Interview mit Varg Torden Saastad von Fedrespor

Read the English version

Mit „Tid“, dem Debüt seines Neofolk-Soloprojekts FEDRESPOR, hat der Norweger Varg Torden Saastad ein Kunstwerk von immenser emotionaler Tiefe und Kreativität geschaffen. Welches tragische Ereignis ihn dazu trieb, sein Innenleben auf diese Weise offenzulegen, was man sich von der Nachfolgeplatte erwarten darf und warum Saastad den Leuten gerne als Wikinger-Version von David Gilmour in Erinnerung bleiben würde, erfahrt ihr neben vielen weiteren Dingen im folgenden Interview.

Du hast FEDRESPOR 2013 ursprünglich als Black-Metal-Projekt gegründet, stimmt’s?
Das ist richtig!

Warum hast du dich dann doch dazu entschieden, auf Neofolk „umzusteigen“?
Nun, das ist eine etwas komplizierte Frage, aber ich werde sie so gut wie möglich beantworten. Ich fing mit der akustischen Musik an, weil ich andere Gefühle ausdrücken wollte, als ich es mit Sekt und Black Metal tat. Ich wollte mit anderen Emotionen in meinem Innern in Berührung kommen und meine nostalgische und melancholische Persönlichkeit in die Musik einfließen lassen. Nach einer Weile wollte ich mein musikalisches Wissen erweitern und ließ mich von dem inspirieren, was Einar Selvik mit Wardruna tat und wie er so viele verschiedene altertümliche Instrumente auf seine ganz eigene Weise in Einklang brachte. Ich wollte also auch altertümliche Instrumente ausprobieren – neben dem, was ich bereits machte. Abgesehen von einem Ziegenhorn gibt es auf „Tid“ noch nicht viel „Historisches“ zu hören, aber auf meinem nächsten Album wird es zusätzlich zu den Synthesizern und Gitarren auch mehr ältere Instrumente geben. Aber die Zeit wird zeigen, was da noch alles kommt. Ich fühle, dass die Musik wächst, so wie ich selbst wachse. Die Musik soll zeitloser klingen.

Wie ich finde ist deine Interpretation des Genres ziemlich markant, ohne dass deine Einflüsse allzu leicht herauszuhören sind. Welche Interpreten haben dich künstlerisch geprägt?
Nun, da gibt es viele. Ich bin ein großer Pink-Floyd-Fan – deshalb hoffe ich, dass ich eines Tages als Wikinger-Version von David Gilmour in Erinnerung bleiben werde. (lacht)
Metallica, REM, Wardruna, Satyricon, Mayhem und Immortal, Bands wie diese bleiben bei mir hängen. Aber ich höre auch viele andere großartige Künstler. Cocorosie, Susanne Sundfør oder White Lies kann man auch in meiner Playlist finden.

Kannst du dir vorstellen, eines Tages auch wieder Black Metal oder eine völlig andere Musik zu spielen?
Das wird die Zeit zeigen. Aber ich würde auf jeden Fall gern wieder auf der Bühne Black Metal spielen. Von Zeit zu Zeit schreibe ich noch Gitarrenriffs, also habe ich vermutlich genug Material für ein weiteres Sekt-Album.

An welchem Punkt in deinem Leben wurde dir klar, dass du Musiker werden möchtest?
Ich habe schon, als ich 16 oder 17 war, davon geträumt, Musiker zu sein. Allerdings habe ich mich, denke ich, erst im letzten Jahr ernsthaft dafür entschieden. Dafür, hart an mir selbst und meinem musikalischen Wissen zu arbeiten. Wie eine persönliche Musikstudie durch mich selbst. Deshalb habe ich im letzten Jahr in viele unterschiedliche Instrumente investiert, die man auf meinem nächsten Album hören wird.

Du hast ein Projekt namens Sekt erwähnt. Also ist FEDRESPOR nicht dein erstes Musikprojekt und du hast bereits anderweitig Erfahrungen sammeln können?
FEDRESPOR ist mein erstes persönliches Musikprojekt. Sekt war ein früheres Projekt, das aus vier anderen Mitgliedern und mir selbst bestand. Die einzige Erfahrung, die ich zuvor sammeln konnte, stammt also aus dem Metal. In Sekt habe ich Schlagzeug gespielt und Riffs geschrieben.

