes Kunstwerk zu komponieren.
Wahrscheinlich gilt FOSCOR immer noch als Newcomer im allgemeinen Publikum, sodass die Leute unsere Musik entdecken können, ohne etwas aus unserer Vergangenheit zu kennen. Wenn jemand so ein Interview liest und auf unser früheres Material neugierig wird, bin ich recht sicher, dass die Leser die logische Entwicklung erkennen, die ich meine. Umso mehr bei einer Band wie uns, die ständig versucht, ein höheres emotionales Niveau zu erreichen.

Ihr habt für die Platte einen Gastdrummer zu Rate gezogen. Aus welchem Grund hattet ihr keinen Drummer in der Band und werdet ihr voraussichtlich bald jemandem dafür dauerhaft in die Band holen?
Nachdem wir uns von Nechrist getrennt hatten, bevor der Kompositionsprozess für „Les Irreals Visions“ losging, waren wir uns sicher, dass es für die Band in Ordnung war, mit einem dreiköpfigen Line-Up im Studio weiterzumachen und später für die Bühne einen geeigneten Musiker zu finden, um das, was wir nicht alleine schaffen konnten, zu verwirklichen. Nechrist war unser Schlagzeuger seit 2004, dem Jahr, in dem wir erstmals auf der Bühne spielten, aber Falke und ich haben immer die Hauptrollen in der Band übernommen, was Komposition und Networking angeht. Für dieses neue Album haben A. M. und Falke die gesamte Komposition des Albums übernommen, mit Ausnahme der Vocals, die von mir arrangiert wurden, wie auch die üblichen Networking-Texte, Lyrics, etc…
Wir haben genug Möglichkeiten, um ein Album vorzubereiten und fertigzustellen. Sogar daran nachträglich zu arbeiten, wenn es einmal aufgenommen wurde. Wie du bereits gesagt hast, brauchen wir jedoch einen Schlagzeuger im Studio und auf der Bühne, wenn wir mit der Band so weitermachen wollen wie bisher.
Deshalb haben wir vorerst Jordi (Ered, Sheidim, Cruciamentum) gebeten, uns ins Studio zu begleiten und das Schlagzeug zu übernehmen. Wir teilen ähnliche Ansichten und Wurzeln in Sachen Musik und da er so ein junger, talentierter und auch international erfahrener Musiker ist, haben wir gleich erkannt, dass er perfekt für FOSCOR ist. Er nahm an und obwohl er kein richtiges Mitglied von FOSCOR ist, wird er sich an den kommenden Live-Terminen und hoffentlich an zukünftigen Aufnahmen beteiligen.
Nach vier Alben haben wir keine Lust mehr darauf, uns mit Leuten herumzuschlagen, denen die nötige Leidenschaft fehlt, die eine solche Band braucht. So einfach ist das.

Mit A. A. Nemtheanga (Primordial) habt ihr einen weiteren Gastmusiker auf „Les Irreals Visions“. Wie kam es dazu und warum habt ihr gerade ihn ausgewählt?
Die Sache mit Alan ist lustig, die Zusammenarbeit mit ihm war weder geplant noch vorbereitet. Wir kennen uns schon seit einiger Zeit. Wir haben mit Primordial ein paarmal gespielt und als er nach Barcelona kam, allerdings nicht, um Musik zu spielen, haben wir uns kennengelernt und sind zusammen fortgegangen.
Wir beendeten gerade die Aufnahmen in den Moontower Studios, als mir Alan an einem Freitag eine Nachricht schickte, ob ich am Samstag für ein Bier zur Verfügung stünde, weil er einen Tag in Barcelona verbringen würde, bevor er woanders hinreisen würde. Ich sagte ihm, dass ich mit der Arbeit im Studio beschäftigt war und dass ich mein Bestes tun würde, um ihn irgendwann zu erwischen. Am selben Samstagmorgen kam es mir in den Sinn, ihm anzubieten, den Nachmittag und Abend mit uns im Studio zu verbringen und ein paar Vocals für das Album einzusingen. Er nahm an und wir verbrachten einige schöne Stunden damit, über Dokken zu sprechen, Wein zu trinken… und einen irischen Gentleman zu bitten, ein paar Sätze auf Katalanisch für das Lied „Ciutat Tràgica“ zu singen. (lacht) Ich trage immer noch den in Lautschrift verfassten Zettel, mit dem er sich beholfen hat, bei mir.
Das Beste war, dass wir ihn zufällig dazugeholt und etwas Einzigartiges geschaffen haben.

