Interview mit Ivar von Enslaved

Enslaved veröffentlichen am 19. Mai 2006 ihr neues Album „Ruun“. Ivar, Gitarrist und Texter von Enslaved ließ es sich zu dieser Gelegenheit nicht nehmen, mit uns über die hintergründige Geschichte zu jenem, Pagan Metal und über Songs jenseits des Bewusstseins zu sprechen.

Ich habe gelesen, dass ihr mit „Ruun“ alle sehr zufrieden seit, doch das ist man natürlich meist, denn wer würde schon etwas veröffentlichen, was er bemängelt? Darum erläutere uns doch bitte, was „Ruun“ wirklich hervorhebenswert macht.
Ivar: Ich denke, es wäre ziemlich dämlich ein Album aufzunehmen und zu veröffentlichen was wir nicht mögen? Du hast recht, es ist ein normaler Vorgang. „Ruun“ ist ein gutes Album für mich, weil es den ursprünglichen Ideen sehr nahe kommt. Die Produktion, das Spielen und die fertigen Lieder sind sehr nah an den unterschwelligen Gefühlen und Sichtweisen, die sie repräsentieren. Alle Songs entspringen Grundideen und es geht darum, dass man diese unterbewusste Form so gut wie möglich umsetzt. Ich denke, dass wir diesen Punkt hier besser als jemals zuvor bewerkstelligt haben, darüber bin ich erfreuter als sonst. Also ja, es ist unser bestes Album, hehe!

Wo siehst du die Unterschiede zwischen „Isa“ und „Ruun“? Ich finde, dass euer neustes Album oftmals gemäßigter wirkt als „Isa“, ist da was dran?
Ivar: Ich denke nicht, dass es gemäßigter ist; es ist in jeder Hinsicht gewagter. Die Lieder sind experimentieller und ehrlicher, die Texte sind direkt und die meiste Zeit brutal. Auf der anderen Seite kann ich verstehen, wie du zu deiner Aussage kommst. Der Sound ist sehr dicht an den Originalsound der Instrumente angelehnt, wir haben nur sehr wenig sowas wie Trigger oder „harte“ Effekte genutzt. Viele Jahre lang gab es eine Art Doktrin in der extremen Metal-Szene, welche harten, high-end Sound bejubelte – mit dem Ergebnis, dass der Sound maschinenhaft klang. „Isa“ hatte viele dieser Eigenschaften und ich denke, zu dem Album passte es auch wunderbar. „Ruun“ hat einen organischen Sound und klar, das kann man als gemäßigt ansehen. Wenn du aber die aktuellen Songs und ihre Arrangements meinst, muss ich das verneinen. Sie sind im Gegenteil dunkler und aggressiver als „Isa“ es in meinen Ohren ist. Ich denke, wir stimmen überein, dass wir nicht übereinstimmen.

In „Heir to the Cosmic Seed“ lauscht man klarem Gesang und ausschweifenden Gitarrenmelodien, kann man die als progressiv abtun? Ihr beschreibt sie, glaube ich, als dramatisch, atmosphärisch. Wie wichtig ist sowas für euch? Einfach ein Kontrast zu harscher Musik oder wie flechtet ihr sowas ins Alben-Konzept ein?
Ivar: Ich weiss nicht, ob das progressiv ist; das sollen andere Leute beurteilen. Wenn du dir die Melodien von einem strikten Metalgesichtspunkt anschaust, dann experimentieren sie mit der Form und Art von Modern Metal. „Progressiv“ ist für mich positiv in seiner Originalbedeutung, die Pioniere der 70er (Yes, Rush, King Crimson, Pink Floyd etc.) betreffend. Dann ist „progressiv“ aber auch ein negativer Begriff für moderne, „neo-klassische“ Musik wie Dream Theater, Rhapsody etc. Also bevorzuge ich eher den Ausdruck Extreme Metal für unsere Musik, wir haben nichts zu tun mit klassischer Musik, Drachen oder Könige der technischen Exzellenz zu sein.
Die melodischeren Stücke sind nun ein Part der Enslaved-Alben. Sie sind ein gesundes Gegengewicht zu dem harscheren Material, wie du schon bemerktest. Wir tun, was uns natürlich erscheint, wenn wir Lieder schreiben und die Reihenfolge dieser bestimmen. Wir denken nicht zuviel darüber nach, das hält uns am Leben und etwickelt uns.

