Interview mit Till Oberboßel von Elvenpath

Elvenpath sind eine kleine, aber feine Heavy-Metal-Band aus Frankfurt am Main. Anlässlich des Releases ihres aktuellen Albums „Pieces Of Fate“ haben wir uns mit Gitarrist Till in Verbindung gesetzt und ihn mit unseren Fragen nach dem Album, dem Aufnahmeprozess und der Frankfurter Metal-Szene gelöchert. Seine durchgehend interessanten und bedachten Antworten lest ihr hier!

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Wie läuft es zurzeit im ELVENPATH-Camp?
Danke der Nachfrage, wir können nicht klagen. Unser neues Album ist nun seit drei Monaten auf dem Markt, die Reaktionen seitens Presse und Publikum sind durchweg gut, die Verkäufe auch zufriedenstellend, live bewegt sich einiges. Es geht also gut voran, was uns natürlich sehr freut.

Als ich eure CD zur Rezension bekam, dachte ich angesichts des Namens und der Covergestaltung gleich: Oh, das wird keyboardlastig. Wurde es aber gar nicht. Hört ihr oft, dass die Leute instinktiv etwas anderes von euch erwarten, als ihr macht?
Tja, man sollte ein Buch nicht nach seinem Einband beurteilen. Wir waren früher in der Tat ein wenig keyboardlastiger, hatten anfangs sogar einen festen Keyboarder in der Band, aber die Musik hat sich einfach anders entwickelt. Heute nutzen wir nur noch hier und da ein wenig Keyboard, um die Atmosphäre etwas aufzupeppen.
In manchen Kritiken ist durchaus zu lesen, daß der Rezensent erstmal Gothic oder Symphonic Metal erwartetete, und über den Namen wird auch immer mal ein wenig gelästert. Vermutlich hätten wir uns irgendwann doch in Iron Path Of Steel umbenennen sollen lacht. Die melodiösen Einflüsse sind bei uns ja auch nicht von der Hand zu weisen, aber wer sich nicht nur den Namen und das Cover anschaut, sondern auch die Musik anhört, wird schnell merken, wohin die Reise geht. Bei manchen Leuten überlagert aber das Vorurteil aufgrund des Namens offenbar alles andere: Ich erinnere mich da an einen Kommentar im Internet zu einem Konzert vor zwei Jahren, in welchem wir als „Freedom Call für Arme“ bezeichnet wurden. Solche Leute haben vermutlich auch Schwierigkeiten, AC/DC und Morbid Angel auseinanderzuhalten.

Till„Pieces Of Fate“ ist euer inzwischen viertes Album. Hattet ihr euch damit etwas Bestimmtes vorgenommen, wolltet ihr irgendwas anders machen als bisher?
Wir zählen es als drittes Album, da wir „Gateways“ als Demo betrachten. „Vorgenommen“…nun, wie alle Bands wollten wir natürlich unser bislang bestes Album erschaffen. Diese Motivation muss ja da sein, damit man sich noch weiter steigern kann. Mit dem letzten Album sind wir auch rückblickend immer noch sehr zufrieden, und auch damals waren die Reaktionen überwiegend gut bis sehr gut. Aber wir wollten versuchen, nochmal einen draufzusetzen und zwar in jeglicher Hinsicht: spiel- und gesangstechnisch, kompositorisch, produktionstechnisch… Ich glaube, das ist uns auch gelungen. Wir haben uns, nachdem die Songs fertig waren, ganz bewusst ein volles Jahr Zeit genommen, um sie auszufeilen, häufig zu spielen und reifen zu lassen. So verhindert man überstürzte Aufnahmen, die man dann später bereut und das Album lieber nochmal komplett neu machen würde.

Das heißt also, ihr seid als Band mit dem Ergebnis vollkommen zufrieden? Oder gäbe es noch eine Sache, die ihr im Nachhinein anders machen würdet?
Wir sind sehr zufrieden mit dem Album! Ich bin überzeugt, daß wir es geschafft haben, das letzte Album zu übertreffen. Vor allem finde ich die Produktion besser und Dragutin hat sich gesanglich auch nochmal gesteigert – wir haben ihm auch einiges abverlangt und ihn ganz schön schwitzen lassen lacht.
Ein paar Details, die man im Nachhinein anders machen würde, gibt es aber immer. Das sind aber wirklich Kleinigkeiten – ein Drumbreak hier, eine Gitarrenharmonie da, ein Schrei dort. Nichts was mir die Zufriedenheit mit dem Album rauben würde. Wie gesagt haben wir die Songs lange reifen lassen – bis zu dem Punkt, an dem sie aufnahmebereit waren. Das könnte man zwar noch ewig fortsetzen, aber dann gäbe es nie ein neues Album.

