Interview mit Gus G. von Firewind

Vor einigen Jahren holten FIREWIND überraschend den ehemaligen Metalium-Sänger Henning Basse in die Band und legten mit „Immortals“ ein grandioses Album vor. Es schien, als befänden sich die Griechen trotz des Besetzungswechsels im Aufwind und als stünde ihnen in neuer Zusammenstellung eine rosige Zukunft bevor. Doch nichts dergleichen: 2019 verlief für Gitarrist Gus G. und seine Band so turbulent wie kaum ein Jahr davor – Langzeit-Keyboarder und -Gitarrist Bob Katsionis veließ die Band und auch der gerade erst dazugestoßene Sänger hängte seinen Job wieder an den Nagel. Davon ließ sich der Bandleader jedoch nicht beirren und so kehren FIREWIND nun mit neuem Frontmann und einem Instrumentalisten weniger, dafür aber mit einer neuen Platte zurück. Wie schwer sich das im Vorfeld teilweise gestaltete, erklärt uns Gus G. im Interview.

 

Hallo Gus und vielen Dank für deine Zeit! Wir erleben gerade seltsame Zeiten – geht es dir und deiner Familie gut?
Ja, wir sind alle wohlauf. Vielen Dank, dass du fragst!

Seit der Veröffentlichung des letzten FIREWIND-Albums sind drei Jahre vergangen. Was hast du seither gemacht?
Wir waren etwa ein Jahr lang mit dem Album auf Tour. Zwischen den Touren habe ich ein weiteres Solo-Album aufgenommen, das vor zwei Jahren erschienen ist. Mit dieser Platte bin ich ebenfalls sehr viel getourt – eigentlich ist es schon witzig, dass ich mit dem Solo-Album mehr Konzerte gespielt habe als zur damals aktuellen FIREWIND-Platte. (lacht) Ich arbeite eigentlich immer an neuer Musik und dann folgt der nächste Tour-Zyklus. Das wechselt zwischen FIREWIND und meinem Solo-Projekt hin und her. Irgendwann im Laufe des letzten Jahres haben wir mit den Arbeiten am neuen Album angefangen. Wir haben mehrere Tourneen mit Queensryche absolviert und als wir dann im vergangenen Dezember wieder zuhause waren, haben wir die neue Platte fertiggestellt.

Das Solo-Album entstand in Zusammenarbeit mit Dennis Ward von Pink Cream 69, richtig?
Genau! Er hat schon unser letztes Album „Immortals“ mit mir geschrieben und co-produziert. Diese Zusammenarbeit haben wir letztendlich einfach für mein Solo-Material fortgesetzt. Dass er dann auch meiner Live-Band beigetreten ist, war schlicht der nächste logische Schritt. Er spielt Bass und ist obendrein ein großartiger Sänger, weshalb wir dann ein „Power-Trio“ gebildet haben. Wir waren viel gemeinsam auf Tour und haben danach mit der Arbeit am neuen FIREWIND-Album begonnen. Leider musste er mitten in der Produktion gehen, weil er von Helloween für ihre neue Platte rekrutiert wurde. Er konnte also nicht wie geplant den Mix übernehmen, aber er hat mir immer noch sehr viel dabei geholfen, das Album fertigzustellen. Er hat mir z. B. mit einigen Gesangslinien und Texten geholfen. Er war also dennoch Co-Produzent.

Das Cover des selbstbetitelten Firewind-AlbumsDie Besetzung von FIREWIND hat sich seit „Immortals“ stark verändert: Keyboarder Bob Katsionis ist weg und mit Herbie Langhans begrüßt ihr erneut einen neuen Sänger. Wie kam das?
Wie gesagt waren wir letztes Jahr mit Queensryche auf Tour und dazwischen habe ich immer wieder Musik geschrieben und aufgenommen. Dabei habe ich mehr und mehr bemerkt, dass etwas nicht stimmte: Die Konzerte liefen zwar super, aber abseits der Bühne hatten wir nicht mehr so viel Spaß wie früher. Ich denke, dass es jeder Band irgendwann so geht: Ich habe gesehen, dass Bob nicht mehr so viel Lust aufs Touren hatte, wohingegen ich die Band zurückbringen wollte. Wir haben mit „Immortals“ ein wirklich gutes Album vorgelegt und sind entsprechend erfolgreich damit getourt, weshalb ich FIREWIND wieder zu meiner Priorität machen wollte. Ich möchte auch jetzt noch, dass wir möglichst viele Konzerte spielen und einen Gang höher schalten. Bob wollte das nicht. Er hat geheiratet und möchte es jetzt etwas ruhiger angehen lassen – er will ein Studio eröffnen und sich mehr auf seine Produktionen konzentrieren. Da kann man nicht viel dran machen, weshalb sich unsere Wege getrennt haben. Mit Henning (Basse, Gesang, Anm. d. Red.) verhielt es sich ähnlich: Es vergingen etliche Monate, in denen wir kaum Kontakt hatten und in denen wir für das neue Album einfach nicht so zusammenarbeiteten, wie ich es mir vorgestellt hatte. Er war sich bei vielen Dingen nicht sicher und wir haben darüber sehr viel gesprochen. Am Ende war das ein wenig ermüdend, es fehlte die Aufregung. In solchen Situationen gibt es wenig, was man tun kann. Wenn Menschen die Dinge nicht mehr auf die gleiche Weise betrachten und sich auseinanderleben, dann ist das eben so. Es herrscht zwischen uns auch absolut kein böses Blut. Es gibt bloß keinen Grund, gemeinsam in einer Band zu spielen, wenn man nicht daran glaubt. Das ist ein hartes Geschäft, in dem man nichts geschenkt bekommt und viele Rückschläge hinnehmen muss – man muss also zumindest an das glauben, was man tut.

