Interview mit Sad Sir von End Of Green

Mit „Void Estate“ haben END OF GREEN erneut unter Beweis gestellt, dass sie eine der konsistentesten Dark-Rock-Bands Deutschlands sind. Schon ganze 25 Jahre lang verbreiten die Düstermusiker mit ihrem „Depressed Subcore“ Regentagstimmung unter der Hörerschaft und machen immer noch keine Anstalten, damit aufzuhören. Warum Gitarrist Sad Sir dem eigentümlichen Fantasie-Genre der Band nicht viel abgewinnen kann, was er über den bisherigen Werdegang von END OF GREEN denkt und wer für ihn der perfekte Death-Metal-Sänger ist, erfahrt ihr unter anderem im folgenden Interview.

END OF GREEN gibt es nun schon seit 25 Jahren. Wie fühlst du dich bei diesem Gedanken?
In erster Linie: alt. (lacht) Wir haben uns ja nie vorgenommen, wie lange wir das alles machen werden. Ich glaube, wir planen seit 25 Jahren nichts außer vielleicht das halbe Jahr, das vor uns liegt. Da überrascht es umso mehr, dass wir jetzt schon seit so langer Zeit einigermaßen unbeschadet unsere Lieder schreiben.

Wenn du auf euer bisheriges Schaffen – insbesondere eure älteren Sachen im Vergleich zu den neueren – zurückblickst, was denkst du dir dann?
Ehrlich gesagt können wir das vermutlich am allerwenigsten einschätzen. Kürzlich dachte ich: „Irre, wie viele Platten das sind!“ Unsere Entwicklung lasse ich dabei völlig außer Acht, weil man derartiges ja auch nicht plant oder planen kann. Ich habe in vielerlei Hinsicht den Eindruck, dass wir eigentlich noch genauso „funktionieren“ wie wir das immer schon gemacht haben: Wir schreiben Lieder, wie wir uns gerade fühlen, veröffentlichen Platten und gehen auf Tour. Das ist der grobe Kern. Und irgendwie ist es manchmal etwas seltsam, wenn Leute sich darüber beschweren, dass wir nicht mehr so klingen wie vor 15 Jahren.

Wie sieht es bei euch in puncto Kreativität aus? Wird es nach so vielen Jahren und Veröffentlichungen schwerer, sich etwas Neues einfallen zu lassen?
Überhaupt nicht. Es ist wahrscheinlich weit schwieriger, nicht bequem zu werden und Dinge so zu machen, wie man das beim letzten Mal gemacht hat. Die Ideen, die Inspiration für Musik sind allgegenwärtig bei uns – und wenn das mal nicht so sein sollte, dann schreibt man eben keine neuen Lieder oder arbeitet an den Stücken, bis sie einem gefallen. Das ist keine Raketenphysik, eher so ein Ventil.

Ihr habt euren Stil als „Depressed Subcore“ bezeichnet. Bist du immer noch der Ansicht, dass das eure Musik besser beschreibt als andere, herkömmliche Genres? Falls ja, inwiefern?
Ganz ehrlich: Ich konnte den Begriff nie sonderlich leiden, auch weil Depression eine wirklich ernsthafte Krankheit ist… und auch, weil ich uns nicht sonderlich „deprimierend“ finde, sondern eher das Gegenteil davon. Ich nenne unsere Musik gerne „Schlechtwettermusik“ – das passt auch irgendwie.

Ob man eure Musik eher als Rock oder Metal bezeichnen sollte, ist sicherlich für viele diskutabel. Hast du trotz eurer anderen Stilistik im Gegensatz zu euren Anfängen noch einen Bezug zum Metal?
Definitiv. Nur konnte ich schon mir 14 Jahren nichts Schlechtes daran finden, mich auch für andere Musik zu interessieren. Es liegt, denke ich, auch an der himmelschreienden Engstirnigkeit vieler Metaller, dass sie sowas nicht verstehen können. In meiner Welt spricht nichts dagegen eine Mix-CD mit Bolt Thrower, Bruce Springsteen, Bad Brains, Blind Guardian, The Cure oder Gil-Scott Heron vollzuballern. Für mich ist „Wolverine Blues“ von Entombed mindestens so essentiell wie „Henry’s Dream“ von Nick Cave.

Was, denkst du, sind deine Stärken und Schwächen als Musiker?
Ich glaube, ich kann mich von Genres lösen, weil sie mir wirklich am Arsch vorbeigehen. Ein gutes Lied ist ein gutes Lied. Mir bums, ob die Gitarre untergestimmt ist. Meine Schwäche ist offensichtlich: Ich bin kein Virtuose, spiele eher aus dem Bauch und dem Arsch.

Abgesehen von dem Live-Album „Silent Night“ war es nach „The Painstream“ vier Jahre still um END OF GREEN. Was hat sich in der Zeit bei euch so getan?
Wir haben uns etwas um uns selbst gekümmert, das muss auch ab und an sein. Auf Akustik-Tour waren wir auch und wir haben fleißig Lieder geschrieben. Ich denke, manchmal ist es gut, sich selbst ein bisschen zurückzunehmen und nicht auf Biegen und Brechen präsent zu sein, nur damit man das ist. Eine alte Regel von uns: Wenn wir nichts großartig zu erzählen haben, halten wir die Klappe.