Würdest du dich in musikalischer Hinsicht als Perfektionisten bezeichnen?
Nun, ich möchte es zumindest glauben. Ich muss auf mein „Produkt“ stolz sein, sonst würde ich es nicht herausbringen.

Ist es dir wichtig, mit deiner Musik etwas Neuartiges zu schaffen?
Definitiv. Es ist mir wichtig, dass ich meine Gefühle so ausdrücke, wie ich sie ausdrücken möchte, und auf diese Weise kreiert man etwas Andersartiges, das man mit der Welt teilen kann.

Dein Debütalbum „Tid“ erschien nun fünf Jahre nach der Gründung des Projekts. Warum hat es dich so viel Zeit gekostet, deine erste Veröffentlichung herauszubringen?
Größtenteils aus dem Grund, dass ich es zu Beginn nicht so ernstgenommen habe. Und weil ich noch nicht das nötige Equipment hatte. Der Tod meines Bruders war der Auslöser, der mich dazu brachte, etwas von mir hinterlassen und meinen Schmerz und meine Gedanken ausdrücken zu wollen. Die Musik wurde mein Trost. Und ein Weg, das auszudrücken, was Worte nicht vermögen.

Anstatt zuerst eine Demo oder EP zu veröffentlichen, bist du gleich mit einem Full-Length eingestiegen. Was ist der Grund dafür?
Das lag daran, dass ich mir sehr sicher war, dass ich bereits an einem Album arbeitete, als ich den Song „Tid“ kreierte. Es gab so vieles, was ich herauslassen wollte, also hätte es keinen Sinn gehabt, nur einen Song zu veröffentlichen.

Mit „Tid“ wolltest du also den Tod deines Bruders verarbeiten, stimmt’s?
Korrekt. Das war der Hauptauslöser.

Mein herzliches Beileid zu deinem Verlust. Denkst du, es hat dir tatsächlich geholfen, dieses Album zu schreiben und aufzunehmen?
Danke! Es hat mir auf jeden Fall insofern geholfen, als es mich am Laufen gehalten hat – wenn man so will. In 2017 hatte ich sehr schlimm mit Depressionen und Ängsten zu kämpfen. Ich hatte viele Gedanken über Leben und Tod, die extrem schwer zu verarbeiten waren. Und ich war während der Entstehung des Albums sehr isoliert. Viel Alkohol und Isolation. Das ist die Wahrheit.

„Tid“ bedeutet übersetzt „Zeit“. Inwiefern ist dieses Wort repräsentativ für die Themen, die du auf dem Album besingst?
Nun, die Songtitel haben mehr mit Zeit zu tun als Zeit mit den Songtiteln, sofern das überhaupt Sinn macht. Die Songtitel sind Aspekte dessen, was wir im Verlauf der Zeit durchmachen. Der erste Song „Ginnungagap“ läutet das Album ein, wie der Klang der Schöpfung und das Gefühl der Leere vor jedweder Existenz. „Langt Skal De Vandre“ handelt hingegen von dem langen Gang des Lebens bis hin zum Feuer. Es ist also eine Reflektion der menschlichen Erfahrungen in der und durch die Zeit.

Eine allseits bekannte Redewendung besagt, dass große Kunst immer großem Leiden entspringt. Bist du auch dieser Ansicht?
Absolut! Wenn wir großen Schmerz erleiden, müssen wir uns ausdrücken. Manchmal durch weinen, wütend sein, einen langen Lauf, malen, schreiben oder musizieren. Wenn wir verletzt werden, wachsen wir als Menschen.

Für mich klingen die Tracks „Unknown Self“ und „Takk“ sogar ein bisschen hoffnungsvoll und tröstend. Ist das so von dir beabsichtigt und falls ja, aus welchem Grund?
Ursprünglich war das so nicht geplant. Aber da ist auf jeden Fall ein gewisser Trost in diesen Liedern. „Takk“ bedeutet „danke“ auf Norwegisch und selbst wenn man jemanden verliert, ist es wichtig, für die schönen Erinnerungen, die man an das Leben miteinander hat, dankbar zu sein. Das „unbekannte Selbst“, das ich auf „Unknown Self“ besinge, ist das Zukunftspotential der Seele. Auch wenn es manchmal schwer ist, nicht zu wissen, was die Zukunft bringen mag.

