Interview mit Herr Morbid von Forgotten Tomb

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Mit „We Owe You Nothing“ ließen sich FORGOTTEN TOMB mehr denn je von Sludge und Stoner Metal inspirieren. Bandkopf Herr Morbid erklärt, woher diese Einflüsse kommen, warum das Album trotdem ein typisches FORGOTTEN-TOMB-Album geworden ist und was er als Feedback auf das Album erwartet.

Das neue FORGOTTEN-TOMB-Album heißt „We Owe You Nothing“ – worauf bezieht sich der Titel? Wem schuldet ihr nichts?
Der Titeltrack ist textlich betrachtet der aggressivste Song und unterscheidet sich etwas von den anderen – es ist eher abstrakt gemeint, bezieht sich auf niemanden oder nichts konkretes. Es ist eher ein Ausbruch allgemeinen Hasses auf das Leben und die Leute. Es ist ein dickes „Fuck You“ an das ganze Konzept der Existenz, an das Leben, den Tod, all die Heuchler. Gemeint ist, „Ich schulde dem Leben nichts“, und dieses Konzept wurde auf die Band ausgeweitet, deswegen heißt es im Titel und Text „We“.

Woher kommt dieses Gefühl, was hat dich da getrieben?
Nach meinem Unfall war die Zukunft der Band für eine Zeit lang aus verschiedenen Gründen ungewiss – jetzt ist es, als würden wir gegen alle Wahrscheinlichkeit weitermarschieren, wie ein gigantischer Mittelfinger. Am Anfang war geplant, das Album anders zu nennen, aber als ich den Autounfall überlebt, langsam wieder mit dem Gitarrenspielen angefangen und die Band schlussendlich wieder reaktiviert habe, hatte ich dieses „Wir gegen das Leben selbst“-Gefühl, gegen Unglück und gegen die ständigen Tiefschläge. Daher kommt der Titel. Es ist ein Titel, der trotzdem natürlich für viele Interpretationsweisen offen ist.

Der Titel könnte auch auf eure Fans bezogen verstanden werden, nachdem das neue Album musikalisch sehr anders ausgefallen ist, als vielleicht viele erwartet haben?
Ehrlich gesagt habe ich heute keine Probleme mit Leuten, die unsere alten Sachen lieben. Bei einigen meiner Lieblingsbands geht es mir ja nicht anders, das ist auch so eine komische Metal-Sache – dieses typische „Ich mag nur ihre ersten beiden Alben“-Ding. Das kommt einfach vor. Manche Leute mögen keine Veränderungen oder haben einfach einen anderen Geschmack. Aber trotzdem: Wenn jemand so enttäuscht ist, wenn du etwas machst, das etwas anders klingt, bedeutet das, dass er dich immer noch sehr dafür bewundert, was du früher gemacht hast. Deswegen nehme ich das als Beweis der Anerkennung für zumindest einen Teil meiner Arbeit.

Ich mag nur die Leute nicht, die aus persönlichen Vorurteilen heraus alles kritisieren, was du machst, während sie nie etwas getan haben, um dich aktiv zu unterstützen. Wenn wir jetzt nach 18 Jahren immer noch da sind, gibt es also definitiv auch ein paar Leute, denen wir nichts schuldig sind. Ich respektiere die Meinung von jedem, aber wenn du nur da bist, um schlecht über die harte Arbeit anderer Leute zu reden, kannst du dir deine Meinung meinetwegen in den Arsch schieben. Wie auch immer, Fans kommen und gehen, das ist ganz normal. Ich glaube, wer „Hurt Yourself And The Ones You Love” mochte, sollte vom neuen Album nicht allzu schockiert sein: Wir haben einfach die Sludge- und Heavy-Parts dieses Albums genommen und auf das nächste Level gehoben. Ich glaube, es ist von dieser CD ausgehend kein kompletter Spagat hin zum neuen Werk.

Wie erwartest du, dass die Fans auf das Album reagieren?
Du wirst nie einstimmige Kommentare oder Reviews zu unseren Alben sehen, weil wir eine Band sind, die sowohl die Hörerschaft als auch die Riege der Journalisten vom ersten Tag an gespalten hat. So war das immer: Heute finden die Leute, dass „Songs To Leave“ oder „Springtime Depression“ Kult-Alben sind. Aber als die damals herausgekommen sind, waren die Reaktionen noch schlechter als auf unsere aktuellen Sachen. Dasselbe gilt für “Negative Megalomania”, das viele Leute heute als ihr Lieblingsalbum erachten – damals, als das Album erschien, haben viele gesagt, dass wir tot und abgeschrieben sind. Die Zeit hat uns immer Recht gegeben, weil wir dazu tendieren, den Trends voraus zu sein. Wir sind einfach eine ehrliche Band, die keinen Trends folgt und ihren Weg geht, wie sie es immer getan hat.