Gibt es einen Track auf eurem neuen Album, der dir besonders gefällt und falls ja, welcher und warum?
Ehrlich gesagt, ich kann nicht nur einen einzigen Titel der Album-Trackliste auswählen. Es gibt verschiedene Höhepunkte, die mir sehr wichtig sind, entweder wegen der Bedeutung des Textes oder wegen der Gefühle, die die Musik in mir auslöst.
Ich würde sagen, das Intro und die Blast-Beats auf „Instants“, die ich selbst komponiert habe und die von Falke arrangiert wurden. Der Anfang von „Ciutat Tràgica“ mit diesem Post-Punk-Vibe, den ich wirklich liebe, umso mehr, weil Alan darauf zu hören ist. Der Anfang von „De Marges I Matinades“ mit einer persönlichen Hommage an eine meiner absoluten Lieblingsbands, Ved Buens Ende… Und das Ende mit einer der epischsten und schönsten Gesangslinien, meiner Meinung nach. Übersetzt ins Deutsche würde es so etwas wie „die Stadt erwacht wieder“ heißen.
Für mich hat es eine Bedeutung, die über diesen Moment hinausgeht… ein Gefühl, dass das Album abgeschlossen ist, aber die Tür zu zukünftigen Kapiteln geöffnet wird… oder eine klare Metapher dafür, dass es nach jedem persönlichen Scheitern oder jeder Enttäuschung einen lebenswerten Neuanfang gibt. Wieder kommt mir die Metapher des Equilibristen in den Sinn, die mir als perfektes Beispiel dafür dient, wie wir unserem Alltag begegnen.

Worum genau geht es in den Texten von „Les Irreals Visions“?
„Les Irreals Visions“, wie zuvor bereits angesprochen, ist eine Reise, deren Beginn in den Fundamenten der Moderne liegt. Von dort aus müssen die gewöhnlichen Dinge eine neue Bedeutung erlangen, visuelle Dinge ein neues geheimes Erscheinungsbild und das bereits Bekannte die Würde des Unbekannten. Dies ist die Landschaft, in der wir unser Spiel austragen.
Textlich geht es auf dem Album um die Karte der kollektiven Interaktionen, Schwächen und individuelle Hoffnungen des Menschen in der Stadt als Metapher. Die Stadt ist ein magischer Ort und eine Art Verstärker des Mythos, dem wir uns gegenübersehen. Das Leben, repräsentiert durch ein Labyrinth von Orten, Wegen, Pfaden, Fäden und Grenzen, die uns zu dem machen, was wir sind.
Die emotionale Dimension dieser Interaktionen muss in ihrer individuellen Form gelesen werden, wird aber auf eine Lebensebene und in die Natur als Ganzes übertragen.
Die unwirklichen Visionen erzählen von Erinnerungen und wie sie als Erweiterung unserer Erfahrungen in der Welt wirken. Wir haben keinen Zugriff auf diese Seite, sondern nehmen sie nur wahr. Dasselbe gilt auch für die Menschen, mit denen wir es zu tun haben und leider auch für uns selbst. Die Sinne helfen uns dabei, dies in einem körperlichen und interaktiven Szenario, das für die meisten von uns die Stadt ist, zu verinnerlichen, aber da die Stadt viele Realitäten versteckt, die uns beeinflussen, gibt es auch eine riesige Welt auf einer emotionalen Ebene, die uns ständig berührt und mit der wir uns beschäftigen müssen.
Etwas Unwirkliches, das wir nicht kontrollieren, eine Vision, die sich auf uns auswirkt, wobei wir nicht wissen, wie wir ihre Bedeutung erkennen sollen. Um die Schönheit eines Raumes zu spüren, ist es zwingend notwendig, ihn zu bewohnen. Um in einer sozialen Welt zu leben, müssen wir lernen und höhere Ebenen erreichen, emotional gesprochen.