„Ginnungagap“ ist der Urzustand der Leere in der nordischen Mythologie. Warum hast du den Album-Opener danach benannt und in welcher Verbindung steht dies zu den persönlichen Hintergründen des Albums?
Weil Ginnungagap der Anfang der Zeit, wie wir sie kennen, ist und es ist die Leere, in der die Schöpfung entstand. Man kann es auch dahingehend verstehen, dass es die Zeit vor der Erfahrung der Existenz ist.

Obwohl es sich bei „Tid“, wie bereits erwähnt, um dein Debüt handelt, ist es bereits über ein Label erschienen: Nordvis. Wie kam es dazu und warum fiel deine Wahl gerade auf dieses Label?
Ich habe Nordvis kontaktiert, weil ich die anderen Künstler des Labels sehr interessant finde und weil ich dachte, dass wir gut zusammenarbeiten könnten, da ich davon ausging, dass meine Musik dort verstanden und anerkannt werden würde.

Du hast also vor, mit FEDRESPOR noch weitere Musik zu kreieren, mit „Tid“ ist noch nicht alles gesagt?
Ich arbeite gerade an dem neuen Album. Den Titel der Platte habe ich aber noch nicht entschieden. Zuerst werde ich die Songs vollenden. Das nächste Album wird viele verschiedene Klanglandschaften und Elemente beinhalten, da ich mich als Musiker weiterentwickle.

Hast du bereits Ideen für die Texte und Musik des zweiten Albums?
Ja, eine ganze Menge Ideen!

Hast du vor, deine Musik auch einmal live zu präsentieren oder soll FEDRESPOR ein reines Studioprojekt bleiben?
Ich werde auf jeden Fall mit FEDRESPOR auftreten. Aber da es nur mich gibt, werde ich vorerst allein spielen. Vielleicht werde ich auch mal andere Musiker engagieren, um mit mir in Zukunft live zu spielen – das wäre für mich von großem Interesse.

Traditionell beenden wir bei Metal1.info unsere Interviews immer mit einem kleinen Brainstorming. Was kommt dir bei den folgenden Begriffen in den Sinn?
Elektronische Musik: Sehr interessante Musik. Aber nur, wenn die Qualität stimmt.
Naturmystik: Metaphysik, die wir schließlich eines Tages durch Physik verstehen werden. Der Mensch ist als Tier sehr limitiert.
Politik: Die Leute streiten oft über Kleinigkeiten, anstatt für die Menschheit vorauszudenken. Die Erde wird es nicht immer geben, also sollten wir unsere Ressourcen wirklich einsetzen, um ein neues Zuhause zu finden, in dem es genug Platz und Frieden für alle gibt.
Glück: Wenn man seinen Weg im Leben findet und diesen Pfad beschreitet. Wenn man die ganzen Hater beiseiteschiebt. Wir sind nur einmal hier und wir sollten versuchen, das Beste daraus zu machen.
Lieblingsalbum: Unmögliche Frage (lacht)
Leben nach dem Tod: Ich glaube an das Gesetz der Energie. Es gibt keine menschliche Existenz nachdem der Körper nicht mehr lebt. Aber ich glaube, dass unser Bewusstsein in der Existenz einen Fußabdruck hinterlässt und dass es vielleicht einen energetischen Transfer des Bewusstseins in eine andere Dimension von Zeit und Raum gibt.

Zum Abschluss nochmals vielen Dank für dieses Interview. Die letzten Worte würde ich gern dir überlassen:
Ich bin sehr froh über all die Unterstützung, die ich von Fans, Familie, Freunden und von Nordvis bekomme. Ich hoffe, dass man mich in Zukunft für Live-Shows kontaktiert, damit ich solo spielen und meine Musik mit anderen teilen kann. Das macht mir wirklich Freude. Vorerst werde ich also mal an dem neuen Album arbeiten und mich darauf freuen, sie allen zu zeigen!
Ein großes Dankeschön an all meine Unterstützer!

Publiziert am von Stephan Rajchl

Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert