Mitte der 90er in Argentinien gegründet haben sich die True Metaller FEANOR mittlerweile zu einer Band von internationaler Größe entwickelt – das wird vor allem daran deutlich, dass die Truppe nebem Wizard-Sänger Sven D’Anna neuerlich auch den früheren Manowar-Gitarristen David Shankle in ihren Reihen hat. Mit „Power Of The Chosen One“ hat die Band um Bassist Gustavo „Gus“ Acosta gerade ihr neuestes Album veröffentlicht, auf dem der amerikanische Gitarrist erstmals in jedem Song zu hören ist. Aus gegeben Anlass setzten wir uns mit dem Bandkopf in Verbindung und sprachen neben der neuen Platte auch über die Herausforderungen des Bandalltags über mehrere Kontinente.
Hall und vielen Dank für eure Zeit! Wir leben in verrückten Zeiten – ich hoffe, euch und euren Familien geht es gut?
Gus: Hallo und vielen Dank, dass ihr euch an uns gewendet habt! Wir leben wirklich in verrückten Zeiten – meine Familie und ich haben uns das Virus eingefangen und Gott sei Dank ist nichts Schlimmeres passiert. Aber ich weiß, dass andere nicht so viel Glück hatten und unzählige Familien von Corona zerstört wurden. Ich mache Kampfsport und in meiner Taekwondo-Gruppe (T.A.P.) haben wir zuhause mehr als 10.000 Mahlzeiten gekocht und sie an Bedürftige ausgegeben, die ohnehin schon unter der Arbeitslosigkeit und dem Mangel an Möglichkeiten litten. Die Corona-Situation hat diesen Menschen den Rest gegeben. Zudem kam die Wirtschaft zum Stillstand, der Zusammenhalt von Familien wurde auf eine harte Probe gestellt, Kinder konnten weder zur Schule, um vernünftige Bildung zu erhalten, noch konnten sie den Umgang miteinander pflegen usw. Es ist noch aber zu früh, um das volle Ausmaß des Schadens absehen zu können. Ich stehe meinen Kindern und meiner Familie sehr nahe – da ich für meine Karriere normalerweise sehr viel in andere Länder reise, war ses für mich erfrischend, mehr Zeit mit ihnen verbringen zu können. Ich bin echt ein Kinder-Typ und verbringe sehr gerne Zeit mit ihnen. Natürlich ist das alles Neuland und diese Situation wird über kurz oder lang enden, aber wir werden einige Lektionen darüber, was wir als selbstverständlich ansehen und wie wir es besser wertschätzen können, daraus mitnehmen.
Seit dem letzten FEANOR-Album „We Are Heavy Metal“ sind fünf Jahre vergangen. Was habt ihr seither gemacht?
Gus: Nachdem diese Platte erschienen war, haben wir mit David Shankle und Sven D’Anna zwei Touren durch Südamerika absolviert. Und nicht nur das: Wir haben auch mit der Produktion des Albums begonnen, das wir jetzt gerade veröffentlicht haben. Das war ein Mammut-Projekt! Soll heißen: Wir waren in mehreren Studios, haben Videos aufgenommen und Fotoshootings organisiert und all das nimmt natürlich viel Zeit in Anspruch – wir waren also wirklich ziemlich beschäftigt … Und natürlich hat die Covid-Situation unsere Pläne noch weiter in die länge gezogen, aber hey! Wir haben es geschafft!
Mit „Power Of The Chosen One“ habt ihr gerade ein neues Album veröffentlicht. Was könnt ihr uns darüber erzählen?
David: Obwohl ich sechs Jahre lang mit Manowar getourt bin, habe ich nie mehr als ein Album mit ihnen veröffentlicht. Auf diesem Wege konnte ich den Manowar-Fans ein episches Metal-Album und einen Nachfolger zu all den Songs, die ich beigetragen habe, als ich zusammen mit Joey (DeMaio, Manowar, Anm. d. Red.) für „Triumph Of Steel“ geschrieben habe. Der erste Song, den ich für Manowar geschrieben habe, war „Ride The Dragon“, also war der erste Song, den ich für FEANOR komponiert habe, „Rise Of The Dragon“. Auf „Triumph Of Steel“ gibt es das achtteilige „Achilles, Ecstasy And Agony“ und „Power Of The Chosen One“ liefert die neunteilige Odyssee.
david, wie kam es dazu, dass du 2018 zur Band gestoßen bist?