Und jetzt habt ihr ja Herbie als neuen Sänger!
Ja! All diese personellen Wechsel haben sich mitten in der Produktion des neuen Albums ergeben: Wir haben Aufnahmen gemacht, dann sind wir auf Tour gegangen und nach der Tour wurde mir klar, dass ich diese Veränderungen vornehmen musste, damit FIREWIND auch in Zukunft noch funktionieren. Wir hatten einen Punkt erreicht, an dem wir entweder um jeden Preis weitermachen oder eben nicht. Und ich wollte weitermachen und das Album fertigstellen. Ich habe dann die Leute bei AFM Records gefragt, ob sie jemanden kennen und sie schlugen Herbie vor.

Verglichen mit seinem Gesangsstil bei Sinbreed oder Voodoo Circle singt er bei FIREWIND etwas anders, passt aber erstaunlich gut zu eurem Sound …
Ich kannte ihn damals nur von Sinbreed. Ich habe ein bisschen was von Voodoo Circle gehört, weil das Label es mir zugeschickt hat, aber das ist ja was ganz anderes. Die sind eine Art Whitesnake-Coverband. Ich finde es aber durchaus gut, wenn ein Sänger auch bluesigere Sachen singen kann, weil er dann ein breiteres Spektrum abdeckt. Letztendlich ist er aber ein astreiner Metal-Sänger mit einer sehr variablen Stimme. Als ich ihn das erste Mal gehört habe, hat er mich sehr stark an Stephen Fredrick, der unsere ersten beiden Alben eingesungen hat, erinnert. Wenn ich einen Sänger höre, kann ich mir meistens schon sehr gut vorstellen, ob er zu unserer Musik passt und Herbie passt wirklich gut. Wir haben mit ihm ein paar unserer älteren Songs gespielt und dann versucht, neues Material mit ihm zu schreiben. Dabei wurde recht schnell klar, dass er der richtige Mann für den Job ist.

Hast du nach dem Weggang von Bob Katsionis darüber nachgedacht, wieder einen zweiten Gitarristen und Keyboarder zu engagieren?
Nein. Ich hatte mich dafür entschieden, die Band umzustrukturieren und wollte mit FIREWIND als Quartett weitermachen. Die Keyboards werden live ab jetzt vom Band kommen. In meiner Solo-Band bin ich ja auch der einzige Gitarrist und mittlerweile fühle ich mich sehr gut damit. Zudem wollte ich es vermeiden, einen weiteren neuen Musiker einarbeiten zu müssen. Ich wollte nicht, dass ich wieder mit jemandem arbeiten muss, den ich nicht kenne und der vielleicht anders reagiert, als ich es erwarte. Das gab es in der Vergangenheit oft genug und ich bin es jetzt leid. Johan (Nunez, Drums, Anm. d. Red.) und Petros (Christo, Bass, Anm. d. Red.) sind seit vielen Jahren dabei und ich bilde mit dieser Rhythmusfraktion ein gutes Team. Klar ist Herbie jetzt „der Neue“, aber gerade deshalb wollte ich mich nicht noch um einen weiteren neuen Musiker kümmern müssen.

Würdest du also zustimmen, dass die neuen Songs deutlich gitarrenlastiger ausfallen und weniger Keyboard enthalten?
Ja, absolut. Ich weiß nicht, ob es wirklich sehr viel mehr Gitarren als in der Vergangenheit gibt, weil auch „Immortals“ schon sehr viel Gitarrenarbeit bot. Aber vielleicht kamen sie da nicht so sehr zur Geltung wie jetzt, weil das eher eine epische Power-Metal-Platte war. Auf dem neuen Album stehen die Gitarren mehr im Fokus, weil es viel mehr traditionelle Hard-Rock-Elemente gibt. Und es stimmt: Wir verwenden zwar immer noch Keyboards, aber sie setzen diesmal eher Akzente und stehen nicht so sehr im Vordergrund. Das war ebenfalls eine bewusste Entscheidung. Nachdem Bob ausgestiegen war, habe ich darüber nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass wir jetzt die Chance haben, die Band neu auszurichten. Als wir angefangen haben, waren wir ebenfalls ein Quartett und damals hatten wir gar kein Keyboard. Ich meine, ich mag Keyboards und ich will sie auch nach wie vor verwenden, aber ich möchte sie einsetzen, um unseren Sound abzurunden und nicht, um sie einfach um ihrer selbst Willen auf ein Album zu klatschen. Früher habe ich Songs geschrieben und sie an Bob geschickt – er hat mir dann immer unzählige Keyboard-Spuren zurückgeschickt und ich musste dann aussortieren. Natürlich ist er ein absolut überragender Musiker und so jemanden kann man nicht stummschalten. (lacht)

Ein 2020 aufgenommenes Foto der Band FirewindEnthält euer neues Album deiner Meinung nach alle Elemente des FIREWIND-Sounds?
Auf jeden Fall! Ich würde sagen, dass es eine Sammlung von Ideen ist, die den Sound von unserer Anfangsphase bis jetzt zusammenfassen. Man wird eben immer auf die eine oder andere Weise von seiner Vergangenheit beeinflusst. Wenn ich Riffs schreibe, dann haben die natürlich einen bestimmten Sound. Da dieses Album eben so vielseitig ist und alles von Hard Rock über Power Metal bis hin zu traditionellem Metal beinhaltet, hört man hier alle Elemente, die FIREWIND zu dem gemacht haben, was sie heute sind. Das alles gab es ja schon bei uns: Wir haben sowohl eher kommerziell ausgerichteten Hard Rock als auch deutlich härtere Songs veröffentlicht und ich denke, dass diese Mischung aus Melodie und Härte die Identität der Band ausmacht.

Habt ihr das Album darum nur auf den Bandnamen getauft?
Ganz genau. Das neue Album ist beinahe schon ein „Best-of“ aus all unseren stilbildenden Elementen, weshalb ich es passend fand, wenn vorne nur der Bandname zu lesen ist. Gleichzeitig können wir damit auch sagen: Das ist die neue Band.

Wie haben sich die Besetzungswechsel auf das Songwriting ausgewirkt?
Das ist es ja gerade: Als ich diese Songs geschrieben habe, war es noch immer die alte Band – ich hatte da noch gar keine Ahnung, was alles passieren würde. Der Entstehungsprozess dieses Albums war wirklich eigenartig. Es fühlte sich fast so an wie am Anfang, als ich einfach Musik geschrieben und in die USA geschickt habe. Dort hat dann unser Produzent David Chastain zusammen mit Stephen den Gesang aufgenommen und es mir zurückgeschickt. Lange Zeit war es so, dass ich schon vor dem ersten Drumbeat wusste, wie der Gesang klingen würde – wir haben im Studio nur bessere Versionen der Demos aufgenommen. Diesmal gab es aber keinen Gesang, an dem wir uns hätten orientieren können. Ich wusste, dass wir zwei oder drei wirklich coole Songs hatten, aber der Rest war für mich ein großes Fragezeichen. Ich hatte keine Ahnung, ob Henning oder jemand anderes darauf singen würde. Und ich war mir auch absolut nicht sicher, ob es gut werden würde – eine Zeit lang sah es sogar so aus, als wäre dies das Ende der Band. Zum Glück hat sich aber alles zum Guten gewendet.