Als wir angefangen haben, gab es das ganze „Depressive Black Metal“-Ding eigentlich noch nicht einmal. Wir waren unter den ersten, die diesen Begriff, dieses Bild benutzt haben und so gespielt haben. Heute gibt es tausende Bands, die das machen. Das Gleiche gilt für die Elemente, die wir auf unseren folgenden Alben verwendet haben – wie Rock-orientierte Gitarren-Soli, Klargesang, Post-Punk-Einflüsse, Sludge-Einflüsse und so weiter. Dass wir mit Argwohn betrachtet werden, ist Teil unserer Geschichte, weil das einfach passiert, wenn du anders bist oder vorausblickend, oder einfach nur musikalisch aufgeschlossen.

Wie wichtig ist dir Feedback, wie gehst du mit Kritik um?
Wie schon gesagt, Fans kommen und gehen – deswegen musst du dir selbst gegenüber ehrlich bleiben – das ist es, was eine Band am Leben hält. Es mag gute und schlechte Zeiten geben, aber eine ehrliche Band wird immer Aufmerksamkeit bekommen, während eine Band, die versucht, Trends zu folgen oder der Hörerschaft zu gefallen, ist ein Fake und zum Scheitern verurteilt, weil die echten Fans das merken.

Wir haben Fans, die jedes Album kaufen, das wir veröffentlichen, weil sie wissen, dass es sie es mögen werden, egal, welche Richtung wir mit dem Album einschlagen. Ich nenne sie die „stille Mehrheit“, weil sie die sind, die ihr Leben nicht damit verbringen, sich im Internet über etwas zu beschweren. Sie kaufen einfach das Album, kommen zu den Shows und unterstützen die Band. Ich habe auch ein paar Freunde, denen ich vertraue. Wenn die sagen, das neue Album rockt, bedeutet das, dass es das tut. Weil ich weiß, dass sie mich nicht anlügen würden. Das ist das einzige Urteil oder Gütesigel, das ich brauche. Alles andere ist nur Internet-Gelaber.

Tatsächlich ist das Album eher Sludge oder Stoner als Black Metal. War das eure Intention, habt ihr also bewusst nach diesem Sound gesucht, um diese Atmosphäre herauszuarbeiten?
Nun, es rangiert eher im Gebiet von Crowbar als in dem von Darkthrone, um es auf den Punkt zu bringen. Trotzdem bleiben viele Black-Metal-Elemente und die Atmosphäre erhalten. Wir haben unseren eigenen Sound und den findet man überall auf dem Album – nur kommen wir diesmal eben eher von der Sludge-Doom-Seite als von der Black-Metal-Seite. Aber das ist schon auf den meisten Alben seit „Negative Megalomania“ so gewesen. Wir hatten immer diese beiden Seiten und einige Southern-Einflüsse. Einige Alben waren eher Black, andere eher Rock, wieder andere eher Doom. Aber wir haben diese Genres immer schon etwas vermischt. Diesmal wollten wir heavier werden, aber du findest auf dem Album auch Punk-Einflüsse und andere Elemente, die für unseren charakteristischen Sound sehr typisch sind. Ich denke, es finden sich Elemente aus unserer ganzen Diskographie in diesen Songs, mit einem Schwerpunkt auf der doomigen Seite.

Hörst du selbst viel Sludge und Stoner Metal, und wenn ja, welche Bands?
Definitiv, und das tatsächlich schon sehr lange. Ich mochte immer alles mit Southern-Touch – das ist für alle, die mich schon einige Zeit kennen, nichts wirklich Neues. Ich mag die meisten der Bands aus Lousiana, aber auch ein paar andere wie Buzzov*en, Sourvein, Weedeater, -(16)- und so weiter. Stoner Rock ist nicht so meins, oder auch dieses ganze Doom-Revival-Zeug, das dieser Tage überall steilgeht. Ich mag keine Kopien, deswegen bleibe ich bei den echten Klassikern.

Habt ihr irgendwelche Alben als Referenz benutzt – gibt es Alben, an die „We Owe You Nothing“ in Sachen Sound angelehnt ist?
Diesmal hat Chris „Zeuss“ Harris den Mix und Master des Albums übernommen, und ich denke, zu ihm muss man nicht mehr viel sagen. Er hat Crowbar, Six Feet Under und ein paar andere Bands die wir sehr mögen produziert und er hat echtes Interesse daran gezeigt, mit der Band zu arbeiten. Deswegen haben wir uns von der Liste an Produzenten, die wir im Kopf hatten, am Ende für ihn entschieden. Er hat in seiner Karriere auch ein paar sehr modern klingende Alben produzeiert, aber nachdem er unser Material erhalten hatte, war er auch der Meinung, dass wir einen eher organischen Sound brauchen. Deswegen haben wir für die Drums keine Trigger verwendet und haben versucht, alle digitalen Hilfsmittel auf ein Minimum zu limitieren. Wir haben alles sehr roh und laut gelassen, wir wollten nicht, dass es zu poliert oder gar überproduziert klingt. Ich wollte einfach nur große Gitarren, große Drums, einen soliden Bass, sehr direkte Vocals und generell eine fiese Atmosphäre.