Euer neuestes Album heißt „Void Estate“. Es handelt sich zwar nicht um ein Konzeptalbum, aber gibt es dennoch einen roten Faden, der sich durch die Texte zieht? Worum geht es im Allgemeinen?
Der rote Faden ist wahrscheinlich die Grundstimmung, die etwas gedrückter als sonst ist. Wir haben immer schon Stücke über das geschrieben, was uns bewegt – dieses Mal haben wir uns mehr mit dem Tod, Krankheit und Zerfall beschäftigen müssen als uns selbst lieb war. Ging aber nicht anders.

In welcher Verbindung steht das trost- und farblose Artwork zu den Lyrics?
Ich glaube, das unterstreicht die Grundstimmung nochmal. Wobei ich dennoch der Meinung bin, dass da immer ein Stück weit auch Licht in unserer Musik ist. Zumindest bei mir setzt vordergründig dunkle Musik immer wieder gute Gefühle frei.

Was sind für dich die signifikantesten Unterschiede zwischen „Void Estate“ und dem Vorgängeralbum?
Bei „Void Estate“ herrscht eine Dynamik, die ich von uns bislang nicht kannte. Genau erklären kann ich das nicht, aber als wir die Platte zum ersten Mal am Stück gehört haben, war erst mal Ruhe in der Bude. „The Painstream“ hat sich für meinen Geschmack etwas leichter, fast gefälliger angefühlt.

Wie ist das Feedback seitens der Fans und Kritiker ausgefallen? Und spielt das für dich eine Rolle?
Im Grunde ist es immer gleich: Die einen schreien laut „scheiße“, andere finden sich in den Liedern wieder. Das war schon immer so und das soll sich bitte auch nicht ändern. Ich wäre skeptisch, wenn sich plötzlich alle auf uns einigen könnten. (lacht) Kritiken finde ich immer interessant, zumindest wenn sie sich tatsächlich mit der Musik und nicht mit Mützen befassen.

Welcher Track auf eurer neuen Platte ist dein persönlicher Favorit und aus welchem Grund?
Momentan gefällt mir „Like A Stranger“ ziemlich saugut. Und ich finde „Dark Side Of The Sun“ sehr stark.

Ihr habt bereits ein paar Konzerte für den Herbst geplant. Mit welchen Bands, mit denen ihr bisher noch nicht das Vergnügen hattet, würdest du gerne mal auftreten?
Die Liste geht ins Bodenlose. Meine Lieblingstourpartner derzeit wären Jack Frost, Memoriam und Wolves Like Us. Undertow ist aber auch ganz okay, oder? (lacht)

Wie wichtig ist es euch, live zu spielen, im Vergleich zur Arbeit an neuen Songs?
Live bekommen unsere Lieder manchmal ein völlig neues Eigenleben, das gefällt mir ziemlich gut. Ich bin auch der felsenfesten Ansicht, dass ich eine Band erst einschätzen kann, wenn ich sie auf der Bühne gesehen habe. Bei Konzerten wird das alles irgendwie ins echte Leben übergesetzt – die Möglichkeiten im Studio sind heutzutage ja unermesslich.

Wie wird es ansonsten als Nächstes mit END OF GREEN weitergehen?
Hoffentlich geht das überhaupt alles weiter. (lacht) Wie schon erwähnt: Wir planen selten sonderlich langfristig. Wenn’s nach mir ginge: Tour spielen, neue Lieder, Platte und wieder auf Tour. Da bin ich denkbar simpel gestrickt.

Kommen wir langsam zum Ende. Nun noch unser traditionelles Metal1.info-Brainstorming:
Type O Negative: Fantastische Band und ich werde dennoch nicht müde, zu erwähnen, dass mir „Slow, Deep & Hard“ am allerallerbesten gefällt. Diese Platte ist schlichtweg fantastisch.
Clown: Ich war gerade im Kino und hab mir „Es“ angeschaut. Es hat meine Meinung über Clowns nicht verbessert. Das sind zwielichtige Gestalten.
Gutturaler Gesang: George Corpsegrinder Fisher, ganz klar. Riesentyp, in jeder Hinsicht. Und ich möchte unbedingt mal loswerden, dass Karl Willetts für mich der perfekte Death-Metal-Sänger ist. Ich habe keine Ahnung, wie er das macht, aber den Mann fühlt man im Herzen – ob früher bei Bolt Thrower oder jetzt Memoriam. Da bin ich Fanboy. Ich hatte neulich beim Hotelfrühstück Karl Willetts und Johan von Amon Amarth am Frühstücksbuffet gesehen. Das ist der Moment, in dem man sich sicher fühlt. (lacht)
Sommer: Tolle Jahreszeit, besonders nachts. Auch wenn meine Frisur ab Temperaturen über 25 Grad sehr, sehr ungeschickt ist. Als würde man sich einen Teppich umbinden.
Club-Show vs. Festival: Beides super. Da wir auf Festivals eher selten Headliner sind, bevorzuge ich dennoch Club-Shows, weil wir da länger spielen dürfen.
END OF GREEN in fünf Jahren: Im Ernst: Keine Ahnung. Aber hoffentlich am Leben. Alle.

Danke nochmal für deine Antworten. Wenn es noch etwas gibt, das du den Lesern sahen möchtest, zu dir keinen Zwang an:
Seid nett zueinander. Und zu Tieren. Das ist wichtig. Ansonsten möchte ich mich von ganzem Herzen bedanken, dass Ihr uns eure Zeit schenkt und unsere Lieder anhört. Ehrlich. Ich finde sowas nicht selbstverständlich. Täglich kommen drölf Millionen Platten raus und dann gibt’s noch mindestens doppelt so viele alte Platten, die noch keiner gehört hat. Ich finde es schön, wenn sich jemand für uns entscheidet.

Publiziert am von Stephan Rajchl

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