Was stellt das Cover zu „Ruun“ denn dar? Es sieht ja aus wie ein Zeichen, für was steht das?
Ivar: Auf dem Cover haben wir ein Siegel angebracht, welches aus sieben verschiedenen Runen besteht, die alle eingreifenden Götter/Mächte symbolisiert. Es ist ein Konzept, dass wir diesmal hinter den Vorhang des Albums getreten sind. Es geht um eine Gemeinschaft oder wie die Schichten, die deinen Verstand in dieser Sache formen, im Falle einer katastrophe reagieren. Das wird dargestellt durch das sinkende Boot im Mittelpunkt des Covers. Es geht darum, wie verschiedenen Menschen/Gewalten mit verschiedenen Einflüssen mit dieser Situation umgehen. Jede Person/Gewalt ist von einem individuellen mythologischen Gott beeinflusst. Ich denke, du kannst jeden Gott oder jede Gewalt auch parapsychologische Begriffe übertragen. Die Handlung stellt einen abstrakten Kampf zwischen den Personen/Gewalten dar. Vielleicht endet alles im Chaos und dem Verlust der Balance. „Ruun“ meint einfach „Rune“ und steht für das Symbol, eine Art Ursprungstitel der gesamten Geschichte. Wie tief der Hörer in die Geschichte eintauchen will, das ist eine andere Sache, das Album kann mit oder ohne Hintergrundwissen gefallen. Es gefällt in jedem Fall!!

Du bist ja Songwriter, erzähle doch ein wenig über den Prozess des Schreibens, bitte. Du setzt dich ja kaum hin und zack, da sind die Ideen für unzählige Tracks da. Wie läuft das bei dir ab?
Ivar: Wie wir schon früher beredeten, haben wir eine unterschwellige Handlung. Den Schreibprozess zu starten bedeutet im Pool der Gedanken zu schwimmen und nach Ideen zu suchen. Die Herausforderung besteht darin, den Ideen genügend Platz zu gewähren, damit sie vollwertige Songs werden können, meine Theorie ist, dass die Lieder am aufregendsten sind, wenn man sie richtig behandelt hat. Solange sie einem Ort hinter dem alltäglichen, ratinalen Verstand entspringen, werden sie etwas interessantes und aufregendes in den Gedankenalltag bringen. Ich denke, „Schnappi, der kleine Krokodil“ oder „The Ketchup Song“ sind harte Beispiele, wenn du Musik zu sehr von zu wachen und traumlosen Teilen des Verstandes ableitest.
Nachdem aus Ideen Musik entstanden ist, gebe ich dem Rest der Band grundlegende Skizzen davon und wir entwickeln sie, und nehmen sie oftmals im Heimstudio auf bevor sie fertig sind für die richtigen Aufnahmen.

Ihr habt gleich zwei Videos für „Ruun“ aufgenommen, wie kam es dazu? Man liest ja in letzter Zeit immer häufiger, dass Bands des extremen Metals Video-Clips aufnehmen, was war für euch da der Reiz dran, auch diesmal wieder ein Video aufzunehmen?
Ivar: Warum nicht? Wie soll ich das beantworten? Warum macht ihr euer Magazin? Ich denke, weil ihr das machen wollt und wir handeln genauso. Ich denke, viele Hörer erwarten eine visuelle Repräsentation um den Song begleiten zu können. Das wichtigste wird immer der aktuelle Track sein, kein Zweifel. Es ist schön, auch eine visuelle Version davon bieten zu können, wir mögen es einfach. Beantwortet es deine Frage?

Warum gerade zu „Path to Vanir“ und „Essence“?
Ivar: Es sind starke Stücke mit starken Texten.

Ich hab gehört, ihr sollt doch recht heidnisch eingestellt sein, wie äußert sich das?
Ivar: Ich ehre ihn, indem ich nicht darüber spreche. Ich zeige es nicht, hehe. Das Größte an Geheimnissen wird nutzloser Small Talk wenn du versuchst, es in Worte zu fassen. Enslaveds Lyriken sind das, inwieweit ich ihn (den Glauben) ausdrücken würde.