David: Gus fragt mich ursprünglich, ob ich ein Solo zu ihrem Album „We Are Heavy Metal“ besteuern könnte, auf dem auch Ross The Boss (Ex-Manowar, Anm. d. Red.) und Tony Martin von Black Sabbath zu hören sind. Nachdem ich das gemacht hatte, schloss ich mich FEANOR für eine Tour durch Argentinien und Brasilien an, auf der wir die komplette „Triumph Of Steel“ spielten. Die Tour war sehr erfolgreich, weshalb sie mich fragten, ob ich fest in die Band einsteigen wolle. Ich stimmte zu und wir spielten eine zweite Tour, auf der wir bereits ein paar neue Songs vorstellten. Die kamen sehr gut an, weshalb wir mit dem Songwriting weitermachten und jetzt ist im April „Power Of The Chosen One“ erschienen.
Welchen Einfluss hattest du auf das Songwriting, David?
David: Nachdem das Ziel von „Power Of The Chosen One“ war, Manowar-Fans einen Nachfolger zu „Triumph Of Steel“ zu geben, hatte ich natürlich Einfluss darauf. Und es haben sich bereits viele Manowar-Fans an uns gewendet, um ihre Anerkennung für diese Songs auszudrücken. Ich habe über die Jahre bei Bands wie DSG, FEANOR oder Grave Reign gespielt und dabei immer versucht, mein neo-klassisches Spiel möglichst konsistent zu halten und den Stil der jeweiligen Band doch zu variieren. Aber „Power Of The Chosen One“ brachte mich zu meinen Wurzeln bei Manowar zurück und gab mir die Möglichkeit, wieder mit diesen großartigen Fans in Kontakt zu treten.
Wie würdet ihr das neue Album beschreiben und wo sehr ihr Unterschiede bzw. Ähnlichkeiten zum Vorgänger?
Gus: Die größte Neuerung ist sicher unsere Zusammenarbeit mit David Shankle – er passt super mit Sven zusammen. Auf früheren Alben wurde die meiste Arbeit von Walter (Hernandez, Gitarre, Anm. d. Red.) und mir erledigt, aber die musikalische Teilhabe von David und Sven ist etwas ganz Besonderes. Zudem sind FEANOR jetzt kein Projekt mit verschiedenen Gästen mehr, sondern eine waschechte Band mit ihrer eigenen Dynamik und ihrem eigenen Arbeitstempo. Es gibt jetzt also eine andere kreative Dynamik und natürlich ist Sven seit dem letzten Album auch mehr in die Band hineingewachsen – ich weiß mittlerweile genau, was er alles kann, zu welchen Zeiten er arbeitet und welcher Funke ihn zum brennen bringt. Ich denke also, dass dieses Album der nächste logische Schritt nach „We Are Heavy Metal“ ist.
Wie liefen das Songwriting und die Aufnahmen zu „Power Of The Chosen One“ ab?
Gus: Wir haben alles im besten Studio von Südamerika aufgenommen, mit echten Drums und echten Verstärkern. Hier gibt es kein MIDI, keine Plugins und kein elektronisches Schlagzeug und wir haben die Spuren, die von Sven und David geschickt wurden, so lange gemischt und gemastert, bis alle zufrieden waren. Wir haben auch echten Frauengesang und tatsächliche Chöre aufgenommen. Wir haben sehr viel Zeit in diese Produktion gesteckt, aber ich kann guten Gewissens sagen, dass wir mit dem Ergebnis voll und ganz zufrieden sind.