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Das Cover erinnert mich ein bisschen an Blind Guardians „A Night At The Opera“ – Zufall oder Absicht?
Einerseits Zufall, da wir das nicht beabsichtigt hatten, andererseits zählen Blind Guardian zu unseren Haupteinflüssen, das spielt natürlich auch in die Gestaltung hinein. Wir wollten diesmal optisch etwas edel wirken, daher die Fotos im Opernsaal und das Cover. Wir haben dem Zeichner eine grobe Vorstellung genannt („Wir als elbische Band auf einer Opernbühne mit einem Publikum aus Metalfans und Fantasywesen, mach mal was draus!“), und was der gute Markus Vesper zusammengemalt hat, hat uns wirklich aus den Schuhen gehauen. Der Detailreichtum ist wirklich großartig und ich hoffe, daß wir das Album irgendwann auch als LP veröffentlichen können, damit das Cover schön groß rauskommt. Mit dieser Kombination aus festlicher Umgebung und Fantasy ist natürlich eine Querverbindung zu Blind Guardian gegeben, aber das war nicht die Intention. Ich sehe eher noch eine Parallele zu Helloweens „Live in the UK“.

Elvenpath-POF-Cover_webKannst du uns etwas über das Songwriting für „Pieces Of Fate“ erzählen? Wie geht ihr vor?
Grundsätzlich haben wir drei Komponisten in der Band (Cris, Oli und ich), die ihre Songs alleine zu Hause schreiben. Das fertige Stück erhält dann beim gemeinsamen Proben sein Feintuning, dabei werden die Parts ausgefeilt und eventuell auch noch ein bisschen verändert, bis alles passt. Manchmal kommt es aber auch vor, daß wir gemeinsam komponieren. Das passiert entweder spontan – „Battlefield of Heaven“ entstand aus einer Jamsession während einer Probe, als ich einfach mal dieses Riff spielte, dann kam halt eins zum anderen und am Ende der Probe hatten wir ein fertiges Stück. Oder wir schreiben gezielt zusammen, wenn einer sich verzettelt hat und nicht so recht weiterkommt. Ein Beispiel dafür ist „On the Elvenpath“.
Wir schreiben kein Album als Ganzes, wir schreiben Songs und schauen dann, welche Auswahl und Abfolge für ein neues Album am ehesten Sinn ergibt. Daher gab es auch keinen bestimmten Punkt, an welchem wir angefangen haben, die Stücke für „Pieces of Fate“ zu schreiben. Manche Stücke haben auch schon einige Jahre auf dem Buckel, haben aber ihre Zeit gebraucht, bis sie nun aufgenommen werden konnten.

Hast du persönlich einen Lieblingssong auf dem neuen Album?
Ich mag alle Stücke, aber mein Favorit ist „On the Elvenpath“. Da möchte ich in aller Bescheidenheit sagen, daß es uns gelungen ist, einen epischen, düsteren Hammersong zu schreiben, der recht breitgefächert ist und dem Hörer viel Abwechslung bietet. Vom zarten Harfenintro bis zum thrashigen Mittelpart ist alles vertreten, außerdem besitzt das Stück einen mitreißenden Refrain und Dragutin zeigt so richtig, was er stimmlich kann. Ich mag es auch, wie in dem Song die textliche Geschichte erzählt wird – neben den Worten spielen hier auch Soundsamples und natürlich die musikalischen Stimmungen eine Rolle. Es macht unheimlich viel Spaß, das Stück zu spielen – am Ende verfallen wir immer in eine langgezogene Jam und können und wollen kein Ende finden lacht.

Hattet ihr schon Gelegenheit, Teile des neuen Materials live aufzuführen? Welche Songs haben besonders gut funktioniert?
Generell spielen wir Songs oft live, bevor wir sie aufnehmen – das gehört zu dem bereits angesprochenen Reifungsprozess. Die meisten Bands präsentieren neue Stücke ja erst nach Veröffentlichung live; bei uns ist das genau umgekehrt. Und bei der Releaseparty am Veröffentlichungstag haben wir es uns auch nicht nehmen lassen, das komplette Album in voller Länge darzubieten. „Battlefield of Heaven“ und „Wild Boars of Steel“ sind aufgrund ihrer Eingängigkeit auf jeden Fall sehr gute Livesongs, auch „Mountain of Sorrows“ und „Queen Millennia“ gehen sehr gut, „On the Elvenpath“ auch, aber aufgrund der Länge konnten wir den noch nicht oft live spielen. Gerade bei Festivals hat man ja begrenzte Spielzeit, da müssen solche Songs in der Regel leider außen vor bleiben.IMG_7716