Wie liefen die Aufnahmen ab? Vor allem das Schlagzeug klingt fantastisch …
Dennis Ward ist ein hervorragender Toningenieur und unser Drummer Jo Nunez spielt mit sehr viel Energie. Aufgenommen haben wir die Drums in den HOFA-Studios in Karlsdorf. Sie haben dort einen wirklich guten Drum-Room. Ich glaube, dass die HOFA-Jungs weltweit die beste Schallisolierung anbieten. Dennis kennt dieses Studio sehr gut, weil er dort für viele Produktionen hingeht – wir haben auch bereits das Schlagzeug für mein Solo-Album dort aufgenommen. Es war also völlig klar, dass wir auch für das FIREWIND-Album wieder nach Karlsdorf gehen würden. Den Rest haben wir in Home-Studios aufgenommen. Herbie hat sein eigenes Studio mit einer Gesangskabine und ich habe die Gitarren bei mir aufgenommen. Das habe ich auch schon für die vorigen Alben so gemacht. Die nächste Krise kam dann, als Dennis keine Zeit hatte, das Album zu mischen. (lacht) Ich habe dann ein paar Freunde angerufen, um zu sehen, wer so kurzfristig zur Verfügung stehen würde. Mit Tobias Lindell habe ich dann jemanden gefunden, den ich wirklich mag. Er ist Schwede und hat schon mit Europe, Heed oder Avatar gearbeitet. Dass das Album so einen großen Sound hat, ist also auch sein Verdienst.

Europe sind ein gutes Stichwort, denn „Orbitual Sunrise“ klingt sehr wie einige ihrer bekanntesten Songs …
Na klar! Ich nenne das den „Final-Countdown-Beat“. Das ist witzig, weil es der einzige Song ist, den ich für dieses Album zusammen mit Bob geschrieben habe. Ich habe ihn nur ein bisschen abgeändert und ein paar Parts hinzugefügt. Auf jeden Fall ist es ein guter Song und ich wollte ihn behalten. Da ist es auch egal, ob er noch in der Band ist oder nicht, nachdem wir ja nach wie vor Freunde sind. Aber ja, du hast Recht, der klingt total nach „Final Countdown“. (lacht) Wann immer man diesen Beat verwendet, muss man sofort an diese Melodie denken! Man muss ja nicht jedes Mal das Rad neu erfinden – wenn man es gut macht, hat es einen positiven Effekt auf die Leute.

Aus offensichtlichen Gründen ist derzeit ans Touren nicht zu denken, aber werden FIREWIND mal wieder eine Live-CD bzw. -DVD veröffentlichen?
Auf jeden Fall würde ich das gerne machen. Allerdings müssen wir dafür den richtigen Zeitpunkt abwarten. Es ist ziemlich aufwändig und teuer, wenn man neben der Tonspur auch Bildmaterial mitschneiden will. Das letzte Live-Album haben wir vor acht Jahren gemacht und die DVD liegt sogar schon zwölf Jahre zurück. Ich würde das natürlich gerne ungeachtet der Kosten machen, weil so etwas für die Ewigkeit hält und es ist ja auch eine gute Idee. Mal sehen, bald steht ja auch unser 20-jähriges Jubiläum an …

Tourende Bands werden von der Corona-Krise durch den Wegfall der Live-Aktivitäten besonders hart getroffen. Wie geht es euch damit?
Da stehen uns noch harte Zeiten bevor. Auch die Club-Besitzer, die sieben Abende die Woche geöffnet haben müssen, um ihre Kosten zu decken, haben es in dieser Zeit nicht leicht. Die Fans müssen jetzt vor allem Geduld haben. Ich selbst mache mir weniger Sorgen, weil man daran sowieso nichts ändern kann. Meine Band hat bereits eine komplette Auszeit überlebt, in der wir vier oder fünf Jahre gar nichts von uns haben hören lassen. Wir werden ein oder zwei Jahre ohne Touren schon überstehen – vielleicht können wir in dieser Zeit ja im Studio etwas aktiver sein. Und wenn der Konzertbetrieb dann wieder aufgenommen wird, werden erst mal all die Tourneen, die in diesem Jahr verschoben wurden, nachgeholt. Ich mache mir jetzt aber keinen Stress, um unbedingt als erster wieder auf die Bühne zu dürfen. Es weiß ja auch keiner, wie das überhaupt ablaufen wird, also wie viele Gäste in einen Club reindürfen und solche Sachen. Trotzdem ist es irgendwo Ironie des Schicksals: Einer der Gründe, warum FIREWIND so viele Besetzungswechsel durchgemacht haben, ist, dass ich unbedingt wollte, dass wir viel auf Tour gehen. Und jetzt zwingen uns die Umstände, eine Studio-Band zu sein. (lacht) Das können wir jetzt aber ebenso gut genießen, die Dinge etwas langsamer angehen lassen und wieder auf Tour gehen, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist.

Damit sind wir am Ende angekommen – möchtest du gerne noch ein paar abschließende Worte sprechen?
Danke, dass ihr dieses Interview gelesen habt! Ich hoffe, dass ihr dem neuen Album eine Chance gebt und dass ihr alle gesund bleibt. Wir sehen uns, sobald es wieder möglich ist!

Vielen Dank!

Ein Foto der Band Firewind

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Dieses Interview wurde per Telefon/Videocall geführt.

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