Auf dem Cover sieht man eine Hand, die ein blutiges Schweineherz hält – was ist die Idee hinter dem Artwork, wo steckt die Verbindung zum Albumtitel?
Naja, es ist ein Schweineherz, aber es soll natürlich ein menschliches Herz darstellen. Aber so eines konnten wir natürlich nicht benutzen, weißt du? (lacht) Wir machen da normalerweise ein Brainstorming, um zu entscheiden, was wir als Cover verwenden – da die anderen Jungs meine Texte lesen können, sind sie in der Lage, Ideen einzubringen. Diesmal sind wir bei der Idee mit dem ganzen Herz gelandet, weil es die grundlegende Bedeutung meiner Texte für dieses Album zusammenfasst: Es steht dafür, dass das Leben und all der Schmerz, den es mir gebracht hat, mir das Herz herausgerissen hat.

Es ist quasi mein Herz auf dem Cover, weil dieses Album und all das Leiden, das es mit sich gebracht hat, mir mein verdammtes Herz herausgerissen hat. Du hast vielleicht gehört, dass ich Ende 2016 in einen lebensbedrohlichen Autounfall verwickelt war – das hat die Texte und die Stimmung des Albums stark beeinflusst – genau wie andere persönliche Probleme, mit denen ich mich während des gesamten Entstehungsprozesses des Albums konfrontiert sah. Das blutende Herz steht also als Symbol für all das Leiden, das ich in dieses Album gesteckt habe.

Plant ihr, mit dem Album auf Tour zu gehen, und wenn ja: Werdet ihr auch nach Deutschland kommen?
Wir werden in ein paar Wochen unsere erste Show seit über einem Jahr auf dem Rites Of The Black Mass II Festival in Rumänien spielen und dann vermutlich im Frühjahr 2018 durch Europa touren. Deutschland wird natürlich auf dem Tourplan stehen, wie immer. Ich weiß nur noch nicht, mit wie vielen Shows weil das natürlich von der Reiseroute und den Angeboten abhängt. Außerdem machen wir gerade ein paar Festivals fix, sowohl Indoor als auch Open Air. Vielleicht schaffen wir es sogar, endlich einmal in den USA zu touren. Wir streben aber eine „weniger Shows, höhere Qualität“-Politik an, insofern mal sehen, was passiert. Ich mochte touren früher sehr gerne, aber das ist heute aus einer Vielzahl an Gründen anders – insofern will ich wenigstens eine gute Zeit haben, wenn ich unterwegs bin. In Europa werden wir vermutlich um die 20 Shows spielen, aber eher die Einzel-Shows werden wir reduzieren – außer, es handelt sich um gute Festivals.

Vielen Dank für das Interview. Zum Abschluss ein kurzes Braistorming:
Deutschland: Viele Metal-Fans.
Donald Trump: Dazu sage ich jetzt lieber nichts, nachdem ich in den nächsten Monaten vielleicht etwas Zeit in den USA verbringen will (lacht)
Fussball: Interessiert mich nicht wirklich. Vielleicht schaue ich mir trotzdem ein paar WM-Spiele an.
Facebook: Braut man heutzutage für Werbezwecke, wie andere Social Networks auch. Ich würde lieber ohne das alles leben, aber so funktioniert heute die Welt.
Dein Lieblingsalbum 2017: Es war ein gutes Jahr. Ich glaube, ein paar Alben wie das neue von Eyehategod stehen noch aus – im Moment mag ich die neue Unsane und auch die neue von Danzig sehr gerne. Das Primitive-Man-Album ist auch verdammt heavy.
FORGOTTEN TOMB in zehn Jahren: Schwer zu sagen – da spielen zu viele Faktoren rein. Wenn ich dann noch am Leben bin, hoffe ich, dass ich kein komplettes Wrack bin.

Danke für deine Zeit und Antworten. Die letzten Worte gehören dir:
Wenn ihr harte, fiese, düstere Musik mögt, solltet ihr unser neues Album auschecken – gönnt ihm einen Durchlauf! Vielen Dank für das Interview!

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2 Kommentare zu “Forgotten Tomb

  1. Nettes, informatives, aber auch ein bisschen zahnloses Interview. Viel Blabla um den Stilwechsel, aber wenig wirklich Relevantes. Da fand ich beispielsweise euer (wahnsinnig tolles) Interview mit Dzö-nga kürzlich viel interessanter.

    Eigentlicher Grund für den Kommentar: hat sich Herr Morbid eigentlich jemals von der Nähe seiner Band vom NSBM distanziert, also zB dass sein Bassist mit dem Typen von Ad Hominem rumhängt? Weiß da wer was?

    1. Naja, der Stilwechsel ist musikalisch das relevanteste, was in der jüngeren Bandgeschichte passiert ist. Was das zweite angeht: Ja, hat er, vor längerer Zeit schon auf Facebook.

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