Drei bzw. vier Alben, aber kein Labelvertrag – wollt ihr gar keinen? Ist es schwierig, so lange weiter zu machen, ohne die Unterstützung eines Labels? Oder braucht man die heute gar nicht mehr?
Die beiden letzten Alben haben wir notgedrungen als Eigenproduktion veröffentlicht, da wir keinen brauchbaren Deal bekommen haben. Wir hatten ein paar Angebote, aber da war nichts dabei, was uns wirklich etwas gebracht hätte. Bei dem heutigen Zustand der Musikindustrie sind Labels leider kaum noch bereit, wirklich etwas in eine kleinere Band zu investieren – da bekommt man weder ein anständiges Budget noch wirkliche Werbung.
Daher haben wir uns mit „Pieces of Fate“ entschlossen, von vornherein den Do-It-Yourself-Weg zu gehen und haben uns gar nicht mehr um einen Vertrag bemüht. Wenn wir ohnehin alles selbst bezahlen und die Promotion mehr oder minder selbst machen müssen, brauchen wir kein Label. So haben wir die Kontrolle über alles und stehen auch finanziell besser da. Wir verkaufen vielleicht nur halb so viele CDs, bekommen dabei aber trotzdem deutlich mehr raus. Ich will für die Zukunft nichts ausschließen, aber derzeit sehen wir keinen Grund, zu einem Label zu gehen.

IMG_2551Ihr kommt ja aus Frankfurt am Main. Von meinem Standpunkt aus wirkt es so, als ob ihr da unten eine wirklich lebendige Metalszene habt. Kannst du uns nicht-Frankfurtern etwas darüber erzählen?
Ich finde es erfreulich, dass das mal jemand bemerkt – die meisten Leute sehen Frankfurt eher als Metalwüste an, dabei haben wir hier wirklich eine lebendige Szene mit vielen Bands und Konzerten! In Sachen Bands sind Tankard sicherlich die bekanntesten und genießen auch völlig zurecht diesen Status. Aber auch sonst gibt es von melodisch bis brutal die ganze Bandbreite.
Was Konzertlocations angeht, ist es aber gerade für kleine Bands in den letzten Jahren schwieriger geworden. Man findet nicht mehr so einfach Läden, wo man Gigs aufziehen kann. Erwähnenswert sind aber trotzdem der Elfer, das Nachtleben und natürlich, wenn auch ein Stück größer, Frankfurts „gudd Stubb“, die Batschkapp. Die ist leider vor zwei Jahren abrissbedingt aus dem angestammten Haus in eine Industriehalle am anderen Ende der Stadt umgezogen und hat einiges von ihrem Charme eingebüßt, aber immerhin gibt es sie noch. Erwähnung finden sollte natürlich auch das Speak Easy, Frankfurts einzig wahre Metalkneipe, die schon seit rund 30 Jahren die Metalfans mit Musik und Flüssigkeit versorgt.
Da Frankfurt das Zentrum des Ballungsraums Rhein-Main darstellt, spielt sich aber natürlich auch einiges in den umliegenden Städten ab. So gibt es auch Bands, Konzerte und Tränken in Mainz, Wiesbaden, Darmstadt, Flörsheim, Rüsselsheim, Offenbach…

Hast du irgendeine Idee, warum das bei euch so gut funktioniert? Gibt es etwas, das ihr anders macht als andere Regionen?
Es liegt am Apfelwein!
Abgesehen davon kann ich das nicht so gut beurteilen, da ich andere regionale Szenen nur als Gast kenne. Ich finde aber nicht, daß wir da so die Speerspitze darstellen. Wir sind eher gutes Mittelfeld, würde ich sagen. Was ich aber immer wieder erlebe, sind Klagelieder von Fans oder Bands, daß in ihrer Region nichts los sei. Da gibt es keine Konzerte und wenn doch, dann kommt niemand, außerdem ist natürlich immer gerade die Steelrichtung angesagt, die man selbst nicht mag oder spielt…nun, man kann jammern, man kann aber auch etwas ändern. Konzerte organisieren, bewerben, nicht aufgeben. Beispielsweise höre ich von Power Metal-Bands aus allen Ecken des Landes: „Bei uns ist nur Death und Black Metal angesagt.“ Na wo sind denn dann die ganzen Leute, die man dann bei Hammerfall oder Grave Digger sieht? Es entspricht nicht meiner Erfahrung, daß es einen Landstrich gibt, wo Power Metal überhaupt nicht läuft, man muß eben Werbung betreiben und sich auch gut präsentieren. Wir haben in so manchem Laden gespielt, wo sonst immer nur härtere Bands waren und der Veranstalter glaubte, da kommt keiner, und dann war’s voll und die Leute haben die albernen Poser aus Frankfurt abgefeiert.
Um auf die Region Rhein-Main zurückzukommen – ich habe keine klare Antwort darauf, warum hier einiges los ist, aber ich finde es auch nicht besonders. Wo Metalfans zusammenkommen und sich Mühe geben, der Szene vor Ort Leben einzuhauchen, entsteht auch etwas. Aber diese Mühe muß man sich geben, denn von nichts kommt eben auch nichts.