FEANOR stammen aus Argentinien, aber mit Sänger Sven D’Anna und Gitarrist David Shankle habt ihr nun zwei Bandmitglieder aus anderen Ländern. Wie schwierig ist es, eine Band über mehrere Kontinente hinweg aufrecht zu erhalten?
Gus: Das größte Problem sind die Proben. Natürlich haben wir hier den harten Kern aus Emiliano (Wachs, Schlagzeugm Anm. d. Red.) und Walter und wir proben und senden unsere Aufnahmen hin und her. Natürlich ist mir klar, dass die Dinge wahrscheinlich etwas schneller gehen würden, wenn wir alle am gleichen Ort wären, aber sowohl David als auch Sven sind erfahrene Musiker und arbeiten absolut professionell. Ich glaube also, dass das heutzutage dank des Internets und der modernen Kommunikationswege gar nicht mehr so schwierig ist. Es gibt unzählige Bands, die zwar im gleichen Land, aber in unterschiedlichen Städten oder gar an entgegengesetzten Enden leben. Die kriegen es auch hin, also ist das letztendlich kein so großes Hindernis.
Die COVID-19-Pandemie wirkt sich auf jeden Bereich des Lebens aus, aber tourende Bands und Live-Clubs scheinen besonders hart getroffen. Wie geht ihr nach einem Jahr damit um?
Gus: Ich gehe damit überhaupt nicht um, ich hasse es, verdammt nochmal! Ich mag dieses Online-Dinge nicht, mit den verwaschenen Streaming-Konzerten – ich muss wirklich dort sein, denn ich liebe es, die Fans vor und nach der Show zu treffen, Bier zu trinken und eine echte Party daraus zu machen. Das ist es, worum es für mich im Metal geht: Nach dem Konzert total durchgeschwitzt zu sein, einen zu trinken und mit den Leuten über die Musik, die wir lieben, zu sprechen. Ich habe z. B. einen Freund in Frankreich. Er heißt Antoine Hess und er liebt alles von Tico Torres bis Bon Jovi. Man würde nicht erwarten, das jemand mit solchem Geschmack mit einem wie mir befreundet wäre, aber Metal bringt die Leute zusammen. Ungeachtet der Künstler, die er mag, freuen wir uns jedes Mal, wenn wir uns treffen und sind inzwischen wie Brüder – das ist die Magie des Heavy Metal.
Im Augenblick steht das noch außer Frage, aber habe ihr bereits Tourpläne für die Zeit nach der Pandemie?
Gus: Das ist so, so schwierig! Derzeit sind wir noch dabei, abzuwägen, ob wir eine Tour planen oder doch lieber mit dem Songwriting für ein neues Album beginnen sollen. Das wird sich in den nächsten Monaten entscheiden.
Lasst uns abschließend noch etwas Brainstorming betreiben! Was ist das erste, was Euch zu den folgenden Begriffen einfällt?
Konzeptalbum: Ich liebe es – INTERESSANT!
Manowar: Die beste Band auf dem ganzen verdammten Planeten.
Sommer-Festivals: Bier und verschwitzte Titten unter nassen Shirts.
True Metal: Leute, die das spielen, was sie wollen, weil es von Herzen kommt.
Underground: Der Nährboden, auf dem der Metal gedeiht.
FANOR in zehn Jahren: Drei neue Alben und Europatouren abgehakt.
Noch einmal vielen Dank für eure Zeit. Die letzten Worte gehören euch!
Gus: Als erstes möchte ich mich dafür bedanken, dass ihr uns eine Plattform und die Möglichkeit, ein Brücke zwischen unseren Gedanken und den Menschen zu schlagen, bietet. Wenn ihr Bock auf True Metal habt, dann besucht uns in den sozialen Medien – ich bin sicher, dass ihr uns finden werdet. Und abschließend möchte ich euch noch mitgeben, dass ihr eure Kinder jeden Tag küssen, eure Familie fest in den Arm nehmen, eure Mädels hart rannehmen und mit euren Brüdern einen trinken solltet. Nachdem dieser Scheiß auf der ganzen Welt passiert, kommt es echt auf jeden Tag an.
Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
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