Im Gegensatz zu eurem letzten Album, auf dem ihr noch auf Englisch getextet habt, ist eure neue Platte komplett in eurer Muttersprache verfasst. Was ist der Grund dafür?
Seit unserem ersten Album haben wir sowohl Englisch als auch Katalanisch in unseren Texten verwendet und mehr als ein- oder zweimal ließen uns Leute von außerhalb Kataloniens wissen, dass ich glaubwürdiger war und die tiefsten Gefühle vermitteln konnte, wenn ich auf Katalanisch sang. Mehr als auf Englisch. Obwohl sie nicht verstehen konnten, was ich meinte, spürten sie es noch mehr als auf Englisch.
Es geht darum, wie wir Emotionen erfahren und teilen können, also hörten wir auf diese individuellen Stimmen und nachdem wir darüber nachgedacht hatten, dass wir unsere Sprache synthetisieren und herausfinden mussten, was uns am besten definieren könnte, konzentrierten wir uns auf die Elemente, die uns am nächsten stehen, die Elemente, die funktionieren konnten und quasi unseren Stein der Weisen repräsentieren.
Katalanisch erlaubte uns zweifellos, auf diese Weise zu arbeiten. Es ist einzig und allein unsere Absicht, zu zeigen, wer wir sind, wie wir denken und wie wir uns fühlen… Unsere Muttersprache erlaubt es uns, direkter aus unseren Herzen zu sprechen, obwohl die meisten Leute, die unser Album hören werden, den Text nicht verstehen werden. Wir sind zuversichtlich, dass der Einsatz katalanischer und cleaner Vocals auf dem gesamten Album, was die Gefühle angeht, einen unverwechselbaren und satten Klang für die Ohren der Leute bedingen wird, mehr noch als andere Sprachen, die sie gewohnt sind.

Außerdem steht ihr nun bei Season Of Mist unter Vertrag, „Les Irreals Visions“ ist eure erste Veröffentlichung bei dem Label. Wie kam es dazu und warum gerade Season Of Mist?
Der Vertrag mit Season Of Mist ist das Ende eines Prozesses, der zwei Jahre zuvor auf dem Roadburn Fest begann, nachdem wir uns von unserem bisherigen Label und dem damaligen Management getrennt hatten. „Those Horrors Wither“ war nach einer recht erfolgreichen Tournee mit Vallenfyre im Begriff, auf die internationale Bühne zu treten, aber das Projekt endete plötzlich und genau dann begannen wir, unsere Zukunft aufzubauen. Manchmal funktionieren die Dinge nicht so, wie erwartet und Pläne ändern sich.
Damals gab es viele Leute aus der Industrie, den Medien usw., die uns geholfen haben, aktiv zu bleiben, indem sie uns ihre Hilfe und Kontakte anboten, um das Album zu promoten oder zu vertreiben. Doch dann kam Michael Berberian im Jahr 2015 auf dem Roadburn, der mir sagte: „Vergeudet keine einzige Minute und keinen einzigen Euro mehr an dieses Album, shit happens. Zeigt mir etwas, wenn ihr meint, es könnte der richtige Moment sein.“ Ich trage diese Worte immer noch in mir und in gewisser Weise habe ich bei den meisten Dingen, die wir damals im Hinblick auf unsere Zukunft taten, im Hinterkopf behalten, dass wir ihm und seinem Label irgendwann in der Zukunft ein neues Projekt anbieten und eine neue Kreatur erschaffen würden.
Ein Jahr später, am selben Ort, erzählte ich ihm, dass wir ihm in wenigen Monaten eine Demo unseres neuen Albums schicken würden. Es war wirklich schön, zu sehen, wie eifrig er war, etwas von uns zu bekommen, sicherlich auch wegen unserer guten Freunde Obsidian Kingdom, die, wie ich weiß, immer gut über uns gesprochen haben… (lacht)
Es war Anfang September 2016, als ich Michael kontaktieren konnte, und sobald er ein paar Songs aus dem Demo gehört hatte, begann zu unserem Glück alles wie von selbst… bis jetzt. Wir fühlen uns stolz, geehrt und enthusiastisch mit Season Of Mist als unser neues Zuhause.

Was sind eure nächsten Pläne für FOSCOR?
Wir versuchen hauptsächlich, so viele Live-Shows wie möglich zu spielen und konzentrieren unsere Bemühungen auf das Spielen außerhalb unseres Landes. Nur so kann das Album richtig wachsen. Im Oktober werden wir die norwegische Band und Labelkollegen Vulture Industries bei acht Terminen unterstützen und obwohl wir ein paar nette Tourneen angedacht haben, um das Ganze zu ergänzen, konnten wir es noch nicht fixieren. Wir haben einige Termine in ganz Spanien bis Ende des Jahres und ein Projekt, um einige der Albumsongs in eine andere Sprache zu übersetzen, die es uns ermöglichen könnte, sie in neue Formate und an neue Veranstaltungsorte zu bringen und die Interaktion der Band mit dem Publikum zu erweitern.
Wir beabsichtigen, etwas Besonderes aufzunehmen, dieses Album in einer Art Mutation zu erweitern, die uns sicher nützlich sein wird, wenn es darum geht, unsere Fähigkeiten und musikalischen Grenzen zu erkennen und zu kontrollieren. Ich bin mir sicher, dass wir 2018 mit dem neuen Live-Line-Up viel spielen können und hoffentlich werden FOSCOR ihre Position in der internationalen Szene weiter festigen.

Kommen wir langsam zum Ende. Machen wir jetzt noch unser traditionelles Metal1.info-Brainstorming:
Spanien: Das Land, in dem wir als Band wachsen konnten, langsam, aber Schritt für Schritt haben wir es geschafft, das zu entwickeln, wozu wir hier draußen nicht so viele Möglichkeiten hatten. Auch unsere geliebten Nachbarn, mit denen wir viele Dinge teilen, mit denen wir aber oft wegen tiefer Unterschiede kämpfen. Je näher wir uns kommen, desto schwieriger ist es manchmal, einander zu verstehen. Hoffentlich werden beide Territorien in der Lage sein, ihre Differenzen von Angesicht zu Angesicht und auf Augenhöhe zu lösen und die Menschen nicht dazu bringen, ihre Zeit zu vergeuden. Bis dahin werden wir uns an dem freundlichen Land und seinen freundlichen Menschen erfreuen.
Frankreich: Das Land, in dem FOSCOR ihren Weg begannen, nachdem sie ihr erstes Album „Entrance To The Shadows‘ Village“ veröffentlicht hatten, und der Ort, an dem wir wiedergeboren wurden. Ich kann sie nicht Nachbarn so wie Spanien nennen, das ist offensichtlich. Aber das ist definitiv ein Land mit einer wichtigen Rolle für uns und mich persönlich. Ungefähr so, wie andere Länder mir oder FOSCOR oder meiner anderen Band Graveyard über die Jahre etwas gegeben haben, musikalisch, aber auch persönlich, wie es Deutschland in letzter Zeit getan hat.
Horror: Ich liebe Horror als unkontrollierte Kraft. Es ist weder Furcht noch etwas, das uns einfach nur Angst macht. Horror spricht über Extreme und Grenzen unseres Verhaltens. Es bringt uns an einen anderen Punkt, und das ist es, was „Those Horrors Wither“ textlich und musikalisch behandelt hat.
Brexit: Eine weitere Konsequenz dessen, wie falsch Europa und seine Länder ihre Politik außerhalb ihrer eigenen Grenzen gehandhabt haben. Wir werden ständig manipuliert, weil unsere Vertreter Fehler begehen, und es ist so traurig, zu sehen, wie über Jahrzehnte hinweg schlechte Entscheidungen hier draußen getroffen werden, wie keine Lösungen jenseits einer Kultur der Angst und des Hasses gefunden können. Außerdem denke ich, dass jedes Land seine eigene Zukunft selbst bestimmen sollte, wie es in diesem Fall geschehen ist und wie ich es hier gerne selbst erleben würde.
Avantgarde: Wahrscheinlich ist oder sollte es das sein, was man heutzutage als progressive Einstellung bezeichnet. Ich spreche nicht von Prog-Musik… Ich stehe überhaupt nicht auf Prog. Ich verbinde Avantgarde mit der Einstellung und dem Ziel, Regeln zu brechen und weit über die etablierten Regeln hinauszugehen. Dies ist keine Suche nach Innovation ohne Sinn, aber ich kann mit denjenigen nichts anfangen, die kein Interesse daran haben, sich von dem, was bereits bekannt ist, zu entfernen, nur weil es noch unbekannt ist.
FOSCOR in fünf Jahren: Hoffentlich werden wir in fünf Jahren mit Season Of Mist vor dem dritten Album stehen, da unser Vertrag vorerst auf drei Werke ausgelegt ist. Ich hoffe sehr, dass wir dann in der dunklen Musikszene sowohl musikalisch als auch künstlerisch als bereits bekannte Band aufgenommen werden. Dass sich Menschen daran gewöhnen, uns anhand einiger Aspekte zu erkennen, was bedeuten würde, dass wir für uns selbst sprechen.

Nochmals herzlichen Dank für deine Zeit. Gibt es noch etwas, das du unseren Lesern mitteilen möchtest?
Ich grüße euch alle und möchte euch und euren Lesern sagen, wie sehr wir es schätzen, dass wir die Chance hatten, mit euch darüber zu reden, was hier so vor sich geht. Im kommenden Oktober werden wir durch Europa touren und Deutschland für vier Termine besuchen: Lübeck, Erfurt, München und Köln. Jeder von euch, der mehr darüber wissen möchte, was hinter diesen Worten hier steckt, ist hier herzlich eingeladen, uns live zu besuchen und nach der Show mit uns Zeit zu verbringen. Das ist etwas, was wir sehr gerne tun.
Alles Gute, Jungs! Möge die Dunkelheit tragisch sein.

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Publiziert am von Stephan Rajchl

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