IMG_2379Den Song „Wild Boars Of Steel“ habt ihr für den „Taunus Metal Club“ geschrieben. Was macht der Club und wie kam es dazu, einen Song für ihn zu schreiben?
Es handelt sich dabei um einen Verein von Metalfans, der – wer hätte es gedacht – im Taunus, also links oben neben Frankfurt, ansässig ist. Die Jungs und Mädels haben früher öfters Gigs organisiert, um den Metal zu fördern, mittlerweile machen sie nur noch einmal im Jahr ein Festival. Das Taunus Metal Festival findet in der Regel im April statt, erstreckt sich über zwei Tage und bietet Bands von Heavy bis Thrash Metal (mit gelegentlichen Ausreißern in härtere Dimensionen) die Möglichkeit, aufzutreten.
Wir sind mit den Leuten vom Verein schon lange freundschaftlich verbunden, haben schon öfters bei ihnen gespielt und helfen dafür beim Festival als Stagehand, Security oder Merchandiser aus. 2012 kamen sie dann auf uns zu und baten uns, eine Vereinshymne für sie zu schreiben. Wie hätten wir da nein sagen können? Wir haben also dieses Stück verfaßt und mit dem Verein an den Backing Vocals 2013 aufgenommen und als limitierte Single herausgebracht (der Erlös geht übrigens ans Frauenhaus Oberursel). Es ist ein echter Livekracher und bringt den Metalkult im Taunus auf den Punkt lacht.
Daher wollten wir es auch gerne für das neue Album verwenden, aber die Singleversion sollte schon exklusiv bleiben. Wir haben es darum nochmal neu aufgenommen.

Gibt es eine Band aus eurer Region, die wir vielleicht noch nicht kennen, die du uns aber unbedingt empfehlen würdest?
Ich gehe davon aus, daß Tankard jedem ein Begriff sind. Ansonsten will ich eine Reihe Bands aus dem Rhein-Main-Gebiet nennen bzw. empfehlen, die man durchaus mal anchecken sollte:
Heavy/Power Metal: Dragonsfire, Area Disaster, Thornbridge, Castle Well, Blizzen.
Symphonic Metal: Illusoria, Arven, Dark Desire.
Thrash Metal: Abandoned, Braindeadz, Insulter.
Death Metal: Epicedium, Al Goregrind, The Hellevator, Discreation.
Crossover: K.I.T., WeAreOne, All Will Know, Sapiency, Conjuring.

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Zum Abschluss würde ich gerne unser klassisches Metal1-Spiel mit dir spielen. Es ist eine Art Brainstorming, ich nenne dir ein paar Begriffe und du schreibst spontan und kurz dazu, was dir einfällt.
Deaf Forever
: Ein guter Motörhead-Song. Das Magazin finde ich weniger interessant…seit das „Heavy Oder Was“ vor einigen Jahren dichtgemacht hat, lese ich nur noch Fanzines.
Computerspiele: War nie meine Welt. Ich bin seinerzeit bei Tetris stehengeblieben.
Euro-Krise: Dazu möchte ich nichts sagen, da ich mich bei diesem Thema nicht kompetent fühle.
Dein letztes gekauftes Album: Gestern habe ich „Sade et Masoch“ von Fjoergyn auf Ebay geschossen. Habe ich schon eine Weile gesucht und nun die Diskographie dieser großartigen Band komplett.

Danke für das Interview! Gibt es noch etwas, das du ergänzen möchtest?
Vielen Dank an dich, dass wir die Möglichkeit bekommen haben, uns hier vorzustellen! Ich möchte alle Leute grüßen, die das bis hierhin gelesen haben. Geht auf unsere Website und besucht uns auf Facebook und hört mal in das neue Album rein – und wenn es euch gefällt, kauft es bitte, statt es herunterzuladen. Es wäre schön, wenn wir zumindest einen Teil der Kosten wieder reinbekämen. Wir hoffen, daß wir auch in eurer Nähe irgendwann spielen können und wir uns dann sehen. Unterstützt den Underground und den Metal!

Publiziert am von Marc Lengowski

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