Wie siehst du eigentlich den Hype um Pagan Metal? Bands dieser Sparte spriessen ja derzeit wie Unkraut aus dem Boden. Was bemängelst du, was gefällt dir?
Ivar: Ich bin in keiner Pagan Metal-Band, das heisst aber nicht, dass sie schlecht sind. Mein geschmack ist nicht besser als ihrer. Ich denke, sie wissen tief im Inneren ob das, was sie tun, richtig ist und sie vorwärts im Leben bringt oder ob sie einfach soziale Fehlfunktionen kompensieren. Sie können tun, was sie möchten; ich fühle aber keine Verwandtschaft zwischen mir und der Pagan Metal-Bewegung in irgendeinem Fall.

Wie findest du diese Bands eigentlich? Gibt es da Favoriten oder Bands, die du überhaupt nicht leiden kannst?
Ivar: Egal was sie machen und wie sie klingen, sie sollen tun, wonach sie verlangen, solange sie anderen dasselbe Recht gewähren. Anders gesagt, habe ich weder Bands, die ich kritisiere, noch Bands, die ich speziell mag.

Was hälst du von dem Gebrauch des Heidentums in den Lyrics usw. der Bands? Findest du das gut, dass die Texte oftmals auf Oberflächliches beschränkt werden und so ein Klischee entsteht oder kannst du das überhaupt nicht leiden?
Ivar: Ich kümmere micht nicht zu sehr darum, was andere Bands tun, wie gesagt, denn es gibt genug bei uns zu tun. Wenn sie mit einer oberflächlichen Manier arbeiten wollen, ist es ihr verlust oder Gewinn, nicht meiner. Ich wünsche ihnen Glück bei dem, was sie tun. Warum auch nicht?

Wie empfandet ihr den Sieg des u.a. norwegischen Grammys eigentlich? Ihr habt euch ja immerhin gegen andere Größen durchgesetzt.
Ivar: Wir waren natürlich stolz darauf, diese Anerkennung zu erhalten, es hat für uns aber nichts verändert. Wir konzentrieren uns nach wie vor darauf, hart zu arbeiten um besser zu werden. Der Preis, den wir erhalten haben, ist vom Mainstream erfunden worden und wir sind außerhalb des Mainstreams, für uns ist es da wichtiger, eine Ausnahme in der Metalwelt darzustellen. Wir haben die Trophäe unserem lokalen Pub geschenkt; dem Garage Club in Bergen.

Ihr spielt ja bisher in Deutschland nur auf dem Party.San, folgen noch weitere Festivals in Deutschland? Wenn ja, welche?
Ivar: Unserem Management nach wird das der einzige Deutschland-Auftritt vor unserer „Ruun“-Tour sein. Aber man weiss ja nie.

Was hälst du von „Mischfestivals“, also Festivals, wo verschiedene Metalstile vertreten sind? Besser oder eben schlechter als Festivals nur einer Spielrichtung des Metals?
Ivar: Ich denke, beide bieten wichtiges an; es ist nicht möglich zu sagen, was besser ist. Wenn du verschiedenen Metal magst, dann gehst du besser zu einem gemischten Festival und wenn du nur Black Metal magst, dann denke ich, ziehst du ein Black Metal-Festival vor? Ich kann nicht sagen, was nun besser ist, entschuldige.

Ihr geht ja auf Europa-Tour zusammen mit Vreid und Khold. Ich hab gelesen, ihr kommt mit Vreid sehr gut aus, wie steht es mit Khold? Wird das im Endeffekt ein Touren befreundeter Bands oder einfach Touren von Bands unter demselben Flaggschiff, Tabu Recordings?
Ivar: Beide Bands sind gute Freunde, nicht nur Labelkollegen. Die Tour wird diesen Herbst stattfinden, Details folgen noch!

Mich würde ja mal die Motivation zur Band „Desekrator“ interessieren, wie kamt ihr auf die Gründung dieses Spaß-Projektes und wieso habt ihr das seinerzeit wieder aufgelöst?
Ivar: Es wurde erschaffen als Menschen betrunken waren und es wurde aufgelöst, als sie wieder nüchtern waren. Keine gute Idee, nicht empfehlenswert. Ich finde das Album unglaublich langweilig, aber ich denke, es war hier und das Spass.

Das war es auch schon, ich bedanke mich recht herzlich für das Interview bei dir!

Geschrieben am von Metal1.info

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